II.
Der Junge hat sich
auf dem weichen Motelbett zusammengerollt und beobachtet den Mann
aus Schlitzaugen beim Schlafen. Eine ganze Weile liegt er still,
lauscht dem Klappern der Klimaanlage und wartet, dass die Atemzüge
des Mannes tief genug werden. Als es ihm sicher erscheint, setzt er
sich im Bett auf, voller Angst, dass es knarzen könnte, dabei kann
er natürlich immer sagen, er will nur aufs Klo gehen. Aber der Mann
schnarcht weiter. Die Haare des Mannes sind feucht; er schwitzt im
Schlaf; die Klimaanlage funktioniert nicht besonders gut. Heißes
Sonnenlicht gleißt durch die Stäbe der Jalousie.
Der Mann hat gesagt,
sie würden möglichst in einem Rutsch fahren, aber mittags war er
dann doch zu müde; sie wollen sich ein Zimmer nehmen, hat er
gesagt, und versuchen zu schlafen. Aber der Junge hat schon vorher
geschlafen, er ist jetzt nicht müde. Sein Leben lang hat er immer
nur in kurzen Etappen schlafen können. Daheim ist seine Mutter es
schon gewohnt, dass er nachts ins Wohnzimmer schleicht und
fernsieht. Aber der Mann hat ihn den Fernseher ausschalten lassen,
bevor sie sich hingelegt haben.
Der Junge schiebt die
Füße über den Bettrand, verlagert sein Gewicht auf den Arm, den er
auf den Nachttisch gestützt hat, und stellt sich hin. Der Mann hat
die Frau von der Rezeption um einen Weckruf um fünf gebeten; jetzt
ist es erst zwei. Drei Stunden hier drin, nur mit dem Geschnarche
zur Unterhaltung, das ist eine Ewigkeit.
Der Junge hockt sich
auf den Boden und bindet sich die Schuhe zu. Wenn er jetzt gefragt
wird, sagt er einfach, er wollte runter in den Aufenthaltsraum,
fernsehen. Der Mann wird es ihm verbieten, aber es klingt
plausibel, und er muss sich deshalb nicht schlecht fühlen. Der Mann
hat sich große Mühe gegeben, den Jungen bei Laune zu halten, das
weiß der Junge, und auch wenn die Sache ihm komisch vorkommt, auch
wenn er zwischendurch das Gefühl hat, der Mann lügt, weiß er doch
auch, dass der Mann nicht will, dass er traurig ist.
Als die Schuhe
gebunden sind, schleicht der Junge zur Tür. Der Teppichboden ist
dick und dämpft seine Schritte. Der Mann hat einen Stuhl vor die
Tür gerückt und seine Hose drübergehängt. Der Junge weiß, warum. In
der Hose sind die Schlüssel und Kleingeld; der Mann denkt, wenn der
Junge zur Tür hinauswill, wird er es hören. Knifflig. Der Junge
zieht den Stuhl zurück, Zentimeter für Zentimeter. Die Münzen
klimpern ein bisschen, aber nicht sehr, und das Schnarchen kommt
nicht aus dem Takt.
Das eigentliche
Problem ist die Tür selbst. Der Junge verordnet sich Geduld und
hängt in Zeitlupe die Kette aus, bevor er so langsam und lautlos,
wie es nur irgend geht, den Riegel zurückschiebt. Zur Ablenkung
studiert er dabei die Anweisungen an der Türinnenseite, die
Fluchtwege für die Motelgäste im Brandfall. Ein Lageplan der Zimmer
ist dabei; ihres ist schwarz ausgemalt. Der Junge versucht sich
vorzustellen, wie das wäre: ein Feuer. Verbrennen. Als er sechs
war, ist sein bester Freund, der in derselben Straße wohnte wie er,
bei einem Feuer ums Leben gekommen. Es war Brandstiftung, aber der
Brandstifter wurde nie erwischt. Für seine Mutter ist das Thema
tabu, obwohl er gefragt hat; er möchte ihr gern erklären, dass
Nicht-Wissen viel schlimmer ist, selbst bei Dingen, vor denen sie
ihn beschützen will, weil sie denkt, er ist zu jung. Der Junge kann
sie manchmal nicht leiden, wenn sie so ist. Zweimal hat er sich die
Finger schon absichtlich auf der Herdplatte verbrannt, weil er
wissen wollte, wie es sich anfühlt. Gelegentlich hält er auch den
Atem an und stellt sich vor, er würde Rauch einatmen, aber das ist
schwieriger, ihm wird zu schwindlig.
Seine Mutter hat ihn
nicht zur Beerdigung gehen lassen.
Gehört hat er
trotzdem davon, durch den Mann; zu der Zeit war er gerade kurz da.
Der Mann hat seine Fragen immer zu beantworten versucht, deshalb
weiß der Junge, wenn er jetzt nicht antwortet, dass er
lügt.
Entweder das, oder
seine Mutter ist wirklich schwer krank; es ist keine Lüge; es ist
schlimmer, als der Junge glaubt, als der Mann zugibt. Der Junge
weiß nicht, was er denken soll.
Er hört den Riegel
klicken, und dann kommt die Tür ihm auch schon entgegen. Er zieht
sie gerade weit genug auf, um hinauszuschlüpfen auf den kühlen
Korridor, wo es nach Reinigungsmitteln und der seltsamen
Brenzligkeit frischgesaugter Teppichböden riecht. Als er
draußensteht, zieht er die Tür hinter sich zu, langsam, und das
Einschnappgeräusch erscheint ihm nicht allzu laut.
Der Korridor ist
leer. Aus ein paar Zimmern hört er im Vorbeigehen Fernsehgeräusche.
Eine Zimmertür steht offen. Im Zimmer streicht eine dicke Frau die
Bettlaken glatt.
Eine offene Treppe
führt hinunter zur Rezeption. Es ist kein sehr gutes Motel. Die
Pflanzen sind aus Plastik und verstaubt, der Teppich ist
zerschlissen. Zwei Kinder rennen im Foyer herum, beide kleiner als
der Junge; ihre erschöpften Eltern stehen am Empfangstresen, und
die Mutter fährt die zwei in einem Ton an, dass der Junge gleich
mit zusammenzuckt. Sie laufen zu ihr und fangen an zu quengeln. Den
Jungen juckt es, hinzugehen und sie zu kneifen. Das macht er in der
Schule oft, bei Kindern, die jünger sind als er.
Er mag andere Kinder
nicht besonders. Er hat zwei Freunde in seinem Alter, die mit ihm
Comics lesen, aber er geht nie mit zu ihnen nach Hause, wenn er es
vermeiden kann. Beim Mittagessen in der Schule sitzen sie zusammen
und hoffen, dass sie nicht die Aufmerksamkeit der größeren Schüler
erregen, die mehr tun als kneifen. Seine Mutter weiß nicht, dass
sie Spitznamen haben: Schwuchtel 1, 2 und 3. Der Junge ist S2. SI
kriegt am meisten ab; er ist dick. S3 ist ein Feigling: Er rennt
weg, aber sie holen ihn fast immer ein und stellen ihm ein Bein.
Der Junge versucht sich nach Möglichkeit unsichtbar zu machen, und
meistens geht die Rechnung auf. Er möchte mit keinem seiner Freunde
tauschen.
Als das Ehepaar mit
Anmelden fertig ist, fragt der Junge die Frau am Empfangstresen, ob
es irgendwo ein Münztelefon gibt, und sie zeigt auf eine dunkle
Nische an der Wand gegenüber, gleich neben den
Toiletten.
Er wirft einen
Vierteldollar ein und nimmt den Hörer ab, aber es kommt kein
Freizeichen.
Es ist kaputt, meldet
er der Frau am Tresen.
Oh, tut mir leid, das
hatte ich vergessen. Ich wollte eigentlich einen Zettel dranhängen,
aber dann war hier plötzlich so ein Rummel. Kannst du nicht aus
deinem Zimmer anrufen?
Er schüttelt den
Kopf.
Ich brauch mein Geld
zurück, sagt er, und sie macht tss und gibt es ihm. Dann vertieft
sie sich wieder in ihr Buch – einen Krimi, nach dem Einband zu
schließen.
Der Junge geht zur
Eingangstür hinaus und steht in der diesigen Hitze. Das Motel liegt
sicher eine halbe Meile vom Highway entfernt, aber der Junge kann
ihn trotzdem sehen, verschwommen in der dunstigen Ferne; er hört
das Heulen der großen Laster. Er hat keine Ahnung, wo sie hier
sind. Er hat gedöst und gelesen, bis sie schon fast auf dem
Parkplatz waren, und dann sind sie, ohne viel zu reden, gleich auf
ihr Zimmer gegangen. Entlang der Straße sieht er in beiden
Richtungen Restaurants und Ladenzeilen, dazu einen hohen Wasserturm
und ein paar Häuser. Auf den meisten Nummernschildern steht
Missouri.
Auf der anderen
Straßenseite, neben einem steinernen Häuschen in der Mitte eines
kleinen, grasbewachsenen Parks, erspäht er schließlich eine
Telefonzelle. Soviel er sehen kann, ist der Park menschenleer. Ein
Basketballkorb ist da, ein paar Pferde auf dicken verrosteten
Federn – und ein Klettergerüst, so eins aus Stangen und Seilen, wie
er es mag. Er schiebt sich zwischen den Autos auf dem Parkplatz
durch und rennt dann durch eine Lücke im dichten Verkehr über die
Straße. Es ist sehr heiß; schon von dem bisschen Rennen schwitzt
er. In dem Steinhäuschen sind Klos, aus denen es herausstinkt, als
er an den offenen Eingängen vorbeigeht. An der Wand zwischen den
Eingängen ist ein Trinkhahn; der Junge probiert einen Schluck, aber
das Wasser ist warm und schmeckt schmutzig.
Dann steckt der Junge
seinen Vierteldollar in den Münzschlitz und wählt seine Nummer
daheim in Chicago. Eine Automatenstimme meldet sich und will mehr
Geld von ihm.
Ein paar Minuten lang
sucht er auf dem Gehsteig und im Gras nach Münzen, findet aber nur
einen Penny. Er könnte ins Zimmer zurückgehen und das Kleingeld aus
der Hose des Mannes holen, aber er ist sich nicht sicher, ob es
genug wäre. Insgeheim ist er erleichtert. Sein Atem geht rasch –
hatte er wirklich Angst? Wovor? Warum sollte er die Wahrheit nicht
wissen wollen? Hat er Angst davor, was passieren könnte, wenn sich
herausstellt, dass der Mann lügt?
Viele seiner
Empfindungen kommen überraschend für ihn. Er überlegt – nicht zum
ersten Mal -, ob er vielleicht verrückt ist. Unterdrückt murmelt er
ein paar Schimpfwörter und sieht sich dann um, ob jemand in der
Nähe ist. Er ist noch allein.
Er schaut auf seine
Armbanduhr, aber es sind erst ein paar Minuten vergangen, seit er
aus dem Motel weg ist. Er schlendert zum Klettergerüst und klettert
hinauf bis zur Spitze. Er stellt sich vor, er arbeitet auf einem
Wolkenkratzer und unter ihm geht es zig Meter in die Tiefe. Seine
Handflächen werden so schön schwitzig bei dem Gedanken. Er führt
Selbstgespräche, einen Dialog zwischen zwei Bauarbeitern. Er
schaukelt an beiden Händen und keucht: Ich schaff’s schon, und der
andere Arbeiter sagt: Halt durch! Nicht runterschauen! Nimm meine
Hand!
Er geht völlig in
seinem Spiel auf, am äußersten Rand der Stangen herumhangelnd. Nach
einer Stunde merkt er, dass er pinkeln muss. Er steigt vom
Klettergerüst, schaut von dem Motel auf der anderen Straßenseite zu
dem Klohäuschen hier im Park und wieder zurück. Der Verkehr ist
noch dichter geworden. Er holt tief Luft und marschiert in das
stinkende Klo.
Es hat keine Tür, man
geht einfach um eine Betonwand herum. Der Junge hasst diese Sorte;
jeder könnte um die Ecke kommen und ihn sehen. Er mag es nicht,
wenn ihm jemand beim Pinkeln zuschaut – oder vielmehr, er kann
überhaupt nicht pinkeln, wenn jemand mit ihm im Raum ist. In diesem
Klo gibt es ein Pinkelbecken und zwei Kabinen. Das Becken kommt
nicht in Frage, und so, wie es in der Kabine gleich neben dem
Becken aussieht und riecht, muss das Klo dort schon seit Tagen
verstopft sein; das daneben, in der Ecke, scheint in Ordnung. Er
geht hinein und verriegelt die Tür.
Er ist mitten im
Pinkeln, da hört er Schritte. Dann räuspert sich jemand, gleich vor
der Kabinentür. Der Junge errötet; er spürt, dass sein Gesicht
glüht, noch durch den Sonnenbrand durch. Der Strahl
versiegt.
Er mag nicht aus der
Kabine kommen, wenn irgendwer Fremdes davorsteht, also zieht er
sich die kurzen Hosen runter und setzt sich auf die Brille,
entschlossen, es auszusitzen.
Der Mann vor der
Kabine pfeift ein bisschen. Er wandert auf und ab, und der Junge
sieht ausgetretene braune Schuhe und blasse, sockenlose Knöchel,
der eine mit einer Schorfkruste daran.
Junge, Junge, sagt
der Mann draußen. Seine Stimme ist tief und heiser. Hat man schon
so was Verkacktes gesehen. Das stinkt ja zum Himmel.
Der Junge sagt
nichts. Sein Gesicht brennt immer noch. Draußen, hinter der
Steinmauer, hört er die Autos auf der Straße, den Wind in den
Bäumen rund um den Park.
Ich weiß, dass du da
drin bist, sagt der Mann. Ist ja nichts dabei. Du kannst mir ruhig
antworten.
Ich bin gleich
fertig, sagt der Junge, zu laut. Seine Stimme klingt
brüchig.
Ja. Das denk ich
mir.
Der Junge schaut zur
Tür, einen panischen Augenblick lang überzeugt, dass er nicht
abgeschlossen hat. Aber der Riegel ist vorgeschoben. Als er den
Blick von dem Riegel wegnimmt, sieht er einen Streifen vom Gesicht
des Mannes. Ein Auge. Der Mann schaut durch den Spalt am Türrahmen
zu ihm herein. Der Junge unterdrückt ein Wimmern; er krümmt sich
vorn über.
Kommt was?, fragt der
Mann. Oder willst du dich bloß verstecken?
Mein Vater ist
draußen, sagt der Junge. Die Lüge kommt als ein halbes Flüstern
heraus.
Der Mann lacht. Ich
hab dich beim Spielen beobachtet. Da war von deinem Papa nicht viel
zu sehen.
Er kommt. Jede
Minute.
Wie alt bist du?,
will der Mann wissen, aber der Junge antwortet nicht.
So acht, würde ich
tippen, sagt der Mann. Stimmt’s?
Der Junge hört ein
Schlurfen, und dann rüttelt der Mann ganz plötzlich an der
Kabinentür. Sie klappert laut gegen den Riegel; die Kabinenwände
wackeln. Der Mann lacht in sich hinein.
Pass auf, ich zeig
dir was, sagt der Mann. Der Junge, der die Schuhe unter der Tür
beobachtet hat, schaut auf und sieht wieder das an den Spalt
gedrückte Auge. Das Auge ist braun; das Weiße darin hat einen
Gelbstich.
Schau her, sagt der
Mann.
Und ein Stück tiefer
schiebt sich eine Messerklinge durch den Spalt in die Kabine. Der
Junge blinzelt, ungläubig. Es sieht aus wie ein Küchenmesser, ein
Steakmesser mit gezackter Schneide. Das Metall ist schmutzig und
verfärbt. Der Mann wedelt damit zwischen Tür und Türrahmen hin und
her, dann zieht er es mit einem Scharren heraus.
Weißt du, was das
ist?, fragt der Mann.
Der Junge erwidert
nichts. Er will raus hier, vielleicht kann er ja unter der
Seitenwand durchkriechen und fliehen. Aber dazu müsste er erst die
Hosen hochziehen; es dauert alles zu lang. Über seinem Kopf ist ein
Fenster in der Mauer, aber es ist zu klein, selbst für ihn, und vor
das Glas ist Maschendraht gespannt, der Mann bräuchte nur über die
Kabinenwand zu langen, und er hätte ihn. Überhaupt kann er
jederzeit rüberlangen …
Das ist mein Schwanz,
sagt der Mann. Willst du auch meinen Dolch sehen?
Der Junge hört einen
Reißverschluss aufratschen. Er kneift die Augen zu. Seine Hände und
Füße sind taub.
Jetzt schau, sagt der
Mann. Der Junge wirft einen Blick hin, ohne es zu wollen, ganz kurz
nur. Er kann ihn gerade ahnen, gegen den Spalt gepresst, rosa und
braun.
Du hast die Wahl,
Kleiner, sagt der Mann. Welchen soll ich dir
reinstecken?
Gehen Sie weg,
flüstert der Junge.
Nein. Erst antwortest
du mir. Welchen willst du? Du kannst es dir aussuchen.
Nein.
Der Mann rüttelt
wieder an der Tür, und durch die Ritze sieht der Junge, wie er sich
hinkniet. Schmutzige Finger biegen sich um die untere Türkante. Das
bärtige Gesicht des Mannes beugt sich tief herab, schaut unter der
Tür durch. Er grunzt. Sein Mund ist verzogen. Er lächelt, zeigt
braune Zähne, hebt den Kopf kurz außer Sicht, schaut wieder,
lächelt wieder.
Kuckuck.
In dem Moment hört
der Junge, wie sein Name gerufen wird.
Hier!, schreit er.
Ich bin hier drin!
Der Mann an der Tür
rappelt sich ächzend auf.
Verdammte
Scheiße.
Irgendwo draußen ruft
der Mann wieder den Namen des Jungen.
Ich krieg dich schon
noch, du kleine Drecksau, sagt der Mann mit dem Messer. Der Junge
sieht die ausgetretenen Schuhe abdrehen, hört eilige Schritte, hört
im Raum Stille einkehren.
Hastig steht er auf
und zieht sich die Shorts hoch. Seine Hände und Arme schlackern.
Wieder hört er seinen Namen, hört den Mann keuchend um die
Betonwand kommen. Er stößt die Tür auf, stürzt aus der Kabine –
eine Sekunde lang steht der Mann mit dem Rücken zu ihm, und er
schreit fast auf, weil er denkt, es ist der Mann mit dem Messer,
der doch auf ihn gewartet hat. Aber dann sieht er, nein, dieser
Mann hier ist seiner, und ohne einen
Gedanken wirft der Junge die Arme um ihn und schluchzt los, das
Gesicht an den Bauch des Mannes gedrückt.
Der Mann packt rasch
noch ihre Sachen zusammen. Er lässt den Jungen nicht von seiner
Seite. Sie haben beide nicht viel; der Mann stopft alles zurück in
die Reisetasche, und dann gehen sie durch den Seiteneingang hinaus
zum Pick-up. Der Junge hat gegen das Weinen anzukämpfen versucht,
aber es nützt nichts. Seit der Sache im Klo kommen, sobald er den
Mund aufmacht, nur furchtbare Schluchzer heraus und ersticken die
Worte.
Als sie vor dem
Pick-up stehen, bringt er schließlich hervor: Rufen wir nicht die
Polizei?
Der Mann antwortet
nicht. Er zwängt die Reisetasche hinter die Sitzbank. Als er damit
fertig ist, hebt er schnell den Kopf und schaut über den
Parkplatz.
Sag, drängt der
Junge.
Sie würden wollen,
dass wir hierbleiben, sagt der Mann und blickt den Jungen an. Und
wir müssen doch weiter.
Aber – willst du denn
nicht, dass er eingesperrt wird?
Doch, sagt der Mann.
Komm, steig ein.
Aber -
Der Mann seufzt, dann
legt er dem Jungen den Arm um die Schultern.
Ich will nicht, dass
du noch mal in seine Nähe kommst. Ich will nicht, dass deine Mutter
sich Sorgen macht. Ich weiß, ich weiß. Ich weiß. Er ist ein böser Mann. Aber deine Mutter
…
Das Gesicht des
Mannes sieht seltsam aus, so merkwürdig grau.
Sie soll sich doch
nicht ängstigen, oder?, sagt der Mann.
Der Junge starrt zu
ihm hoch.
Du müsstest
hierbleiben, sagt der Mann. Du müsstest bei der Polizei aussagen,
und du müsstest ihn bei einer Gegenüberstellung identifizieren.
Willst du dir das wirklich antun?
Der Junge schaut auf
seine Hände hinunter. Aus den Augenwinkeln sieht er einen Mann und
dreht sich um. Es ist ein älterer Mann, der in ein Auto steigt, ein
ganz normaler grauhaariger alter Mann, aber sein Herz klopft
trotzdem wie wild.
Na komm, sagt der
Mann. Machen wir, dass wir hier wegkommen. Okay?
Okay, sagt der Junge.
Er klettert in den Wagen. Der Mann schiebt den Gurt für ihn in die
Schließe. Der Mann riecht nach Schweiß, und sein Atem geht schwer.
Sein eigener auch, merkt der Junge – so lange, bis sie endlich auf
dem Highway sind und die Stadt und das Motel und der Park hinter
ihnen zurückbleiben.