Kapitel 12

Als Peter am Abend desselben Tages mit Elizabeth an seiner Seite am Eingang zu Lord Ludlows Ballsaal stand, kam ihm alles ein bisschen unwirklich vor. Zuvor hatte die tonangebende Gesellschaft nie von ihm Notiz genommen, doch plötzlich stand er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und alles, was er tat oder getan hatte, war Futter für die stets hungrige Gerüchteküche.

Und er war sicher, dass die Klatschmäuler, wenn es ihnen nicht reichte, was sie geboten bekamen, graben würden, bis sie etwas fanden. Leider, denn es gab durchaus Geheimnisse in seiner Vergangenheit, und er konnte nur hoffen, dass keiner der Beteiligten über jene schwierige Zeit ein Wort verlieren würde. Trotzdem lastete die Sache auf seiner Seele, vor allem weil er sich noch immer mit Vorwürfen quälte.

Als ihre Namen angekündigt wurden, konzentrierte Peter sich ganz auf den Abend und die Rolle, die er zu spielen hatte. Er schaute Elizabeth an und tauschte ein Lächeln mit ihr. Sie trug weißen Satin zu ihrem schwarzen Haar und sah einfach umwerfend aus, geheimnisvoll und strahlend wie ein Stern am dunklen Nachthimmel.

Und er spürte mit unumstößlicher Gewissheit, dass sie zusammengehörten.

Halt, mahnte er sich, es war alles nur vorübergehend, auch die Küsse und Zärtlichkeiten, die sie tauschten. Obwohl er das von Anfang an gewusst hatte, fiel es ihm zunehmend schwer, es zu akzeptieren.

Vor allem wollte er sie glücklich sehen, ohne Sorgen und Ängste, natürlich am liebsten an seiner Seite. Wenn es nach ihm ginge, würde er sie ein Leben lang beschützen.

Als sie den Ballsaal betraten, wurde Elizabeth sofort von aufgeregten jungen Damen umkreist. Peter stand außerhalb der Gruppe und lächelte, wenn ein fragender Blick sich in seine Richtung verirrte. Alle redeten so schnell, dass er nicht erkennen konnte, wer gerade sprach.

»Du hast Mr Derby nie mit einem Wort erwähnt.«

»War er nicht nur ein Freund?«

»Hast du nicht einmal versucht, ihn für Miss Alden zu interessieren?«

Angesichts dieses Gewehrfeuers von Fragen warf sie ihm ein klägliches Lächeln zu und zuckte die Achseln, ehe sie sagte: »Und dann habe ich gemerkt, dass ich schrecklich eifersüchtig war und ihn nicht hergeben wollte.«

Peter konnte dem Gespräch nicht weiter folgen, weil sich eine Hand fest auf seine Schulter legte. Er drehte sich um und sah sich mehreren Männern gegenüber, die Elizabeth einmal den Hof gemacht hatten und ihn nun erstaunt anschauten.

»Wie ist es Ihnen bloß gelungen, Lady Elizabeth Cabot einzufangen?«

»Sie hätte doch eigentlich einen Gentleman von höchstem Stand heiraten sollen.«

»Wie haben Sie das vor uns verheimlichen können?«

Zu seiner Erleichterung spürte er, wie Elizabeth ihre Hand unter seinen Arm schob, und sah, wie sie ihn zärtlich anlächelte und ihren Kopf an seine Schulter legte.

»Mr Derby musste mir schwören, nichts zu erzählen«, erklärte sie mit einem schalkhaften Lächeln, und zur Abwechslung war es einmal die reine Wahrheit.

Die Männer sahen sie mit großen Augen an.

»Ich wollte seine volle Aufmerksamkeit«, fuhr sie fort, »um zu wissen, ob er meine Gefühle teilt.«

»Und weil ich das tue«, sagte Peter, »finde ich es an der Zeit, mit meiner Verlobten zu tanzen.«

Sie ließen die anderen jungen Leute zurück, und Elizabeth raunte ihm zu: »Das hat Spaß gemacht!«

»Spaß?«, fragte er überrascht.

»Das Unerwartete zu tun.«

»Wieder ein Hinweis darauf, dass du nach wie vor hinter der korrekten Fassade eigentlich eine unbesonnene, um nicht zu sagen leichtfertige Person bist«, spottete er.

»Das hat damit überhaupt nichts zu tun. Die Leute sollen bloß merken, dass ich mehr vom Leben will, als so zu heiraten, wie man es von mir erwartet.«

»Dann gehört dein junger Mann also nicht der allerersten Gesellschaft an?«

Sie biss sich auf die Unterlippe und wich seinem Blick aus, während er leise lachte.

»Du brauchst mir nicht zu sagen, wie er heißt«, sagte er, während er sie für einen Walzer in seine Arme zog. »So, wie alles jetzt läuft, werde ich es bald herausfinden.«

Hochmütig reckte sie das Kinn und antwortete nicht.

Alles drehte sich um sie an diesem Abend. Die Menge teilte sich, um sie durchzulassen, Tanzpaare hielten inne, um ihnen den Platz auf dem Parkett nicht streitig zu machen. Es war ein wundervolles Gefühl, sie in den Armen zu halten – so zart und süß und geschmeidig, wie sie war. Er genoss es, ihren biegsamen Rücken unter seiner Hand zu spüren, sie zu führen und mit ihr dahinzuschweben. Er lächelte sie an und brauchte sich keinerlei Mühe zu geben, gleichzeitig stolz, verliebt und völlig überwältigt von ihr zu wirken.

Auch Elizabeth ließ nichts von der sonstigen Vorsicht und Anspannung erkennen. Vielmehr lag ein sanftes, beseligtes Lächeln, das von innen zu kommen schien, auf ihren Lippen, und sie hatte nur Augen für ihn.

Obwohl er sich einen romantischen Narren schalt, nahm er es als gutes Omen.

Zu seinem großen Bedauern musste er sie irgendwann freigeben, denn andere drängten sich ebenfalls darum, mit ihr zu tanzen. Allerdings bedachte er jeden, der sie ihm entführte, mit einem warnenden Blick, um wortlos darauf hinzuweisen, dass sie zu ihm gehörte.

Sofern er sich nicht gerade selbst auf der Tanzfläche befand, denn auch er war sehr begehrt an diesem Abend, allerdings nicht nur als Tänzer. Viele der jungen Ladys wollten von ihm vor allem weitere Einzelheiten erfahren und versuchten, ihn einem regelrechten Verhör zu unterziehen. Kaum jemand konnte begreifen, dass eine Lady aus allerersten Kreisen, die Schwester eines Duke zudem, sich für einen Mann entschieden hatte, der gesellschaftlich so weit unter ihr stand. Er amüsierte sich köstlich, während er flirtete, schmeichelte und seine Späße mit ihnen trieb.

Schließlich holte er sich ein Glas Champagner und stellte sich eine Weile an den Rand des Parketts, um Elizabeth zu beobachten. Wenn einer der Männer, die mit ihr tanzten, ihr in letzter Zeit zu nahe getreten war, so ließ sie sich das nicht anmerken. Sie wirkte im Gegenteil rundherum zufrieden und glücklich, und er sah sie mehr als einmal lachen.

»Sie haben die schönste Blume im Garten gepflückt.«

Peter drehte sich um und sah sich einer älteren Dame gegenüber, die ihm kaum bis zur Schulter reichte. Sie trug einen Turban, unter dem feine weiße Haarbüschel hervorlugten, und ein Tuch um die Schultern gelegt, obwohl es im Ballsaal so heiß war wie in einer Wüste zur Mittagszeit. Peter kannte sie und wusste sehr wohl, dass sie keineswegs so zart und gebrechlich war, wie sie wirkte.

»Guten Abend, Miss Bury – Verzeihung, ich meine natürlich Mrs Fitzwilliam.«

Die Lady kicherte. »Ich habe Mr Fitzwilliam heute Abend zu Hause gelassen. Er pflegt bei solchen Veranstaltungen immer einzuschlafen – und zudem fühlt er sich seit seiner Eskapade, die unsere Eheschließung für ihn bedeutete, immer noch ganz erschöpft!«

Peter lachte. »Sie haben sich mit dem Heiraten viel Zeit gelassen, Madam, aber ihre Beharrlichkeit, auf den Richtigen gewartet zu haben, verdient Anerkennung.«

»Es dauerte eine Weile, bis ich wusste, was ich wollte, junger Mann. Ich kenne Mr Fitzwilliam seit meiner Jugend, hatte aber nicht das Gefühl, ihn genug zu lieben, um ihn zu heiraten. Er musste erst einmal ruhiger werden.«

Peter dachte an Fitzwilliam, der immer in einem Ohrensessel schlief, wenn er in den Leseraum seines Clubs kam. Man konnte sich kaum vorstellen, dass der alte Mann früher ein feuriger Galan gewesen war.

»Ich bin stolz darauf, meist richtig voraussagen zu können, wer mit wem zusammenkommen wird«, erklärte die kleine Dame.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie auf mich als Lady Elizabeths zukünftigen Ehemann gewettet haben.«

Sie ließ erneut ein mädchenhaftes Kichern ertönen. »Ich war mir ganz sicher, dass Ihre Verlobte Lord Bakewell heiraten würde.«

»Den Erben der Marchioness of Ashborne?« Peter fragte sich unwillkürlich, ob das der Mann war, dem Elizabeths Herz gehörte. »Er wäre die perfekte Wahl für ein Mädchen aus herzoglichem Haus gewesen.« Nein. Elizabeth hatte erwähnt, dass der Betreffende keinen bedeutenden Titel vorweisen konnte.

»Und dann war da noch Lord Dekker.«

Der versucht hatte, Elizabeth nach draußen auf eine Terrasse zu zerren. Aber er kam als Herzenskandidat noch weniger infrage, denn sonst wäre sie vermutlich bereitwillig mitgegangen.

Ein wenig reserviert erwiderte Peter: »Er hat mir gegenüber sein Interesse an ihr sehr offen zugegeben.«

Mrs Fitzwilliam schaute zu ihm auf, und ihre hängenden Lider sanken noch mehr nach unten, als sie ihn mit schmalen Augen ansah. »Sie sind sehr besitzergreifend, mein Junge. Das gefällt mir.«

Ehe er etwas sagen konnte, traten zwei weitere ältere Damen zu ihnen, sodass Peter sich vorkam wie ein Baum zwischen lauter Büschen. Sie fragten ihn recht dreist in Bezug auf die überraschende Verlobung aus und diskutierten über alle Gentlemen, die um Elizabeth »herumscharwenzelt« seien.

Als sich ihm die Gelegenheit zur Flucht bot, nutzte er sie, blieb allerdings in der Nähe, um weiter ihre Gespräche belauschen zu können. Zum Glück redeten sie aufgrund ihrer fortgeschrittenen Schwerhörigkeit laut genug, doch er erfuhr nichts Wichtiges, außer dass sich viele junge Männer Hoffnungen auf diese begehrte Partie gemacht hätten. Kein einziger Name wurde in besonderer Weise hervorgehoben.

Wer zum Teufel war also dieser Mann, den Elizabeth sich zu lieben einbildete?

»Sie sind der Glanzpunkt des Abends«, sagte Lord Thomas Wythorne, als er sie zu einem Walzer aufforderte.

Es fiel Elizabeth schwer, ihm ein höfliches Lächeln zu schenken, und suchend glitten ihre Blicke durch den Saal. Sie hoffte auf eine Rettung in letzter Minute, aber Peter wurde gerade von drei älteren Damen mit Beschlag belegt, und es gelang ihr nicht, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als Thomas’ Aufforderung anzunehmen. Immerhin war er ein guter Tänzer und führte sie sicher und gekonnt.

»Bestimmt war es Ihr Plan, derartig viel Aufmerksamkeit zu erregen«, sagte er, während er sie in eine Drehung schwang. »Peter Derby dürfte wohl so ziemlich der unpassendste Mann sein, den Sie hätten wählen können. Alle sind völlig fassungslos und entsetzt.«

»Ich habe ihn nicht ausgewählt – ich habe mich in ihn verliebt«, berichtigte sie, wobei sie sich um einen ausgesprochen freundlichen Tonfall bemühte. »Das Herz kümmert sich nicht um die Meinung der Gesellschaft.«

Er grinste. »Der Duke of Madingley vermutlich schon. Außerdem können Sie Ihren Bruder nicht so leicht zum Narren halten wie andere.«

»Er kennt meine Verbundenheit zu Peter.«

»Verbundenheit. Welch interessantes Wort.«

Sie musste sich zusammenreißen, um nicht mit den Zähnen zu knirschen. »Mylord, warum legen Sie es darauf an, mich zu verärgern? Ich bin verlobt. Sie können nicht mehr darauf hoffen, mich zur Frau zu bekommen.«

»Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass ich nicht so leicht aufgebe. Weiß Peter Derby eigentlich um die wahre Frau hinter der Fassade?«

»Sie sind es, der die wahre Frau nicht kennt«, schoss sie mit einem falschen Lächeln zurück. »Nur weil sie das Gemälde gesehen haben, erlauben Sie sich ein Urteil. Peter hingegen kennt alle Facetten meiner Persönlichkeit.«

Thomas Wythorne zog eine Augenbraue hoch. »Ich sollte eigentlich nicht überrascht sein, bin es aber trotzdem. Dann weiß Mr Derby also, was Sie getan haben. Und er billigt es?«

»Es ist nicht an ihm, es zu billigen oder zu missbilligen. Wir sprechen hier von einem Zeitraum, der vor meiner Verlobung lag.«

»Sie gefallen mir immer besser, Lady Elizabeth.«

Bei diesen Worten wirbelte er sie herum, dass ihr die Luft wegblieb und sie einen Moment lang zu stürzen fürchtete.

Thomas lachte leise. »Sie gehen ganz schön weit, um das zu bekommen, was Sie haben wollen.«

Erstaunt begegnete sie seinem spöttischen Blick.

»Das ist eine Seite von Ihnen, die ich nachempfinden kann und zudem sehr aufregend finde. Und das bestärkt mich nur in meiner Entschlossenheit, Sie zu bekommen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich verspreche, auf Ihren guten Ruf Rücksicht zu nehmen. Sie werden bald feststellen, dass wir perfekt zueinanderpassen.«

Er ließ sie los, und da erst merkte sie, dass die Musik verklungen war. Sie knickste schnell vor ihm und entfernte sich dann, ohne ihn noch einmal angeschaut zu haben. Seine Worte, seine Schlussfolgerungen – alles beunruhigte und verwirrte sie.

»Ich dachte schon, ich würde dich nie wieder für mich haben.«

Peter, der ihre Erleichterung bemerkte, sah sie eindringlich an, und sie hoffte inständig, dass er sie nicht ausfragen würde. Zumindest nicht jetzt.

Zum Glück lächelte er nur und fragte: »Soll ich dich von hier wegbringen?«

»Ach, wenn du das könntest«, murmelte sie. »Aber meine Mutter wird bald hier sein und will bestimmt ihre fast verheiratete Tochter vorzeigen.«

»Noch mehr Druck, den du nicht brauchst. Komm mit, in spätestens einer halben Stunde bist du wieder zurück.« Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich, und willenlos folgte sie ihm vorbei an Kübeln mit dekorativen Farnen und Sträuchern, hinter denen es in einen langen Flur ging.

»Wohin willst du?«, fragte sie. Sie musste schneller gehen, um mit ihm Schritt zu halten.

»Ich konnte dich ja wohl kaum auf direktem Weg auf die Terrasse führen.«

»Wir sind verlobt, und dann darf man das, behauptest du sonst ständig.«

»Nur will ich nicht bloß bis zur Terrasse mit dir.«

»Auch das wird bei Paaren in unserer Situation akzeptiert.«

Er warf ihr ein Lächeln zu, bei dem seine Zähne aufblitzten. Sie beschloss, alle Bedenken von sich zu schieben und Peter zu vertrauen. Zudem kehrte ein Anflug von Abenteuerlust zurück. Peter und sie auf verbotenen Wegen – vielleicht wurde es doch noch ein amüsanter Abend.

Sie gingen eine Treppe hinunter und traten in eine Bibliothek, die vom sanften Licht zahlreicher Lampen erhellt wurde. Musste es eigentlich immer eine Bibliothek sein, dachte sie.

Er durchquerte den Raum und führte sie durch eine doppelflügelige Tür hinaus in die Nacht.

Elizabeth holte tief Luft, und der betörende Duft von Azaleen stieg ihr in die Nase. Sie schaute hinüber zu dem von unzähligen Fackeln erhellten Bereich, der an den Ballsaal grenzte, während hier, in diesem abgeschiedenen Winkel des Gartens, tiefe Dunkelheit herrschte, gemildert nur vom schwachen Schein des Halbmonds und einigen wenigen Fackeln hier und da, sodass sie zumindest schemenhaft die Umrisse von Peters Gesicht erkennen konnte.

Noch ein paar Stufen und sie verließen die Terrasse. Schon spürte Elizabeth Kies unter den dünnen Sohlen ihrer Schuhe knirschen. Als sie an seinem Arm zog, drehte er sich zu ihr um und legte seine Hände leicht auf ihre Hüften.

»Weißt du überhaupt, wohin du gehst?«, fragte sie. »Es ist ziemlich dunkel.«

»Ich war mit Lady Ludlows Tochter einige Male hier draußen.«

Sie stieß einen Laut der Verwunderung aus, ehe sie ihn unterdrücken konnte. »Ich dachte, du würdest mit einer anderen Sorte Frau verkehren.«

»Verkehren? Hat man etwa über mich getratscht?«

»Ein bisschen.«

»Dann passen wir ja gut zusammen.« Er senkte die Stimme und murmelte. »Hast du etwa gedacht, ich hätte nur auf dich gewartet?«

Sie gab ihm einen Klaps auf den Arm, ließ sich aber von ihm weiterziehen. Musik und Gelächter wurden immer leiser, bis es gar nicht mehr zu hören war. Und obwohl sie sich mitten in London befanden, kam es ihr vor, als befänden sie sich in einer anderen Welt. Da war nichts mehr außer dem Rascheln der Blätter, wenn sie im Vorübergehen Büsche streifte, dem allgegenwärtigen Duft von Blumen und dem milden Licht des Mondes, das ihnen den Weg durch die Dunkelheit wies. Elizabeth fand es aufregend und faszinierend zugleich.

Plötzlich wurde es noch dunkler, und sie konnte die Mondsichel nicht mehr sehen.

»Wir befinden uns jetzt in einer Gartenlaube«, erklärte Peter. »Bei Tag ein sehr hübscher Anblick, denn sie ist ganz zugewachsen mit Weinranken und Blumen.«

Seine dunkle Stimme war eine einzige zärtliche Liebkosung und weckte all ihre Sinne, ließ die Probleme des Alltags plötzlich in weite Ferne rücken.

»Aber der wahre Zweck dieser Laube besteht darin, Dinge zu verbergen«, fuhr er fort und zog sie an sich. »Ich hatte ganz vergessen, dass es sie gibt.«

Sein fester Körper drückte sich eng gegen ihren, und so hielt er sie, während er an ihrer Unterlippe zu saugen begann. Elizabeth schloss die Augen und stöhnte, gab sich ohne Widerspruch seinen Küssen hin, öffnete ihre Lippen für seine suchende Zunge und erbebte, als er ihren Mund erforschte. Sie schlang die Arme um seinen Hals und klammerte sich an ihm fest. Ihr ganzer Körper wand sich unter dem Streicheln seiner Hände, die über den Rücken abwärtsglitten, um schließlich ihren Po zu umfassen und sie noch fester an sich zu ziehen.

Er überwältigte und verschlang sie mit seinen Küssen, seine Hände wanderten noch weiter nach unten und schoben ihre Schenkel auseinander, sodass die Berührung vollends intim wurde und sie trotz mehrerer Lagen Stoff in nie gekannter Weise erregte. Dabei blieb er stets zärtlich und schmiegte sich immer wieder an sie, lockte sie vorsichtig mit seinen Händen, die bedächtig und doch zielstrebig ihren Körper erforschten, bis dieser stürmisch und fast hemmungslos darauf reagierte.

Als er sich abrupt von ihr löste, wäre sie fast getaumelt. Wieder griff er nach ihrer Hand, und als er sprach, klang seine Stimme ganz heiser und völlig fremd. »Komm, hier ist es zu gefährlich.«

Sie konnte nicht sprechen, ließ sich aber von ihm aus der dunklen Laube ziehen. Draußen im Licht des Mondes, das ihr mit einem Mal fast unerträglich hell vorkam, verspürte sie den Wunsch, sich wieder in die schützende Dunkelheit zu flüchten. Doch Peter hatte anderes im Sinn, und so folgte sie ihm den Weg entlang zum Ende des Gartens.

»Da hinten befindet sich eine künstliche Grotte, die aus lauter Felsstücken errichtet wurde. Wenn wir reingehen, zieh den Kopf ein.«

Sobald sie den Eingang hinter sich hatten, hörten sie das leise Plätschern von Wasser, ohne es zu sehen. Sie spürte seinen Atem dicht an ihrem Kopf. Dann legten sich seine Hände auf ihre Schultern, um sie sanft nach hinten zu einer Bank zu schieben.

»Du kennst dich hier ja wirklich sehr gut aus«, meinte sie trocken, als sie sich setzte.

Er nahm neben ihr Platz. »Ich habe hier als kleiner Junge häufig gespielt, um ehrlich zu sein.«

Sie hatte zwar kein Anrecht auf ihn, fühlte sich aber bei dem Gedanken, dass die Bekanntschaft mit Lady Ludlows Tochter aus Kindertagen datierte, deutlich besser.

Er senkte seine Stimme zu einem leisen Raunen: »Bei Tag hat man den Eindruck, das Wasser würde aus den Steinen heraussprudeln, ehe es in den kleinen Teich fließt. Muscheln und helle Kiesel bedecken seinen Grund, sodass alles glitzert. Und in den Wänden funkeln Splitter von Halbedelsteinen. Ich stelle mir vor, wie ihr Schimmer über deine Haut huscht.«

Sie wusste nicht, was sie sagen, wie sie reagieren sollte. Seine Worte legten sich wie eine weiche, warme Decke an einem kalten Tag um sie. Es schwang fast ein Hauch von Poesie darin mit – sie hätte nie bei Peter eine derart romantische Seite vermutet.

Und dann küsste er sie wieder. Sie hörte ein Stöhnen und wusste, dass es von ihr kam. Noch ungewohnte Lustgefühle überwältigten sie und entführten sie in Sphären, wo leidenschaftliche Berührungen und heißes Begehren miteinander verschmolzen.

Er bedeckte ihren Hals mit Küssen und zupfte mit den Zähnen spielerisch an der zarten Haut hinter ihrem Ohr. Es fühlte sich animalisch und verrucht und einfach gut an. Sie bog ihren Kopf nach hinten, und er liebkoste mit seinem Mund ihren ihm dargebotenen Hals. Wieder erbebte ihr Körper, und sie ahnte, was jetzt kommen würde. Schon einmal war er mit seinem Mund suchend nach unten gewandert, nur dass er diesmal das erregende Spiel nicht abbrach, sondern mit seiner Zunge in ihr Dekolleté fuhr, um es mit Küssen zu übersäen.

Sie stöhnte seinen Namen und zog seinen Kopf an sich, denn sie verlangte nach mehr.

Er enttäuschte sie nicht, denn seine Hand legte sich um ihre Brust, knetete und streichelte, bis sich die köstlichsten Empfindungen ihrer bemächtigten.

Mit einem Stöhnen schob er ihr Mieder ein Stück nach unten, um ihren nackten, warmen Busen zu umfassen. Sie stieß einen überraschten Schrei aus, doch er erstickte ihn mit seinem Mund, und ihre Zungen fanden sich. Als er über die harte Spitze ihres Busens strich, wand sie sich unter seinen Händen, und heiße Lust schoss in ihren Schoß. Sein Mund ließ von ihren Lippen ab, und er senkte den Kopf, während er ihre Brust leicht anhob.

Seine Zunge glitt darüber, bis sie zitternd und keuchend erbebte. Und als er die Spitze ganz in den Mund nahm, sie erst umspielte und schließlich daran saugte, glaubte sie, dass es unmöglich sei, noch mehr Lust zu empfinden. Sie wollte sich an ihn pressen, ihn mit Armen und Beinen umschlingen, sich die Kleider vom Leib reißen, um ihn endlich ganz zu spüren. Ihr Verlangen wurde immer größer, und dann fuhr er mit einer Hand unter ihre Röcke, drückte ihre Beine auseinander und ließ seine Finger auf der Innenseite ihrer Schenkel nach oben wandern …

Schlagartig kehrte bei Elizabeth die Vernunft zurück, bevor es vielleicht zu spät war. Sie stemmte sich mit einer Hand gegen seine forschenden Finger, sodass er innehielt. »Peter, nein«, rief sie und atmete so heftig, dass sie das Gefühl hatte, gleich in Ohnmacht zu fallen.

Seine Hände ließen von ihr ab, und sie sank zurück auf die Bank aus Stein, deren Kälte sie erst jetzt spürte, drehte sich weg von ihm, als könnte er in der Dunkelheit etwas sehen, und ordnete ihre Kleidung.

»Elizabeth.« Er sagte ihren Namen mit leiser, heiserer Stimme. »Mach das bloß nicht mit deinem geheimnisvollen Verehrer, der vielleicht nicht mehr aufhören kann, wenn er erst einmal angefangen hat.«

»Mit wem?« Einen verrückten Augenblick lang konnte sie sich nicht einmal erinnern, was und wen er meinte. William, dachte sie plötzlich, und tiefe Scham erfasste sie. An ihn hatte sie überhaupt nicht mehr gedacht. Wie konnte das passieren mit einem Mann, den sie zu lieben glaubte? Bedeutete das etwa, dass sie für Peter mehr empfand als für ihn?

Noch war sie nicht bereit, sich das einzugestehen, sondern hielt an dem Traum fest, den sie so viele Jahre genährt hatte. Nein. William war der Mann, den sie wollte.

Gleichzeitig empfand sie Scham. Sie musste wohl den Verstand verloren haben, sich so in den Armen eines Mannes gehen zu lassen, der ihr Freund sein sollte und sonst nichts. War das alles wirklich nötig, um sie auf einen anderen Mann vorzubereiten? Sie hatte schließlich keine Ahnung gehabt, was sie erwartete.

»Warum hast du es mir nicht vorher gesagt?«, platzte sie heraus.