Kapitel 15

Peter war ganz benommen von der Lust, die sie ihm bereitete, und überwältigt von der Hingabe, die sie in seinen Armen zeigte. Es war ihm egal, aus welchem Grund sie auf dieses Spiel eingegangen war – für ihn zählte vorerst nur der Augenblick, und da stand kein anderer Mann zwischen ihnen.

Ihre Hitze und das Verlangen, mit dem sie sich an seine harte Männlichkeit drückte, als ob sie ihn gleich aufnehmen wollte, hätten ihn fast kommen lassen. Während er sie weiterküsste, versuchte er ihre Hüften festzuhalten, um die aufreizenden Bewegungen ihres Unterkörpers zu unterbinden. Aber ein wenig mehr als das wollte er zumindest.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, hakte er ihr Kleid schnell bis zur Taille auf, half ihr, sich daraus zu befreien, damit sie ihn so schnell wie möglich wieder anfassen konnte. Dann spürte er ihre Hände erneut unter seinem Hemd. Sie streichelte ihn, wie er es sich schon tausendmal im Verlauf langer, schlafloser Nächte vorgestellt hatte.

Die Schnüre ihres Korsetts kamen als Nächstes dran, und es gelang ihm, ihr diese Foltervorrichtung über den Kopf zu ziehen. Doch ehe er ihre Brüste in die Hände nehmen konnte, stöhnte sie laut auf, beugte sich nach vorne und rieb sich an ihm. Er packte ihre Schultern und drückte sie nach hinten, umfasste ihre Brüste durch das Hemdchen hindurch, bis sie stöhnte und sich seinen liebkosenden Händen entgegenwölbte, wobei sich ihr Schoß nur noch fester an sein Glied presste. Schließlich zog er auch noch den dünnen Stoff des Unterhemds weg, und sie bot sich seinen gierigen Blicken. Ihr Busen war vollkommen, fest und wohlgerundet mit dunkelroten Spitzen.

Er beugte sich über diesen herrlichen Körper und drückte seinen Mund zwischen ihre Brüste, bedeckte sie mit Küssen und bewegte seinen Kopf hin und her.

»Peter, mein Gott, Peter!«

Sein Name auf ihren Lippen. Er ließ seine Zunge um ihre Brustspitze kreisen, nahm sie dann in den Mund und saugte daran. Sie schrie auf und umfing seinen Kopf mit beiden Händen, drängte sich mit ihrem ganzen Körper an ihn. Es wäre so einfach gewesen in diesem Moment, seine Hose zu öffnen und sie zu nehmen – das zu tun, wonach sie beide sich so verzweifelt sehnten.

Aber wollte er tatsächlich, dass Elizabeth ihr erstes Mal unter diesen Umständen erlebte? Überstürzt vollzogen in einer engen Kutsche, während sie durch London fuhren? Schließlich handelte es sich um die Frau, die er heiraten wollte, und nicht um eine beliebige Mätresse.

Er zog sie hoch, und ihr dunkler, fiebriger Blick glitt über sein Gesicht. »Bitte, Peter, bitte hör nicht auf.«

»Ich muss aufhören«, erwiderte er, und auch seine Stimme zitterte. »Du würdest es weder mir noch dir jemals verzeihen.«

Ihre Augen wurden ganz groß, bevor sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht zeigte. Er musste eine Möglichkeit finden, das Ganze irgendwie spielerisch zu Ende zu bringen.

»Zeig es mir«, sagte er.

»Wie bitte?«, murmelte sie und schüttelte den Kopf.

Er rutschte auf der Bank ganz nach links, legte sie neben sich und schob ihr den Rock bis zu den Hüften hoch, bis er einen ersten Blick auf den dunklen, lockigen Haarbusch zwischen ihren Schenkeln erhaschte.

»Und jetzt wölb deinen Körper ein wenig nach oben und streck die Arme über dem Kopf aus. Zeig mir die Haltung, in der du gemalt worden bist.«

Einen kurzen Moment tat sie, was er von ihr verlangte, und im flackernden Schein der Lampe konnte er die Rundung ihrer Brüste, die Einbuchtung ihres Nabels und den erotischen Schwung ihrer Hüften erkennen.

Und dann fing sie an zu weinen.

»Elizabeth?«

Er zog sie hoch und versuchte sie tröstend in die Arme zu schließen, doch sie weinte nur noch heftiger. Er ordnete ihre Kleidung ein wenig, bedeckte ihre Blößen und setzte sie neben sich.

»Es tut mir leid«, sagte sie und wischte sich mit dem Unterarm die Tränen vom Gesicht. »Es ist nicht deine Schuld, nichts davon ist deine Schuld. Es liegt nur an mir.«

Als sie in seinen Armen erzitterte, drückte er ihren Kopf an seine Schulter, sodass er ihr weiches Haar küssen konnte. In seiner Brust entstand ein schmerzhafter Druck, der sich immer weiter ausbreitete, sodass sein Hals ganz eng wurde.

»Elizabeth …«

»Nein, finde keine Entschuldigungen. Ich bin diejenige, die dich zu einer öffentlichen Verlobung gedrängt hat, und die bei dir üben wollte.«

»Und ich hatte nichts dagegen.«

»Aber verstehst du denn nicht?« Sie hob den Kopf, und im schwachen Licht der Lampe waren die Tränen zu erkennen, die ihr Gesicht bedeckten. »Ich benehme mich nicht besser als die skandalösen Cabots vor mir!«

Einen Moment war er sprachlos, schaute sie nur irritiert an. »Wie meinst du das?«

»Ich habe mich ungebührlich verhalten«, flüsterte sie. »Und das obwohl ich mir irgendwann geschworen habe, niemals meiner Familie Schande zu machen oder mit einem Skandal in Verbindung gebracht zu werden wie die anderen. Du kennst doch unsere Familiengeschichte.«

»Das hast du zumindest weitgehend geschafft.«

»Ach, nicht wirklich. Es ist genauso, wie du gesagt hast. In mir ist diese Leidenschaft, die ich nicht unter Kontrolle bringen kann. Und leichtsinnig und sorglos bin ich obendrein, obwohl mein Bruder, der früher ebenfalls schrecklich über die Stränge geschlagen hat, in dieser Hinsicht ein warnendes Beispiel sein sollte. Er mit seinem ewigen Drang, sich und anderen etwas zu beweisen. Du hast mich gewarnt …«

»Aber du bist nicht wie er – und hast dich auch nie beweisen müssen.«

»Nicht? Was denkst du denn, was ich hier gerade mache? Vielleicht versuche ich zu beweisen, dass ich begehrenswert bin. Nur weil ein Mann mich nicht will, muss mich ein anderer wollen.«

»Elizabeth …«

»Peter, bei uns allen stimmt etwas nicht. Denk bloß daran, dass ein Duellgegner von Christopher seitdem gelähmt ist. Wenn du das nicht unbeherrscht findest …«

»Das war ein Unfall. Michael Preston schlug sich den Kopf auf. Und er war derjenige, der deinen Bruder zum Duell herausgefordert hat. Außerdem soll es ihm wieder besser gehen.«

»Das spielt keine Rolle. Chris ist einfach völlig unbeherrscht. Und kommt zudem nicht darüber hinweg, dass unser Vater ihn als seinen Nachfolger für ungeeignet hielt und glaubte, er werde den Familienbesitz und sein Ansehen ruinieren.«

»Das ist aber nicht passiert.«

»Nein, zum Glück nicht. Nur war ich so arrogant und dachte tatsächlich, dass ich solche Probleme gar nicht hätte! Und merke jetzt, wie es wirklich um mich steht. Ich schaffe es ja nicht einmal, dem Mann, dem angeblich meine Liebe gehört, treu zu sein.«

»Du bist zu streng mit dir, mein Liebling. Dieser namenlose Mann weiß nicht einmal von deinen Gefühlen.«

»Eigentlich wollte ich sie ihm zeigen«, flüsterte sie. »Nur bin ich mir da inzwischen nicht mehr so sicher.«

Sie rückte von ihm ab, und Peter machte keinen Versuch, sie aufzuhalten. Zu sehr war er beschämt, sie in diese Situation gebracht zu haben. Hatte er denn nichts aus seinen Fehlern gelernt, die nicht zuletzt darin bestanden, dass er immer im Recht zu sein glaubte? Außerdem hätte er Elizabeths Schmerz, ihre Verwundbarkeit spüren müssen.

Schweigend zogen sie sich wieder an, und sie ließ es sogar zu, dass er ihr half, das Korsett zu schnüren, die Unterröcke zuzubinden und die Knöpfe des Kleides zu schließen. Als Letztes zog sie das Umschlagtuch so eng um sich, dass es fast so aussah, als müsste sie sich vor einem Angriff von seiner Seite schützen.

Er unterdrückte einen Seufzer, hob die Hand und klopfte gegen das Dach der Kutsche, um dem Kutscher das verabredete Zeichen zu geben.

Elizabeth klang resigniert: »Wenn ich gewusst hätte, dass es so einfach ist, hätte ich es auch selbst tun können.«

Er zog fragend eine Augenbraue hoch.

»Nein, nein, das stimmt nicht. Ich habe gar nicht versucht, dir zu entkommen.«

»Vielleicht konntest du einfach vor dem, was wir fühlen, nicht fliehen.«

Mit ausdrucksloser Miene erklärte sie leise: »Trotzdem ist es falsch von unseren Körpern, so zu reagieren.«

Er war sich nicht sicher, ob sie ihn absichtlich missverstand oder tatsächlich so unschuldig war. Jedenfalls ließ er es dabei bewenden.

Mary Anne hatte sich erstaunlicherweise zu einem Einkaufsbummel mit Elizabeth bereit erklärt, auch wenn sie das vor sich als Strafe für das verlorene Wettreiten deklarierte. Peter begleitete sie nach Madingley House, wo sie im Salon noch eine Weile auf Elizabeth warten musste.

In diesem Palast gab es doch bestimmt ein Billardzimmer, dachte sie und fragte sogleich einen der zahlreichen Lakaien, die überall herumstanden oder -liefen.

Voller Ehrfurcht blieb sie auf der Schwelle zum Billardzimmer stehen. Es gab in der Tat zwei Tische, über denen spezielle Lampen ein warmes Licht spendeten. Die Queues befanden sich in Gestellen an der Wand. Sie nahm eines heraus, bewunderte die erlesene Verarbeitung und legte die Kugeln auf dem Tisch zurecht.

»Ihnen scheint der Lesestoff ausgegangen zu sein.«

So unerwartet angesprochen zuckte sie zusammen und war froh, nicht gerade zum Stoß angesetzt zu haben. Überrascht stellte sie fest, dass Lord Thomas Wythorne mit lässiger Eleganz am Türrahmen lehnte. Sie hatte ihn auf dem Ball der Ludlows gesehen, als er mit Elizabeth tanzte. Zweifellos war er gut aussehend, fand sie, aber dabei ein typischer Aristokrat und ein selbstbewusster Mann, der sich seiner Stellung nur allzu bewusst war.

Während es für sie eine eher ferne Welt war, vermittelte er mit seinem wissenden Lächeln den Eindruck, als wüsste er alles über sie und würde all ihre Schwächen kennen. Sie versteifte sich. Kein Wunder, dass Elizabeth ausgesehen hatte, als würde sie am liebsten vor ihm flüchten. Doch dann reckte sie entschlossen das Kinn und meinte kühl: »Wir sind einander nicht vorgestellt worden.«

Er kam mit lässiger Anmut auf sie zu. Während er sich vor ihr verbeugte, blieb sein Blick auf ihr Gesicht geheftet. »Thomas Wythorne.«

»Vergessen Sie nicht das Lord vorweg. Es schwingt ohnehin in Ihrem Tonfall mit.«

Er lachte amüsiert. »Dann kennen Sie mich also bereits.«

»Ich habe Sie mit Lady Elizabeth tanzen sehen, und da sie bald meine Schwägerin sein wird, interessierte es mich natürlich, wer Sie sind.«

In seinen Augen begann es zu funkeln. »Schwägerin? Dann müssen Sie Peter Derbys Schwester sein.«

»Eine brillante Schlussfolgerung, Mylord.« Mary Anne achtete normalerweise sorgsam darauf, nie mit einem Mann in einem Zimmer allein zu sein – vor allem einem, der eine derart gefährliche Ausstrahlung besaß. Sie spürte, dass ein leichtes Beben durch ihren Körper ging, aber irgendetwas an seinem Anspruchsdenken ärgerte sie, und so sprach sie freimütiger, als es sonst ihre Art war.

Sie hielt das Queue wie einen eleganten Spazierstock, während sie ihm direkt ins Gesicht sah. »Und jetzt noch eine brillante Schlussfolgerung von mir«, fuhr sie fort. »Sie statten hier gerade einen Besuch ab, genau wie ich.«

»Ich vertreibe mir die Zeit, während meine Mutter und die verwitwete Duchess of Madingley Klatsch und Tratsch austauschen.«

Klatsch und Tratsch. Das war wohl das Einzige, was Frauen seiner Meinung nach im Kopf hatten. Der Gedanke versetzte sie in Wut.

»Spielen Sie?«, fragte er. »Oder plagt Sie nur die Langeweile?«

Sie setzte eine bedauernde Miene auf. »Mein Bruder hat mir zwar die Regeln erklärt, allerdings bisher keine Zeit gefunden, mit mir zu üben.«

»Ich kann mir vorstellen, dass Lady Elizabeth eine sehr anspruchsvolle Verlobte ist.«

In seiner Stimme schwang ein leicht fragender Tonfall mit, der sie neugierig genug machte, ihm wieder in das attraktive Gesicht zu schauen. »Nun, Sie haben gerade erst ihre Verlobung verkündet, und da gibt es eine ganze Menge zu regeln.«

»Die plötzliche Verlobung hat Sie nicht überrascht?«, fragte er beharrlich nach.

Wie auch immer es um ihre Gefühle in dieser Sache bestellt sein mochte, ihn jedenfalls ging das Ganze absolut nichts an. »Überhaupt nicht. Peter hat erreicht, was er wollte.«

Er runzelte kurz die Stirn, und sie dachte schon, er würde dazu einen Kommentar abgeben, doch nichts dergleichen geschah. Thomas Wythorne holte sich ein Queue und kam zu ihr an den Billardtisch.

»Da wir uns beide die Zeit vertreiben müssen«, meinte er, »könnten wir eigentlich eine Partie spielen, oder?«

Er tappte in die Falle, die sie für ihn aufgestellt hatte.

»Sie werden mich bestimmt schlagen und keinen Spaß an einem Gegner wie mir finden. Außerdem spielen Sie normalerweise sicherlich um Geld. Mit ebenbürtigen Partnern, meine ich.«

»Ich wäre auch bei Ihnen bereit dazu«, sagte er.

Sie riss die Augen auf. »Wirklich? Sie würden mit mir um Geld spielen? Wie verrucht!« Zum Glück hatte sie ein paar Pfund in der Tasche stecken, die sie gleich eilfertig hervorkramte und auf den grünen Belag des Tisches legte.

Er grinste. »Werden sie dort nicht im Weg sein?«

»O ja, Sie haben natürlich recht.« Sie nahm das Geld wieder an sich und lächelte zu ihm auf. »Machen Sie sich gar nicht erst die Mühe, ihre Geldbörse hervorzuholen, Mylord. Wir wissen beide, wie das Ganze ausgehen wird. Aber lassen Sie uns beginnen. Sie fangen an.«

Er verrieb Kreide auf der Spitze seines Queues. »Wissen Sie, wie die Variante English Billiards geht?«

Sie zögerte bewusst und ließ sich Zeit mit der Antwort. »Mit zwei weißen Kugeln und einer roten?«

Er nickte, und sie musste ihm widerwillig zugutehalten, dass er nicht allzu herablassend wirkte.

Dann begann das Spiel, und er fing an, Punkte zu machen, während sie sich bemühte, einen verwirrten und unsicheren Eindruck zu erwecken. Insbesondere das mädchenhafte Gekicher beherrschte sie perfekt, hatte es fast zur Kunstform vervollkommnet.

Als sie ihre Kugel auch noch vom Tisch fegte, sagte sie schuldbewusst. »Ach, du meine Güte, das ist ein schwerer Fehler, nicht wahr? Zwei Punkte für Sie.«

Sie ließ ihm reichlich Zeit, seine Führung auszubauen, ehe sie befand, dass sie ihn lange genug zum Narren gehalten hatte, und wie zufällig Punkte zu sammeln begann. Dabei tat sie so, als hätte sie etwas ganz anderes geplant, und wunderte sich ganz aufgeregt, wenn sie eine Kugel versenkte.

Als ihr Rückstand auf wenige Punkte geschmolzen war, lehnte Thomas sich mit der Hüfte an den Tisch und musterte sie eingehend.

»Streichen Sie den Pott immer auf diese Weise ein?«, fragte er anzüglich.

Sie richtete sich kerzengerade auf und sah ihm mit einem bewusst schüchternen Lächeln in die Augen. »Ich weiß nicht, was Sie damit meinen.«

Er sagte nichts, sondern fixierte sie bloß weiterhin mit einem leichten Lächeln, bis sie schließlich in Gelächter ausbrach. »Sie haben mich erwischt.«

»Sie sind eine Spielerin, die ahnungslose Gegner abzockt«, erklärte er langsam und mit einem leichten Anflug von Bewunderung in der Stimme.

»Komplimente ziehen bei mir nicht. Warum spielen wir die Partie nicht einfach zu Ende, Mylord?«

Er gewann, doch als sie ihm den Wetteinsatz überreichen wollte, wies er sie zurück. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich Geld von einer Dame annehmen darf. Spielen wir lieber noch eine Runde. Ich bin von Ihrer Fähigkeit, mit Fehlstößen Punkte zu scheffeln, sehr beeindruckt. Vielleicht können Sie mir ja ein paar Tricks beibringen.«

Sie sah ihn verblüfft an. Männern gefiel es normalerweise nicht, wenn sie gegen eine Frau unterlagen. Er hatte zwar nicht verloren, aber nur deshalb nicht, weil sie ihm den Sieg gelassen hatte. Trotzdem erkannte er mit Sicherheit, dass sie die bessere Spielerin war. Er durchschaute sie und wollte trotzdem weiter mit ihr spielen. Das gefiel ihr, wenngleich sie ihn nach wie vor seltsam einschüchternd fand.

Sie dachte noch an diese sonderbare Begegnung, als sie mit Elizabeth die Bond Street entlangschlenderte. Die Sonne schien von einem klarblauen Himmel, über den nur vereinzelte weiße Schäfchenwolken zogen. Das warme Wetter hatte viele Menschen in die Stadt gelockt, denn sowohl auf den Straßen als auch in den Geschäften war jede Menge los.

Auch Elizabeth hing ihren Gedanken nach. Es waren nur noch zwei Wochen, bis ihr Bruder zurückkehrte, um am Maskenball der Kelthorpes teilzunehmen. Wenn sie ihre Angelegenheiten bis dahin nicht in Ordnung gebracht hatte und Christopher von der Geschichte erfuhr, würde er die Sache selbst in die Hand nehmen und nach Gutdünken entscheiden, obwohl er behaupten würde, es sei nur zu ihrem Besten.

Sie musste endlich damit aufhören, sich vor ihren eigenen Schwächen zu fürchten. Keiner war vollkommen. Warum stellte sie an sich selbst also höhere Ansprüche als an andere? Es war besser, zu seinen Fehlern zu stehen und damit umzugehen. Immerhin wusste sie mittlerweile, dass sie das schaffte. Und bei diesem Erkenntnisprozess hatte ihr insbesondere Peter sehr geholfen. Sie sollte ihm dankbar sein.

War sie aber nicht wirklich. Vielmehr versuchte sie ihm seit gestern aus dem Weg zu gehen, da sie sich außerstande fühlte, immer wieder über das Geschehene zu reden. Sie wusste nicht mehr, was sie sich wünschte. Und das betraf auch und nicht zuletzt William, den sie doch eigentlich für sich gewinnen wollte – für den sie mit Peter zu üben vorgab. Irgendwie kam ihr das alles inzwischen sinnlos vor. Dabei würde sich am heutigen Abend eine großartige Gelegenheit bieten, denn Lucy hatte ihr mitgeteilt, dass William die Royal Italian Opera in Covent Garden besuchen würde.

Dann kam ihr ein Gedanke.

»Mary Anne?«

Die junge Frau zuckte zusammen und schenkte ihr ein leicht abwesendes Lächeln. »Ja, Lady Elizabeth?«

Sie berührte Peters Schwester am Arm. »Ich wünschte, Sie würden mich nicht so förmlich anreden. Wir können doch lockerer miteinander umgehen.«

Mary Anne nickte, erwiderte aber nichts.

»Würden Sie gerne heute Abend in die Oper gehen? Es wird Benvenuto Cellini gegeben.«

»Kommt Peter ebenfalls mit?«

»Ja, er hat sich bereit erklärt, mich zu begleiten.«

»Da meine Mutter in diesem Fall ohnehin darauf bestehen wird, nehme ich die Einladung an.«

»Diese überschwängliche Freude, mir Gesellschaft zu leisten, überwältigt mich«, meinte Elizabeth trocken.

Mary Anne sah sie belustigt an. »Höre ich da etwa Sarkasmus aus dem Mund der perfekten Lady?«

Elizabeth lächelte. »Vielleicht. Meist gelingt es mir, der Versuchung zu widerstehen und höflich zu sein, doch manchmal lasse ich mich provozieren.«

Mary Anne nickte langsam. »Wie bei dem Wettrennen hoch zu Ross.«

»Sie unterschätzen mich. Ich messe in der Tat gerne meine Kräfte.«

»Wenn Ihnen so etwas nicht fremd ist, dann wird es Sie sicher auch nicht stören, dass ich mit einem Ihrer Gäste Billard gespielt habe, während ich auf Sie wartete.«

»Ein Gast?« Elizabeth runzelte fragend die Stirn.

»Lord Thomas Wythorne.«

Sie erstarrte, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. »Ach ja, ich habe ihn kurz gesehen. Allerdings war ich spät dran und wollte Sie nicht länger warten lassen.«

»Kam er, um Ihnen seine Aufwartung zu machen?«

»Nein, er begleitete seine Mutter, die mit der meinen nahezu befreundet ist.«

Mary Anne nickte nachdenklich und richtete ihren Blick auf das Schaufenster einer Schneiderin, vor dem sie stehen geblieben waren.

Elizabeth hoffte, Mary Anne für die ausgestellten Bänder und Schleifen interessieren zu können. »Ich glaube, das Blau da würde sehr schön zu Ihrem Haar passen«, meinte Elizabeth. »Sollen wir ein Stück von dem Band kaufen?«

»Ich mag solchen Schnickschnack nicht«, erwiderte Mary Anne, deren Gedanken sichtlich ganz woanders waren. Eindringlich musterte sie ihre Begleiterin. »Es macht Ihnen nichts aus, dass ich Billard mit ihm gespielt habe?«

»Natürlich nicht. Sie haben, wie ich weiß, eine Vorliebe für dieses Spiel.« Von Peter wusste sie, dass man bei Mary Anne mit Verboten nicht weiterkam. »Hat sonst noch jemand mitgespielt?«

Mary Annes Blick wurde wachsam. »Haben Sie Angst, dass ich Sie in Verlegenheit bringe?«

Elizabeth berührte die junge Frau am Arm. »Natürlich nicht! Ich mache mir nur Sorgen um Ihren Ruf, da es von Lord Thomas heißt, dass er ein Schwerenöter sei.«

»Wirklich?« Sie gab ihre abwehrende Haltung auf, und ihre Stimme bekam einen neugierigen Klang. »Auf mich hat er gar nicht so gewirkt.«

»Und das ist ein weiterer Grund, weshalb Sie mehr am Gesellschaftsleben teilnehmen sollten. Dann lernen Sie, vor wem Sie sich in Acht nehmen sollten.«

Mary Anne zuckte die Achseln und setzte sich wieder in Bewegung.

Elizabeth wusste, dass es besser war, sie mit guten Ratschlägen nicht zu bedrängen. »Mein Schneider ist gleich die Straße herunter. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir da vorbeigehen, damit ich ein Kleid abholen kann?«

Die junge Frau nickte zustimmend, doch das war es dann auch. Falls Elizabeth gehofft hatte, sie würde ihrem Beispiel folgen und ein paar Musterkleider anprobieren, so sah sie sich getäuscht. Sie saß einfach da und schaute zu, wie Elizabeth umschmeichelt und hofiert wurde. Sie selbst empfand das als äußerst peinlich, weil es deutlich den Standesunterschied der beiden Frauen herausstrich. Mit einem solchen Eindruck hatte sie den Nachmittag eigentlich nicht beschließen wollen. Aber sie würde ja am Abend noch Gelegenheit haben, das wettzumachen.

Und vielleicht ließ sich endlich auch eine Klärung wegen William herbeiführen.