6. Kapitel
Der Duft von gebratenem Speck kitzelte Annalise in der Nase. Sie aß furchtbar gern Eier mit Speck zum Frühstück, fand aber selten Zeit dazu. Was für ein schöner Traum, dachte sie und kuschelte sich tiefer in die Decke. Ein Traum, der mit dem Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee perfekt wurde.
Als lautes Geschirrklappern an ihr Ohr drang, wurde sie schließlich vollends wach. Abrupt schlug sie die Augen auf und entdeckte Charlie. Sein zerzaustes Haar stand ihm in allen Himmelsrichtungen vom Kopf ab, und er war dabei, mit einem Ausdruck höchster Konzentration den Tisch zu decken. Rasch schloss sie noch einmal die Augen.
Der Kleine machte ihnen Frühstück. Herrgott, ihre eigene Mutter hatte sich nie die Zeit genommen, ein Frühstück für sie zuzubereiten. Unzählige Gefühle durchströmten Annalise, während sie reglos unter der Bettdecke liegen blieb. Am stärksten war das Gefühl des Bedauerns.
Plötzlich kam es ihr albern vor, dass sie den Gedanken an die Familie ihres Vaters stets so weit von sich geschoben hatte. Sie öffnete die Augen einen Spalt und sah zu, wie Charlie vorsichtig Orangensaft in zwei Gläser goss und sie auf den Tisch stellte, um dann an den Herd zu stürzen und die Speckscheiben zu wenden.
War das ein normales Verhalten für einen Dreizehnjährigen? Irgendwie glaubte sie es nicht, sondern sie hatte den Verdacht, dass Charlie Blakely ein ganz außergewöhnlicher junger Mann war. »Kochst du zu Hause auch?«, fragte sie.
Er hob den Kopf, offensichtlich erschrocken vom Klang ihrer Stimme, dann grinste er. »Sonntagmorgens und Mittwochabends. Mom legt Wert darauf, dass Jungs kochen lernen. Verrate meinen Freunden bitte nichts davon, aber ich koche gern.«
»Keine Sorge, dein Geheimnis ist bei mir gut aufgehoben.« Sie nahm ihren Bademantel vom Fußende des Betts, stand auf und schlüpfte hinein.
»Ich wollte dich gern mit Omeletts überraschen, aber du hast ja nicht viel in deinem Kühlschrank.«
»Ich esse nicht sehr oft hier, Charlie«, erwiderte sie, und dann fiel ihr ein, dass sie um zehn mit Mike im Corner Café zum Frühstück verabredet war. Sie musste ihn anrufen und absagen. Annalise griff nach den Kleidern, die sie an diesem Tag tragen wollte, und nach dem schnurlosen Telefon. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie und verschwand im Bad.
Das Badezimmer des Lofts hatte einen großen Teil des Renovierungsgeldes verschlungen. Es war riesig und verfügte über eine übergroße Whirlpool-Badewanne auf einem erhöhten Podest vor einem großen Fenster. Auf diese Gebäudeseite fiel die Morgensonne, und es gab keinen Nachbarn, der sie im Bad hätte sehen können.
Sie würde nur duschen, aber zunächst musste sie Mike anrufen. Sie setzte sich auf die Stufen zur Badewanne und tippte seine Nummer ein.
»Dein Name auf meinem Telefondisplay ist kein gutes Zeichen für unser gemeinsames Frühstück«, sagte Mike prompt, nachdem er sich gemeldet hatte.
»Tut mir leid, Mike. Mir ist etwas dazwischengekommen, ich muss absagen. Die Papiere, die ich unterschreiben soll, können doch sicher noch warten, oder?«
»Natürlich. Mit dir zu frühstücken war mir viel wichtiger als die Unterlagen. Ist alles in Ordnung?«
»Alles prima. Mein dreizehnjähriger Halbbruder stand gestern Abend plötzlich vor meiner Tür. Er ist über Nacht geblieben, und sein Vater holt ihn irgendwann heute Vormittag ab«, erklärte sie.
»Er kam ganz überraschend?«
Annalise lächelte. »Überraschender ging es gar nicht, aber ich freue mich, dass er gekommen ist. Es war schön mit ihm.«
»Wann haben wir beide es mal schön miteinander, Annalise?« Seine Stimme klang tiefer als gewöhnlich. »Du musst wissen, dass ich nicht nur der Anwalt von Blakely Dollhouse sein möchte. Ich möchte viel mehr für dich sein.«
Zwar hatte sie bereits vermutet, dass Mike mehr für sie empfand, doch es war das erste Mal, dass er seine Gefühle in Worte fasste, und im ersten Augenblick fiel ihr keine Antwort ein.
»Annalise, die Puppen können nicht dein ganzes Leben sein. Ich habe Angst, dass das Unternehmen dich langsam auffrisst. Deiner Mutter ging es genauso, und du weißt, dass sie kein glücklicher Mensch war.«
Das ist die Untertreibung des Jahres, dachte Annalise. »Mike, glaub mir, um nichts in der Welt will ich so werden wie meine Mutter. Lass uns doch morgen Abend zusammen essen gehen. Dann unterzeichne ich diese Papiere, und wir können uns unterhalten.«
»Das wäre prima. Soll ich dich gegen neunzehn Uhr abholen?« Sein Tonfall verriet Begeisterung.
»Okay, ich werde dann fertig sein.«
Sie beendete das Gespräch, zog sich aus und stieg unter die heiße Dusche. Vielleicht sollte sie Mike eine Chance geben. Die Liebe kam nicht immer mit Pauken und Trompeten vorbei. Schlich sie sich nicht manchmal leise ein, wuchs langsam und blieb dann für immer?
Allen hatte eindeutig kein leidenschaftliches Verlangen in ihr erzeugt. Sie hatte Allen nicht geliebt. Das war ihr klargeworden, als sie ihn nach den abfälligen Bemerkungen über ihr Unternehmen so problemlos hatte abservieren können.
Annalise war nicht sicher, ob sie wusste, was wahre Liebe zu bedeuten hatte, sie wusste nicht, ob sie fähig war, einen anderen Menschen aufrichtig zu lieben. Jemanden zu lieben bedeutete, verletzlich zu sein.
»Das kenne ich schon«, sagte sie zu sich selbst, drehte den Wasserhahn zu und griff nach einem Handtuch.
Und zum Beweis dafür kann ich Narben vorweisen, dachte sie kleinlaut. Sie hatte einmal geliebt, mit dem weit geöffneten Herzen und dem Vertrauen eines Kindes. Oft genug hatte sie auf der Türschwelle gesessen und auf den Mann gewartet, der ihrer Meinung nach die Sterne vom Himmel holen konnte. Als sie älter wurde, hatte sie sich geschworen, ihr Herz nie wieder einer so schmerzlichen Enttäuschung zu öffnen.
Das hieß nicht, dass sie etwas gegen einen Mann in ihrem Leben gehabt hätte. Ihr fehlte das Schmusen und die sinnlosen Gespräche, die Liebende oft führten. Ihr fehlte der Sex. Herrgott, und wie er ihr fehlte!
Sie verscheuchte alle Gedanken an Gefühlswallungen aus ihrem Kopf und zog sich an, schließlich wartete ein dreizehnjähriger Junge darauf, ihr das Frühstück zu servieren.
Das Tischgespräch mit Charlie war genauso lebhaft wie ihre Unterhaltung am Vorabend und bestand zum großen Teil aus Fragen.
»Als du in meinem Alter warst, hattest du da viele Freunde?«, fragte er beim Tischabräumen.
»Nicht viele, aber ein Mädchen gab es, das war meine beste Freundin, und sie ist es heute noch.« Annalise lächelte bei dem Gedanken an Danika. Wäre die Freundschaft mit Danika nicht gewesen, hätte Annalise ihre einsame Kindheit nicht ertragen können.
»Möchte wetten, du warst ein Cheerleader und eine Ballkönigin.«
Sie lachte. »Charlie, da muss ich dich leider enttäuschen, ich war keines von beiden. Und jetzt solltest du lieber duschen gehen, denn ich fürchte, dass dein Dad eher früher als später hier auftauchen wird.«
Als Charlie im Badezimmer verschwand, wischte Annalise den Tisch mit einem Geschirrtuch ab und ließ dabei ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen.
Während ihrer Highschool-Zeit hatte sie sich nicht oft mit Jungen verabredet und nur selten an außerschulischen Veranstaltungen teilgenommen. Schon damals drehte sich ihr ganzes Leben um die Puppen.
Sie war täglich nach der Schule heimgeeilt, um zu sticken und zu nähen, Haare zu flechten und Puppen versandfertig einzupacken. Die Bestellungen pünktlich zu verschicken, war das Wichtigste für ihre Mutter gewesen und deshalb auch für sie. Nur wenn sie zusammen an den Puppen arbeiteten, hatte Annalise Nähe zu ihrer Mutter gespürt, und nur dann hatte sie das Gefühl, die ungeteilte Aufmerksamkeit und Liebe ihrer Mutter zu genießen.
Die Puppen sind dein Erbe, hatte ihre Mutter oft gesagt. Mein Lebenswerk, Annalise, und eines Tages gehört es dir.
Das Klingeln des Telefons unterbrach ihre Gedanken. »Hallo?«, meldete sie sich.
»Annalise.« Die weiche, tiefe Stimme jagte ihr einen Wonneschauer über den Rücken.
»Tyler«, antwortete sie.
»Es tut mir leid, dass ich nicht früher angerufen habe, aber ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit. Ich weiß, dass es sehr kurzfristig ist, aber heute Mittag habe ich Zeit und wüsste gern, ob Sie sich freimachen könnten.«
»Zu einem späten Mittagessen könnte es klappen«, erwiderte sie, da sie nicht sicher war, wann genau ihr Vater kommen würde, um Charlie abzuholen. »Sagen wir, gegen dreizehn Uhr?« Sie trat ans Fenster und blickte hinaus.
»Dreizehn Uhr ist in Ordnung«, sagte er. »Irgendein bestimmtes Restaurant?«
»Wie wär’s mit einem Picknick im Riverfront Park?«, fragte sie spontan. »Kommen Sie einfach um dreizehn Uhr in den Park und überlassen Sie mir den Rest.«
»Das kann ich nicht zulassen«, wehrte er ab.
»Warum nicht?«, konterte sie.
Ein kurzes Schweigen folgte, dann lachte er mit diesem tiefen, sexy Grollen, dass sie von ihrem letzten Zusammensein so gut in Erinnerung hatte. »Okay, ein Picknick, das wird sicher nett, und ich überlasse es vollständig Ihnen.«
Sie legten auf, und Annalise hatte keine Ahnung, wieso ihr ausgerechnet ein Picknick in den Sinn gekommen war, abgesehen davon, dass es ein herrlicher Tag war, und ein gemütliches Essen im Freien etwas war, das sie sich allein nie gönnte.
In Gedanken stellte sie eine Liste von allem zusammen, was sie vorbereiten wollte, und dann kam Charlie aus der Dusche und erfüllte die Wohnung erneut mit seiner jungenhaften Energie.
»Während wir darauf warten, dass Dad kommt und mich abholt, könntest du mir doch mal deinen Laden zeigen. Du weißt schon, deinen Arbeitsplatz, an dem die Puppen entstehen«, schlug er vor.
»Gern«, stimmte sie zu, griff nach ihrem schnurlosen Telefon und wies auf die Tür.
Zusammen verließen sie die Wohnung. Charlie ging auf den Aufzug zu, Annalise zur Treppe. »Funktioniert der Aufzug nicht?«, fragte er.
»Doch, doch, er funktioniert schon. Aber ich benutze ihn nie«, antwortete sie, und er folgte ihr zur Treppe.
»Warum nicht?«, wollte Charlie auf dem Weg nach unten wissen.
»Ich weiß nicht, es ist wohl eine alberne Phobie«, gestand sie. »Ich schätze, ich leide ein bisschen unter Klaustrophobie, und wenn ich im Aufzug stehe, habe ich das Gefühl, in einer engen Kiste zu stecken.« Oder in einem Sarg, dachte sie.
»Ich mag keine Insekten, und ich mag kein Feuer«, sagte Charlie, und seine Schritte polterten auf der Treppe, als wollten sie jedes Wort unterstreichen.
»Dann bist du wohl kein großer Camping-Fan.«
»Urlaub im Blockhaus ist Camping genug für mich.« Er warf ihr einen Seitenblick zu. »Das ist so cool.«
»Was denn?«
»Eine Schwester zu haben, der ich alles Mögliche erzählen kann.«
Er schien wild entschlossen zu sein, sich einen Weg in ihr Herz zu erobern, und das Herz, das sie so lange verschlossen gehalten hatte, öffnete sich bereits ein wenig, um ihn einzulassen.
Im Erdgeschoss angekommen, führte sie ihn durch den Produktionsraum und erklärte ihm den Fertigungsprozess, in dem jede einzelne Blakely-Puppe entstand.
Jede Einzelheit schien ihn zu interessieren. Ob sein Interesse echt oder gespielt war, erschien Annalise unwichtig, sie fand es auf jeden Fall reizend.
Ihr Telefon klingelte, als sie Charlie gerade den Laden zeigte. Es war ihr Vater, der sie wissen ließ, dass er und Sherri vor dem Laden angekommen waren. Offenbar stand ein spontanes Familientreffen bevor.
Charlie kennenzulernen, war ein Schock gewesen, wenn auch ein angenehmer, doch das hieß noch lange nicht, dass Annalise bereit war, Sherri zu begegnen. Obwohl sie wusste, dass es albern und vielleicht sogar neurotisch war, hatte sie immer eine leise Eifersucht auf die Frau verspürt, der es gelungen war, die Zuwendung und Liebe ihres Vaters zu erringen.
»Dad und deine Mutter sind draußen«, sagte sie zu Charlie und versuchte, den Schatten der Enttäuschung nicht zu beachten, der über seine Züge fiel.
»Ich kann mich wohl auf eine gehörige Standpauke gefasst machen.«
»Lauf nach oben und hol deinen Rucksack, und ich versuche in der Zwischenzeit, die Wogen zu glätten, okay?«
Er schenkte ihr sein reizendes Lächeln. »Danke«, sagte er und lief in Richtung Treppe.
Annalise holte tief Luft und schloss die Ladentür auf. Der Sonnenschein wärmte ihre Schultern, als sie nach draußen trat und den Wagen ihres Vaters am Straßenrand stehen sah. Mit besorgter Miene stieg er aus.
»Annalise, das alles tut mir so leid …«, setzte er an.
Sie hob eine Hand, um die Entschuldigung abzuwehren. »Ist schon gut, Dad, wirklich.« Sie lächelte, und der besorgte Ausdruck wich aus seinem Gesicht.
»Wo ist er?«, fragte er.
»Er ist hinaufgegangen, um seinen Rucksack zu holen. Ich habe ihm versprochen, die Standpauke, mit der er fest rechnet, so gut wie möglich abzuwehren.«
Ein kleines Lächeln huschte um Franks Mundwinkel. »Seine Mutter wollte schon gestern Abend herkommen und ihn für den Rest seines Lebens zu Hausarrest verdonnern. Er hatte unsere Erlaubnis nicht eingeholt, und es ist dumm, was er getan hat.«
Annalise blickte in Richtung Auto und sah die Frau auf der Beifahrerseite. »Will Sherri nicht aussteigen? Vielleicht ist es Zeit, uns endlich bekannt zu machen.«
Er sah sie lange an, als wollte er versuchen, ihre Gemütsverfassung einzuschätzen. »Das wäre ihr sehr lieb«, sagte er schließlich, ging zum Wagen und öffnete die Beifahrertür. Annalise wusste nicht recht, was sie erwartete, doch die große Blondine mit den ausgeprägten Gesichtszügen und dem selbstbewussten Gang stand im krassen Gegensatz zu Annalises Mutter.
Lillian Blakely war hübsch und zierlich gewesen. Ihre Erscheinung hatte den Beschützerinstinkt in Männern geweckt, und sie war eine Frau gewesen, die Verletzlichkeit ausstrahlte … es sei denn, man kannte sie näher.
Als Sherri auf sie zukam, geriet Annalise plötzlich in Panik. Wahrscheinlich verhindert diese Frau, die er geheiratet hat, dass er dich besucht. Die Stimme ihrer Mutter hallte durch ihren Kopf und rief einen Anflug von Bitterkeit herauf, der selbst nach so vielen Jahren immer noch in Annalises Bewusstsein steckte.
»Annalise.« Sherri streckte ihr die Hand entgegen und lächelte. Es war Charlies Lächeln, und in ihren Augen leuchtete die gleiche Großzügigkeit und eine Herzenswärme, die Annalise umfing. All die Jahre selbst auferlegter Isolation erschienen ihr plötzlich lächerlich.
»Hi, Sherri, schön, dich endlich kennenzulernen«, sagte Annalise. Sie wollte Sherris Hand ergreifen, doch stattdessen nahm Sherri Annalise in den Arm und drückte sie an sich, als wären sie Freundinnen, die einander sehr lange nicht gesehen hatten.
»Es hat viel zu lange gedauert, bis wir beide endlich Bekanntschaft schließen«, sagte Sherri, als sie sie schließlich losließ und einen Schritt zurücktrat. »Ich hoffe, mein Sohn hat dir keinen Kummer gemacht.«
Annalise lächelte. »Alles in Ordnung. Er ist ein feiner Kerl.«
Sherri strahlte vor Mutterstolz. »Das finden wir auch. Ich habe versucht, ihn zur Selbständigkeit zu erziehen, hatte aber nie damit gerechnet, dass er eines Tages einfach in den Bus steigen und dich besuchen würde.«
»Wir hätten es wissen müssen«, sagte Frank. »Schon seit Monaten fragt Charlie immer wieder nach dir. Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass eine große Schwester besser ist als Disneyland und Weihnachten auf einmal.«
»Ich glaube, es wird cool, einen kleinen Bruder zu haben«, sagte Annalise und verwendete dabei eines von Charlies Lieblingsworten. Im selben Augenblick trat Charlie aus dem Laden.
»Ich weiß, ich weiß – ich habe lebenslänglich Hausarrest«, rief er und blickte zuerst seine Mutter, dann seinen Vater an. »Aber ich wusste ja, wenn ich euch gebeten hätte, herkommen zu dürfen, hättet ihr mich doch wieder vertröstet, wie schon das ganze letzte Jahr über.«
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte Annalise zu ihrem Bruder. »Und du bist mir jederzeit willkommen.«
Seine Miene hellte sich auf. »Cool.« Zu ihrer Überraschung schlang er seine langen, hageren Arme um ihren Nacken und drückte sie an sich. »Darf ich dich anrufen?«, fragte er, als er sie losließ.
»Klar doch. Dad hat meine Nummer.«
»Und jetzt ist es Zeit für uns, aufzubrechen«, sagte Frank und blickte seinen Sohn an. »Und du hast den restlichen Tag und den Abend Zeit, die Garage aufzuräumen, junger Mann.«
»Dad«, protestierte Annalise leise.
»Schon gut«, sagte Charlie und ließ wieder jenes charmante Lächeln aufblitzen, das jeden Panzer durchbrach. »Du warst es wert.«
Der Kloß in Annalises Hals hätte kaum dicker werden können, als sie dem Wagen ihres Vaters nachsah. Lillian Blakely war kein Mensch gewesen, der Gefühle zeigte. Umarmungen und Küsse waren nicht ihr Stil; und auch ihren Vater hatte Annalise nie als einen Mann gesehen, der mit körperlichen Berührungen seine Zuneigung zeigte.
Seltsam, wie sehr sie die beiden Umarmungen von Menschen, mit denen sie nichts zu tun haben zu wollen glaubte, berührt hatten.
Sie ging zurück in den Laden und die Treppe hinauf, um ihre Handtasche zu holen. Sie wollte den Wochenmarkt besuchen und ein Picknick zusammenstellen, das Tyler King nicht so schnell vergessen würde.
Zwei Umarmungen und eine Verabredung an einem einzigen Tag. Vielleicht hielten die Sterne etwas Wunderbares für sie bereit. Der Gedanke zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, als sie zum Einkaufen ging.