19

Sie kamen in Loon Cove Lumber an, als das letzte von einigen Feuerwehrfahrzeugen auf den Hof raste. Ethan blieb vor dem Tor stehen und parkte, damit er nicht im Weg stand, und Anna war schon hinausgesprungen, noch ehe er den Motor abgeschaltet hatte. Sie lief zu dem Feuerwehrmann, der offenbar das Kommando hatte und laut Befehle rief. Er stand im Gegenwind der schwarzen Rauchwolke, die aus den Fenstern des Sägeschuppens quoll.

»Man muss den Sägespänehaufen mit Wasser besprühen, damit wir ihn dann eimerweise wegschaffen können«, meinte sie, als sie Keith im Chaos der umhereilenden Männer suchte. »Wenn wir den Haufen trocken wegschaffen, könnte es eine Selbstentzündung geben.«

»Wer zum Teufel sind denn Sie?« Er packte ihren Arm und wollte sie wegdrängen.

Anna ließ sich nicht beirren. »Ich bin hier Vorarbeiterin, und ich habe schon einige Sägewerkbrände in Quebec bekämpft. Mit wie vielen hatten Sie schon zu tun?«

Er ließ sie los. »Mit keinem«, musste er mit einem Blick zum Sägeschuppen zugeben. »Der Brandherd scheint die Säge selbst zu sein, wenn man Ihrer Belegschaft glauben will.«

»Ich werde mit unserem Bagger ein Loch ins Dach schlagen, damit Luft hineinkommt.« Sie hielt noch immer Ausschau nach Keith. Schließlich sah sie ihn mit Ethan und Alex auf sich zukommen. Ihre Gesichter waren von den Flammen beschienen, die durch die mittleren Fenster des langgestreckten und schmalen Sägeschuppens schlugen. Sie sah sich nach dem Feuerwehrmann um. »Ihre längsten Schläuche müssen an jedem Ende des Schuppens zum Einsatz kommen. So wird das Feuer in die Mitte gedrängt. Sobald ich eine Öffnung geschaffen habe, schlagen die Flammen nach oben. Sie werden sich nicht mehr ausbreiten und schließlich von selbst erlöschen.«

Er packte ihren Arm, als sie sich umdrehte. »Wir werden den Abzug ins Dach schlagen«, sagte er und versuchte wieder, sie zum Büro zu drängen.

Sie befreite sich mit einem Schulterzucken. »Männer auf das Dach zu schicken ist zu gefährlich. Mit dem Bagger lässt sich ganz einfach ein Loch schlagen.«

Eine plötzliche Explosion ließ Flammen und Rauch durch die Fenster und beide Enden der Sägehalle dringen. »Schließt diese zwei Schläuche an!«, rief er und lief auf Keith, Alex und Ethan zu.

»Keith, bring die Ladegabeln an der Baggerschaufel an. Sobald die Sägespäne befeuchtet sind, kann man sie vom Haus wegschaffen. Du musst alles um dich herum im Auge behalten. Wenn die Flammen zu nahe herankommen, dann nichts wie weg. Ethan«, übertönte sie den Lärm, »neben dem Maschinenschuppen gibt es einen Hydranten, der zum Fluss führt, und im Inneren gibt es drei Diesel-Wasserpumpen. Die Leute sollen Gebäude und Holzstapel besprühen. Sie wissen, wo die anderen Hydranten sind. Alex, das Holz, das heute gesägt werden sollte, muss hinausgeschafft werden.«

Keith wurde sofort aktiv, während Alex und Ethan sie anstarrten, als hätten sie kein Wort verstanden.

»Ich habe Brände in unseren eigenen Betrieben bekämpft, und ich kann euch sagen, dass die ganze Anlage in Flammen aufgehen wird, wenn wir uns nicht beeilen. Los jetzt!«, schrie sie und versetzte Ethan einen Stoß.

Er wich weder zurück noch wankte er. »Was hast du vor?«, rief er.

»Einen Abzug im Dach schaffen.« Und schon rannte sie zum Bagger.

Mit drei Schritten hatte er sie eingeholt und drehte sie zu sich um. »Okay«, wies sie ihn an, »fahr nur so nahe heran, dass du mit dem Ausleger eine Öffnung ins Dach schlagen kannst, und dann nichts wie weg.«

»Ja, Ma’am.« Nun war er es, der zum Bagger rannte. Anna sah noch, wie er in die große Maschine kletterte, dann lief sie zu einer Gruppe ihrer Belegschaft, die die Pumpen an den ersten der drei Hydranten anschloss. »Okay, Leute«, rief sie. »Wir haben das so oft geübt, dass ihr es im Schlaf könnt. Besprengt alles tüchtig, aber Vorsicht! Hier sind im Moment viele Geräte an der Arbeit. Betriebe können wieder aufgebaut werden, menschliche Körper nicht.«

»Sie haben es erfasst, Lady-Boss«, ertönte es einstimmig, ehe man breit grinsend an die Arbeit ging.

Die nächsten fünf Stunden war Anna ununterbrochen in Bewegung, rannte von Team zu Team, um zu sehen, wie die Leute sich machten, während sie Ethan nicht aus den Augen ließ, um sicherzugehen, dass er nicht wieder den edlen Ritter spielte und jemanden rettete. Als der Feuerwehrhauptmann sah, dass ihr Plan, das Feuer auf die Sägehalle zu beschränken, gelang, wandte er sich bei jedem Schritt ihres harten Kampfes um Rat an sie.

»Sie werden ein Einsatzfahrzeug samt Mannschaft über Nacht hier stationieren müssen«, riet sie ihm und setzte sich auf einen nassen Holzstapel, das erste Mal seit Stunden. Sie wischte ihr Gesicht mit dem Hemdzipfel trocken. »Wir lassen auch einige unserer Leute da, die Ihnen helfen werden. Brände in Sägewerken sind besonders hartnäckig, man entdeckt immer wieder Brandnester, die man für völlig erloschen hielt. Unsere Geräte bleiben einsatzbereit, um glühende Holz- und Sägemehlstapel notfalls auseinanderzuschieben.« Sie schüttelte müde den Kopf. »Ich habe schon erlebt, dass gewisse Stellen nach fünf oder sechs Tagen, als wir glaubten, wir hätten die Glut völlig gelöscht, wieder aufflammten.«

»Du bist total fertig, Segee«, stellte Ethan fest und ließ sich neben sie auf den Holzstapel fallen. Er legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Und du stinkst fürchterlich. Fahr nach Hause. Ich bleibe und helfe den Leuten.«

Eine große Gruppe dreckiger, erschöpfter Männer versammelte sich um sie, und Anna versuchte von Ethan abzurücken. Er aber zog sie wieder an sich und grinste sie aus seinem geschwärzten Gesicht an. Sein Zwinkern verriet ihr, dass er wusste, wie verlegen sie seine Besitzerpose machte.

»Im Büro gibt es jede Menge zur Stärkung«, sagte Sarah Knight, die mit ihren zwei Kindern herauskam.

»Es gibt auch Kuchen«, ergänzte Tucker, der die rußgeschwärzten Männer mit großen Augen anstaunte.

Anna stand auf und schüttelte Ethan energisch ab. »Ich bin am Verhungern«, meinte sie und ging zum Büro.

Delaney lief neben ihr her. »Toll hast du letzten Samstag ausgesehen«, bemerkte sie. »Wirst du Onkel Ethan wirklich heiraten?«

»Wirklich nicht«, erwiderte Anna und milderte ihre Worte mit einem schiefen Lächeln ab. »Ethan hat das nur gesagt, um mich zu beschützen.«

»Wovor?«

»Vor alten Gerüchten und vor dem Klatsch im Ort.«

»Onkel Ethan ist einsam.«

»Ach, wirklich?« Anna blieb vor der Tür zum Büro stehen. »Wie kommst du darauf?«

»Er geht nicht aus, hat keine Verabredungen, und er ist immer so ernst. Er braucht eine Freundin, die ihn zum Lachen bringt. Jemanden wie dich.«

»Ich glaube, ich mache ihn wahnsinnig«, gab Anna zu bedenken und musste selbst lachen. »Und du hast vielleicht Einsamkeit mit gewöhnlichem Griesgram verwechselt.«

»Genau das ist es. Seit er in Fox Run lebt, ist er viel glücklicher. Und er lacht mehr, wenn er zu Besuch nach Hause kommt.« In Delaneys Augen blitzte es, als sie lächelnd zu Anna aufblickte. »Ich glaube, er mag dich, weiß aber nicht, wie er es aussprechen soll.« Sie verzog das Gesicht. »Den ganzen Samstagabend hat er dich nicht aus den Augen gelassen.«

»Ja, weil er mich noch nie in einem Kleid gesehen hat«, antwortete Anna, öffnete die Tür und trat ein.

»Aber könntest du nicht wenigstens überlegen, ob du ihn heiraten möchtest?«, fragte Delaney und führte sie zu dem Tisch, auf dem die Speisen standen. Sie beugte sich näher zu ihr, damit die Frauen, die alles vorbereiteten, nicht mithören konnten. »Du könntest dich wenigstens manchmal mit ihm verabreden. Ich weiß, dass du dich in Onkel Ethan verlieben könntest, wenn du es nur versuchst.«

Auch Anna beugte sich vor. »Kannst du ein Geheimnis für dich behalten?«, flüsterte sie.

Delaney nickte.

»Ethan und ich waren heute unterwegs zu einem Date, als wir das Feuer gesehen haben. Würdest du hinaus zum Truck deines Onkels gehen und Bear für mich holen?«, bat sie das Mädchen und richtete sich auf. »Er steckt schon seit Stunden da drinnen. Du könntest ihn hereinbringen und ihm Wasser geben.«

»Klar«, sagte Delaney, die sich sichtlich freute, dass Anna sich mit ihrem Onkel verabredet hatte.

»Junge Frau, Sie treiben einem alten Mann die Tränen in die Augen. Den einen Tag tanzen Sie mit mir, und am nächsten retten Sie meine Sägemühle«, bemerkte Grady Knight, als er eintrat und sie herzhaft umarmte. »Danke, Anna«, fügte er hinzu und trat zurück. »Wir wissen zwar, wie man Waldbrände bekämpft, aber nicht, was bei Werksbränden zu tun ist.«

»Die können sehr hartnäckig sein.«

»Haben Sie eine Ahnung, was die Brandursache sein könnte?«, erkundigte er sich genau in dem Moment, als Paul mit Alex und Ethan daherkam. Beide sahen erschöpft aus und waren von Kopf bis Fuß mit Ruß verschmiert.

Anna schüttelte den Kopf. »In diesem Betrieb war alles vorschriftsmäßig in Ordnung. Die Sägehalle verfügt über ein Schaumlöschsystem. Ein Feuer hätte nach Anspringen des Löschsystems nicht mehr als zwei Minuten gedauert, vor allem hätte es sich niemals so rasch verbreiten können. Ehe Sie den Betrieb übernahmen, hat Tom Bishop die Ausrüstung überprüfen lassen.«

»Könnte es sich um Brandstiftung handeln?«, fragte Clay Porter, der näher kam und Anna einen vollen Teller reichte. Auch er war über und über rußig, sein Hemd war zerrissen, seine Hose bis zu den Knien nass.

»Sie glauben, jemand hat den Brand mit Absicht gelegt?«, wollte Anna wissen.

Clay sah Ethan an und sagte, ohne dessen finstere Miene zu beachten: »Ich wollte heute frühmorgens nach Jackman, um mir einen gebrauchten Harvester anzusehen, als mir ein Pick-up auffiel, der abseits der Straße an Ihrer nördlichen Begrenzung parkte.« Er sah Anna lächelnd an. »Und da ich die Angewohnheit habe, nach Schroteinschüssen Ausschau zu halten, blieb ich stehen und sah mir die Heckklappe an. Sie wies etliche winzige Einschüsse auf.«

»Haben Sie die Zulassungsnummer?«, fragte Ethan.

Clay griff in seine Hemdtasche und zog etwas heraus, das aussah wie eine herausgerissene Seite aus einem Anzeigenblatt. »Hier ist sie notiert. Es war ein sechs oder sieben Jahre alter dunkelblauer Ford-Pick-up, Fahrerkabine aufgesetzt, fehlender rechter Außenspiegel, im Heckfenster ein Sprung.«

»Das werde ich Tate übergeben«, sagte Ethan und nahm das Papier mit einem dankenden Nicken entgegen. »Haben Sie heute Morgen jemanden herumhängen sehen oder etwas Ungewöhnliches gehört?«

»Ich glaubte, ein leichtes Tappen von irgendwo im Inneren der Säge zu hören, doch dauerte das nur ein paar Sekunden und klang gedämpft, deshalb bin ich mir meiner Sache nicht sicher.« Er reichte Anna das Punschglas, das er in Händen hielt, und sie spülte das Sandwich hinunter, das sie förmlich verschlungen hatte.

Clay erwiderte Ethans Blick. »Ich frage mich, ob jemand den Feuerlöscher außer Gefecht setzte und es so einrichtete, dass der Brand aufflammte, als Sie heute die Säge starteten. Der Brandsachverständige müsste feststellen können, was passierte.« Er nickte Anna zu. »Es war nett, Sie wiederzusehen, Anna. Mein Angebot steht noch«, setzte er mit einem Augenzwinkern hinzu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder den Männer zuwandte. »Grady, Gentlemen«, sagte er mit einem Nicken. »Der Gedanke, dass ein Brandstifter hier sein Unwesen treibt, ist mir widerwärtig. Hoffentlich bringt uns die Zulassungsnummer weiter«, schloss er, drehte sich um und ging.

»Was für ein Angebot?«, grollte Ethan.

Anna biss in ihr zweites Sandwich. »Das Doppelte dessen, was du mir zahlst, wenn ich ihm helfe, ein Sägewerk von Grund auf aufzubauen.« Sie griff nach dem Stück Napfkuchen, das Clay vorausblickend auf ihren Teller getan hatte. »Und sein Versprechen, mich nicht zu feuern, wenn ich einen Hund rette. Ich fahre nach Hause, gönne mir ein heißes Bad und gehe zu Bett.« Sie sah Ethan direkt in die Augen. »Deine Belegschaft bekommt für heute einen ganzen Wochenlohn«, setzte sie hinzu, stopfte das Kuchenstück in den Mund und ging.

 

»Ronald Briggs? Sind Sie sicher?«, fragte Ethan. John Tate warf sein Funkmikro auf den Sitz seines Cruiser. »Der Pick-up ist auf seinen Namen registriert. Und jetzt sage mir, warum du ein Gesicht machst, als hättest du ein Gespenst gesichtet?«

»Ron Briggs war einer der Jungen, die Anna vor achtzehn Jahren unten am See bedrängten.«

»Und alle drei kamen ungeschoren davon. Ich habe mich immer schon gewundert, warum Samuel oder Madeline nie Anzeige erstatteten. Aber das hat nichts mit dem zu tun, was heute hier geschah«, betonte John. »Briggs würde alles tun, wenn die Kohle stimmt. Wenn er das Feuer legte, dann nur, weil ihn jemand dafür bezahlte.«

»Aber Clay sagte, dass das Heck von Briggs’ Wagen mit Schroteinschüssen übersät war, was bedeutet, dass er einer der Männer war, auf die Anna in jener Nacht schoss.«

»Das deutet nur daraufhin, dass wir wahrscheinlich recht mit unserer Vermutung haben und Frank Coots ein paar Hiesige für die Schmutzarbeit anheuerte.«

»Aber warum ein Brand in meinem Sägewerk?«

John strich über sein Kinn. »Vielleicht um deine Aufmerksamkeit abzulenken. Neuerdings hast du viel Zeit in Fox Run verbracht. Man kann einen Ort nur schwer durchsuchen, wenn sich dort ständig jemand aufhält.«

Ethan schnaubte. »Die hätten meine Säge nicht abzufackeln brauchen. Die nächsten zwei Tage hätten sie Fox Run Mill für sich haben können. Anna und ich waren schon praktisch unterwegs zur Küste.«

John legte Ethan eine Hand auf die Schulter. »Du hast nur die Sägehalle verloren.«

»Und beide Sägen.«

»Du wolltest mit Anna also auf und davon?« John schüttelte den Kopf. »Auch mit Ruß verschmiert sah sie heute viel besser aus als letzten Samstag, als du sie von der Tanzfläche schleppen musstest.«

»Und ich bin noch weit davon entfernt, ihre eine Ehe mit mir schmackhaft machen zu können.«

John zog erstaunt eine Braue hoch. »Das war kein Trick? Du willst sie wirklich heiraten?«

»Ich werde es versuchen.« Plötzlich erstarrte Ethan. »Herrgott, wenn das Feuer als Ablenkung gedacht war, könnte Briggs jetzt in Fox Run sein. Und Anna ist vor einer halben Stunde nach Hause gefahren.«

»Wessen Truck war es denn?«, wollte Alex wissen, der mit Grady und Paul zu ihnen stieß.

»Er gehört Ron Briggs«, sagte Ethan, der Alex’ Arm packte und ihn zum Parkplatz umdrehte. »Wir glauben, er könnte unsere Säge angezündet haben als Ablenkung, damit er Fox Run ungestört durchsuchen kann. Und Anna ist jetzt allein zu Hause«, erklärte er seinem Vater und seinen Brüdern, während sie zu seinem Truck rannten. »Rasch, wir müssen hier weg!«

»Ich fahre voraus«, rief John ihnen zu, als er in seinen Cruiser stieg. »Bleibt hinter mir.«

Alex und Paul stiegen in Ethans Truck, und Ethan sagte zu seinem Dad: »Jemand muss hier bei den Leuten bleiben.«

Grady nickte. »Ich bleibe hier. Seid vorsichtig, Jungs.«

»Keine Angst«, versprach Ethan, stieg ein und startete den Motor. Dicht hinter John, der sofort Sirene und Blaulicht einschaltete, bog er auf die Hauptstraße ein, dann ging es mit Höchstgeschwindigkeit nach Fox Run.

»Verdammt!«, knurrte Ethan und schlug aufs Lenkrad. »Jetzt ist sie schon über eine halbe Stunde allein.«

»Sie ist ein kluges Mädchen«, tröstete Alex ihn. »Falls Briggs herumschnüffelt, wird sie ein Plätzchen als Versteck finden.«

Ethan warf seinem Bruder einen kurzen Blick zu, dann sah er wieder geradeaus auf die Straße. »Du meinst die Frau, die mit der Schrotflinte gegen sie vorging. Verdammt, ich versteckte die Knarre unter der Couch!«

»Warum?«, fragte Paul erstaunt.

»Damit sie nicht wieder auf Menschen schießt.«

»Ethan, beruhige dich. Wir wissen ja gar nicht, ob Briggs dort ist.«

»Warum hätte er Loon Cove Lumber anzünden sollen, wenn er nicht Anna und mich von Fox Run hätte fortlocken wollen?«

»Na ja, da wäre noch deine überraschende Ankündigung von Samstagabend. Vielleicht trägt er dir noch nach, dass du ihn damals vor achtzehn Jahren verprügelt hast. Als er erfahren hat, wer Anna ist und dass du sie heiraten wirst, ist er ausgerastet.«

»Dann ist die Gefahr für sie noch größer. Verdammt, schneller, Tate!«, brüllte er die Windschutzscheibe an.

»Er fährt so schnell, wie die Straße es zulässt«, sagte Paul ruhig. »Was sucht Briggs eigentlich?«

»Eine sechzehn Jahre alte schriftliche Vereinbarung zwischen Samuel Fox und Joshua Coots. Es geht dabei um einen Landtausch.«

»Was hat das mit Briggs zu tun?«

»Frank Coots könnte Briggs und einen zweiten angeheuert haben, das Dokument zu suchen. Existiert es nicht, dann könnte Coots Anna vor Gericht bringen und den Verkauf mit der Begründung anfechten, sein Vater wäre nicht mehr bei Trost gewesen.« Er warf seinem Bruder einen raschen Blick zu. »Ich glaube auch, dass Samuels Unfall mit Absicht herbeigeführt wurde.«

Er spürte, wie Alex neben ihm erstarrte. »Der Alte wurde ermordet?«

»Auch John tendiert allmählich zu dieser Meinung … immerhin hatte Anna an derselben Stelle einen Unfall.«

»Wie?«

»Jemand muss die Straße vereist haben«, vermutete er, als er auf die Bremse trat und in Annas Zufahrt einbog, vor sich die Lichter von Johns Dienstfahrzeug, die wie eine blauweiße Lichterkette durch die Bäume kreiselten.

»Jetzt hat John das Sagen«, warnte Alex ihn.

John hielt schlitternd hinter Annas Truck an, und Ethan fuhr den Fußweg bis zur rückwärtigen Veranda entlang.

Alex griff nach seinem Arm, als Ethan aussteigen wollte. »Der Hund scheint ganz ruhig zu sein, wenn man bedenkt, dass wir hier einfallen wie Invasoren«, meinte Alex mit einem Kopfnicken zur Veranda. »Briggs kann nicht hier sein.«

»Der Hund ist doch taub und blind«, brummte Ethan, machte sich los und stieg aus. Er war mit drei Schritten auf der Veranda. »Anna, Anna!«

»Was ist?«, fragte sie, als sie plötzlich mit erstaunt aufgerissenen Augen am Türfenster erschien.

Ethan blieb abrupt stehen, als er sie erblickte. Er beugte sich vor, stützte die Hände auf die Knie und atmete zum ersten Mal seit zwanzig Minuten tief durch.

Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. »Was ist los?«, fragte sie erneut. »Ist das Feuer wieder aufgeflammt? Wurde jemand verletzt?«

»Wir dachten, deine Eindringlinge wären zurückgekommen«, erklärte Alex und trat neben Ethan. »Vielleicht sollten Sie etwas anziehen. Es kommen Männer ins Haus.«

Noch immer zu schwach vor Erleichterung, um sich zu rühren, hob Ethan nur den Kopf und sah Anna im offenen Eingang stehen, ein großes Handtuch um sich gewickelt, das sie an die Brust drückte, während ihr nasses Haar ihr auf die nackten Schultern tropfte.

»Bist du wieder zu meiner Rettung herbeigeeilt?«, wollte sie mit einem verträumten Seufzen von ihm wissen. »Wie kühn von dir, Ethan.« Sie richtete ihr aufreizendes Lächeln auf Alex. »Er ist so entschlossen, mich zu retten.«

Endlich richtete Ethan sich auf und ging zum Eingang und blieb vor ihr stehen. »Anna, es ist Ron Briggs. Wir glauben, dass er Loon Cove Lumber in Brand setzte und auch dein nächtlicher Eindringling ist.«

Ihr Lächeln erlosch sofort, sie erbleichte und wich einen Schritt zurück. John Tate kam aus dem Wohnzimmer in die Küche und blieb wie angewurzelt stehen, als er Anna sah. Er lief rot an; dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging schnell zurück ins Wohnzimmer.

»Ron Briggs?«, flüsterte sie. »B-bist du sicher?«

»Die Zulassungsnummer, die Clay uns gab, ist unter seinem Namen registriert«, entgegnete Ethan, umfasste ihre Schultern und drehte sie zum Badezimmer um. »Wo sind deine Sachen?«

»Oben«, flüsterte sie.

»Ich hole sie, während du dich abtrocknest.«

Leise schloss er die Badezimmertür und drehte sich zu seinen Brüdern um. »Stellt den Kessel auf und macht heißen Kakao«, bat er sie und ging an ihnen vorüber ins Wohnzimmer. »Wir sollten uns draußen umsehen«, sagte er zu John.

»Ja, ich arbeite mich durch die Nebengebäude durch.«

»Wir kommen mit«, erklärte Alex, als auch Paul und er das Wohnzimmer betreten hatten. »Ethan, du bleibst bei Anna.«

»Warum bleibst nicht du oder Paul bei ihr?«, konterte er, da er derjenige sein wollte, der Briggs fand.

Alex lächelte geringschätzig. »Weil wir mit unseren eigenen Frauen genug zu tun haben«, antwortete er und folgte John zur Tür.

Kaum waren die drei Männer aus dem Haus, als Ethan zwei Stufen auf einmal nehmend nach oben lief, ein paar Sachen aus der Kommode zog und wieder hinunterlief.

Leise klopfte er an die Badezimmertür. »Ich habe etwas zum Anziehen für dich.« Er öffnete langsam die Tür.

Er traf sie auf dem Wäschekorb sitzend an, bleich wie das um ihren Kopf gewickelte Handtuch.

»Warum hat Ron Briggs deine Säge in Brand gesetzt?«, fragte sie.

Ethan war erleichtert, dass sie sich nicht wieder völlig abgekapselt hatte. »Vielleicht um alle abzulenken, um dich und mich von Fox Run wegzulocken, damit er ungestört alles durchsuchen kann.« Er schnaubte. »Und vielleicht auch als Vergeltung, weil ich ihn vor achtzehn Jahren zusammenschlug.«

»Und du bist hierhergerast, da du dachtest, ich wäre nach Hause gekommen und hätte Ron Briggs hier angetroffen.« Sie berührte mit einem zögernden Lächeln seinen Arm. »Danke. Ronald Briggs wäre ich nicht gern allein entgegengetreten.«

Ethan zog eine Braue hoch. »Meine Anwesenheit ist also gelegentlich sehr erwünscht?«

Sie stand auf und griff nach ihren Sachen. »Natürlich. Dein Panzer hält viel mehr aus als meiner«, sagte sie keck lächelnd und versetzte ihm einen Schubs, damit er hinausging. »Außerdem kannst du kochen. Du könntest uns Eier mit Speck machen.«

Ethan warf einen Blick zurück. »Die anderen sind draußen und durchsuchen die Nebengebäude.«

»Dann solltest du zwei Dutzend Eier nehmen«, schlug sie vor und schloss die Tür.

Ethans irritierter Blick fiel auf die Wand. Seit wann war Kochen zu einer ritterlichen Pflichtübung aufgerückt?