Kapitel 44

 

 

Dies war eine Zeit der Verdrängung. Ihre Hände waren klebrig von Blut, und ihre Handfläche fühlte sich an, als hätten ein Dutzend Klapperschlangen ein Stück aus ihr herausgebissen. Emotional fühlte sie sich aufgerissen, als ob ihre Nerven auf der Außenseite ihres Körpers wären und selbst die Luft zu aggressiv wäre.

Jack lag auf dem Bett; er war blass und schwitzte, sein Haar war durcheinander. Er sah aus, als hätte er Fieber. Aber ein ernsthaftes, tödliches, Scharlachfieber vielleicht.

„Hast du Lucas gefunden?“, fragte Rachel.

Val wirbelte herum und sah Rachel in der Ecke auf einem Stuhl sitzen. Val nickte, da sie vorübergehend unfähig war, zu sprechen.

„Wo ist er?“

„Bewusstlos. Auf dem Boden im Gang.“

„Ich schätze, du kannst doch ordentlich reinhauen. Jack kommt zu sich. Er wird in wenigen Minuten bereit für die Bindung sein. Ich habe alles vorbereitet. Ich warte bloß darauf, dass er aufwacht. Er muss einverstanden sein, weißt du.“

„Was dann?“

Rachel stand auf und bewegte sich lässig auf Val zu mit einem leichten, fast mitleidigen Lächeln auf ihren Lippen. „Dann wird er Blut brauchen und das Blut, das er zu sich nimmt, wird ihn binden. Für immer.“

Val nickte stockend. „Möchtest du auf Lucas aufpassen, sicherstellen, dass er nicht aufwacht, während ich... Blut spende?“ Sie zuckte die Achseln, da sie keine besseren Worte fand.

„Oh, Lucas wird eine Weile lang nicht aufwachen. Sein System ist im Schockzustand  wegen all der Gefühle, von denen er nun ohne Zweifel voll ist. Denk nur, wenn er aufwacht, wird er ein ganz neuer Mann sein. Du weißt, dass er im Augenblick verletzlich ist, oder? Was - denkst du - wird Cerdewellyn mit ihm machen? Ihn sofort töten oder für ein, zwei Jahre foltern?“

Val verkniff sich ein Wimmern, während ihr Herz sich schmerzlich verkrampfte. „Ich schulde Lucas gar nichts.“ Sie schüttelte den Kopf, um die Überbleibsel von Gefühlen, die sie für ihn hatte, abzuwürgen. Er war ein Monster. Er hatte sie benutzt. Ihm bedeutete sie nichts. Er war dazu nicht fähig.

Rachel war dicht bei ihr, und Val wich vor ihr zurück. Das hier ist Marions Freundin. Sie hat mich schon einmal fast getötet. Komisch, wie ihr das ab und zu wieder einfiel. Einen Mordversuch vergisst man nie.

Jack stöhnte auf dem Bett, begann aufzuwachen.

„Das ist dein Zeichen. Abgang zur linken Bühnenseite. Es ist Zeit, dass du gehst“, sagte Rachel und ergriff Vals Arme grob, so grob, dass Val wusste, sie würde sofort blaue Flecken bekommen. Rachel trug sie zur Tür, hob dabei ihre Füße vom Boden hoch, die Arme vor ihr ausgestreckt, als wäre Val ein kleiner Hund, der gerade auf ihren Teppich gepinkelt hatte und für die Nacht rausgeworfen wurde. Val trat nach ihr, wollte sich wehren und versuchen Rachels Griff zu lösen.

„Was machst du denn? Lass mich los! Ich muss Jack helfen!“, schrie Val.

Rachel machte ein Tsss-Geräusch. „Nein, tust du nicht. Du bist hier fertig. Danke, dass du Lucas aus dem Weg geräumt hast. Jack hätte wirklich ein Problem damit gehabt.“

Rachel warf sie zur Tür raus, und Valeries Rücken krachte gegen die Wand. Von dem Aufprall blieb ihr die Luft weg; sie konnte nicht mehr einatmen und das Gefühl des Ertrinkens überkam sie einen Moment lang, während sich ihr Mund wie bei einem Fisch öffnete und schloss.

„Jack gehört mir!“, stellte Rachel klar mit der Hand an der Tür und bereit, sie zu schließen. „Es stellt sich heraus, dass ich letztlich doch nicht sehr vertrauenswürdig bin“, sagte sie mit einem Achselzucken, bevor sie die schwere Holztür zuknallte. Von drinnen kam ein kratzendes Geräusch, als Rachel Möbel vor die Tür schob.

Ich wusste, dass ich dieser Schlampe nicht trauen kann!

Val warf sich gegen die Tür. Sie hämmerte dagegen, drückte mit aller Kraft, versuchte verzweifelt einen Weg hinein zu finden. Sie sah auf Lucas hinunter. Immer noch bewusstlos. Sie trat ihn geistesabwesend, hoffte, dass er aufwachen und die Tür für sie öffnen würde. Er bewegte sich nicht.

Jack an Rachel gebunden? Das wird verdammt nochmal nicht passieren! „Cerdewellyn!“, schrie sie aus voller Lunge, wieder und wieder, während die Sekunden wegtickten.

Cerdewellyn war plötzlich neben ihr, schien cool und gesammelt zu sein. Er sah auf den Boden hinunter, auf Lucas, der bewusstlos dalag, und blinzelte, als wäre er überrascht.

„Ich muss in den Raum kommen. Sie ist da drinnen! Sie wird eine Verbindung mit Jack eingehen! Hilf mir! Bitte, hilf mir!“, flehte sie, während sie immer noch stark gegen die Tür drückte.

„Ihr bittet mich um einen Gefallen?“, erkundigte sich Cer mit leiser Stimme.

Oh Scheiße. „Ja!“

„Und Ihr versteht, dass wenn ich eine Gunst erweise, ich etwas als Gegenleistung verlange? Etwas von gleichem Wert?“ Sein Blick wanderte zu ihrem Mund hinunter und dann zu ihren Augen zurück.

„Es kümmert mich nicht! Bring mich einfach in den Raum!“ Er hätte ihr erstgeborenes Kind haben können, wenn er gewollt hätte, sie musste einfach zu Jack gelangen.

Er lauschte, den Kopf zur Tür geneigt. „Indem ich Euch in den Raum bringe, verändere ich den Verlauf mehrerer Leben. Ist Euch die Ernsthaftigkeit Eures Anliegens bewusst?“

„Ja!“ Nein! Warum redet er immer noch? Worauf wartete er?

„Das Geschäft ist abgeschlossen.“ Er schnipste mit den Fingern, und die Tür verschwand. Val rannte in das Zimmer, und Rachel drehte sich mit einem Ausdruck des Zornes auf ihrem Gesicht zu ihr um.

„Ich werde dich töten, wenn du sie anrührst“, kündigte Cerdewellyn Rachel an. Rachel erstarrte, nickte dann unglücklich, bevor sie sich wieder Jack zuwendete. Er lehnte am anderen Ende des Raumes an der Wand mit einem wilden Blick in seinen Augen, während Rachel eine blutige Handfläche unter seine Nase hielt. Cer wedelte mit einer Hand; Jack verschwand und erschien auf der anderen Seite des Raumes von Rachel entfernt wieder. Damit befand er sich zwischen ihnen beiden, sodass er sich würde entscheiden müssen, zu wem er ging.

Val bohrte ihre Finger erneut in ihre Handfläche, und Schmerz durchzuckte sie, als Blut an die Oberfläche quoll. Falls die Staphylokokkeninfektion, die ich an meiner Hand haben werde, das schlimmste meiner Probleme sein sollte, wird dies als ein guter Trip zählen.

Jack sah sie und schüttelte den Kopf, als ob darin wirklich laute Musik spielte. „Val?“, fragte er verwirrt. Er atmete schwer, als täte es weh, Luft in seinen Körper zu ziehen.

Cerdewellyn stand neben der Tür, seine Arme gekreuzt, der Körper angespannt. Er betrachtete das Blut an Valeries Hand. Oh großartig, noch ein Junkie. Sie wendete sich wieder Jack zu.

Sie streckte ihre Handfläche aus und machte einen Schritt auf ihn zu. Jack sah Valerie gierig an — nicht sexuell, sondern so, als wäre sie ein Hundekuchen. Er sah anders aus, die Knochen markanter, die Augen wild — aber immer noch menschlich.

Val stand einige Meter von ihm entfernt und sprach sanft zu ihm: „Komm schon, Jack! Lass uns das hier beenden. Trink einfach mein leckeres Blut, und wir können nach Hause gehen.“

Sein Blick schnellte zu Rachel, und er betrachtete sie von Kopf bis Fuß, ein Blick so heiß, dass er sie an Ort und Stelle hätte verbrennen können.

Was zum Teufel?

Jack bewegte sich langsam auf Val zu. Ein Schritt und dann noch einer.

Rachel rief seinen Namen, und er schwankte. Sein Blick blieb auf Valeries ausgestreckte Hand fixiert.

„Wenn du mit ihr gehst, wird sie dir Glück und Frieden geben“, sagte Rachel mit rauer Stimme. „Wir wissen beide, dass das nicht das ist, was du willst.“

Valerie wagte einen Blick zu Rachel, sah sie leicht vorgebeugt, die Handfläche ausgestreckt. Ihre Unterlippe zitterte, und Rachel klang, als würde sie vielleicht weinen.

Ich kann die Vampirschlampe zum Weinen bringen!, dachte Val wütend, während sie sich nach Jacks Messer umsah.

Jack atmete schwer, das Geräusch davon hallte in dem steinernen Raum wider. Die Schlampe fing wieder an zu sprechen. „Wenn du mich wählst“ – ihre Stimme versagte etwas — „werde ich dir Rache geben. Ich halte das Feuer am Brennen, sodass du sie alle töten kannst, Jack. Komm mit mir und ich werde dir den Triumph geben, nach dem du strebst, die Freude und die Gewalt! Ich weiß, wer du bist!“, schloss Rachel und klang dabei süß und so ernsthaft, dass Val kotzen wollte.

Val rastete aus: „Wer zum Teufel denkst du, dass du bist? Du kennst ihn? Du kennst ihn nicht! Du willst ihn bloß bumsen und ein Haustier haben. Wenn er dir irgendetwas bedeuten würde, würdest du wollen, dass er glücklich ist, und du würdest ihn gehen lassen!“, sagte Val und wendete ihre Aufmerksamkeit dann Jack zu. „Alles wird gut werden. Alles wird in Ordnung kommen. Ich liebe dich! Wir sind Familie. Da waren schon immer ich und du. Komm schon, Jack!“ Sie verkniff es sich zu sagen ,Komm schon Junge‘. Aber sie war kurz davor gewesen. „Komm jetzt hier rüber! Sei kein Idiot!“ Ihre Stimme klang verzweifelt und flehend. Aber sie konnte ihn nicht belügen, konnte ihm nicht das Versprechen geben, dass sie willens wäre ihn sterben zu lassen, nur damit er seine Rache haben konnte.

„Lucas wird dich umbringen“, zischte Val Rachel an. „Ich werde ihn dazu bringen, dich zu töten, es sei denn, du gehst jetzt.“

Rachel sah sie noch nicht einmal an, als ob Val den Aufwand, ihren Kopf zu drehen, nicht wert wäre. „Wow. Das ist aber eine leere Drohung. Du hast’s vermasselt, Süße. Du hast dich falsch entschieden. Falls Lucas hier rauskommt, steckst du vielleicht tiefer in der Scheiße als ich.“

Jack schritt auf Rachel zu mit einem Ausdruck mörderischer Gewalt auf seinem Gesicht. Rachel wich zurück, bis sie an die Wand stieß. Jack klemmte sie ein, indem er seinen Körper näher an ihren brachte.

„Es gefällt mir, dass du vor mir wegrennst“, murmelte er.

Junge, Junge.

Rachel gab etwas Leises  zur Antwort und alles, was Val verstand, war das Wort ,Blut‘.

„Ich will nicht deine Hand“, sagte Jack und senkte seinen Kopf etwas, um seine Lippen an Rachels Hals zu pressen. Er war finster und gefährlich. Reine Gewalt und Tier. Anders. Mehr als anders. Kein Zeichen von Zartheit oder Zurückhaltung war mehr in ihm. Die Kontrolle, die sein Leben beherrscht hatte, war verschwunden.

Rachels Hände gingen zu Jacks Schultern, und sie zog etwas an ihm. Weg oder näher, Val konnte es nicht sagen. Und dann ließ Rachel ihn los, und einen Augenblick später hielt sie ein Messer in der Hand. Jack beobachtete sie mit der Klinge, sah sie Zentimeter von seinem Gesicht entfernt und reagierte nicht.

Sie legte die Klinge leicht an ihren Hals, aber Jack machte ein Sch!-Geräusch und nahm sie ihr weg. Rachels Hand sank wieder schlaff an ihre Seite; sie wendete den Kopf und entblößte dabei die lange Säule ihres Halses. Sie schloss ihre Augen, atmete schnell und flach, die Hände zu Fäusten geballt. Er berührte ihren Hals mit der Klinge, und sie schrie auf, als hätte er sich gerade selbst tief in ihren Körper hineingestoßen. Er verletzte ihre Haut nicht, ließ den Moment sich aufbauen, als sei dies eine Art krankes Vorspiel.

„Soll ich nur wenig oder viel trinken?“, knurrte Jack.

Sie keuchte, die Worte zittrig: „Wenig. Du brauchst nur ein, zwei Tropfen.“

„Ich will dich da nicht schneiden“, sagte er, seine Stimme ein tiefes, tiefes grollendes Geräusch. Die Klinge glitt ihren Hals hinunter, hinterließ noch nicht einmal eine blasse Linie auf ihrer Haut, bis sie an der Stelle anhielt, wo ihre Schultern auf ihren Hals trafen.

Die Stelle erschien irgendwie noch verletzlicher als ihr Hals — intimer. Er schnitt sie sehr leicht, so leicht, dass kaum etwas Blut an die Oberfläche quoll. Aber Valerie wusste in welchem Moment es geschah, denn Rachel kniff die Augen fest zusammen, ihre Lippen teilten sich, und ihr Atem wurde zu einem scharfen Keuchen. Jack bewegte sich, senkte seinen Kopf zu ihrem Hals, saugte dort an ihr, küsste sie und rieb die untere Hälfte seines Körpers an ihr.

Rachel schlang ihre Arme um seinen Nacken und zog ihn näher, während sie ihre Beine weiter spreizte, um Platz für seine Hüften zu machen. Seine Hand wanderte zu ihrem Schenkel, damit er ihr Bein um seine Taille schlingen konnte, wobei er seine Haltung anpasste, so dass er tiefer war, um seine Erektion in das V ihrer Beine stecken zu können. Sie stöhnten beide zum gleichen Zeitpunkt, als hätte er die richtige Stelle für sie beide gefunden. Seine andere Hand wanderte an ihren Arsch, zog sie eng an ihn, während sein Mund an ihren Hals gepresst blieb.

Cerdewellyn hatte sich zu Valerie bewegt, und sie hatte es nicht einmal bemerkt, denn sie war so bestürzt über den Anblick vor ihr, dass sie es nicht bemerkt hätte, selbst wenn die ganze verdammte Burg niedergebrannt wäre.

Tränen  nahmen ihr die Sicht.

„Kommt! Es gibt nichts mehr für Euch hier“, sagte Cer und nahm ihre Hand, als Jack Rachel gerade hochhob, sich abwendete und sie zum Bett trug, während er sie leidenschaftlich küsste.

Val blinzelte und fühlte eine knochentiefe Verschiebung, als Cer sie aus dem Zimmer weg und nach draußen transportierte, wo der Wind ihr das Haar ins Gesicht wehte. Ihre Augen taten weh, als sie sich an das grelle Tageslicht gewöhnen mussten.

„Wie konnte all dies passieren? Es ist alles... verkehrt herum und falsch.“ Ihre Stimme war brüchig, und sie starrte mit glasigen Augen in die Ferne. Wo waren sie? Die Burg war in der Ferne, und sie konnte das Donnern des Ozeans um sich herum hören.

„Euer Tag ist noch nicht zu Ende. Ich muss darauf bestehen, meine Schulden einzufordern“, sagte Cerdewellyn ruhig.

Sie lachte, und eine Spur von Hysterie ließ es laut erscheinen. „Jetzt? Wirklich? Und was willst du, oh mächtiger König?“

„Meine Leute sterben, und Ihr könnt sie retten!“, erwiderte er.

„Verarschst du mich? Alle wollen etwas von mir. Und, okay, dein Grund dafür, mich zu wollen, ist besonders überzeugend, aber — ich will wirklich, wirklich nur ein normales langweiliges Leben.“

Er runzelte die Stirn. „Es gibt so viele Menschen auf der Welt. Und dennoch, nicht mehr als ein paar werden tatsächlich auf fundamentaler Ebene gebraucht.“

„Das klingt nach einem Kompliment“, meinte sie.

„Nur Ihr könnt uns retten. Seid froh, dass Ihr gebraucht werdet! Es gibt Leute, die dafür töten würden, das zu haben, womit ihr geboren seid. Genau genommen gibt es viele von meiner Art, die alles Erdenkliche opfern würden, um Eure Gaben zu haben.“

„Hm. Keine Chance, dass du denen meine Gabe geben kannst, oder?“, sagte sie gereizt, sich bewusst, dass ihr gesunder Verstand an einem seidenen Faden hing.

Cerdewellyn sah ihr in die Augen, hob ihr Kinn leicht nach oben an, so dass sie in seine schwarzen Tiefen sehen konnte. „Ich kann Euch die Kraft geben, Euch selbst zu verteidigen und neu anzufangen. Ich kann bewirken, dass Lucas und Jack den Tag  bereuen werden, an dem sie etwas anderes als Euch gewählt haben. Kann Rache zu Eurem Spielzeug machen, Gelächter und Schmerz zu Eurer Münze. Doch vielleicht am wichtigsten: Ich kann Euch die Naivität nehmen, Euch Unsterblichkeit gewähren, so dass Ihr Euch nie wieder fürchten müsst.“

„Unsterblichkeit und Macht?“

Er nickte.

Sie verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Das klingt wie die Art von Versprechen, die eine Menge Kleingedrucktes am Ende beinhaltet. Trotzdem Danke. Das ist supernett von dir.“ Val sah sich um, musste von diesem Felsen wegkommen. Nein, kein Felsen. Eine Klippe. Ich bin auf einer beschissenen Klippe?

Er tat so, als hätte sie nicht gesprochen. „Keine Angst mehr, kein Herumstolpern in der Finsternis mehr. Ihr werdet die Antwort auf jede Frage, die Ihr habt, wissen! Ich kann Euch ins Licht führen!“

Eine Alarmglocke klingelte in ihrem Kopf los. Er klang ziemlich fanatisch. „Wo ist der Haken?“, fragte sie mit zusammengekniffenen Augen.

Er sah sie verwirrt an.

„Was ist der Nachteil? Warum sollte ich dies nicht machen wollen?“

Er lächelte sie strahlend an und lachte dann. Es ließ den Boden erzittern und einige wild auf dem Felsen wachsende Büsche erblühen, sodass die Blüten sich öffneten und sich zu seiner Stimme hinstreckten.

„Dies könnte das letzte Mal sein, dass Ihr jemandem diese Frage stellt und nicht wisst, ob Ihr eine ehrliche Antwort bekommt.“

Das war jetzt wirklich verlockend. Niemand hatte ihr je die Wahrheit gesagt. Einen Moment lang nahm sie sein Angebot ernst. „Ich werde nicht sterben, und ich werde jede Menge Macht haben? Leute werden mich nicht belügen können, und mit diesen Gaben werde ich wahrscheinlich keine Angst mehr haben und nicht mehr naiv sein?“

„Ja“, antwortete er und schenkte ihr ein freundliches Lächeln.

„Ich will darüber nachdenken.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich befürchte, das ist nicht möglich. Ihr habt mir versprochen, dass Ihr mir einen Gefallen tun würdet, trotz der Tatsache, dass es die Balance verschieben und Leben ändern würde. Dies ist mein Gefallen, eine Gabe, die Ihr annehmen müsst: Meine Gattin zu werden, eine vollständige Empathin, und meinem Volk zu helfen wieder zu gedeihen.“

Sie machte einen Schritt zurück, doch eine Windböe wehte sie zurück in Cerdewellyns Arme.

„Noch einen Schritt und Ihr werdet fallen.“ Er hielt sie fest. „Nehmt an!“, sagte er leise, und seine Worte wurden von einer Windböe fort getragen.

„Wirst du mich töten, wenn ich nein sage? Du hast gerade gesagt, dass du mich brauchst!“, klagte sie, verzweifelt darauf setzend, dass er sie nicht töten würde und bluffte.

„Ich brauche Euch tatsächlich, und Ihr seid nun in meiner Welt. Seht Euch um, betrachtet die Kargheit! Die harsche Trostlosigkeit. Unter uns ist die magische See, und darin werdet Ihr Eure Macht finden. Ihr werdet in jedem Fall hineingehen. Ich bin an erster Stelle ein König. Ihr werdet gehorchen. Die einzige Frage ist, ob Ihr gehorchen und es genießen werdet oder ob Ihr gehorchen und es Euch in Stücke reißen lassen werdet.“

Sie versuchte sich zu wehren.

Er machte einen Schritt zurück zur Kante und zerrte sie dabei mit sich. Sie konnte nicht denken, hatte Angst zu fallen, wusste, dass sie den Fall nicht überleben würde. Sie konnte den Ozean weit unten donnern hören.

„Es wird wehtun, wenn Ihr unwillig seid. Ich werde Euch nicht noch einmal bitten.“

Sie hatte Todesangst, und es kümmerte sie nicht, was sie versprach; sie wollte nur nicht sterben, würde später eine Lösung finden. Sie wollte annehmen. Ich sage immer ja. Das ist es, was mich in diese Scheiße reitet.

Nein!“, sagte sie und dann lauter, denn ihre Überzeugung wuchs.

Er holte tief Atem und sein Griff an ihrem Arm lockerte sich. Er schüttelte den Kopf, als bereitete ihm ihre Antwort ein Problem, das er nicht vorhergesehen hatte. „Sagt nie, dass ich Euch nicht gewarnt hätte!“ Seine Arme schlangen sich um sie, und ihre Brust wurde an seine gedrückt, als er einen Schritt machte, dann zwei. Der Boden verschwand, sie fiel und schrie, während sie auf die wütende See zustürzten.

Liebe Ist Furcht
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