Kapitel 14
Am Abend saßen sie einander in der Kutsche gegenüber, und Peter beobachtete, wie Elizabeth sich wand. Sie wich seinem Blick aus und schaute die ganze Zeit aus dem Fenster, als habe sie Mayfair noch nie gesehen und sei völlig fasziniert. Doch das täuschte natürlich, denn das Einzige, was sie im Grunde wahrnahm, war seine verstörende Gegenwart. Er spürte es und ließ sie gewähren. Versuchte nicht, sich mit ihr zu unterhalten und erst recht nicht, sie zu verführen – das würde später kommen.
Ihr dunkelgrünes Kleid war sehr elegant, jedoch schlicht und ohne unnötigen Zierrat. Knöpfe sah er keine, und fast war er versucht, sie danach zu fragen, verzichtete dann vorsichtshalber darauf, um sie nicht unnötig nervös zu machen. Lieber wollte er sie in dem Glauben wiegen, dass er am Morgen nur gescherzt hatte.
Als die Kutsche nach nur kurzer Fahrt anhielt, sah sie ihn leicht verwirrt an. »Sind wir schon da?«
»Mr Bannaster besitzt ein sehr elegantes Stadthaus – und dazu passend ein sehr großes Vermögen.«
Während sie darauf warteten, dass der Lakai ihnen den Schlag öffnete, fragte sie: »Er ist doch verheiratet, oder?«
Peter nickte.
»Und wie viele Gäste werden heute Abend da sein?«
»Ich nehme an weniger als zwanzig, kenne die genaue Zahl allerdings nicht. Vielleicht bringen die anderen Gäste ja auch noch unerwartet jemanden mit.«
»Du hast den Gastgebern nicht mitgeteilt, dass ich dich begleite?«, fragte sie bestürzt.
»Ich weiß es doch erst seit heute Morgen.«
»Aber… Mrs Bannaster wird sich eine Sitzordnung überlegt haben, die jetzt über den Haufen geworfen wird.«
»Ich bin mir sicher, dass sie kein Problem damit hat«, erwiderte er gelassen.
»Oh, ihr Männer!« Sie ließ sich nach hinten sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Meinst du etwa, dass sich so eine Dinnerparty ganz von alleine organisiert?«
Er runzelte die Stirn. »Nein, ich denke durchaus, dass ein paar Überlegungen erforderlich sind.«
»Und es gibt bestimmt eine Sitzordnung.«
Sie wollte noch mehr Einwände vorbringen, doch in diesem Moment wurde der Schlag von außen geöffnet, der Tritt ausgeklappt, und ein Lakai mit weißer Perücke verbeugte sich und streckte die Hand aus, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein. Peter folgte ihr, reichte ihr seinen Arm, und gemeinsam stiegen sie die Treppe zum Haus hinauf.
Im Entree blieb Elizabeth etwas zurück, um ihren Umhang dem Butler zu reichen, während Peter schon zu den wartenden Gastgebern trat.
»Bannaster«, begrüßte er den Mann, schüttelte ihm die Hand und nickte seiner Frau lächelnd zu. »Mrs Bannaster, vielen Dank, dass Sie uns Ihr Zuhause für dieses Treffen zur Verfügung stellen.«
Die Gastgeber waren beide mittleren Alters und korpulent, strahlten jedoch eine Lebhaftigkeit aus, die ein Wesenszug jenes neuen Unternehmergeistes zu sein schien, der dabei war, die Welt zu verändern.
Elizabeth trat freundlich lächelnd an seine Seite. Mrs Bannaster lächelte zurück und sah Peter fragend an.
Er räusperte sich. »Bitte verzeihen Sie, dass ich es versäumt habe, Sie vorher darüber in Kenntnis zu setzen, dass ich meine Verlobte mitbringe. Mr und Mrs Bannaster, darf ich Ihnen Lady Elizabeth Cabot vorstellen.«
Bannasters buschige Augenbrauen zogen sich fast bis zum Haaransatz hoch, während seine Frau ganz bleich wurde und den Mund öffnete, als wolle sie ein erstauntes »Oh!« von sich geben. Peter spürte, wie sich Elizabeths Hand auf seinem Arm verkrampfte. Augenscheinlich befürchtete sie, das die anderen sich durch ihre Anwesenheit gestört fühlten.
Doch plötzlich kicherte Mrs Bannaster beinahe albern und versank gleichzeitig in einen tiefen Knicks. »Mylady, Sie erweisen uns eine große Ehre.«
Ihrer Stimme war die einfache Herkunft anzuhören, was Peter nur als weiterer Beweis für die Entschlossenheit galt, mit der diese Leute sich hochgearbeitet hatten.
Das Lächeln kehrte auf Elizabeths Gesicht zurück, und sie erwiderte den Knicks. »Bitte, Mrs Bannaster, die Ehre ist ganz auf meiner Seite. Ich hoffe, ich mache Ihnen keine Umstände.«
»Aber meine Liebe, natürlich nicht! Kommen Sie herein, und erlauben Sie mir, Sie den anderen vorzustellen.« Während sie Elizabeths Arm ergriff, um sie in den Salon zu führen, warf sie Peter einen bedeutsamen Blick zu. »Was für ein gerissener Kerl Sie doch sind, Mr Derby, sich so eine feine Dame unter den Nagel zu reißen.«
Ihr Ehemann und Peter lachten bei ihren Worten – allerdings hätte Peter Gott weiß was dafür gegeben, Elizabeths Gesichtsausdruck zu sehen.
Im Salon wurde sie dann den Staplehills, den Perries, den Huttons und den Wiltons vorgestellt. Die Ehemänner, die alle im Vorstand der Southern Railway saßen, verbeugten sich, die Damen knicksten. Jedes Mal, wenn sie eine Gruppe verließ, um zur nächsten zu gehen, reagierten die Frauen auf dieselbe Art und Weise: Sie sahen einander mit großen Augen an, als würde sich gerade eine königliche Hoheit die Ehre geben. Die Männer waren da weniger devot, sondern bedachten Peter mit einem beifälligen Grinsen.
»Lord und Lady Thurlow kennen Sie ja bestimmt«, meinte Mrs Bannaster schließlich, als sie zum letzten Paar traten.
Viscount Thurlow, der Erbe des Earl of Banstead, war ein großer, kräftig gebauter Mann mit blassblauen, belustigt funkelnden Augen und einem intelligenten Blick, gegen den seine mollige Frau noch kleiner als üblich wirkte. Ihre üppigen hellblonden Haare umrahmten ihren Kopf wie ein Heiligenschein.
»Lady Elizabeth, es ist schön, Sie wiederzusehen«, erklärte Lord Thurlow.
Sie machte einen Knicks. »Guten Abend, Mylord.« Dann lächelte sie seine Frau an. »Mylady, ich fand es sehr schade, dass ich an Ihrem letzten Empfang zu Ehren der schönen Künste nicht teilnehmen konnte. Für meine Cousine Susanna ist es immer eines der wichtigsten gesellschaftlichen Ereignisse.«
»Wir haben Miss Leland vermisst, Lady Elizabeth. Ihr Kunstverständnis hat schon so vielen Schülern geholfen.«
»Sie weilt zurzeit nicht in London.«
Peter fragte sich, ob es Leo wohl gelingen würde, Susanna wieder in die Stadt zurückzulocken. Allerdings schien es ebenso gut vorstellbar, dass sie mittlerweile kurz davorstanden, einander umzubringen.
»Und wie geht es Ihrem Sohn?«, fragte Elizabeth.
»Der kleine Baron ist unsere ganze Freude«, sagte Lady Thurlow und schaute ihren Mann an.
Der räusperte sich. »Das ist ihr Kosename für ihn. Ich fürchte allerdings, dass es ihm auf Dauer zu Kopf steigt, wenn man ihn ständig mit seinem Titel anspricht.«
»Unsinn«, erwiderte Lady Thurlow. »Er wird es lernen, die Feinheiten zu unterscheiden.«
»Mit einem Jahr? Aber ganz wie du meinst, meine Liebe«, sagte ihr Mann trocken.
»Er ist sehr intelligent«, vertraute die stolze Mutter Elizabeth an, während ihr Mann sich an Peter wandte.
»Ich habe gehört, dass Lady Elizabeth heute Abend eigentlich gar nicht erwartet wurde. Sie sind bereits seit mehreren Tagen verlobt und beabsichtigten trotzdem nicht, sie mitzubringen?«
Peter stieß einen Seufzer aus. »Ich bin mir nicht sicher, wie ihre Familie meine Beteiligung an der Southern Railway aufnehmen wird.«
»Sie sind über die Einzelheiten nicht im Bilde?«
Peter schüttelte den Kopf. »Bisher nehmen alle nur an, ich würde bloß Geld investieren, und deshalb brauchte ich keine Erklärungen abzugeben.« Er sah den Viscount an. »Und Sie? Haben Sie niemals geheim gehalten, dass Sie zu denen gehören, die das Unternehmen leiten?«
Thurlow lächelte. »Früher schon, aber mittlerweile ist es mir egal, was die Gesellschaft über mich denkt. Sie werden das auch noch merken.«
»Nun, ein gewaltiger Unterschied besteht darin, dass ich immer ein Bürgerlicher bleiben werde, während Sie eines Tages die Earlswürde erben und schon jetzt Titelträger sind.«
»Dafür haben Sie einen sehr mächtigen Duke zum Schwager«, erwiderte Thurlow. »Und das ist eine wichtige und nützliche Verbindung.«
»Wenn ich nicht die Familie vor den Kopf stoße …«
»Ich glaube nicht, dass diese Gefahr bei Madingley sonderlich groß ist. Erzählen Sie Ihrer Herzensdame, was Sie so machen bei der Eisenbahn. Wenn sie Sie liebt, wird sie stolz auf Sie sein.«
Peter nickte, wenngleich nicht wirklich überzeugt.
Nicht viel später, als sich die Gäste zu anderen Grüppchen zusammenfanden, stand Elizabeth plötzlich wieder neben Peter und beobachtete gemeinsam mit ihm die Bahndirektoren und deren Ehefrauen. Nach Mrs Bannasters überschwänglicher Begrüßung fühlte sie sich recht entspannt und stellte amüsiert fest, dass sie im Vergleich zu den anderen, sehr modisch gekleideten Damen fast zu schlicht angezogen war. Besser so als andersherum. Schließlich wollte sie nicht zu hochgestochen wirken.
Einen Augenblick lang kam ihr in den Sinn, was diese Menschen wohl von ihr denken würden, wenn sie die Verlobung mit Peter wieder löste, doch sie verdrängte den Gedanken rasch, weil er ihr unangenehm war. Zudem schien die Gegenwart kompliziert genug.
»Alle haben mich ausgesprochen herzlich begrüßt«, meinte sie zu Peter. »Ich mag diese Menschen.«
»Das freut mich aufrichtig.«
»Dachtest du etwa, sie würden mir nicht gefallen?«
Er lachte leise. »Das glaubst du wohl selbst nicht. Du magst jeden, und jeder mag dich.«
»Außer …«
»Außer meiner Schwester, aber die wird schon noch zur Vernunft kommen.«
Sie ließ den Blick über die Gäste schweifen, die alle bis auf die Staplehills und die Thurlows einer älteren Generation angehörten.
»Die meisten Männer hier gehören also dem Direktorium der Eisenbahngesellschaft an?«
Er nickte, ohne eine weitere Erklärung abzugeben. Sie merkte, dass sie weiterbohren musste, wenn sie mehr erfahren wollte. Gut so, denn damit lenkte sie sich davon ab, was er wohl für die Heimfahrt plante.
»Laden sie regelmäßig Investoren zum Abendessen ein?«, fragte sie und deutete dabei auf Lord Thurlow.
»Thurlow ist nicht nur ein Geldgeber. Er ist im Besitz der Mehrheitsanteile und sitzt im Vorstand.«
Überrascht sah Elizabeth zu Peter auf. »Er ist ein Geschäftsmann? Das wusste ich ja gar nicht.«
»Es ist kein Geheimnis. Ja, er ist Unternehmer, auch wenn das für Männer seiner Herkunft nach wie vor ungewöhnlich ist. Aber er hat eben gemerkt, dass sich auf diese Weise das Familienvermögen besser erhalten oder gar mehren lässt als nur durch die Verwaltung der Ländereien. Und sein Titel ist in diesem Geschäft sehr nützlich, denn er öffnet ihm viele Türen. Ihm ist es egal, wenn die Gesellschaft das missbilligt. Außerdem ist er nicht der Einzige. Julian gehört ebenfalls dem Vorstand an.«
»Julian?«, fragte sie erstaunt. »Lord Parkhurst, der sich an die Fersen meiner Cousine Rebecca geheftet hat?«
Er grinste. »Genau der.«
»Wenn all diese Männer Positionen als Direktoren haben …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende, sah Peter aber die ganze Zeit fest ins Gesicht.
»Gehöre ich ihm auch an.«
Seine Miene war ernst, kein Lächeln spielte um seine Lippen, und sie wusste, dass er auf eine Reaktion von ihr wartete. Fast hätte sie locker dahingesagt, dass es sie ja nicht betreffe, weil sie schließlich nicht wirklich verlobt seien, überlegte es sich aber anders. Sie war im Grunde sogar traurig darüber, dass er ihr nie davon erzählt hatte. Ein Indiz, dass er ihr nicht voll und ganz vertraute. Nun ja, gerade sie durfte sich nicht beschweren, denn sie hielt schließlich ebenfalls eine Menge vor ihm geheim. Sie unterdrückte das schmerzliche Gefühl, das in ihr aufsteigen wollte.
»Herzlichen Glückwunsch, Peter«, sagte sie sanft. »Mit dem wenigen Geld, das dir zur Verfügung stand, hast du sehr viel erreicht.«
Er lächelte. »Danke. Mein Lohn bei der Sache besteht allerdings nicht nur aus Geld.«
»Du meinst Anerkennung? Ich weiß, wie schwer es für dich gewesen ist, als jüngerer Sohn immer zurückstehen zu müssen und zu denken, dass du dauerhaft ein armer Schlucker bleiben wirst. Doch jetzt hast du dir wie diese Männer, die ebenfalls nichts besaßen, selbst ein Vermögen erarbeitet und dir ein eigenes Leben aufgebaut. Und sitzt im Vorstand einer Eisenbahnlinie.«
»Das ist nichts, was du unbedingt in der guten Gesellschaft herumerzählen musst«, erklärte er. »Ich möchte dich nicht in eine peinliche Situation bringen.«
»Das würdest du nie, Peter.«
»Ich muss gestehen, dass mich dieser Unternehmergeist stark beeindruckt hat. Er ist die Zukunft.« In seiner Stimme schwang eine Begeisterung mit, die sie noch nie zuvor bei ihm gehört hatte. Und das gefiel ihr.
»Alle Bereiche des Lebens werden bereits bald von denjenigen dominiert werden, die Waren und Dienstleistungen anbieten. Es wird gewaltige Veränderungen geben. Denk nur daran, dass unsere Bahnstrecken bereits mit den neuen Telegrafenleitungen bestückt sind, sodass man ohne lange Postwege direkt quer durchs ganze Land Nachrichten austauschen und Geschäfte tätigen kann.«
Sie lachte. »Jetzt verstehe ich, warum du so aufgeregt bist.«
»Es ist mehr als das. Du bist doch schon mit der Bahn gefahren, oder?«
Sie nickte. »Es ist faszinierend, wie schnell alles an einem vorbeizufliegen scheint. Aber vielleicht könntest du etwas gegen den kalten Luftzug tun, der einem immer unter die Röcke fährt.«
Grinsend meinte er: »Alles zu seiner Zeit. Eine wichtige Veränderung, die wir zunächst einmal anstreben, ist die Zusammenlegung sämtlicher Bahnlinien. In den letzten paar Jahren haben wir bereits mehrere zusätzlich erworben und das Gleisnetz vereinheitlicht, sodass jeder Zug auf jeder Strecke fahren kann. Schließlich ist es albern, dass man manchmal eine ganze Stadt durchqueren muss, um von einem Bahnhof zum anderen zu kommen, nur weil es verschiedene Gesellschaften gibt. Wir haben sogar damit angefangen, Strecken nach Cornwall zu bauen, das früher völlig von der Welt abgeschnitten war.« Er unterbrach sich. »Ich langweile dich.«
Elizabeth legte eine Hand auf seinen Arm und drückte ihn. »Nein, ganz im Gegenteil. Dein Interesse und deine Leidenschaft faszinieren mich.«
Sie sahen einander an.
»Für dieses Thema«, fügte sie schnell hinzu.
Sein Lächeln bekam einen intimen Ausdruck, und sein Blick wanderte von ihren Augen zu ihrem Mund.
»Erzähl mir mehr von Cornwall«, forderte sie ihn schnell auf.
»Vielleicht möchte ich dir lieber von meinen privaten Plänen erzählen.«
Bevor es jedoch dazu kam, bat der Butler zum Essen, und Elizabeth hatte das Gefühl, gerade noch einmal davongekommen zu sein. Nur: Lange würde sie Peter kaum hinhalten können.
Sie blieben an diesem Abend länger als die anderen Gäste.
»Sie haben diese normalerweise schrecklich langweilige Versammlung mit Ihrer Anwesenheit belebt, Lady Elizabeth. Wir müssen uns unbedingt wieder über die Gesellschaft zur Rettung junger Frauen und Kinder unterhalten«, meinte die Gastgeberin.
»Wir sind dankbar für jede Unterstützung, Mrs Bannaster. Ich bin Ihnen für Ihr Interesse sehr verbunden.«
»Und ich bin froh, dass Sie uns mit Ihrer Gesellschaft beehrt haben. Ich dachte immer, Damen wie Sie seien … nun ja, anders.«
Mr Bannaster zuckte zusammen und verdrehte die Augen.
Elizabeth lachte. »Ich hoffe, Sie haben bemerkt, dass das nicht stimmt.«
Dann war es so weit und Peter griff nach ihrem Arm. »Es ist an der Zeit, dass ich meine Verlobte nach Hause bringe«, sagte er.
Vorbei war es mit ihrer Fröhlichkeit. Sie fühlte sich beklommen und ein wenig ängstlich, ohne allerdings ausweichen zu können, und so folgte sie Peter in die Halle, um ihren Umhang entgegenzunehmen und auf die Kutsche zu warten. Von dem Gespräch der beiden Männer bekam sie nichts mit.
Warum war sie bloß so nervös? Sie brauchte doch nur Nein zu dem zu sagen, was Peter plante, und zweifellos würde er sich ihren Wünschen fügen.
Aber wollte sie sich überhaupt weigern?
Sie hatte sich die ganze letzte Nacht in ihrem Bett gewälzt und noch einmal den Moment in der dunklen Grotte durchlebt, als Peter sie mit Mund und Händen erforschte. Es war alles so aufregend gewesen, diese nie gekannten Gefühle der Lust, die ihr gleichzeitig Angst machten. Die Vorstellung, dass ihr Körper nach mehr verlangte, sich ihm anbieten, sich für ihn öffnen könnte …
Was war dieses Mehr? Bestimmt beschränkte es sich nicht auf den bloßen Fortpflanzungsakt, aber sie schreckte davor zurück, es herauszufinden.
Und sehnte sich gleichzeitig danach.
Es war nicht Peter, dem sie misstraute, sondern sich selbst. Obwohl sie es nicht wollte, wurde sie magisch angelockt von diesen verbotenen, sündigen Empfindungen. Es war, als würde sie unaufhaltsam von einem unsichtbaren Seil gezogen, gegen das sie sich vergeblich stemmte.
Es war ein dunkler, warmer Abend, und in der Ferne schimmerten Gaslaternen. Vorne und hinten an der Kutsche hingen Lampen, und der Kutscher lächelte sie an, als wolle er sie beruhigen.
Grundgütiger, dachte sie, ihre Fantasie schien wirklich völlig überreizt zu sein. Bis sie bemerkte, dass der Kutscher Peter zunickte, als handle es sich um ein verabredetes Zeichen.
Sie stieg in die von einer kleinen Lampe schwach beleuchtete Kutsche, setzte sich hin und breitete demonstrativ ihre Röcke um sich aus. Peter verstand den Wink und nahm ihr gegenüber Platz.
Als der Schlag geschlossen wurde und die Kutsche sich mit einem Ruck in Bewegung setzte, zog er die Rollos an beiden Fenstern herunter.
»Ich möchte aber gerne nach draußen schauen«, sagte sie trotzig.
»Und ich möchte nicht, dass jemand hereinschaut. Der Kutscher hat Anweisung, erst dann nach Madingley House zu fahren, wenn ich ihm ein Zeichen gebe.«
Also doch. Sie hatte sich nicht getäuscht. Trotzdem schlug ihre Stimmung um, denn der sanfte Klang seiner Stimme brachte eine Saite in ihr zum Schwingen, die begierig alles erleben wollte.
Sie sah ihn mit großen Augen an. »Hier?«
»Wo sonst wären wir so ungestört wie in einer Kutsche, um alles zu erforschen, was du wissen musst?«
»So viel wird es ja wohl nicht sein, was du mir noch erzählen kannst«, meinte sie zittrig.
»Erzählen? Das tun Mütter, wenn sie die Tochter auf die Hochzeitsnacht vorbereiten. Hast du es schon hinter dir?«
Sie schluckte, nickte dann, während sie sich an das Gespräch erinnerte. Ihre Mutter, weil sie nicht wollte, dass sie in der Hochzeitsnacht Angst bekam, hatte ihr recht offen das Geheimnis enthüllt und den Akt beschrieben. Der Mann werde einen Teil seiner Anatomie in ihren Körper schieben.
Als sie an diese Worte zurückdachte, versuchte sie Williams Gesicht heraufzubeschwören. Doch zur Hölle mit ihm! Was sie vor ihrem inneren Auge sah, war Peters wissender Blick, sein sinnliches Lächeln, sein Körper, der sich gegen ihren presste und vielleicht bald auf ihm liegen würde. Sie kniff die Augen zusammen. Weiter hatte ihre Mutter von vorbereitenden Zärtlichkeiten gesprochen, aber die Einzelheiten waren ihr entfallen.
»Peter, hast du …«, sie zögerte einen Moment. »Hast du eine … Mätresse?«
»Derzeit nicht.« Er sah sie mit verschleiertem Blick an. »Du nimmst mich zu sehr in Anspruch.«
Sie konnte den Blick nicht von ihm abwenden, wollte es auch gar nicht. Würde sie sich tatsächlich mehr von ihm zeigen lassen?
»Gestern Abend habe ich dir einen kurzen Eindruck von der Lust vermittelt, die eine Frau empfindet«, fuhr er leise fort. »Allerdings musst du ebenfalls wissen, wie man einen Mann verführt.«
»Ich werde … ihn nicht verführen.« Gütiger Himmel, beinahe wäre ihr Williams Name entschlüpft!
Peters Augen wurden ganz schmal, doch er bedrängte sie nicht. Sie war erstaunt, dass er nicht nachfragte. War es, weil er ihre Privatsphäre respektierte? Oder wollte er den Namen gar nicht wissen, weil er eifersüchtig war? Eine überraschende und faszinierende Erkenntnis.
»Bei einer Verführung geht es darum, einen Mann dazu zu bringen, dass er dich will«, erklärte er sanft. »Dieser Mann, um den es geht, muss wohl blind sein, dass er sich nicht zu dir hingezogen fühlt. Aber da du ihn nicht aufgeben magst, musst du ihn zu gewinnen versuchen.«
»Fühlst du dich zu mir hingezogen, Peter?« Schnell legte sie eine Hand auf ihren Mund. Wie konnte ihr bloß so eine Frage herausrutschen?
Er schenkte ihr ein schiefes Grinsen. »Ich wiederhole: Ein Mann muss blind sein, wenn er dich nicht begehrt. Du bist eine wunderschöne Frau, Elizabeth, und dazu klug und liebenswert.«
Es versetzte ihr einen Stich, dass er sie scheinbar für eine nette Person hielt, obwohl sie nicht ehrlich zu ihm war.
»Was hast du gestern Abend in der Grotte gelernt?«, fragte er.
Sie sah ihn mit flatternden Augenlidern an. Hitzeschauer durchliefen sie, und ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. »Gelernt?«, brachte sie krächzend hervor. »Warum muss ich dir das sagen?«
Ein leichtes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, doch er antwortete nicht.
»Nun«, murmelte sie, während sie sich zur Ruhe zwang, »Berührungen scheinen sehr wichtig zu sein.«
»Und welche Schlussfolgerung ziehen wir daraus, wenn es dir gefällt, berührt zu werden?«, fragte er und legte den Kopf auf die Seite.
»Dass es einem Mann ebenfalls gefällt, wenn er berührt wird«, wisperte sie.
Ein anzügliches Lächeln glitt über sein halb im Schatten liegendes Gesicht, das nur verschwommen im Schein der flackernden Lampe zu erkennen war. Er breitete die Arme aus, als würde er sich ihr anbieten.
Ihr Blick heftete sich auf seine breite Brust, und sie schluckte. »Kannst du mir nicht einfach sagen, was ich machen soll?«
Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Elizabeth, Elizabeth, was würdest du dabei schon lernen? Ich denke, du musst es ausprobieren und selbst herausfinden, was mir gefällt. Glaub mir, Männer sind in dieser Hinsicht alle gleich. Komm herüber – oder soll ich lieber zu dir kommen?«
Sie biss sich auf die Unterlippe und ließ das Umschlagtuch von ihren Schultern gleiten. In der Kutsche war es sehr warm, und sie wusste nicht, ob sie sich deshalb oder aus einem anderen Grund so erhitzt fühlte. Jedenfalls hatte sie das Gefühl, zu viel anzuhaben. Allerdings nicht mehr lange, wenn er seine Drohung wahrmachte.
Während sie ihn musterte, dachte sie an seine leidenschaftlichen Worte vom gestrigen Abend. Auch er war sichtlich erregt gewesen, und allein durch seine leidenschaftlichen Küsse, die sie hemmungslos erwiderte, glaubte sie zumindest ein wenig zu wissen, was er mochte.
Die Kutsche schwankte in einem steten Rhythmus, als sie von ihrem Platz hochkam und sich auf seiner Seite auf die Bank sinken ließ, wo sie zunächst nervös ihre Röcke ordnete. Er hingegen lehnte sich entspannt zurück, die Arme seitlich auf das Rückenpolster gelegt, als wolle er ihr durch seine Haltung die Möglichkeit geben, ihn ungestörter zu erforschen. Seine Augen waren funkelnd auf sie gerichtet, und um seine Lippen spielte wieder dieses vertrackte Lächeln.
Sein Gehrock war nicht zugeknöpft, und sie erinnerte sich daran, wie er sie an seine feste Brust gedrückt hatte. Natürlich kannte sie die nackten antiken Männerstatuen in der Galerie von Madingley House, ohne jemals einen Bezug zu den Männern, die sie kannte, herzustellen. Sie streckte die Hand aus und ließ sie unter seinem Rock über seine Brust gleiten. Er holte tief Luft, doch als sie aufschaute, sah sie, dass er nach wie vor lächelte. Am liebsten hätte sie ihm dieses überlegene Grinsen vom Gesicht gewischt. Sie suchte seine Augen, während sie ihre Hand über seine Brust gleiten ließ, und begann seine Weste aufzuknöpfen.
Noch immer keine Reaktion. Erst als ihre Hand überrascht seine Brustwarzen berührte, zuckte er zusammen, und sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Sie erinnerte sich daran, was er mit ihren Brüsten gemacht hatte, und strich mit dem Daumen immer wieder über die harte Spitze.
Plötzlich lag seine Hand an ihrem Hinterkopf, und er versuchte ihren Mund an seine Lippen zu ziehen.
»Nein!« Sie wehrte sich, und als er sie erstaunt anblickte, erklärte sie: »Ich soll dich berühren, schon vergessen? Ich tue mit dir, was ich will.«
Ein kurzes Beben ging durch seinen Körper, aber er ließ sie gewähren. Elizabeth empfand ein berauschendes Gefühl von Macht, weil es ihr tatsächlich gelang, ihn zu erregen.
In dem Moment bauschten sich ihre Röcke, die sie die ganze Zeit mit den Ellbogen nach unten gedrückt hatte, und bildeten eine Barriere zwischen ihnen.
»Zieh deine Unterröcke aus«, befahl er. »Du hast bestimmt ein ganzes Dutzend von den Dingern an.«
Sie rutschte bis zur Kante der Sitzbank vor und zog ihren Rock hinten hoch, um nach den Bändern des ersten Unterrocks zu suchen, der aus versteiftem Rosshaar bestand und das größte Hindernis darstellte. Ungeduldig zerrte sie an dem Kleidungsstück und hatte es endlich geschafft. Sobald der zweite Unterrock ebenfalls auf der gegenüberliegenden Bank lag, wandte sie sich wieder Peter zu.
»Setz dich rittlings auf mich. Dann kannst du mich überall anfassen.«
»Du mich aber auch!«
»Du bist diejenige, die verführt. Schon vergessen?«
»Ich lerne von dir.« Sie wusste sehr wohl, dass es unanständig war, was sie da gerade tat. Schließlich wusste sie durchaus, wo sich besagter Teil der männlichen Anatomie befand und wohin er sollte.
Ein kleines Teufelchen in ihrem Kopf drängte sie, auf seinen Vorschlag einzugehen, obwohl eine wirklich wohlerzogene junge Lady sich nie und nimmer auf einen Mann setzen würde. Er ist doch voll bekleidet, raunte ihr das Teufelchen ins Ohr.
Und dann war es geschehen, und sie saß mit gerafftem Rock rittlings auf ihm. Ihre Köpfe befanden sich jetzt auf gleicher Höhe.
Sie schauten einander an, und beide atmeten schneller als normal. Seine festen Schenkel an der Innenseite ihrer Beine zu spüren verwirrte sie, zumal sie immerzu an diese Statuen denken musste. Zögernd schlug sie Gehrock und Weste zur Seite. »Zieh mir die Sachen aus«, verlangte er.
Er beugte sich mit gesenktem Kopf nach vorne, sodass er ihr tief in den Ausschnitt sehen konnte, während sie die Kleidungsstücke von seinen Schultern zog.
Als er nur noch im Hemd vor ihr saß, begann sie ihn zu erforschen, wobei sie beide Hände flach auf seine Brust legte, seine Brustwarzen unter ihren Fingern spürte und seine Muskeln, die sich anspannten. Er ließ den Kopf nach hinten sinken und schloss die Augen, als sie die Hände von seinen Schultern über seine Arme nach unten gleiten ließ. Sie fand es erstaunlich, wie anders sich die Arme eines Mannes anfühlten. Da war nichts Weiches, sondern nur eine lange, feste Muskulatur. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihm einmal beim Fechten zugeschaut hatte, und wusste, dass er sich immer noch auf diese Weise in Form hielt.
Sie zupfte an seinem Halstuch und zerknitterte den gestärkten Stoff, als sie ihn achtlos von seinem Hals zerrte, bevor sie sich die Knöpfe seines Hemdes vornahm.
»Du hast Haare auf der Brust?«, fragte sie überrascht, als sie das hellbraune Gelock entdeckte.
»Du wirst noch auf weitere Unterschiede zwischen uns stoßen«, sagte er gepresst.
Mutig geworden zog sie sein Hemd aus dem Hosenbund und schob ihre Hände von unten unter den weichen Stoff. Sie spürte, wie ein Beben ihn durchlief.
»Küss mich«, murmelte er. »Ein Mann will geküsst werden.«
Ihre Hände glitten um seine Taille, als sie sich nach vorne beugte und ihren leicht geöffneten Mund immer wieder auf seine Lippen drückte, dabei ihren Kopf mal in die eine, mal in die andere Richtung drehte. Sie leckte an seinem Kinn und spürte dessen Rauheit auf ihrer Zunge. Mit dem Mund fuhr sie an den Sehnen seines Halses entlang, und während ihre Lippen immer tiefer glitten, schob sie sein Hemd nach oben.
Sie zitterte vor Erregung. Die anfängliche Nervosität war völlig von ihr abgefallen, ihr heißer Leib kribbelte vor Verlangen – und das besonders intensiv zwischen ihren gespreizten Schenkeln.
Sie küsste ihn auf die nackte Brust und verharrte eine Weile über seiner Brustwarze. »Soll ich?«, flüsterte sie. »Die Berührung fühlte sich bei mir eindeutig gut an.«
»Gütiger Himmel, ja.« Seine Stimme war heiser und kaum noch zu verstehen.
Sie beugte sich vor und leckte erst ganz langsam, später mit schnellem Zungenschlag über die Spitze, ehe sie sie mit dem Mund bedeckte. Stöhnend schlang er die Arme um sie. Überrascht richtete sie sich auf und wollte schon protestieren, weil er jetzt die Führung zu übernehmen schien. Sie kam nicht mehr dazu, denn mit einem Ruck hob er sie ganz dicht an sich, sodass ihre geöffneten Schenkel sich an seine Lenden schmiegten. Sie keuchte, als ihre weiche Weiblichkeit gegen seinen langen, harten Schaft gepresst wurde.
»Ist das der Körperteil des Mannes, der in die Frau hineingeschoben wird?«, fragte sie.
»Ja, und er kann noch andere wunderbare Sachen. Aber jetzt keine Fragen mehr.«
Und dann gab er ihr lange, leidenschaftliche Küsse, bei denen er tief in ihren Mund eindrang und ihn erforschte. Sie kam seiner Zunge entgegen und reizte ihn, indem sie daran saugte, während er sich zwischen ihren Schenkeln bewegte und sie mit Zärtlichkeiten aller Art überhäufte.
Es war noch besser als am Abend zuvor in der Grotte.