8
Alles fing wieder von vorn an. Isabeau sah sich verstohlen um und hoffte, dass niemand ihre Unruhe bemerkte. Ihr war heiß, ihre Haut spannte und jedes einzelne Nervenende kribbelte erwartungsvoll. Sie rieb sich über die Arme, doch selbst bei dieser leichten Berührung brannte jede Pore. Worauf sie innerlich brannte war zum quälenden Verlangen geworden, und sie konnte es nicht länger ignorieren.
An das dicke, warme Fell des Leoparden gekuschelt, hatte sie die ganze Nacht durchgeschlafen, während der Regen dazu einen gleichmäßigen, beruhigenden Rhythmus getrommelt hatte. Als sie den Kopf auf den weichen Pelz gebettet und Conners Herzschlag gelauscht hatte, war von dieser inneren Ruhelosigkeit noch nichts zu spüren gewesen. Es war ihr sogar gelungen, das Bild, wie Conner nackt im Fluss hockte, aus ihrem Kopf zu verbannen, wogegen sie im Augenblick keinen Atemzug tun konnte, ohne dass sie seinen frischen, würzigen Moschusduft roch – ein lockendes Aphrodisiakum, dem anscheinend nicht zu entkommen war.
Selbst wenn sie ihn nicht ansah, war sie sich seiner Gegenwart sehr bewusst und konnte in jeder Sekunde ganz genau sagen, wo er sich befand. Conner Vega würde noch ihr Verderben sein. Isabeau versuchte verzweifelt, einfach nur normal zu atmen, doch selbst ihre Lungen brannten, sodass sie nur mühsam Luft bekam.
Während des ganzen Frühstücks hatten die Männer ihr kurze Blicke zugeworfen, doch keiner von ihnen hatte sie richtig angesehen – und das verriet ihr, dass die anderen, obwohl sie sich so zusammenriss, merkten, wie es um sie stand. Sie befand sich in einer demütigenden und äußerst unangenehmen Lage. Und ihre Qual steigerte sich noch, als Conner, lässig in hautenge Jeans gekleidet von der morgendlichen Dusche zurückkehrte. Das Letzte, was sie brauchte, war dieser Anblick; andererseits, wie hätte sie wegsehen können? Isabeau presste die Fingerspitzen an die Schläfen, um sich in den Griff zu bekommen. Ihr Kiefer schmerzte schon, weil sie ständig die Zähne zusammenpresste.
Nach dem Frühstück hatten die Männer sich leise miteinander unterhalten, während Isabeau noch einen Kaffee getrunken hatte, der so bitter schmeckte, dass sie ihn kaum herunterbekommen konnte. Adan befand sich bereits auf dem Heimweg. Sie hatte ihr plötzliches Unbehagen darauf zurückgeführt, dass ihr einziger Freund sie verlassen hatte, doch – so gern sie es auch abgestritten hätte -, seit dem Aufwachen am Morgen staute sich in ihr nach und nach eine unerträgliche Hitze. Zäh wie Magma in einem Vulkan strömte sie durch ihre Adern und verbreitete sich wie eine schleichende Krankheit im ganzen Körper.
Dass nach dem Frühstück vom Team beschlossen wurde, Jeremiah und sie im Kämpfen zu trainieren, machte es auch nicht besser. Denn natürlich musste Conner sie, wenn auch unpersönlich, immer wieder anfassen, um ihr die richtige Stellung zu zeigen, sodass sie am Ende schon bei der geringsten Berührung am liebsten um Erlösung gebettelt hätte. Sie wollte die Gelegenheit auf keinen Fall verpassen, von den Männern zu lernen, doch schon nach kurzer Zeit glänzten deren Körper vor Schweiß, und daraufhin machten sie beinahe augenblicklich ihre Oberkörper frei.
Isabeau beteiligte sich mit vollem Einsatz; sie mochte schwierige Kampfsportübungen und trainierte hart, um alle anderen körperlichen Gelüste zu unterdrücken. Wenn sie keinen wilden, heißen Sex haben konnte, und zwar viel davon, wollte sie sich bis zur völligen Erschöpfung beim Sport verausgaben. Jedes Mal, wenn Conner ihre Haltung korrigierte oder sie beim Kickboxen am Bein fasste, musste sie sich beherrschen, damit sie sich seinem elektrisierenden Griff nicht entwand.
Sie hielt sich absichtlich von ihm fern und arbeitete an ihrer Schnelligkeit, Sprungkraft und an der Präzision ihrer Schläge. Während sie bei Jeremiah stand und versuchte, die verliebten Blicke, die er ihr zuwarf, zu ignorieren, hörte sie Conner mit Rio über Sparring reden. Ihre Katze wollte sich an den Bäumen reiben, eigentlich sogar an egal was, und sie wollte sich nur noch der Länge nach an Conner schmiegen, doch wenn die Männer auf Sparring aus waren, auch gut.
Felipe war ihr erster Gegner; mit erhobenen Fäusten und festem Blick trat er ihr entgegen. Isabeau sah, dass er versuchte, flach zu atmen – um möglichst wenig von ihrem Geruch mitzubekommen. Sie hatte noch gar nicht bemerkt, dass er so lange, schön gebogene Wimpern hatte. Dazu eine hübsche Nase und ein markantes Kinn. Er war sehr attraktiv, nicht ganz so muskulös wie Conner und Rio, aber geschmeidig und wendig …
»Was zum Teufel machst du da, Isabeau?«, wollte Conner wissen. »Er hat gerade sechs Schläge hintereinander gelandet, und du hast noch nicht einmal versucht abzublocken.«
»Tatsächlich?« Isabeau blinzelte mehrmals und schaute ein wenig verwirrt in die Gesichter ringsum. Hatte Felipe sich tatsächlich bewegt? »Aber er hat mich nicht getroffen.«
»Er hat nur angetäuscht, weil er wusste, dass ich ihm die Zähne ausschlage, wenn er dir wehtut«, blaffte Conner sichtlich aufgebracht. »Du musst dich trotzdem wehren.«
Conner war sehr sexy, wenn er böse war. Das war ihr noch nie aufgefallen. Isabeau streckte die Hand aus, um ihm über die gefurchte Stirn zu streichen, doch Conner wich schnaubend zurück. Etwas gekränkt ließ sie den Arm wieder sinken. »Ich versuch’s doch, Conner.«
»Dann gib dir mehr Mühe«, erwiderte er barsch.
Seine Stimme war so heiser und verführerisch, dass eine neue Hitzewelle sie überrollte, und sie genoss es. Felipe wurde durch Elijah ersetzt. Doch Elijah schien mehr auf Conner zu achten als auf sie. Versuchsweise attackierte sie ihn mit einer Serie leichter Tritte und Schläge, entschlossen, ihn in die Defensive zu drängen. Aber Elijah wich nicht wie erwartet zurück, sondern schlug blitzschnell zu. Bewundernd betrachtete sie das Spiel seiner Muskeln, den entschlossenen Zug um seinen Mund und den sinnlichen Schwung seiner Lippen.
Fleisch klatschte auf Fleisch, und Isabeau blinzelte. Conner hatte Elijahs Faust nur wenige Zentimeter vor ihrem Gesicht mit der offenen Hand abgefangen. »Isabeau«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, »du passt nicht auf.«
»Doch, ehrlich«, widersprach sie. Wie sollte sie sich konzentrieren, wenn Elijah nur aus geschmeidigen Muskeln zu bestehen schien? Es war ein Bild von einem Mann, sexy und scharf, richtig scharf.
Conner gab einen Laut von sich, schon fast ein Knurren. Elijah trat einen Schritt zurück, ließ die Hände sinken und schüttelte den Kopf. Kleine Schweißperlen standen auf seiner Stirn. »Ich bin fertig hier, Conner.«
Hoffnungsvoll blickte Isabeau zu Leonardo hinüber. Bei ihm konnte sie bestimmt ein oder zwei Treffer landen. Er wirkte geradezu erschrocken – als wäre er dem Untergang geweiht. Daran konnte Conner doch sehen, wie sehr die Männer sich vor ihr fürchteten.
Sie fühlte sich großartig, hellwach und lebendig bis in die Zehenspitzen. Bei jeder Bewegung spannte ihr enges Oberteil und drückte sich so aufreizend gegen ihre hervortretenden Nippel, dass sich ihr Magen genüsslich zusammenzog. Nie war ihr das flüssige Zusammenspiel aller Körperteile bewusster gewesen – oder ihre Weiblichkeit und der perfekte Sitz ihrer Jeans, die wundersamerweise bei jedem Kick genau die richtigen Stellen stimulierte.
Leonardo brach der Schweiß aus, als sie auf ihn zuging; abrupt senkte er die Fäuste und wich vor ihr zurück. Conner schnitt Isabeau den Weg ab und fasste sie bei der Schulter. »Was zum Teufel hat das zu bedeuten?«
»Was meinst du?« Isabeau sah ihn nur verträumt lächelnd an. Wenn sie ein klein wenig näher an ihn herankam, konnte sie sich vielleicht an seine Brust schmiegen. Sie trat einen Schritt vor.
»Ich glaube, du schnurrst zu laut«, warf er ihr vor. »Wirklich?« Isabeau schmiegte sich an ihn und rieb sich an seinem Brustkorb; sie musste ihren Geruch auf ihm verteilen und das wilde Begehren genießen, das sie überfiel, als ihre Nippel sich noch mehr versteiften. »Wusstest du, dass du einen sehr hübschen Mund hast?«
Rio gab einen Laut von sich, irgendetwas zwischen Frustration und Erheiterung. »So wird das nichts, Conner. Vielleicht sollten wir uns eine Weile mit Jeremiah und seinen Verwandlungskünsten beschäftigen.« Er deutete auf eine kleine Lichtung ein Stück weit entfernt. »Da vorn.«
Conner wandte den Kopf und sah, dass der junge Leopard Isabeau mit offenem Mund anstarrte, als liefe ihm schon das Wasser im Mund zusammen. Conner spürte, wie eine weiche Hand sich auf seine Jeans legte und die empfindlich geschwollene Leistengegend streichelte, sodass seine Aufmerksamkeit jäh wieder auf Isabeau gelenkt wurde. Ihr Schnurren hatte zugenommen, und ihre Augen waren leicht verschleiert. Fluchend packte Conner sie bei den Handgelenken, zog beide Hände an seine Brust und hielt sie dort fest. »Gute Idee«, erwiderte er aufgebracht. Der Junge brauchte Ablenkung.
Entweder Isabeaus Katze zeigte sich bald oder dieser Anfall musste enden, bevor die Männer ihren Sexualtrieb nicht mehr unter Kontrolle bekamen. Dass der Testosteronspiegel stieg, war bereits zu riechen. Bald würde es zu spät sein, er musste der Situation Herr werden.
»Du wirst noch jemanden umbringen«, zischte er der Katze zu.
In diesem Moment machte er den Fehler, Isabeau in seine Arme zu ziehen und sofort drückte sie sich mit all ihren Kurven an ihn. Dann hob sie den Kopf und leckte über seinen Hals. Es war ein erregendes Gefühl, ihre samtene Zunge an seiner pochenden Pulsader zu spüren. Selbst sein schmerzendes Glied reagierte auf die aufreizende Zärtlichkeit und drückte hart gegen den ausgebeulten Stoff seiner Hose. Feuer raste über seine Haut, entflammte sein Blut und kreiste durch seine Adern. Er konnte nicht mehr klar denken vor Verlangen.
»Komm mit.« Er besaß gerade noch genug Beherrschung, um Isabeau in den Schutz der Bäume zu ziehen. Offenbar war ihr der Selbsterhaltungstrieb abhandengekommen, denn sie folgte ihm widerstandslos und schaute schmachtend zu ihm auf.
Ehe Conner die letzte Chance ergreifen konnte, sie beide davor zu bewahren, entwich sein Atem schon zischend aus den Lungen, und sein Mund suchte Isabeaus. Er konnte der Versuchung nicht mehr widerstehen; sie pochte in seinen Adern und in seinem Glied, sein ganzer Körper war berauscht – ja trunken – von ihr. Sie tauschten lange, betörende Küsse, bis selbst Conner nicht mehr wusste, wo er war. Alles wirkte wie in weite Ferne gerückt, die Bäume und Büsche, sogar der Geruch der anderen Männer. Es gab nur noch Isabeau, so warm und weich, eine Sirene, die ihn in einen Strudel der Leidenschaft lockte.
Das war ihm schon einmal passiert. Jedes bisschen Ehrgefühl, das er hatte, war in Flammen aufgegangen, als er Isabeau zu nahe gekommen war – und nun begann alles wieder von vorn. Conner riss sich von ihr los und schaute um Atem ringend in ihre leuchtenden Augen, er musste seine eigenen Bedürfnisse zurückstellen.
»Beherrsch dich, Isabeau«, sagte er mit rauer Stimme. »Jeder Mann hier ist zur Hälfte Leopard. Hast du eine Vorstellung davon, was für ein Chaos du anrichtest?«
»Ich liebe den Klang deiner Stimme«, Isabeau schob eine Hand unter sein Hemd, um seine nackte Haut zu spüren, »und deinen Mund. Wenn du mich küsst, kommt es mir so vor, als würde ich verbrennen.«
Und für ihn war nichts auf der Welt verführerischer als ihre Stimme, eine aufreizende Verlockung, die seine eiserne Selbstdisziplin untergrub. Schnell schloss Conner die Augen und versuchte, sich daran zu erinnern, wie viele Schwierigkeiten beim letzten Mal daraus entstanden waren, als er es nicht geschafft hatte, Isabeaus Zauber zu widerstehen – und damals hatte er von dem zusätzlichen Anreiz, dass sie zu seinem Volk gehörte, noch nicht einmal gewusst.
»Isabeau.« Conner schüttelte sie ein wenig, doch das konnte ihre suchenden Hände nicht aufhalten. »Sieh mich an. Du willst das nicht. In ein paar Stunden würdest du mich noch mehr hassen als bisher. Ich habe dich schon einmal enttäuscht und ich will verdammt sein, wenn ich es wieder tue.«
Wem zum Teufel wollte er das weismachen? So viel Selbstbeherrschung hatte er gar nicht. Nicht in einer Million Jahren. Bei jedem Atemzug, den er tat, sehnte er sich nach ihr. Nicht wegen ihrer Katze, sondern weil sie Isabeau Chandler war, die Frau, die er über alles liebte. Er bemühte sich, tief durchzuatmen. Er liebte sie, und er wusste, wie es war, wenn sie nicht bei ihm war. Er würde es nicht zulassen, dass die Geschichte sich wiederholte.
»Hör auf, Isabeau.« Es klang barscher als beabsichtigt.
Isabeau erstarrte und ließ die Hände sinken, als hätte sie sich verbrannt. Dann trat sie einen Schritt zurück. »Oh, es tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin«, sagte sie mit bebender Stimme. »Das wollen wir nicht, oder? Der große Conner Vega. Komisch, dass das mit dem Verführen nur dann klappt, wenn die Initiative von dir ausgeht.«
»Also darum geht es dir, Isabeau? Verführen? Du spielst mit dem Feuer.«
Sie musterte Conner von Kopf bis Fuß. »Das bezweifle ich. Vom Feuer scheint mir da wenig übrig.« Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ließ ihren Blick deutlich abschätzend über die anderen Männer gleiten. »Entschuldige, dass ich dich belästigt habe.«
Als Isabeau ihn stehenlassen wollte, packte er sie am Arm und riss sie herum.
Sie zog betont eine Augenbraue in die Höhe. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.« Dann schaute sie hochmütig auf seine Hand hinunter, und Conner ließ sie los. Isabeau drehte ihm den Rücken zu und ging mit wiegenden Hüften davon, ihr Haar war ein wenig unordentlich und zerzaust und fiel ihr offen ums Gesicht und über den Rücken, als hätte er ihr, ohne es zu merken, den Pferdeschwanz gelöst. Doch er erinnerte sich nicht, das getan zu haben, nur an das Gefühl von Seide an den Fingerkuppen.
Isabeau blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten, die ihr in den Augen brannten. Sie hatte sich Conner an den Hals geworfen, und er hatte sie abgewiesen. Ihr Stolz war gebrochen, mit Füßen getreten worden. Er wollte sie nicht. Sie senkte den Kopf und beugte sich vornüber, um Luft zu schöpfen, doch das war ein Fehler, denn augenblicklich hatte sie den Geruch aller Männer in der Nase, eine verlockende Mischung aus Begehren und Männlichkeit.
Wenn du nicht aufhörst, du Luder, erwürge ich dich, zischte Isabeau ihrer Katze zu. Am liebsten hätte sie Conner den athletischen Rücken zerkratzt. Wer hätte gedacht, dass Muskeln so gut definiert sein konnten? Doch Isabeau wusste, dass nicht nur ihre Katze schuld war – oder zumindest nicht ganz allein. Sie selbst wollte Conner ganz genauso, und die hervordrängende Katze war eine großartige Entschuldigung. Aber er wollte sie nicht.
Wie konnte das sein, wenn sie sich mit jeder Faser ihres Seins nach ihm sehnte? Sie konnte kaum die Augen schließen, ohne dass Bilder von Conner sie verfolgten. Keinen Atemzug tun, ohne ihn zu begehren. Er sollte verdammt sein für seine Zurückweisung. Er war doch derjenige, der behauptet hatte, das Gesetz des Dschungels stehe über allem anderen, und kaum hielt sie sich daran, hatte er nicht mitgemacht. Es hatte sie jedes Quäntchen Mut gekostet, ihn dazu zu bewegen sie zu küssen, in der Hoffnung, dass er dann nicht mehr widerstehen konnte. Aber wenn er sie nicht mehr wollte, dann … Isabeau hob den Kopf und betrachtete die Männer, die auf der Lichtung ganz in der Nähe mit Jeremiah sprachen.
Sie hatte Adan nur deshalb vorgeschlagen, einem von Imeldas Wachleuten den Kopf zu verdrehen, weil sie wusste, dass sie nie mehr für einen anderen Mann dasselbe empfinden konnte, wie für Conner. Sollte sie einfach einmal ihre Verführungskünste erproben? Vielleicht konnte sie als Leopardin ohne Skrupel mehrere Männer haben. Vielleicht waren moralische Bedenken leichter beiseitezuwischen, als sie glaubte. Sie ging näher an die Männer heran, weil sie wissen wollte, was sie miteinander besprachen.
Sie merkte den Moment genau, in dem Conner sich den Männern wieder anschloss. Er fiel auf in der Gruppe. Isabeau fürchtete, dass er ihr wohl überall auffallen würde. Ein Kegel aus Sonnenlicht hob ihn aus den Schatten der Lichtung hervor. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und bändigte es auf diese nachlässige Art, die sie so sexy fand. In diesem Augenblick hasste sie ihn beinahe. Kaum wandte sie den Blick von ihm ab, da begegnete sie dem Jeremiahs.
Unfähig wegzuschauen betrachtete er sie weiter voller Bewunderung. Offensichtlich fand er sie attraktiv, denn er ließ demonstrativ seine Muskeln spielen. Isabeau bemühte sich, ihre Erheiterung zu verbergen. Es war nicht fair, ihn wie einen Grünschnabel zu behandeln, wo er doch fast das gleiche Alter hatte wie sie. Aber Conner mit seinem muskelbepackten Körper wirkte eben männlicher.
Jeremiah ließ abermals die Muskeln tanzen und schaute kurz zu Conner hinüber, ehe er ihr ein Lächeln zuwarf. In dem Augenblick rief Rio ihm etwas zu, und Jeremiah sprintete los, riss sich die Kleider vom Leib und schaute dabei zu Isabeau zurück. Sofort wickelte sich seine Hose um seine Knöchel, sodass er Hals über Kopf zu Boden stürzte und in seine Jeans verheddert halb nackt über die Lichtung rollte.
»Was war denn das, verdammt nochmal?«, wollte Rio wissen.
»Ich weiß genau, was das war«, betonte Conner unheilverkündend, während er über die Lichtung auf Jeremiah zuschlenderte.
»Conner!« Schnell trat Elijah ihm in den Weg. »Er ist doch noch ein Kind.«
»Aber er kennt die Regeln.«
Trotzig rappelte Jeremiah sich auf. »Vielleicht ärgert es dich bloß, dass ich besser ausgestattet bin als der Durchschnitt, und sie mich vorziehen könnte.«
»Weil du den längeren Schwanz hast?« Verächtlich musterte Conner ihn von Kopf bis Fuß. »Tut mir leid, Junge, das reicht nicht. Du kriegst ja im richtigen Moment nicht mal die Hose runter. Ich bezweifle, dass du großen Eindruck gemacht hast.«
Wütend riss Jeremiah sich die Jeans von den Beinen, warf sie angewidert beiseite und stürzte sich auf Conner. Doch Elijah fing ihn ab und zog ihn weg.
»Willst du dich umbringen, du Idiot? Weißt du nicht, wie man sich verhält, wenn die Gefährtin eines Mannes kurz vor dem Han Vol Don steht? Zeig etwas mehr Respekt, verdammt nochmal.«
Jeremiah blieb wie angewurzelt stehen und sah zu Isabeau hinüber. So wie alle anderen auch – mit Ausnahme von Conner. Isabeau bemühte sich, nicht puterrot anzulaufen, und blickte zu Boden; sie wünschte, er täte sich auf, und sie könnte darin versinken. Dann drehte sie sich um und kehrte in den Schutz der Bäume zurück, um zuzusehen, wie Jeremiah sich wieder anzog und sich darauf vorbereitete, noch einmal von vorn zu beginnen.
Der Anblick, wie Jeremiah übte sich im Laufen zu verwandeln, machte ihr Lust es selbst einmal zu probieren. Sie hatte sich sorgfältig mit den Unterlagen im Büro ihres Vaters beschäftigt, auch mit den privaten, aber keinerlei Hinweis auf das Volk der Leopardenmenschen gefunden. Sie glaubte nicht, dass er etwas davon gewusst hatte. Wahrscheinlich war ihre Mutter bei der Geburt gestorben, genau wie Conner es vermutet hatte, und niemand hatte das Kind haben wollen. Um die Zeit ihrer Geburt herum war ihr Vater vom Amazonas nach Borneo gezogen. Es war also anzunehmen, dass sie aus Südamerika stammte. Vielleicht sollte sie doch versuchen, ihre Familie zu finden.
Nach Borneo wollte sie nicht zurück und in Panama konnte sie nicht bleiben. Dort traf sie ständig auf Conner. Mit ihm jedoch wäre sie überallhin gegangen. Und das, obwohl er für den Tod ihres Vaters verantwortlich war. Beschämt drückte sie eine Hand auf den Mund. Ein sehr praktischer Vorwand, um die erlittene Kränkung nicht zu vergessen. Ihr Vater war selbst schuld an seinem Tod. Conner war nur vorzuwerfen, dass er sie verführt hatte, ohne an ihr interessiert zu sein.
Er hatte ihren Stolz verletzt. Und das tat er immer noch. Er hatte sie genauso benutzt, wie er nun auf ihren Wunsch hin Imelda Cortez benutzen sollte, um die entführten Kinder zurückzubekommen. Heiligte der Zweck die Mittel? War sie nicht ebenso scheinheilig?
Isabeau presste die Finger an die Schläfen und gab sich alle Mühe, ruhiger zu werden. Sie wollte nicht abreisen, ohne diese Sache zu Ende zu bringen. Das schuldete sie außer Adan auch Conners Mutter, die ihre Freundin gewesen war, und den verschleppten Kindern. Sie atmete tief ein und aus und lief auf und ab, um möglichst viel überschüssige Energie abzubauen, ehe sie zu den anderen zurückkehrte.
Als sie wieder aus den Bäumen hervorkam, trug Isabeau den Kopf hoch, denn sie hatte sich vorgenommen, sich von den Männern nicht mehr einschüchtern oder beschämen zu lassen. Was immer sie war, was auch mit ihr geschah, in der Welt der Leopardenmenschen war es offenbar normal, und sie wollte sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Selbst wenn sie sich so verzweifelt nach Sex sehnte, an Mut fehlte es ihr jedenfalls nicht.
Wieder und wieder führte Jeremiah vor, wie er sich verwandelte. Am Ende hatte Isabeau sich so an seine Nacktheit gewöhnt, dass sie sich mehr für den genauen Ablauf des Prozesses interessierte. Es sah so aus, als ob es schmerzhaft sein könnte, obwohl die Schnelligkeit, mit der sich alles abspielte, das Gegenteil nahelegte.
Nachdem sie zum zigsten Male Jeremiahs Zeit gestoppt hatten, sahen Rio, Felipe und Elijah sich kopfschüttelnd an.
»Du bist zu langsam, Jeremiah«, erklärte Conner knapp. »Noch einmal. Und diesmal stellst du dir vor, dass jemand dabei auf dich schießt. Du bist der Jüngste von allen und solltest schneller sein. Wenigstens fünfzehn oder zwanzig Sekunden.«
Jeremiah warf Conner einen verächtlichen Blick zu. »Eifersüchtiger Bastard«, murmelte er. »Das ist unmöglich.«
Der Junge hätte es besser wissen müssen. Conners Gehör war ausgezeichnet. Er schlenderte zu dem jungen Leoparden hinüber und baute sich vor ihm auf. »Du hältst das für unmöglich? Es ist nicht nur möglich, du faules Balg, man schafft es sogar, wenn man durch Bäume läuft statt über eine schöne freie Lichtung.«
Jeremiah machte seine Lage noch schlimmer, indem er höhnisch grinsend erwiderte: »Das glaube ich nicht.«
Lautlos tauchte Rio hinter ihm auf und gab ihm eine Kopfnuss, die hart genug war, um den Jungen ins Straucheln zu bringen. »Hör auf zu jammern und versuch, etwas zu lernen. Wenn du mit uns zusammenarbeiten willst, musst du wissen, wie man am Leben bleibt. Du hast mich nicht einmal kommen hören.«
Isabeau wandte sich ab, um ihr Lächeln zu verbergen. Jeremiah war wirklich ein großes Kind; er wollte zwar gern von den anderen Leoparden respektiert werden, aber nichts dafür tun. Den Älteren ging langsam die Geduld aus. Sie hatten den ganzen Morgen mit ihm gearbeitet, doch es wurde immer deutlicher, dass Jeremiah zu eingebildet und bequem war.
»Du hast gesagt, deine Familie kommt aus Costa Rica?«, mischte sie sich ein, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Jeremiah nickte. »Aber das hier ist meine Sache. Meine Eltern brauchen nichts davon zu wissen«, setzte er hastig hinzu.
Rio, der mit verärgert hochgezogenen Schultern gerade dabei war, die Lichtung zu überqueren, drehte sich um. »Deine Eltern wissen nicht, wo du bist?«
»Und ich dachte, du wärst bei Mutti aufgewachsen«, murmelte Elijah, »als Einzelkind.«
Jeremiah funkelte ihn böse an. Dann richtete er sich zu voller Größe auf und warf sich in die Brust. »Meine Familie ist sehr zahlreich. Ich bin das jüngste von acht Kindern. Ich habe sieben Schwestern. Mein Vater wollte unbedingt einen Sohn.«
Die Männer wechselten vielsagende Blicke.
»Und dann kamst du«, fügte Elijah leise hinzu.
»Das erklärt vieles«, bemerkte Conner. »Tja, mein Junge, du bist hier nicht zu Hause, und es gibt keine Schwestern, die dich verhätscheln. Entweder du verbesserst deine Zeit, oder du bringst deinen faulen Hintern wieder bei Mama in Sicherheit. Wenn du bei uns bleibst, musst du damit rechnen, dass auf dich geschossen wird.«
Jeremiah wurde rot. »Ich bin kein Muttersöhnchen, falls du das meinst. Ich behaupte nur, dass ich schnell bin, wahrscheinlich sogar schneller als ihr alle.«
Conner seufzte. »Wer ist beim Ausziehen im Wald der Langsamste von uns?« Er sah sich nach den Männern um.
Felipe hob die Hand. »Ich schätze, das bin ich.«
Conner trat zurück und winkte Felipe, zu ihm zu kommen. Felipe sah erst zu Isabeau hinüber, dann mit fragend hochgezogener Braue zu Conner.
»Sie muss lernen. Und von Jeremiahs nacktem Po hat sie bestimmt schon genug.«
Isabeau lief rot an und fluchte leise vor sich hin, als die allgemeine Aufmerksamkeit sich erneut auf sie richtete. Sie versuchte wirklich, sich anzupassen, ob sie es ihr nun glaubten oder nicht; doch ständig daran erinnert zu werden, dass sie eine Frau war und bald rollig werden würde wie eine gottverdammte Katze, machte es ihr nicht gerade leichter.
Sie ließ den Blick zu Conner schweifen. Die ganze Nacht über hatte sie sich an das warme Fell eines Raubtiers geschmiegt und sich so sicher gefühlt, wie sie es sich nie hätte träumen lassen. Der gleichmäßige Rhythmus des Regens und der Herzschlag des Leoparden hatten dafür gesorgt, dass sie schnell eingeschlafen war, selbst inmitten so vieler Fremder. Sie war ruhig und völlig entspannt gewesen. Aber jetzt, wo sie Conner in Aktion sah, seine geschmeidige Eleganz, das Spiel der Muskeln unter seiner Haut, die brennenden Augen und den fokussierten Blick, schmolz sie einfach dahin. Sie konnte ihn kaum aus den Augen lassen, obwohl sie nicht eine Sekunde vergaß, warum sie ihn nach Panama geholt hatte – um eine andere Frau zu verführen -, und dass er sie zurückgewiesen hatte.
Conner räusperte sich. »Isabeau?«, sagte er fragend.
Isabeau errötete, als sie begriff, dass Felipe auf ihre Erlaubnis wartete. »Ich muss schließlich auch lernen, wie man sich verwandelt«, bemerkte sie möglichst lässig, so als ob sie es gewöhnt wäre, den ganzen Tag von nackten Männern umgeben zu sein.
Felipe nahm sie beim Wort und zog sich ohne Umschweife im Laufen aus. Die Schnelligkeit, mit der er sich entblößte, war bewundernswert; einige geschickte, lässige Handgriffe und wenige Sekunden genügten. Sobald er Schuhe und Socken abgestreift hatte, lief er schon los und noch während er sich Hemd und Hose herunterriss, wuchsen ihm Muskeln, sodass er bereits mit großen, schnellen Sprüngen durch die Bäume hetzte, noch ehe sein Hemd zu Boden gefallen war.
Conner drückte auf die Stoppuhr und ging zu Jeremiah hinüber. Der Junge hatte den Mund aufgerissen und schaute dem großen Leoparden völlig verblüfft hinterher.
»Ich habe es gar nicht richtig mitbekommen«, sagte Jeremiah voller Bewunderung. »Ich glaube fast, ich kann meinen Augen nicht trauen, ehrlich.«
»Nicht eine unnütze Bewegung«, betonte Isabeau, die nicht länger im Hintergrund bleiben wollte. Sie ging zu Jeremiah und sah auf die Stoppuhr. »Er hat nicht einmal sieben Sekunden gebraucht. Wie kann das sein?«
»Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt was gesehen habe.« Jeremiah starrte immer noch auf die Uhr.
Als Isabeau näher herantrat, streifte sie den nackten Jungen am Arm. Sofort gab Conner ein Knurren von sich, und Jeremiah sprang zurück. Alle Männer erstarrten und schauten sich nach Conner um, wie er ganz langsam den Kopf drehte und den zurückweichenden Jungen mit glühenden Augen fixierte.
»Conner«, sagte Rio scharf.
Erschrocken über Conners Reaktion zog Isabeau sich instinktiv von Jeremiah zurück. »Du glaubst doch wohl nicht …« Sie verstummte und legte schützend eine Hand an die Kehle, obwohl ihre etwas fiesere Seite die Situation durchaus erheiternd fand. »Er ist doch noch ein Kind.«
»Vom Alter her passt er doch viel besser zu dir«, entgegnete Conner barsch.
Isabeau konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Ach, Conner, mach dich doch nicht lächerlich.«
»He!«, mischte Jeremiah sich ein. »Die Frauen können nicht genug von mir kriegen.«
Conner fauchte, seine Zähne wurden länger und spitzer, und Krallen drangen aus seinen Fingerspitzen. Isabeau machte alles noch schlimmer, indem sie sich über Jeremiahs beleidigten Gesichtsausdruck vor Lachen krümmte. Die anderen Männer verdrehten die Augen und konnten kaum fassen, dass der Überlebensinstinkt des Jungen nicht reichte, um auf Distanz zu Isabeau zu gehen und den Mund zu halten.
»Willst du damit behaupten, dass meine Frau scharf auf dich wäre?«, fragte Conner und trat nahe an Jeremiah heran – bedrohlich nahe. »Dass sie sich statt mit mir lieber mit dir einlassen würde?«
Isabeau war augenblicklich ernüchtert. Langsam richtete sie sich wieder auf, ihre Augen waren grün geworden und schimmerten wie Juwelen. »Ich bin nicht deine Frau, du erbärmlicher Abklatsch eines sogenannten Gefährten.«
Doch irgendwie hörte niemand auf sie. Jeremiah wagte nicht zu atmen. Conners tödliche Pranke war viel zu nah an den edelsten Teilen seines Körpers, und der Mann sah so wütend aus, als würde er sie ihm gleich abreißen.
»Nein, du hast mich falsch verstanden«, widersprach Jeremiah, der seinen Fehler zu spät erkannte. Leoparden waren berüchtigt dafür, dass sie extrem eifersüchtig waren, wenn andere Männer ihrer Gefährtin zu nahe kamen, insbesondere dann, wenn diese Gefährtin kurz vor ihrer ersten Hitze war. Erst jetzt fiel Jeremiah auf, dass alle anderen Abstand zu Isabeau hielten.
»Was genau habe ich denn falsch verstanden?«, stieß Conner zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Isabeau merkte, dass die anderen sie langsam einkreisten, vermutlich um Jeremiah falls nötig beizuspringen. Plötzlich ging es gar nicht mehr um sie. Dem Jungen drohte echte Gefahr von einem Mann, der ihre Avancen gerade erst zurückgewiesen hatte. Aber was ihn auch trieb, war tatsächlich da und es war gefährlich.
Isabeau trat dicht an Conner heran und legte ihm eine Hand auf den Arm. Sie konnte seine stählernen Muskeln spüren, und auch das Adrenalin, das in ihm kreiste wie ein Feuerstrom. Allmählich begann sie zu verstehen, welch schrecklichen Tribut die Leoparden von den Männern forderten. Es war den Menschen unmöglich, die Gesetze der Raubkatzen zu ignorieren. Aufgrund ihrer animalischen Eigenschaften wandelten sie ständig auf einem sehr schmalen Grat.
»Ich … eigentlich wollte ich nur sagen, dass Felipe das großartig gemacht hat und dass ich viel härter trainieren muss, um auch nur halbwegs an seine Leistung heranzukommen«, stammelte Jeremiah.
»Ich habe ihn doch nur zufällig angerempelt«, betonte Isabeau. »Conner, ich bitte dich.«
Conner blieb einen Augenblick still stehen und kämpfte gegen das Adrenalin in seinem Blutkreislauf, dann drehte er sich abrupt um, legte einen Arm um Isabeaus Taille, riss sie von Jeremiah fort und legte seine Lippen an ihr Ohr. »Dein Geruch hat ihn so verrückt gemacht, dass er sich schon wieder danebenbenommen hat.«
Damit führte er sie in den Regenwald hinein, weg von den anderen und den Ausdünstungen erregter Männlichkeit, die seinen Leoparden – und ihn – zum Wahnsinn trieben.
Isabeau lief puterrot an. Wie hätte es anders sein können? Sie war es nicht gewohnt, so beiläufig über Sex zu reden, und die Art, wie diese Männer über Nacktheit und die Läufigkeit weiblicher Katzen sprachen, grenzte fast an Gleichgültigkeit. Es war nicht gerade abschreckend, aber immerhin verstörend, zu wissen, dass alle ihren Zyklus verfolgten. Und nicht nur das, darüber hinaus reagierten sie auch noch darauf.
»Ich hoffe, das lag nicht nur an meinem Geruch«, sagte Isabeau. Sie hätte die Situation gern ein wenig aufgelockert, meinte es aber durchaus ernst. »Ich möchte nicht, dass man mich mag, nur weil ich irgendwie rieche
Conner atmete tief ein, ließ ihren speziellen Körperduft absichtlich in seine Lungen strömen. Allein ihr Anblick brachte ihn oft ungewollt in Wallung, doch so wie sie ihn jetzt ansah, mit unschuldig gerunzelter Stirn und unter langen, gebogenen Wimpern hinweg, konnte er sein Verlangen kaum noch zügeln. »Für Katzen sind Gerüche sehr wichtig«, er rieb das Gesicht an ihrem bloßen Hals, »genauso wie das Markieren mit Duftstoffen. Jeder, der dumm genug ist, in meinem Revier zu wildern, muss sich auf etwas gefasst machen.«
Isabeau riss sich von ihm los. »Ich gehöre nicht mehr zu deinem Revier. Das war, als du noch jemand anders warst, erinnerst du dich?«
»Ich erinnere mich an jede Minute.« Conners goldene Augen bohrten sich in ihre. »Du auch?«
Isabeau verkniff sich die Antwort. Sie hatte nicht die Absicht, sich mit ihm anzulegen. Er war imstande, sie im Handumdrehen zum Weinen zu bringen. Sie war ihm nicht gewachsen – und war es nie gewesen. »Das kannst du nicht machen, Conner. Du willst mich nicht, drohst aber, jeden, der sich für mich interessiert, umzubringen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn.«
»Ich will dich nicht?«, stieß Conner hervor, während es in seiner Brust rumorte. Er packte Isabeau bei den Oberarmen und zog sie eng an sich, sodass sie seine stramme Erektion zu spüren bekam. »Wollen ist nicht das richtige Wort für das, was ich für dich empfinde, Isabeau. Ich werde es mir nicht wieder mit dir verderben, nur weil ich die Finger nicht von dir lassen kann. Das ist mir schon einmal passiert, und ich will verdammt sein, wenn ich es ein zweites Mal zulasse.«
»Du kannst die Finger nicht von mir lassen?«
»Tu doch nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Ich hätte mich nicht hinreißen lassen sollen. Um eine Frau zu verführen, muss man nicht unbedingt mit ihr ins Bett gehen. Vorhin hatte ich mich nicht in der Gewalt, und du siehst ja, wohin dieser Mangel an Selbstbeherrschung uns gebracht hat.« Für einen Augenblick war ihm seine Qual unverhüllt anzusehen. »Es war schon schlimm genug zu wissen, dass ich dich enttäuscht habe, aber herauszufinden, dass meine Mutter vor ihrem Tod erfahren hat, was ich getan habe …« Conner verstummte und schüttelte den Kopf. Dann setzte er wieder seine entschlossene Miene auf. »Wenn ich mit dir ins Bett gehe, dann nur, weil du es so willst, nicht weil deine Katze ihren Trieb befriedigen möchte.«
Wieder lief Isabeau rot an, doch ihr Stolz war ihr weniger wichtig als Conners Worte. Sie hatten sie tief im Herzen berührt, und zum ersten Mal hatte sie das Gefühl, dass ihre durcheinandergeratene Welt wieder in Ordnung kommen könnte. War nur ihre Katze so wild auf ihn? Sie glaubte es zwar nicht, aber sie war sich nicht ganz sicher, und Zweifel durfte es nicht geben, wie Conner ganz richtig bemerkt hatte. Die Gewissheit, dass er sie nicht völlig ablehnte, machte jedenfalls die Dinge einfacher.
Conner nahm Isabeaus Gesicht in beide Hände, strich mit dem Daumen über ihre Lippen und sah sie durchdringend an. »Du gehörst mir, Isabeau. So wird es immer sein. Es ist nicht zu ändern. Wie du dich auch entscheidest, ob du mir verzeihst und uns eine zweite Chance gibst oder nicht, du gehörst nur mir.«
Isabeau stockte das Herz, es hörte einfach auf zu schlagen. Sie konnte spüren, wie es sich in ihrer Brust verkrampfte, ehe es plötzlich wieder zu pochen begann. Dieses eine Mal blieb ihre Katze ruhig und gönnte ihr den perfekten Moment. Isabeau schaute zu Conner auf, musterte das Gesicht, das sich ihr unauslöschlich eingeprägt hatte – bis ins Mark -, und sie stellte fest, dass sie von Neuem verloren war. »Warum hast du nicht nach mir gesucht?« Denn das hatte sie mehr gekränkt, als sie sagen konnte.
»Eigentlich hatte ich mich dazu entschlossen«, gestand Conner, »vor sechs Monaten. Ich wusste, ich musste versuchen, es dir zu erklären, auch wenn es wahrlich keine Entschuldigung für mich gab. Ich hatte einen Job zu erledigen, Isabeau, und in dem Augenblick, als ich merkte, dass die Sache mir entglitt und wir beide schon zu tief drinsteckten, hätte ich alles abbrechen sollen. Ich würde gern behaupten, dass ich es nicht getan habe, weil mir die Entführungsopfer so wichtig waren, aber ich habe viel darüber nachgedacht, und das stimmt nicht. Nachdem ich dich kennengelernt hatte und eine gewisse Grenze überschritten war, gab es für mich kein Zurück mehr. Ich hatte nicht die Kraft, das Richtige zu tun und dich aufzugeben.«
Er sagte es ganz schlicht und einfach. Und es stimmte. Isabeau sah es an seinem brennenden Blick, hörte es an seiner samtenen Stimme und roch es mit dem ausgeprägten Sinnesapparat der Leopardin. Sie schaute ihn an und versuchte, sich die heiße innere Freude nicht anmerken zu lassen. Leckte sich nur über die Unterlippe. Doch sofort heftete Conners Blick sich auf diese kleine Bewegung.
Isabeau blieb ruhig stehen. Regte keinen Muskel. Hielt sogar die Luft an. Gerade erst hatte er ihre Annäherungen zurückgewiesen, und sie würde sich nicht ein zweites Mal zum Narren machen, auch wenn er ihr glaubhaft versichert hatte, dass damals nicht alles gelogen gewesen war. Sein plötzliches Bekenntnis hatte sie so erleichtert, dass ihr die Beine zitterten. Vielleicht war es aber auch Vorfreude, was ihre Lenden prickeln und ihre Temperatur in die Höhe schnellen ließ.
Ganz langsam senkte Conner den Kopf und wartete auf ihre Reaktion. Isabeau rührte sich nicht, sah nur zu, wie sein Blick lüstern über ihr Gesicht glitt. Beobachtete, wie seine Augen sich veränderten und zu glühenden, gierigen Katzenaugen wurden. Sein Mund war sinnlich, lockend, schön – alles in einem. Dann berührte er ihre Lippen, hauchzart, und ihr Magen schlug einen Purzelbaum, ihr Bauch zog sich zusammen, und sie schmolz dahin. Noch einmal streifte er sanft ihre Lippen – eine Aufforderung. Und sie konnte nicht widerstehen.
Die Nippel ihrer sehnsüchtigen Brüste wurden hart und bohrten sich in ihre Bluse, um näher an seinen warmen Körper zu kommen. Conner strich mit der Zunge über ihre Unterlippe und ergötzte sich an ihrem Geschmack. Nagte an ihren Lippen und biss spielerisch zu, sodass sie im Innern erschauerte. Das leise, zufriedene Knurren, das Conner daraufhin von sich gab, ließ sie auf der Stelle vor Verlangen zerfließen.
»Ich habe dich jede einzelne Sekunde vermisst«, flüsterte er. »Sobald ich die Augen zumachte, habe ich von dir geträumt, aber die meiste Zeit konnte ich gar nicht schlafen vor lauter Sehnsucht nach dir.«
Dann gab er ihr einen Kuss, der so tief und betörend war, dass er all ihre Sinne betäubte. Irgendwann riss er sich los, legte seine Stirn an ihre und holte mühsam Luft. »Ich liebe es, dich lachen zu hören. Du hast mir so viel beigebracht, Isabeau, über das, was wichtig ist im Leben. Wenn man sein Ein und Alles gefunden hat und es dann verliert …«
Er küsste sie wieder und wieder, immer fordernder und drängender, sodass er sie am Ende fast verschlang und sie in seiner Leidenschaft mitriss. So war es stets gewesen, er raubte ihr den letzten Rest von Verstand, bis sie kein denkender Mensch mehr war, sondern ein reines Gefühlswesen. Sie hatte nicht gewusst, dass sie leidenschaftlich und verführerisch sein konnte, bis Conner in ihr Leben getreten war und alles verändert hatte – vor allem sie.
Conner krallte die Finger in ihr Haar, zog ihren Kopf zurück und musterte sie mit einem Blick, den sie nie vergessen sollte. Das Verlangen hatte tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben, und dunkle Lust glitzerte in seinen Augen. Isabeaus Herz machte einen Satz. Eine neue Hitzewoge überrollte sie und riss ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie hatte sich immer von seinem Sexhunger anstecken lassen, doch diese wilde Gier war etwas Neues.
Mit einem kurzen Zischen entwich ihr der Atem durch den Mund, ehe Conner ihn wieder mit seinen Lippen schloss. Seine anfängliche Zartheit war rauer Begierde gewichen, und in seiner dominanten, selbstsicheren Art setzte er voraus, dass sie Gefallen daran fand. Seine Hände waren kräftig, sein Körper hart, und die zunehmende Hitze zwischen ihnen brachte den Regenwald um sie herum zum Dampfen. Isabeaus Körper wurde weich, willenlos, fügsam. Conner gab einen leisen, kehligen Ton von sich, der ihre Haut prickeln ließ. Dann glitten seine Hände an ihrem Rücken hinab zu ihrem Po und hoben sie hoch. Instinktiv schlang Isabeau die Beine um seine Taille und verschränkte sie.
Das V zwischen ihren Schenkeln passte haargenau auf die dicke Beule in seiner Hose, die sie beide miteinander verband. Und die ganze Zeit labte sein Mund sich hungrig an ihrem. Isabeaus Welt schrumpfte – reduzierte sich allein auf Conner. Hände, Hitze, wie er schmeckte und sich anfühlte. Keuchende Atemzüge, Bisse, das ungeduldige Streicheln und die Haut unter den Kleidern, die sie davon abhielten, ihn zu berühren.
Alles trat zurück, es gab nur noch ihn. Er schmeckte einfach himmlisch, wie die reine Lust, aber auch sündhaft, wie das Verlangen, das sie wohl immer nach ihm haben würde. Dann löste sein Mund sich von ihrem und begann, aufreizend langsam an ihrem Hals entlang zu ihrer Schulter zu gleiten und daran zu knabbern. Isabeau zitterte vor Ungeduld. Er sollte nicht sanft und zärtlich sein, sie wollte es rau, wollte erobert und genommen werden, in einem heißen Feuersturm verbrennen, der die Welt um sie herum in Asche legte und nichts zurückließ als sie beide – gereinigt und erschöpft und auf ewig miteinander vereint.
Plötzlich hob Conner alarmiert den Kopf und spähte mit seinem goldenen Blick in den Wald. Die Männer weiter hinten auf der Lichtung waren bereits unsichtbar geworden, so als hätte es sie nie gegeben. Conner stellte sie wieder auf ihren unsicheren Beinen ab und atmete tief ein, er brauchte Luft – und die Hinweise, die er in ihr wittern konnte.