18
Ottila Zorba legte den
Kopf schief und sog Isabeaus Duft tief in seine Lungen. »Er hat
dafür gesorgt, dass du am ganzen Körper nach ihm riechst«, begrüßte
er sie.
Schutzsuchend zog sie Conners Pulli enger um sich.
»Was willst du?«
Seine grüngelben Augen musterten sie von Kopf bis
Fuß. »Du hast mich markiert.«
Isabeau biss sich fest auf die Lippen. »Ich bin
nicht bei Leopardenmenschen aufgewachsen. Ich wusste nicht, was ich
tat.«
»Aber deine Katze wusste es, sie war heiß auf
mich.«
Sie schnappte nach Luft. Es konnte nicht wahr sein.
Conner war ihr Gefährte, das wusste sie ganz genau. Abwehrend
schüttelte sie den Kopf. »Ich habe einen Fehler gemacht, und das
tut mir leid, aber du hast mich absichtlich provoziert. Du
wusstest, dass ich mir über die Folgen nicht im Klaren war.«
Ottila zuckte die Achseln und kam einen Schritt
näher.
»Nicht.« Isabeau wich zurück zu dem Tisch, unter
dem die Pistole klebte. »Ich möchte dir nicht wehtun, aber ich
werde mich wehren, wenn du mir keine andere Wahl lässt.«
Lächelnd entblößte Ottila die Fangzähne und hielt
eine Pistole in die Höhe. »Suchst du vielleicht danach? Du hast in
die Nacht hinausgestarrt, während ich direkt hinter deinem Rücken
die Waffen im Raum sichergestellt habe.«
Isabeaus Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Wie
war so etwas möglich? Sie hatte zwar schon von Leoparden gehört,
die ihre Opfer aus dem Haus zerrten, noch ehe die, die direkt
daneben gesessen hatten, begriffen, was geschah, aber sie konnte
sich nicht vorstellen, dass irgendjemand so leise sein konnte. Sie
schielte zur Tür und versuchte, die Entfernung einzuschätzen. Um es
sich leichter zu machen, ging sie noch einen Schritt auf den Tisch
zu, damit er zwischen ihr und Ottila blieb. Wie erwartet, kam
Ottila auf der anderen Seite um den Tisch herum, sodass sie ein
oder zwei Schritte Platz gewann.
Isabeau stürzte zur Tür, doch sie lief wie ein
Mensch, während Ottila wie ein Leopard über den Tisch hechtete und
in dem Augenblick neben ihr landete, in dem sie am Schloss drehte.
Sie versuchte noch, die Tür aufzureißen, doch Ottila schlug sie
brutal wieder zu und klemmte Isabeau zwischen seinem Körper und der
Wand ein. Erschrocken schrie sie auf, angesichts solch enormer
Kräfte kam sie sich klein und verloren vor.
»Schsch, nicht schreien. Nur die Ruhe«, sagte
Ottila. »Ich tu dir nichts.«
Dann legte er die Arme um Isabeau, und sie
schauderte, hielt aber aus Angst vor dem, was er vorhaben mochte,
den Kopf gesenkt.
»Bitte«, flehte sie leise. »Ich habe das nicht
absichtlich gemacht.«
»Schsch.« Ottila hielt sie mit seiner Kraft
aufrecht, denn
Isabeau zitterte so sehr, dass ihre Beine nachzugeben drohten.
»Nimm dir eine Tasse Tee und setz dich da drüben hin, weit weg vom
Tisch.« Ottila deutete auf einen Stuhl. »Und tu Zucker in deinen
Tee. Das hilft.«
Seine Stimme war ruhig, beinahe angenehm. Und das
machte alles irgendwie noch schlimmer, aber wenigstens bekam sie
wieder Luft, als Ottila seine Hände wegnahm. Sie zwang sich dazu,
nach dem Tee zu sehen.
Isabeau schaute über ihre Schulter und bemühte
sich, so zu tun, als wäre Ottila ihr Gast. »Möchtest du auch eine
Tasse?«
Ottila setzte ein männlich arrogantes Lächeln auf.
»Ich glaube, es wäre keine gute Idee, dich in Versuchung zu führen.
Du würdest sicher probieren, mich mit heißem Wasser zu
überschütten, dann müsste ich zurückschlagen und dir wehtun. Das
wollen wir doch beide nicht.«
Isabeau konzentrierte sich darauf, das Zittern
ihrer Hände zu unterdrücken, während sie sich ein Tasse Tee
einschenkte. Sie wartete, bis sie einen Schluck genommen hatte, ehe
sie zu dem angebotenen Stuhl ging und sich ganz vorsichtig setzte.
Hatte Conner nicht ein Messer unter das Kissen gelegt? Er hatte ihr
eingeschärft, nicht in Panik zu geraten, und nun war sie kurz
davor. Sie zwang sich, noch einen Schluck von der heißen
Flüssigkeit zu trinken und durchzuatmen.
»Warum bist du hier?« Sie hatte ihre Stimme wieder
unter Kontrolle und gönnte sich das Triumphgefühl. Sie musste
Schritt für Schritt an Boden gewinnen.
»Um dir die Gelegenheit zu geben, mich zu
begleiten. Auf der Stelle. Bevor jemand verletzt wird. Komm mit
mir. So wie du bist. Ich habe genug Geld. Imelda hat ausschließlich
bar bezahlt.« Ottila feixte. »Mit dem, was Suma und ich von Sobre
und Cortez bekommen haben, können wir es uns überall schön
machen.«
Das Letzte, womit sie gerechnet hatte, war ein
solches Angebot. Ottila wirkte ganz vernünftig. Und er kam auch
nicht näher, was Isabeau half, die Ruhe zu bewahren.
»Selbst wenn ich eine Nachricht zurücklasse, in der
ich behaupte, freiwillig mit dir gegangen zu sein, würden die
anderen uns folgen«, erwiderte sie. »Das weißt du genau.«
Ottila zuckte die Schultern. Es war unmöglich, die
ausgeprägten Muskeln seines Oberkörpers zu übersehen.
»Du weißt, du müsstest ihn also trotzdem umbringen.
Wenn ich mit dir ginge, würde ich ihn nicht retten, sondern nur
kränken.« Isabeau neigte den Kopf und betrachtete Ottila über den
Rand ihrer Tasse hinweg. »Ich liebe ihn.«
»Du wirst schon darüber hinwegkommen.« Ottila ließ
sie nicht aus den Augen. »Wenn du freiwillig mitkommst, gebe ich
dir etwas Zeit, ihn zu vergessen. Deine Katze wird dir helfen, mich
zu akzeptieren.«
Isabeau konnte ihm ansehen, dass er überzeugt war,
ihr damit weit entgegenzukommen. Ottila zu beschwichtigen und
hinzuhalten, ohne einen heftigen Ausbruch zu provozieren, war ein
beängstigender Drahtseilakt. Er hatte sich zu gut im Griff, und sie
fürchtete sich vor ihm. Sie fuhr mit der Zungenspitze über ihre
Unterlippe, stellte die Teetasse ab und ließ ihre Hände nach unten
sinken, als wolle sie verbergen wie sehr sie zitterten. Ottila war
ihr Beben sicher nicht entgangen – er war zu sehr auf sie
konzentriert, um es zu übersehen -, und sie musste einen Weg
finden, unter dem Kissen nachzusehen.
Er schüttelte den Kopf und war mit einem Sprung an
ihrer Seite. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich alle Waffen
entfernt habe. Das Messer war auf der rechten Seite. Hältst du mich
für blöd?« Seine Stimme hatte einen gereizten Unterton
bekommen.
»Nein, aber ich habe große Angst«, gestand Isabeau,
während sie ein wenig Abstand nahm und versuchte, die richtigen
Worte zu finden.
Ottila packte sie beim Haar und hinderte sie daran,
auch nur einen Zentimeter weiter zurückzuweichen. »Dies ist deine
Chance, ihn zu retten, Isabeau. Ich biete sie dir ein einziges Mal,
weil ich weiß, dass es dir schwerfallen wird, mir seinen Tod zu
verzeihen, aber ich kann ihn auch umbringen.«
Sein Gesicht, eine grimmige Maske voller
Entschlossenheit und Selbstvertrauen, war nur Zentimeter von ihrem
entfernt. Seine Züge waren sehr ausgeprägt; sie hatte es mit einem
harten, erfahrenen Gegner zu tun. Ein Blick in Ottilas Augen
verriet Isabeau, dass sie ihn richtig beurteilt hatte: Er war der
Kopf hinter Suma gewesen, doch er hatte es gut verborgen. Er
brauchte keinen Applaus. Noch hatte er ihr nicht wehgetan, doch die
Drohung stand im Raum. Im Augenblick aber rieb er Strähnen ihres
Haares zwischen seinen Fingern, als ergötzte er sich an dem
Gefühl.
»Geh unter die Dusche«, sagte er abrupt. »Wenn du
dich weigerst oder irgendetwas von ihm überziehst, schrubbe ich
dich höchstpersönlich ab, und das wird dir nicht gefallen. Beeil
dich. In fünf Minuten bist du wieder da und riechst nach dir, nicht
nach ihm.«
Er zog gerade so stark an Isabeaus Haar, dass sie
aufstand und aus dem Zimmer eilte. Ottila folgte ihr gemächlich.
Als er ins Bad geschlendert kam, war sie gerade dabei ihren BH
zu öffnen. Jäh hielt sie inne und schüttelte den Kopf. »Wenn du
zuschaust, ziehe ich mich nicht aus.«
An Ottilas Kinn zuckte ein Muskel. »Ich habe
zugesehen, wie er dich gefickt hat – im Wald und auch hier auf der
Schwelle. Ich weiß genau, wie du aussiehst. Ich will, dass dieser
Geruch verschwindet. Sofort. Wenn du dich nicht beeilst, scheuere
ich dich selbst ab. Dir bleiben noch vier Minuten.«
Isabeau sagte sich, dass sie eine Leopardin war und
es in der Welt der Leoparden keine Scham gab. Sie wollte Ottila
keinen Vorwand liefern, mit ihr unter die Dusche zu gehen und sie
am Ende noch zu vergewaltigen. Wenn irgend möglich, wollte sie so
lange Zeit schinden, bis Rio und Conner Ottila auf die Spur kamen
und merkten, dass er zur Hütte zurückgekehrt war. Am liebsten hätte
sie Ottila beim Ausziehen den Rücken zugedreht, doch sie musste ihn
im Blick behalten, denn wenn er Anstalten machte, sie anzurühren …
sie würde sich nicht kampflos ergeben.
Die Augen fest und trotzig auf ihn gerichtet,
stellte sie sich unter die Dusche; wehe, er wagte es, sich ihr zu
nähern, während sie sich unter seinem prüfenden Blick einseifte.
Ottila griff gleichzeitig mit ihr nach dem Wasserregler und
streifte ihre Finger, sodass sie hastig die Hände zurückzog und in
Verteidigungsstellung ging.
Das schien ihn zu amüsieren. Er reichte ihr ein
Handtuch. »Glaubst du wirklich, du könntest einen Kampf mit mir
gewinnen? Sei doch nicht dumm. Ich gehöre nicht zu den Männern, die
Spaß daran finden, eine Frau zu schlagen. Ich brauche einen sehr
guten Grund.«
»Warum um alles in der Welt hast du dich von Imelda
Cortez anheuern lassen, ganz zu schweigen davon, dass du
in ihrem Auftrag bereit warst, Kinder zu entführen?«, fragte
Isabeau, während sie sich das Wasser – und Conners Geruch – so gut
wie möglich abrubbelte. Halte die Unterhaltung
aufrecht, dann bleibt er ruhig, ermahnte sie sich. Zeig dich interessiert.
Sie schob sich an Ottila vorbei, griff nach ihrem
Rucksack, zog eine Jeans heraus und streifte sie hastig über. Dann
sah sie ihn über die Schulter hinweg an. »Du hast deine eigenen
Leute verraten.«
Er beobachtete sie mit starrem Raubtierblick. »Wen
denn? Die haben mich rausgeworfen. Ich schulde keinem was.«
Mit gerunzelter Stirn zog Isabeau ein T-Shirt über,
bevor sie sich wieder Ottila zuwandte, wobei sie sich große Mühe
gab, mitfühlend auszusehen. »Und aus welchem Grund?« Das
interessierte sie wirklich, in dieser Hinsicht brauchte sie nicht
zu lügen. Sie wollte möglichst authentisch wirken. Dass sie Angst
vor ihm hatte, hatte sie bereits zugegeben. Vielleicht lenkte er ja
ein.
Ottila zuckte die Achseln, doch zum ersten Mal war
eine Spur von Gefühl in seinem Gesicht zu sehen. »Unsere Gesetze
sind archaisch und abstrus. Wenn ein Jäger einen von uns in
Leopardengestalt erlegt – obwohl es gegen die menschlichen Gesetze
verstößt -, sollen wir die Mörder einfach ungestraft davonkommen
lassen. Einer hat meinen kleinen Bruder erschossen, ich habe ihn
verfolgt und getötet. Die Ältesten nennen das Mord, sie haben mich
verbannt. Mit anderen Worten, für die Leute aus meinem Dorf bin ich
tot. Also sind sie es für mich auch. Ich schulde ihnen gar
nichts.«
»Wie schrecklich.« Isabeau meinte es ernst. Wenn
eine Familie einen aus ihrer Mitte verstieß, wie lebte man dann
weiter? »Aber das erklärt noch nicht, warum du dir eine so üble
Arbeitgeberin wie Imelda Cortez ausgesucht hast und warum du ihr
von deiner Spezies erzählt hast.«
Ottila trat einen Schritt zurück, um Isabeau den
Vortritt zu lassen. »Cortez hat mir einen guten Verdienst
angeboten, und ich habe sie beim Wort genommen. Ich wusste, dass
ich sie eines Tages umbringen würde, also was macht es schon aus,
wenn sie von uns weiß, verdammt? Sie kann nichts beweisen, und
falls sie irgendjemandem davon erzählt, wird man sie für verrückt
halten – was sie im Übrigen ist. Ich kann es an ihr riechen.«
Isabeau schluckte ihre Angst hinunter. Ottila hatte
das ganz locker dahergesagt. Ich wusste, dass
ich sie eines Tages umbringen würde. »Wirst du das eines Tages
auch mit mir machen? Mich umbringen, wenn du mich leid bist?«
Ottila schüttelte den Kopf. »So läuft das nicht.«
Er packte Isabeau beim Handgelenk, riss sie herum, schloss ihre
Finger um seine stramme Erektion und ballte seine Hand um ihre.
»Das ist deine Schuld. So gehe ich ins Bett und so stehe ich wieder
auf. Es ist erst vorbei, wenn wir zusammen gewesen sind. Auch wenn
es wohl oft zurückkehren wird, genauso schmerzhaft wie
heute.«
Isabeau rammte ihm ein Knie in den Schritt,
wirbelte herum, stieß ihm einen Ellbogen in die Rippen und zielte,
als er ihre Hand losließ, mit der Faust auf sein Gesicht. Doch
Ottila war bereits über ihr, warf sich mit seinem ganzen Gewicht
auf sie und riss sie zu Boden, sodass sie hart aufkam und sich den
Kopf anschlug. Sie sah nur noch Sterne und musste darum kämpfen,
nicht ohnmächtig zu werden. Mit aller Macht versuchte sie, ihn
abzuschütteln. Doch er schob ihr ein Knie ins Kreuz und drückte
ihr, kräftig wie er war,
mit einer Hand die Handgelenke auf dem Rücken zusammen. Mit Tränen
in den Augen und in der Kehle musste sie sich geschlagen
geben.
»Du verstehst nicht viel von Männern, nicht wahr,
Isabeau?«, sagte er leise. »Manche macht es an, wenn eine Frau sich
wehrt. Halt still und atme. Ich sagte bereits, dass ich dir nicht
gern wehtun würde, und ich habe es so gemeint.«
Isabeau ließ sich kurz gehen und weinte ein
bisschen, ehe sie sich mühsam wieder zusammenriss. Mit der freien
Hand streichelte Ottila ihr übers Haar, als wollte er sie
beruhigen. Nachdem ihre Anspannung sich gelöst hatte, stieg er von
ihr herunter, zog sie auf die Beine und führte sie quer durch den
Raum zu dem Stuhl, auf dem sie schon vorher gesessen hatte. Sobald
sie saß, stützte er die Arme rechts und links von ihr auf den
Lehnen auf und näherte sich ihr mit dem Gesicht.
Isabeau sammelte sich. Vielleicht sollte sie es mit
einem Kopfstoß versuchen. Oder mit einem festen Tritt in diese
beeindruckende Erektion.
Ottila sah sie durchdringend an und schüttelte
langsam den Kopf. »Diesmal lass ich es noch durchgehen, weil du
Angst vor mir hast. Aber wenn du es noch einmal versuchst, bist du
dran.«
Blinzelnd sah sie zu ihm auf und legte schützend
eine Hand vor die Kehle. »Heute ist mein Hochzeitstag«, gestand
sie. »Ich habe ihn geheiratet.«
Er zuckte nicht mit der Wimper. »Das ist mir
scheißegal. Du bist schuld, du hättest es besser wissen
müssen.«
Isabeau musterte sein markantes, männliches
Gesicht. Sie musste Ottila zum Reden bringen, das war ihre einzige
Chance. Ein Gespräch, bei dem die Zeit verging. Sicher war Conner
bald zurück.
Sie holte tief Luft. »Hast du Imelda verraten, dass
wir alle zu den Leopardenmenschen gehören?«
»Warum sollte ich?« Ottila nahm ihre Tasse und
holte Tee.
Isabeau versteckte ihr erleichtertes Aufseufzen
hinter einem kurzen Räuspern. Dieser Mann war so groß, so einschüchternd. Er erschien ihr
unbesiegbar. Wo blieb Conner? Er müsste doch eigentlich auf Ottilas
Fährte gekommen und längst wieder da sein.
»Imelda hätte diese Kinder nie entführen lassen
dürfen. Ich habe versucht, ihr das auszureden, aber sie spielt gern
den Boss. Ich wusste, dass Adan sich das nicht bieten lassen würde.
Doch Imelda ist so arrogant, dass sie nicht auf Ratschläge hört,
nicht einmal auf die ihrer Sicherheitsleute.«
»Deshalb hast du sie ihrem Schicksal
überlassen.«
Ottila zog eine kleine Ampulle aus dem Beutel auf
seinem Rücken, drückte den Verschluss mit dem Daumen auf und leerte
den Inhalt vor Isabeaus Augen in ihre Teetasse. Ihr ganzer Körper
verkrampfte sich. Sie erhob sich ein wenig vom Stuhl, doch als
Ottila sie streng ansah, ließ sie sich wieder zurückfallen.
»Das trinke ich nicht.«
»Dann machen wir es auf die harte Tour, und ich
schütte es dir in den Rachen. Mir ist es egal, Isabeau.«
»Was ist das?«
»Jedenfalls keine K. o.-Tropfen. Noch bin ich nicht
so tief gesunken, dass ich eine Frau vergewaltigen würde. Wenn ich
dich nehme, dann weil du es vor lauter Verlangen nach mir nicht
mehr aushalten kannst.«
Isabeau wollte nicht mit ihm darüber streiten, wie
absurd das war, nicht mit dieser Teetasse vor ihrer Nase. Sie
sprang auf. Diesmal dachte sie an ihre Katze und rief nach dem
faulen Luder. Warum regte die Leopardin sich jetzt nicht? Warum
kämpfte sie nicht um ihr Überleben? Um Conners Überleben. Wo blieb
Conner nur?
Tief in ihr rührte sich ihre Katze, schnupperte und
erkannte ihre Duftmarke an Ottila. Ein neuer Bewerber. Sie dehnte
sich träge. Isabeau schnaubte vor Wut. Wo blieb die berühmte
Leopardenloyalität? Sie verfluchte sich selbst dafür, dass sie die
Regeln nicht kannte.
»Was ist das?«
»Entscheide du für ihn, Leben oder Tod?«
Isabeau konnte Ottilas Blick nicht entrinnen. Es
fiel schwer, ihm nicht zu glauben. Er wirkte unbezwinglich und
absolut selbstsicher. Sie fuhr sich mit der Zunge über die
Unterlippe und dachte einen schrecklichen Augenblick darüber nach,
mit ihm zu gehen. Aber warum hatte er sie nicht einfach
niedergeschlagen und weggeschleppt? Es ging gar nicht darum, dass
sie wählte – sie hatte nie eine Wahl gehabt. Hier ging es um etwas
ganz anderes. Klick, klick, klick fielen in
Isabeaus Hirn die Puzzleteile an ihren Platz.
»Du hattest immer vor, ihn umzubringen, von Anfang
an, nicht wahr?«
Ottila legte ihr die Hände um den Hals und ließ sie
seine unglaubliche Kraft spüren. Isabeau wehrte sich nicht. Sein
warnender Blick hielt sie davon ab. »Er ist in dir gewesen. Und hat
dich markiert. Damit hat er sein Leben verwirkt.«
Isabeau schluckte schwer. »Du hättest mich nie mit
Suma geteilt.«
»Nicht in einer Million Jahren.«
Sie reckte das Kinn und deutete auf den Tee. »Sag
mir, was du da reingetan hast.«
»Ich möchte, dass du nicht so genau merkst, was ich
mit dir mache.«
Isabeaus Herz schlug so hart gegen ihre Brust, dass
sie fürchtete, es würde zerspringen. Angst überwältigte sie. Ottila
hatte das ganz sachlich gesagt, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne
jedes Mitgefühl oder gar Mitleid.
»Was hast du denn mit mir vor?«
»Nicht mit dir – mit ihm. Er muss leiden. Damit er
die Nerven verliert. Sein Leopard wird so wütend werden, dass er
ihn nicht mehr bändigen kann. Ich habe ihn beobachtet. Er geht nach
Plan vor. Und er ist gut. Also muss ich vorsichtig sein. Ich
brauche einen Angriffspunkt, und die einzige Möglichkeit dazu
besteht darin, dir wehzutun oder mich in das Haus des Doktors zu
schleichen und über seinen jungen Freund herzufallen. Beides würde
ihn zur Raserei bringen.«
Isabeau begriff, dass Ottila Jeremiah absichtlich
ins Spiel brachte, um sie dazu zu bringen, den Tee zu trinken. »Du
wirst mir also doch wehtun?«, hauchte sie. Ottila hatte Recht,
Conner würde sich das nie verzeihen und auf der Suche nach seinem
Rivalen den Regenwald von innen nach außen kehren. Er würde direkt
in die Falle tappen. Sie sah ihm in die Augen und befahl ihren
erstarrten Muskeln, wieder in Gang zu kommen. »Du willst mich
bestrafen, nicht wahr?«, drängte sie weiter. In Ottilas verquerer
Gedankenwelt hatte sie ihn betrogen – ihre Beziehung verraten. Sie
hatte sich von seiner großen Ruhe täuschen lassen.
»Trink den Tee, Isabeau«, mahnte Ottila
sanft.
Mit bebenden Fingern nahm sie ihm die Tasse ab und
starrte in die dunkle Flüssigkeit. Ottila hatte darauf geachtet,
dass das Wasser nicht mehr heiß genug war, um ihn zu verbrühen,
falls sie ihn damit übergoss. Er erwartete tatsächlich, dass sie
gehorchte und sich von ihm betäuben ließ. Isabeau hob die Tasse an
die Lippen, schleuderte den Inhalt in Ottilas Augen und zerbrach
das Porzellan an der Stuhllehne. Dann schnappte sie sich eine
spitze Scherbe und schlug nach ihm. Sie hatte nichts mehr zu
verlieren, Ottila würde ihr auf jeden Fall Schmerzen zufügen.
Die Scherbe hinterließ eine schmale Schramme auf
Ottilas Brust, doch er zeigte keinerlei Reaktion, fixierte sie nur
mit seinem brennenden Blick – ein erbostes Racheversprechen.
Isabeau ließ sich nicht einschüchtern. Sie hielt die Scherbe wie
ein Messer, tief unten, sodass die gezackte Kante auf Ottilas
Weichteile zielte. Doch er wich blitzschnell aus und stürzte sich
auf sie, unglaublich schnell und gewandt für einen so massigen
Mann, schlug ihre Hand weg, riss sie herum und nahm sie in den
Schwitzkasten.
Dann packte er ihre Hand und knallte sie fest gegen
die Wand. »Lass los«, befahl er, »sofort.«
Als Isabeau zögerte, stieß Ottila ihre Hand noch
einmal gegen die Wand, sodass die gezackte Kante sich schmerzhaft
in ihre Handfläche bohrte. Hastig blinzelte sie die Tränen fort,
die ihr in die Augen stiegen, denn sie wollte keine Schwäche
zeigen. Sie hatte Angst davor, ihre einzige Waffe zu verlieren,
aber Ottila war einfach zu stark.
»Lass das fallen, Isabeau«, befahl er noch
einmal.
Sein Tonfall war unverändert. Genauso gut hätte er
über das Wetter reden können. Zitternd gehorchte sie. Mit seinen
starken Armen hielt Ottila sie noch einige Augenblicke fest, denn
es sah so aus, als würden ihr die Knie weich werden.
»Das war ziemlich dumm. Hat es dir irgendetwas
gebracht?«
»Ich musste es wenigstens versuchen.«
»Ah ja.«
Sanft schob Ottila sie von sich weg, so sanft
sogar, dass Isabeau eher geschockt als verletzt war, als er
plötzlich auf sie einprügelte. Schläge prasselten auf sie herab,
heftige, schnelle Hiebe, unter denen sie sich krümmte und
schließlich an der Wand entlang zu Boden glitt. Wieder und wieder
drosch Ottila auf sie ein, ganz systematisch. Sie versuchte, von
ihm wegzukriechen, ihn abzuwehren, doch die Schläge trafen sie am
ganzen Körper, nur ihr Gesicht rührte er nicht an. Als sie sich
schließlich wie ein Fötus zusammenrollte, um sich zu schützen, ging
er neben ihr in die Hocke und machte weiter.
Sie hatte keine Möglichkeit auszuweichen. Es schien
nicht enden zu wollen. Schluchzend schloss Isabeau die Augen und
versuchte nur noch, sich hinter ihren Händen zu verstecken. Da
hörte Ottila plötzlich wieder auf, genauso abrupt wie er angefangen
hatte.
»Sieh mich an«, befahl er leise.
Mit Tränen in den Augen gehorchte Isabeau
widerstrebend. Ottila beugte sich zu ihr herab und verwandelte
sich, sodass ein männlicher Leopard auf der Höhe seiner Kraft sie
zu Boden gedrückt hielt, und grub direkt über der Markierung, die
Conner hinterlassen hatte, die Zähne in Isabeaus Schulter.
Gleichzeitig schlitzte er mit einem Hinterlauf ihren Oberschenkel
auf. Isabeau spürte, wie die Wunde zu bluten und zu brennen begann,
und hörte ihre eigenen Schmerzensschreie, doch der Leopard blieb
unbeeindruckt und rollte sie auf den Rücken, sodass sie ihm den
verwundbaren Bauch präsentierte.
Dann bohrte er die Krallen in ihre Brüste, bis Blut
hervorquoll. Isabeau hörte sich aufheulen, doch Ottila war noch
nicht fertig. Seine Klauen ritzten die Innenseite ihrer Schenkel
und gruben sich dann in ihren Schamhügel. Der Schmerz war
unerträglich. Fast hätte Isabeau das Bewusstsein verloren, ihr
wurde schwarz vor Augen, und die Galle kam ihr hoch.
Ottila nahm Menschengestalt an, half ihr, sich auf
Knie und Hände zu stützen, und drückte ihren Kopf nach unten, damit
sie nicht in Ohnmacht fiel. Sie würde sich übergeben müssen, ihr
Magen verkrampfte bereits und hob sich angewidert. Geduldig
streichelte Ottila Isabeaus Haar, gerade so, als wäre das alles
nicht seine Schuld.
Schluchzend versuchte sie, von ihm wegzukriechen,
doch er zog sie einfach in die Arme und wiegte sie hin und her. Sie
leistete keine Gegenwehr mehr. Jede Bewegung verursachte grässliche
Schmerzen.
»Wir sind aneinander gebunden, Isabeau«, sagte
Ottila leise, während er auf ihre zerfetzte, blutige Jeans
hinuntersah. »Du wirst ein Antibiotikum brauchen. Er wird so außer
sich sein, dass er es vielleicht vergisst, also bist du diejenige,
die daran denken muss.« Wieder sprach er ganz sachlich.
»Warum?«, fragte Isabeau.
Ottila gab nicht vor, die Frage nicht zu verstehen.
»Wenn du an deinen Hochzeitstag denkst, sollst du dich an mich
erinnern, nicht an ihn.« Er strich ihr übers Haar, um sie zu
beruhigen, denn sie zitterte unkontrollierbar. »Damit du’s weißt.
Bei ihm wirst du niemals sicher sein – und deine Kinder genauso
wenig. Ich bin trotz seines Wächters an den Jungen herangekommen
und an dich ebenso. Ich kann es wieder tun, jederzeit und überall.
Du musst dir überlegen,
was du von deinem Partner willst. Wir leben nach dem Gesetz des
Dschungels, Isabeau, und wenn er dich nicht beschützen kann, was
nützt er dir dann?«
»Hast du Jeremiah umgebracht?« Isabeau presste die
zitternden Finger auf den Mund. Jede Bewegung tat weh, und sie
sehnte sich danach, Jeans und Oberteil ausziehen zu können und ein
kühles Tuch auf die pochenden Wunden zu drücken.
»Das hätte nichts gebracht. Ich habe ihn nur
verletzt, um deinen Mann aufzuhalten. Nun muss dein Gatte damit
leben, dass er die falsche Wahl getroffen hat, als er sich
entschlossen hat, dem Jungen zu helfen. Jedes Mal, wenn er dich
berühren will« – dabei glitten Ottilas Fingerkuppen über die
Verletzungen an ihrer Brust – »wird er mein Zeichen sehen, mein
Brandmal.«
Gern hätte Isabeau seine Hand weggestoßen, doch sie
war zu verängstigt. Sie war noch nie im Leben verprügelt worden.
Und Ottila hatte mit einer solchen Gleichgültigkeit auf sie
eingedroschen, als ginge die Sache ihn gar nichts an. Sie
versuchte, sich auf allen vieren von ihm zu entfernen und sich an
die Wand zu setzen, das war die einzige Möglichkeit, sich aufrecht
zu halten.
Ottilas Hand schloss sich wie ein Fußeisen um ihren
Knöchel. »Achte darauf, dass du nicht von ihm schwanger wirst. Ich
möchte kein Junges töten müssen; und für dich würde es noch
schwerer werden, mir zu verzeihen.«
Als ob sie ihm diese Prügel je verzeihen würde. Er
hatte sie absichtlich in Angst und Schrecken versetzt, zur Strafe,
weil sie das nach seinen kranken Vorstellungen verdient hatte. »Sag
ihm, er soll sich mir stellen, allein. Wenn nicht, komme ich so oft
wieder, bis er es tut.«
»Wo?«, fragte Isabeau leise.
»Das weiß er schon.«
Als Ottila sie losließ, glitt Isabeau an der Wand
herab und begann, leise zu weinen. Sie hatte nicht nur Angst um ihr
Leben, sondern auch um Conners. »Ich erwische euch überall.
Jederzeit. Wenn er versucht, mit dir zu fliehen, solltest du besser
daran denken, dass er dich nicht beschützen kann, egal, wohin er
dich bringt, ich finde euch. Sag ihm das.«
Isabeau biss sich fest auf die Unterlippe und
verhielt sich ganz still, sie war starr vor Entsetzen. Ottila
beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf den Mund. Sie rührte
keinen Muskel und versuchte, nicht zu schluchzen, während er ganz
langsam ihren Mund erkundete. Sein Griff war wieder sanft geworden.
Es war beunruhigend, wie schnell er sich von einem gewalttätigen in
einen beinahe liebevollen Mann verwandeln konnte. Er störte sich
nicht daran, dass sie passiv blieb. Endlich löste er sich von ihr
und sah ihr in die Augen.
»Beim nächsten Mal solltest du ihn daran erinnern,
dass Leoparden gern von oben kommen.«
Dann verwandelte er sich vor ihren Augen in einen
beeindruckenden Leoparden, sprang mit peitschendem Schweif locker
auf die Dachbalken und verschwand auf dem kleinen Speicher. Danach
hörte Isabeau nichts mehr, doch aus Furcht, dass Ottila nicht
wirklich gegangen war und zurückkommen würde, blieb sie an die Wand
gedrückt liegen.
SIE presste die Faust auf den Mund und weinte so
leise, wie sie konnte. Sie wollte niemanden sehen, auch nicht
Conner – ihn am allerwenigsten. Sie fühlte sich gedemütigt und
zerschunden. Ottila hatte ihren Willen gebrochen. Sie spürte
nichts als Angst, große Angst. Er hatte sie so tief erniedrigt,
dass sie sich selbst nicht mehr wiedererkannte. Sie musste ihre
Kleider ausziehen und die Wunden versorgen. Er hatte sie nur
zeichnen, nicht verstümmeln wollen, daher konnten sie nicht so
schlimm sein, wie es den Anschein hatte. Aber sie konnte sich nicht
bewegen. Sie blieb reglos an der Wand liegen und wimmerte.
»ISABEAU! Wir kommen rein«, Conners Stimme
erschreckte sie, doch sie rührte sich nicht, machte sich an der
Wand nur noch kleiner.
UNRUHIG wartete Conner auf Isabeaus Antwort. Er
sah zu Rio hinüber, der sich noch die Jeans überstreifte. In der
Hütte brannte kein Licht, genau wie er es ihr eingeschärft hatte.
Alle Läden waren geschlossen. Es schien keinen vernünftigen Grund
für sein Unbehagen zu geben, obwohl er dem großen Leoparden,
nachdem sie ihm bis zum Haus des Doktors und in Jeremiahs Zimmer
verfolgt hatten, mittlerweile alles zutraute. Der Junge, der um
jeden Atemzug rang, hatte hilflos am Infusionsschlauch gehangen,
während Ottila ihm tiefe Kratzer in den Bauch ritzte. Er hätte
Jeremiah die Eingeweide herausreißen können. Alle nahmen an, Ottila
sei von Mary oder dem Doktor gestört worden, als sie nach dem
Patienten gesehen hatten.
Viele Hochzeitsgäste waren noch im Haus gewesen,
und Elijah drehte nach wie vor seine Runde, doch dem Leoparden war
es trotzdem gelungen, Jeremiahs Zimmer zu entdecken und sich so
leise hereinzuschleichen, dass niemand ihn bemerkt hatte. Conner
war klar, dass Ottila alle hätte töten können – Mary, Doc, seine
Freunde und natürlich Jeremiah.
Er wusste, dass die anderen sich irrten, niemand
hatte Ottila überrascht, er hatte Jeremiah nur nicht umbringen
wollen.
Conner legte eine Hand an die Tür und holte tief
Luft. Roch es nicht ein wenig nach Leopard? »Ich komme rein,
Isabeau, nicht schießen.«
Als er die Tür aufsperrte, schlugen ihm zwei
Gerüche entgegen: Es stank nach Raubtier und Blut. Die Mischung
roch streng. Hastig sah Conner sich um und suchte jeden Winkel der
Hütte ab, bis er sie fand, blutend im Dunkeln
zusammengerollt.
»Ist er noch hier?«, fragte er. Isabeau stand
offenbar unter Schock, ihr Gesicht war totenbleich. Es kostete ihn
jedes Quäntchen Selbstbeherrschung, nicht sofort an ihre Seite zu
eilen und sie hochzuheben.
Sie gab keine Antwort. Offenbar war sie
traumatisiert. In Anbetracht der blutbeschmierten Kleider und ihres
entsetzten Gesichtsausdrucks wollte er lieber nicht darüber
nachdenken, was in der Hütte geschehen sein mochte.
»Isabeau«, zischte er ein wenig drängender.
»Ich weiß es nicht. Er ist da raus«, Isabeau
deutete auf die Balken über Conners Kopf. Sie sprach so leise, dass
er sie kaum verstand, trotz seines scharfen Gehörs.
Rio kam ins Zimmer, tappte mit bloßen Füßen über
die Holzdielen und musterte die Dachsparren. Dann sprang er in die
Höhe, schnappte nach einem Balken und zog sich daran hoch.
Conner ging zu Isabeau, hockte sich neben sie und
streckte vorsichtig die Hand nach ihr aus. Er bemühte sich,
langsame und bedächtige Bewegungen zu machen. »Was ist passiert,
Isabeau?«, fragte er.
Ein Schluchzer entschlüpfte ihr, dann presste sie
die Finger
auf den zitternden Mund, wich vor ihm zurück und machte sich
klein. Conner musterte sie von Kopf bis Fuß, um die Schwere ihrer
Verletzungen einschätzen zu können. Sie hatte Blutflecke auf dem
T-Shirt, oberhalb der Brüste, und noch mehr Blut tränkte den Stoff
zwischen ihren Beinen. Conners Herz begann wie wild zu
hämmern.
»Kannst du mir sagen, was er getan hat?«
Sie befeuchtete ihre Lippen und drückte sich an die
Wand, sie brauchte irgendetwas, das ihr den Rücken stärkte. »Ich
soll dir sagen, dass du dich ihm stellen sollst. Du wüsstest schon,
wo.«
»Er ist weg«, verkündete Rio. »Er ist durch ein
kleines, verstecktes Luftloch im Speicher hereingekommen. Er muss
das sorgfältig geplant haben.« Rio ließ sich wieder auf den Boden
herunter, stellte sich neben Conner und betrachtete Isabeaus
blasses Gesicht und die blutigen Kleider. »Ich hole Doc.« Er
streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus.
Erschrocken schüttelte Isabeau den Kopf, derart
heftig, dass Conner die Hand hob, um Rio aufzuhalten.
»Ich möchte nicht, dass irgendjemand mich so sieht.
Lasst das Licht aus.«
»Aber ich muss dich untersuchen«, widersprach
Conner mit sanfter Stimme. »Ich hebe dich hoch, Liebste. Es könnte
wehtun.« Er wusste nicht, wie schwer Isabeaus Verletzungen waren,
doch der Blutgeruch war stark. Außerdem hing noch ein Hauch von
Moschus in der Luft, so als ob Ottila erregt gewesen wäre, doch
nach Sex roch es nicht.
»Auf dem Boden liegen Scherben«, sagte
Isabeau.
Unter den gegebenen Umständen schenkte Conner
dieser Warnung keine große Beachtung. »Ich pass schon auf.« Als er
die Arme um Isabeau legte und sie zusammenzuckte,
hatte er Angst, ihr wehgetan zu haben. Der Blutgeruch wurde
schlimmer, aber noch unerträglicher waren die Duftmarken, die
Ottilas Leopard hinterlassen hatte. Er hatte sie absichtlich
gezeichnet, um Conner herauszufordern und ihm zu demonstrieren,
dass er ihm seine Frau jederzeit wegnehmen konnte. Conner verstand
die Botschaft nur allzu gut.
»Würde es dir etwas ausmachen, ein Bad einzulassen,
Rio?«, fragte er, mehr um seinen Freund aus dem Zimmer zu bekommen
als aus einem anderen Grund.
Conner hatte keine Ahnung, wo er anfangen sollte.
Er wusste nur, dass es hier nicht um ihn ging oder um die heiße
Wut, die in ihm brodelte, sondern um Isabeau. Sie war völlig
verstört und sah ihn verängstigt an.
Aufgewühlt zog er sie an sich und drückte sie an
seine Brust. Er spürte, dass der Körperkontakt sie zusammenzucken
ließ. »Was hat er dir angetan?«
»Er hat mich geschlagen«, erwiderte Isabeau und
unterdrückte einen weiteren Schluchzer. »Dabei war er gar nicht
wütend. Er hat mich ganz systematisch zusammengeschlagen, so als ob
es sein müsste. Und dann hat er mich mit seinen Krallen traktiert,
am ganzen Körper.« Sie vergrub ihr Gesicht an Conners Schulter und
klammerte sich an ihn.
So nah bei ihr war der Geruch des anderen Männchens
schier überwältigend. Conners Leopard wurde wild und verlangte
jähzornig nach Freiheit, um den Rivalen zu töten. Er wollte, dass
seine Gefährtin diesen Geruch sofort loswurde. »Ich muss mir die
Wunden ansehen, Isabeau.«
Ohne ihm in die Augen zu schauen, schüttelte
Isabeau den Kopf.
»Wäre es dir lieber, wenn ich eine Frau hole? Mary
vielleicht?«, fragte Conner sanft.
Wieder schüttelte Isabeau den Kopf. »Ich will
niemanden sehen.«
Conner konnte sich nicht davon abhalten, die Frage
zu stellen. »Hat er dich vergewaltigt?« Sie presste die Stirn gegen
seine Schulter. Sein Herz klopfte heftig, doch er rührte sich
nicht, wartete einfach ruhig ab.
»Er hat gesagt, er würde nie eine Frau
vergewaltigen.« Isabeau begann, etwas heftiger zu weinen. »Er war
völlig skrupellos, Conner. Und die ganze Zeit hat er so getan, als
hätte ich es verdient, als Strafe dafür, dass ich ihn betrogen
habe.«
Vorsichtig legte Conner die Arme enger um sie und
versuchte, nicht am Geruch des anderen zu ersticken. Sein Leopard
wurde wahnsinnig und drängte wutschnaubend an die Oberfläche, er
wollte die widerwärtigen, beleidigenden Duftmarken
beseitigen.
»Ich setze dich in die Badewanne, dann kann ich mir
die Wunden ansehen. Du brauchst schmerzstillende Mittel und
Antibiotika und …«
Isabeau hob den Kopf und sah ihn zum ersten Mal
direkt an. In ihrem Blick lag ein Hauch von Stolz. »Er hat gesagt,
dass du zu aufgeregt sein würdest, um an so etwas zu denken, aber
du hast es nicht vergessen.«
»Natürlich nicht.« Conner hauchte einen Kuss auf
ihre Stirn. »Du bist das Wichtigste für mich, immer,
Isabeau.«
»Ich habe gedacht, ich würde mich darüber ärgern,
dass du Jeremiah zu Hilfe geeilt bist«, fuhr sie fort. »Aber ich
bin froh, dass du es getan hast.« Die Spur von Hysterie in ihrer
Stimme ließ sich nicht unterdrücken. »Ottila hat das alles getan,
um einen Keil zwischen uns zu treiben.«
Conners Magen verkrampfte sich, als er merkte, wie
verunsichert
Isabeau war. Ihr war es nicht bewusst, aber Ottila hatte ihr
Vertrauen erschüttert, nicht nur das in ihn – weil er es angeblich
nicht ertrug, wenn ein anderer sie anfasste -, sondern auch das
Vertrauen in sich selbst. Er hob Isabeau hoch und trug sie ins Bad.
Rio hatte freundlicherweise Kerzen angezündet, damit das Licht
gedämpft und weich war.
»Soll ich den Doktor holen?«, fragte sein
Freund.
»Antibiotika haben wir da. Lass mir etwas Zeit,
ihre Wunden zu untersuchen«, erwiderte Conner. »Ottila hat diese
Sache sehr sorgfältig geplant. Er hat dafür gesorgt, dass ich ihn
wittere, eine Spur gelegt, die direkt zu Jeremiah führte, den
Jungen so sehr verletzt, dass wir bei ihm geblieben sind, um zu
helfen, und uns dann auf eine andere Fährte gelockt, die uns weg
vom Tal und der Hütte in den Wald gebracht hat. Und während wir ihn
verfolgt haben, hat er die ganze Zeit Isabeau terrorisiert.«
»Kann es sein, dass er auf Imeldas Anweisung
gehandelt hat?«, überlegte Rio. »Wir sollten die Möglichkeit, dass
sie von uns weiß, zumindest in Betracht ziehen.«
»Nein.« Isabeau hob den Kopf und sah Rio ruhig an.
»Ottila hat Imelda verlassen, er ist hinter Conner her. Er hat
völlig verquere Vorstellungen davon, was richtig und was falsch
ist. Zum Beispiel war es in Ordnung, mich zu schlagen, nicht aber,
mich zu vergewaltigen. Ich sollte mit ihm gehen und bis ans Ende
seiner Tage glücklich mit ihm zusammenleben, obwohl er vorhatte,
mein Kind zu töten, falls ich von Conner schwanger geworden wäre.
Ich glaube, er hat genug Geld verdient und verfolgt jetzt andere
Ziele. Ich hätte ihn nicht zeichnen sollen.« Isabeaus Stimme
schwankte, doch ihr Blick blieb fest. »Hier geht es nicht um
Imelda. Unser Plan ist immer noch durchführbar.«
»Er könnte uns aber auch das Leben kosten«,
bemerkte Rio. »Vielleicht will er Conner in Imeldas Haus locken, um
ihn dort zu töten.«
»Das würde Ottila nicht tun«, widersprach
Isabeau.
»Warum nicht?«, fragte Rio.
»Es ginge gegen sein Ehrgefühl«, erwiderte
sie.
Conners Magen verkrampfte sich noch mehr. Er wollte
Ottila Zorba nie wieder in Isabeaus Nähe sehen. »Hör mal, Baby«,
sagte er zärtlich. »Du trägst keine Schuld. An gar nichts.«
»Immerhin habe ich ihn gekratzt.« Isabeau klang
unschlüssig, mied aber seinen Blick. »Er hat gesagt, meine Katze
würde ihn wollen. Und sie ist mir auch nicht zu Hilfe gekommen. Sie
hat sich nicht gegen ihn gewehrt.«
»In unseren Krallen ist ein Gift.« Conner hauchte
Küsse auf Isabeaus Schläfen. »Zorba versucht nur, dich zu
verwirren, damit du glaubst, dass du ihm einen Grund geliefert
hast, Anspruch auf dich zu erheben, dabei hat er sich nur in dich
verguckt und glaubt nun in seinem kranken Hirn, wie jeder andere
ordinäre Stalker, dass du eine Beziehung mit ihm hast. Dabei weiß
er, dass du meine Gefährtin bist und dass wir verheiratet sind,
aber es interessiert ihn nicht. Gefährtinnen sind tabu. Niemand
rührt die Partnerin eines anderen an.«
Conner stellte Isabeau auf dem Boden ab und hielt
sie mit einem Arm fest.
»Das verstehe ich nicht, Conner. Du hast doch
gesagt, er hat das Recht, dich herauszufordern.«
»Du hast deine Wahl getroffen, aber alleinstehende
Leopardenfrauen haben selbstverständlich das Recht, sich ihren
Gefährten auszusuchen. Bis zu dieser Entscheidung ist
sie nicht auf ein einziges Männchen beschränkt. Normalerweise
suchen die Pärchen sich in jedem Lebenszyklus, aber nicht immer.
Deine Leopardin hat gezeigt, dass sie Ottilas Leopard attraktiv
fand, das ist alles. Doch da du dich nun mit mir verbunden hast,
hat er kein Recht mehr auf dich. Das weiß er genau.«
»Und was ist mit diesem Gift?«
Conner hatte befürchtet, dass sie das fragte. Er
machte sich an Isabeaus Oberteil zu schaffen, das sie aber offenbar
nicht ablegen wollte. Sie zog den Saum immer wieder herunter.
Schließlich kreuzte sie die Arme vor der Brust, damit er es ihr
nicht ausziehen konnte.
»Ich tu’s selber, wenn ich allein bin.«
Ihr Blick war trotzig. Und beschämt. Conners Herz
zog sich zusammen. Er fasste sie an den Armen, zog sie an sich und
küsste sie – lang, zärtlich und so liebevoll, wie es ihm nur
möglich war.
»Du musst mir glauben, Isabeau. Das alles ist nicht
deine Schuld. Hast du etwa gedacht, dass alle Leopardenmenschen gut
sind, nur weil die Leute aus dem Tal so nett zu uns waren? In
unserem Geschäft laufen wir Gefahr, nur das Schlimmste zu sehen zu
bekommen, nicht das Beste, so wie bei der Hochzeit. Es gibt auch
böse Leopardenmenschen. Ottila ist ein kranker Mann. Du hast ihm
keinen Anlass gegeben, er hat sich von sich aus auf dich
fixiert.«
Sie wich seinem Blick aus. »Er hat das getan, damit
du mich nicht mehr begehrst. Ich weiß es. Die Wunden werden heilen,
aber die Narben bleiben. Im Moment bin ich am ganzen Körper von
seinem Geruch und seinen Malen gezeichnet. Er wollte, dass du mich
widerlich findest – abstoßend.«
»Soll ich dir etwas sagen? Es ist ihm nicht
gelungen.«
Überrascht sah Isabeau ihm ins Gesicht. »Meine
Katze kann Lügen riechen.«
»Ich lüge nicht. Mein Leopard ist natürlich außer
sich. So wie ich, tief im Innern. Ich will nicht, dass ein anderer
Mann dich anfasst.« Conner sah Isabeau unverwandt an. Ja, sein
Kater tobte, er hasste den Geruch des anderen, aber nicht sie –
nicht seine Gefährtin. Außerdem war er wütend auf sich selbst, weil
er Isabeau nicht besser beschützt hatte, aber das war seine Schuld,
nicht ihre, wenn schon einer Schuld haben musste. »Ich könnte dich
nie abstoßend finden, Isabeau. Du bist mein Ein und Alles. Dieser
Mann kann uns nicht entzweien. Lass deine Katze ruhig riechen, ob
ich die Wahrheit sage. Und jetzt erlaub es mir, dich auszuziehen
und deine Wunden zu verarzten.«
»Er hat darauf geachtet, mich nicht wirklich zu
verletzen.«
»Er ist ein Bastard der schlimmsten Sorte, er hat
nicht einen Gedanken an deine Gefühle verschwendet. Besitzgier ist
nicht dasselbe wie Liebe, Isabeau, egal, wie sehr dich ein Mann
begehrt. Ich begehre dich ebenfalls, aber ich weiß, dass ich dich
nicht besitze. Und dass ich nicht das Recht habe, dir wehzutun oder
über dich zu bestimmen. Ich habe dich gezeichnet, um dich zu
schützen, nicht um dich als mein Eigentum zu brandmarken. Ich
schließe nicht aus, dass mein Leopard auf diese Idee gekommen sein
könnte, aber ich bin mehr als nur das, und ich weigere mich, wie
jeder anständige Mann es tun sollte, mich von meinen animalischen
Instinkten zu unmenschlichen Taten verleiten zu lassen. Und damit
wir uns richtig verstehen, Isabeau, Ottilas Verhalten war
verabscheuungswürdig.«
Zum ersten Mal schlich sich eine Spur von
Erheiterung in Isabeaus Blick. »Glaubst du etwa, seine
Machtdemonstration hätte mich beeindruckt? Sie hat mich zu Tode
erschreckt. Ich will ihn nie wiedersehen.«
Diesmal ließ sie sich widerstandslos ausziehen. Als
Conners Finger ihre Haut streiften, zuckte sie leicht zusammen,
hielt aber still. Sie hatte mehrere kleine Wunden an den Brüsten
und im Schritt – die ihn in Rage bringen sollten, das wusste er -,
doch schwerwiegender waren die Blutergüsse, die sich unter ihrer
Haut abzuzeichnen begannen.
Conner kniff die Augen zu und holte tief Luft, um
die Wut des Leoparden und des Mannes
wegzuatmen. Er wartete, bis er sich wieder ganz im Griff hatte.
»Dir ist ja wohl klar, dass ich ihn jagen und töten werde.«
Zitternd ließ Isabeau sich ins warme Badewasser
gleiten, das sich nach und nach rosa färbte. »Das ist doch genau
das, was er will. Lass uns einfach die Kinder holen und
verschwinden.«
»Du kommst aber nicht mit. Es ist zu gefährlich,
und du bist nicht in der Verfassung. Morgen wirst du dich kaum mehr
rühren können.«
Erschrocken sah Isabeau ihm ins Gesicht. »Lass mich
nicht allein. Nicht schon wieder. Für das Team bin ich doch noch
wertvoller geworden. Imelda und ihre Freunde werden denken, dass
Elijah mir das angetan hat, und sich darüber freuen, dass er auch
so ist wie sie. Das trägt bestimmt dazu bei, dass sie uns ihre
Türen weit genug öffnet, um uns ein wenig umzusehen. Außerdem bin
ich diejenige, die sich mit ihrem Großvater übers Gärtnern
unterhalten hat. Er hat mich eingeladen. In seinen Garten draußen.
Er hat sicher vor, mich herumzuführen. Meine Katze riecht genauso
gut wie deine. Während Elijah und Marcos über Geschäfte reden und
du den starken Mann mimst, suche ich nach den Kindern.«
Conner war sehr stolz, und gleichzeitig wären ihm
fast die Tränen gekommen. Isabeau war angeschlagen, aber nicht
besiegt. Trotz der Prügel hatte sie ihr Ziel nicht aus den Augen
verloren. Er hoffte, dass sie am nächsten Morgen fit genug war,
doch er bezweifelte es. Als er sah, wie sie zitternd die Tränen zu
unterdrücken versuchte, während er ihre Wunden säuberte und
behandelte, wusste er, dass Ottila ein toter Mann war.
Jemand, der imstande war, eine Frau so zu
verletzen, nur um etwas zu beweisen, würde es wieder und wieder
tun. Er würde nie aufhören, wenn er nicht ein für alle Mal gestoppt
wurde. Es hatte keinen Zweck, mit Isabeau darüber zu diskutieren.
Sie hatte zu viel Angst vor dem Mann – Conner nicht.