Kapitel 45
Ich hatte keine Ahnung, was man zu einer Vampirparty anzog, also entschied ich mich für etwas Bequemes. Wieder einmal Jeans und ein weiter Pulli. Ich legte meinen Silberarmreif an und unter dem Pulli den Gürtel mit der Silberschnalle. Dabei verdrängte ich jeden Gedanken an das letzte Mal, als ich beides getragen hatte.
Um elf Uhr trat ich vor das Haus, dort wartete bereits eine Limousine auf mich. Eines musste man den Vampiren lassen: Sie hatten Stil.
Doch ich war mutterseelenallein, lediglich die Fahrertür stand offen. Während ich irritiert um den Wagen herumging, fragte ich mich, was nun von mir erwartet wurde. Sollte ich etwa einfach einsteigen? In den Filmen war immer jemand da, der den Leuten die Tür aufhielt, und meinen Abschlussball hatte ich ohnehin verpasst.
Neben der geöffneten Fahrertür lag eine reglose Gestalt in Chauffeursuniform auf dem Boden, und eine breite Blutspur zog sich wie ein Teerfleck über den weißen Schnee. An ihrem Ende hockte etwas, das nicht ganz Mensch und nicht ganz Wolf war – und wartete auf mich.
»Menschenhure«, knurrte eine raue Stimme.
»Jorgen?« Er trug immer noch sein Bowlinghemd und war immer noch kahlköpfig, aber seine Nase und sein Kiefer hatten sich verformt, sodass sie eine Art Schnauze bildeten. »Ich denke, ich brauche keinen Schutz mehr«, sagte ich und wich hastig zurück.
»O doch, und wie!«
Und damit stürzte er sich auf mich.
Ich wollte rückwärtslaufen, rutschte aber im Schnee aus, und genau das rettete mich. Während ich auf dem Hintern landete, segelte er über mich hinweg. Sofort versuchte ich, nach ihm zu treten. Er packte meine Knöchel und zog mich zu sich heran.
»Jetzt, wo der Mond am Himmel steht, müssen wir uns nicht mehr verstellen«, sagte er drohend. Als er sich über mich beugte, schlug ich ihm ins Gesicht.
Ruckartig wich er seitlich aus. Meine Hand streifte lediglich seinen Kiefer, doch der Armreif berührte dabei seine Wange. Heulend schlug er eine Hand vors Gesicht, während er mit den Krallen der anderen meinen Oberschenkel malträtierte.
Ich entdeckte meine Handtasche und schob mich darauf zu. Da drin war der Dolch, wenn ich doch nur … Ich streckte den Arm aus und spürte den Schmerz durch meinen Körper fahren. Endlich erwischte ich den Riemen und zog daran.
Während ich die Tasche wie ein Schild an meine Brust drückte, setzte Jorgen zu einem neuen Angriff an.
»Warum? Warum das alles? Warum ich?« Ich versuchte ihn abzulenken, panisch zu klingen – nicht wütend – und hoffte, dass er sich zu einer Antwort herablassen würde. Dann ertastete ich den Griff des Dolches.
Sein nicht ganz menschliches und nicht ganz tierisches Gesicht verzerrte sich. »Weil das Leben nicht fair ist.« Jetzt klang er wie Helen. »Weil ich nicht hätte gebissen werden sollen, sondern ein Gebürtiger sein sollte. Und weil dein Lucas nicht zum Anführer taugt.«
»Ich verstehe nicht …«, rief ich empört, während ich von ihm wegrutschte.
Jorgen lachte höhnisch. »Und warum sollte mich das interessieren?« Wieder sprang er mich an.
Er rammte mich mit voller Wucht. Ich konnte gerade noch den Dolch in meiner Tasche festhalten, dann prallte er gegen mich. Die Erschütterung traf meinen Körper wie ein heftiger Schlag. Der Griff des Dolches bohrte sich in meinen Magen, und mir blieb die Luft weg, aber die Klinge ragte nach oben. Sie steckte fest.
In Jorgens Brustbein.
»Runter von mir …« Ich rollte ihn von mir und ließ den Dolch los, der meine ganze Tasche aufschlitzte, als er mitgerissen wurde. Dann setzte ich mich auf, umklammerte benommen die Lederfetzen und sah zu, wie das Blut aus Jorgen heraussprudelte.
Er versuchte die Klinge herauszuziehen. Als er sie berührte, folgte ein elektrischer Schlag, und seine Hand wurde abgestoßen.
»Hol ihn raus …«, flehte er.
Wenn ich die Waffe jetzt rauszog, bestand die Chance, dass er sofort heilte und mich erneut angriff. Aber wenn ich den Dolch nicht mitnahm, ließ ich damit Anna im Stich. Für Vampire zählten mildernde Umstände nicht.
Immer noch atemlos hockte ich mich neben ihn. »Sag mir, warum.«
»Du hast es gesehen … du hast gesehen, wie ich ihn mit dem Laster überfahren habe.« Jorgen drückte sich die blutverschmierten Hände auf die Brust.
Ich hatte nicht gesehen, wer den Laster gefahren hatte, von dem Winter erfasst worden war … aber Jorgen glaubte anscheinend das Gegenteil. Weil er der Fahrer gewesen war.
Aber warum sollte Jorgen Winter überfahren? War er nicht ein treuer Anhänger der Werwölfe, sogar als Gebissener? Ich schluckte. Was könnte dafür gesorgt haben, dass sich das änderte?
»Sag Helen, dass ich sie liebe. Ich habe sie immer geliebt«, sagte er und streckte mir flehend eine blutverschmierte Hand entgegen, bevor er sie zu Boden sinken ließ.
»Warum hast du ihn überfahren, Jorgen?« Der Wolfsmann antwortete nicht. »Jorgen?« Ich unterdrückte den Impuls ihn zu schütteln, um ihn wieder wach zu kriegen. Er hatte verdammt viel Blut verloren und seine Atmung war flach.
Ich konnte ihn mit diesem Dolch töten. Zustechen und seine Eingeweide in Fetzen schneiden. Aber ich wusste, wie sich eine Stichwunde im Bauch anfühlte. Das brachte ich nicht über mich. Zitternd stand ich auf.
»Wehe, du verfolgst mich, wenn du wieder aufstehen kannst.« Ich bückte mich, packte den Dolch und ging zu der wartenden Limousine.
Auf dem Weg zur Limousine trat ich auf meinen Krankenhausausweis. Ich fischte ihn aus dem Matsch und steckte ihn samt Umhängeband in die Tasche, bevor ich den Wagen bestieg.
Das Blut an meiner Kleidung stammte größtenteils nicht von mir, aber meine Fingerknöchel und mein Oberschenkel pochten schmerzhaft. Die Heizung in der Limousine lief, der Schlüssel steckte, also startete ich den Motor und fuhr los.
Der Wagen hatte ein Navigationssystem, und der Fahrer – der nun tot und angenagt auf dem Parkplatz vor meinem Haus lag – war so freundlich gewesen, das nächste Fahrziel schon mal einzugeben.
Das Ding fuhr sich wie ein Schiff. Zum Glück war es eine Automatik, kein Schaltgetriebe. Vorsichtshalber blickte ich nicht in den Rückspiegel: Es wäre sicher keine gute Idee gewesen, mir anzuschauen, wie ich aussah. An meinem gesamten Körper bildeten sich gerade Blutergüsse, meine Jeans war zerrissen, mein Pulli voller Werwolfblut und wer weiß was noch alles. Auch wenn ich einmal ein Monster geliebt hatte – das war nun wirklich zu viel.
Ich bekam Panik: Wenn ich das Lenkrad losließ, würde die Limousine ausbrechen und in einer Schneewehe landen, und ich würde losheulen und dort festfrieren wie ein Mammut, bis zufällig ein Schneepflug oder der Frühling kam. Nein, ich würde weder nach rechts noch nach links sehen. Ich würde nur auf die Straße schauen, und auf den kleinen blauen Punkt auf dem Navi, der anzeigte, wohin wir fuhren. Einfach irgendwohin. Also folgte ich dem blauen Punkt, fuhr aus der Stadt hinaus aufs Land und schließlich auf einen Parkplatz, der von einem weißen Gartenzaun umgeben war.
Ich sah mich um.
Eine ehemalige Kirche.
Ich parkte die Limousine. Die Größe des Parkplatzes ließ darauf schließen, dass die Kirche sehr angesehen gewesen sein musste, bevor … sie ausgebrannt war. Durch den Schnee schimmerte das schwarz verkohlte Dach, und ich konnte sogar ein paar blaue Planen sehen, die wohl Schutz vor dem Wetter bieten sollten. Die Gemeinde hatte anscheinend nicht genug Geld gehabt, um noch vor dem Winter zu renovieren.
Ich wollte nicht aussteigen. Hier drin war es warm und sicher, sodass ich gewissermaßen an meinem Sitz klebte. Dann klopfte jemand an mein Fenster und riss mich aus meinen Gedanken.
»Du bist spät dran!«, erklärte Sike. Dass ich selbst hinter dem Steuer saß, hatte sie doch ein wenig überrascht. »Und du stinkst nach Werwolfblut. Was ist passiert?«
»Der Fahrer wurde überfallen.«
»Wie geht es dir?« Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sie das wirklich interessierte. Sie streckte mir zum Aussteigen eine Hand entgegen.
Ich kletterte aus der Limo, damit sie mich begutachten konnte. »Okay. Aber wenn das hier vorbei ist, bin ich weg. Ihr macht mich fertig.« Mir war klar, dass sie das nicht entscheiden konnte, aber allein es auszusprechen, bestärkte mich in meinem Entschluss.
»Wenn das hier vorbei ist, solltest du dringend Y4 aufsuchen und dir eine Werwolfspritze geben lassen.« Sie hob eine Hand an das Headset in ihrem Ohr, das mir bisher nicht aufgefallen war. »Schickt ein Entsorgungsteam zur Wohnung der Gesandten. Fahrer zwei ist ausgefallen.« Dann wandte sie sich wieder an mich. »Bitte folge mir.«
Eine würdige Gesandte war ich. Humpelnd lief ich hinter ihr her.
Da in den Mauern der Kirche einige Löcher klafften, war es drinnen eiskalt. Die Vampire störte das sicher nicht, aber mich ärgerte es. Ich hatte heute Nacht wirklich schon genug durchgemacht, da musste ich nicht auch noch frieren.
Offenbar war das hier ein katholisches Gotteshaus gewesen. Dort wo früher einmal das Kruzifix gehangen hatte, prangte jetzt ein weißer kreuzförmiger Fleck an der Wand. Der Innenraum war völlig leer, quasi ausgehöhlt durch das Feuer. Und nach der Katastrophe hatten die Gläubigen wahrscheinlich alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Baustellenstrahler tauchten alles in grelles Licht.
»Warum zum Teufel ausgerechnet hier?«, fragte ich Sike.
»Wir wollten es auf möglichst neutralem Boden machen. Und in Kirchen fühlen sich alle Vampire unwohl.« Sie führte mich hinein. »Außerdem hat es ein gewisses Flair.«
»Erinnere mich daran, dass ich niemals mit dir shoppen gehe«, murmelte ich und holte Annas Dolch aus der Tasche.
Weil es keine Kirchenbänke mehr gab, waren dort, wo einst die Gemeinde gesessen hatte, Stühle aufgestellt worden, auf denen die Vampire in kleinen Gruppen zusammensaßen, die wohl ihren Kabinetten entsprachen. Sike führte mich an ihnen vorbei und in den erhöhten Altarraum ganz vorne. Dort standen noch andere Beteiligte, die ich sogar kannte: Gideon, Veronica und Mr. Galeman – ein ehemaliger Patient von mir, den Anna gebissen hatte. Sike und ich stellten uns neben ihnen auf. Veronica wirkte noch genauso wild wie damals in meiner Wohnung, während Gideon das ausglich, indem er fast schon unheimlich ruhig war.
»Wie haben die Sie denn rumgekriegt?«, fragte ich Mr. Galeman, der direkt neben mir stand.
»Freibier«, flüsterte er zurück. Sike zischte und starrte uns böse an, bis wir still waren.
Na, das war ja mal eine echte Ermutigung. Ich war hundemüde, total erschöpft, meine Beine zitterten, jeder Kratzer brannte – wahrscheinlich brauchte ich nicht nur eine Tollwutimpfung, sondern auch noch eine gegen Tetanus. Noch dazu sah ich wohl aus wie die Protagonistin aus Carrie oder wie eine Kämpferin aus Battle Royale.
»Die Zeremonie kann nun beginnen«, sagte ein Vampir, den ich von der Seite aus nicht erkannte. Dramatisch hochtrabende Orgelklänge ertönten.
»Ist das immer so?«, fragte ich Sike.
Sie schaute mich böse an. »Halt die Klappe.«
Anna betrat den Altarraum durch einen Seiteneingang. Sie trug ein einfaches weißes Kleid. Dadurch wirkte ihre Haut noch bleicher, und ihre blonden Haare wurden zum einzigen Farbtupfer an ihr.
Sie arbeitete sich zu uns vor wie bei einem Empfang: Erst sprach sie mit Veronica und Gideon, dann mit Mr. Galeman, dann mit mir.
Sie musterte mich eingehend. »Du siehst … großartig aus.«
»So fühle ich mich aber nicht gerade.«
Für einen Moment schob sie ihre Hand in meine. Dann lächelte sie Sike flüchtig an und wandte sich ihrem Publikum zu.
»Die Bathorys sind nicht hier«, flüsterte Sike neben mir, wobei sie kaum zu atmen wagte. Sie nahm das Headset aus dem Ohr.
»Und was bedeutet das?«
»Dass sie sich nicht an der Abstimmung beteiligen werden.«
Ich versuchte, an den Scheinwerfen vorbeizusehen und herauszufinden, in welche Gruppierungen sich die Menge aufteilte.
Ein Vampir, der offenbar den Zeremonienmeister gab, trat vor und gab Anna ein Signal. »Anna Arsov, beginne.«
Anna hob die Arme, als wollte sie die gesamte Versammlung umfassen. Neben dem Mann wirkte sie so jung, und da sie direkt unter den Scheinwerfern stand, warf sie kaum einen Schatten. »Ich habe alle Prüfungen bestanden, die ihr mir auferlegt habt. Ich habe höchste Zurückhaltung bewiesen und brennenden Durst erduldet. Alle Positionen meines Hofes wurden besetzt. Wer von euch zieht mein Recht in Zweifel, eine Erhabene zu werden?«
»Kabinett Arachne!« Eine Vampirfrau, die alleine saß, erhob sich. »Kabinett Arachne erkennt einer Arsinov jegliches Recht ab, in das Sanguinium des Throns der Rose aufzusteigen.«
»Alt, aber nicht so alt wie wir«, raunte Sike mir zu. »Die haben Macht über Insekten und kleinere Tiere wie Spinnen oder Vögel.«
»Und warum zweifelt ihr an mir?«
»Du hast diesen Ort ausgewählt, also hast du keinen Geschmack. Und schlimmer noch, du hast diese Leute erwählt …«
Anna schnitt ihr das Wort ab: »Ich habe das Recht, den Ort festzulegen und meine Gefolgsleute frei zu wählen. Ich habe nichts Falsches getan.«
»Viele von ihnen hassen die Kirche«, fuhr Sike mit ihrer Erklärung fort, »weil sie an ihre Macht glauben und ihr unterworfen sind.«
»Und was ist mit dir?«, fragte ich.
»Ich glaube an sie«, flüsterte Sike und zeigte auf Anna.
»Gibt es weitere Zweifler?«, deklamierte der Zeremonienmeister.
Eine junge Frau, die ein enges, weinrotes Samtkleid mit weiten Ärmeln trug, trat vor. »Kabinett Bathory ist sich unschlüssig. Wir werden uns enthalten.«
»Neureiche Möchtegerns«, murmelte Sike. »Schwach.«
»Sind das alle?« Der Zeremonienmeister sah sich um. Er zählte. »Die Gegenstimmen und Enthaltungen dieser beiden Kabinette können selbst zusammen das Votum nicht aufhalten. Das Protokoll des Sanguiniums sieht vor, dass wir fortfahren.« Er drehte sich zu mir um. »Kannst du den Dolch vorweisen, Mensch?«
Den hatte ich schon ganz vergessen. Ich streckte ihm die Klinge entgegen. Er nahm sie zwischen die behandschuhten Finger und stieß das Stundenglas im Griff an.
»Es klebt Blut daran, doch in dir ist nichts davon, und darauf kommt es an.« Er ließ den Dolch in seiner Robe verschwinden. »Lasst uns beginnen«, intonierte er und schnippte mit den Fingern.
Einer der Umstehenden reichte ihm ein Silbertablett. Darauf befand sich ein kleiner Messingkasten, der mit einer Handkurbel versehen war.
Anna drehte sich nun ebenfalls zu mir um und zeigte auf das Kästchen. »Edie, bitte.«
Ich wollte nicht fragen, was das Ding eigentlich darstellen sollte. Hätte sie mir doch nur vorher mehr verraten! Ich nahm den Kasten vorsichtig in die Hand und musterte erst die Kurbel, dann die Seiten und schließlich sogar die Unterseite. Dort fand ich mehrere Schlitze, in die winzige Klingen eingebettet waren. Das Metall war alt. Die Messer waren schmutzig.
Ein Schröpfschnepper. So einen hatte ich einmal in einem Kurs an der Schwesternschule gesehen, als uns erklärt wurde, welch große Fortschritte die Medizin in den letzten Jahrhunderten gemacht habe, wie weit sich die Technik noch entwickeln würde und dass wir, die Schwestern der nächsten Generation, dafür Sorge zu tragen hätten. Mit einem solchen Ding wurden vor langer Zeit Patienten zur Ader gelassen, wenn ein einzelner Schnitt nicht ausreichte. Inzwischen war natürlich erwiesen, dass diese Methode medizinisch unbrauchbar war, doch früher stand sie hoch im Kurs. Wie auch kokainhaltige Cola, Magnetismus und die gesundheitsfördernde Wirkung des Rauchens.
Heutzutage wurden keine Schröpfschnepper mehr hergestellt – da einfach niemand mehr daran glaubte, dass bluten gesund sein könnte.
Außer Vampire natürlich.
Anna rollte einen weißen Ärmel hoch und streckte mir ihr Handgelenk entgegen. Ein weiterer Zuschauer brachte uns eine goldene Urne, an der ein filigraner Hahn angebracht war.
»Ich vertraue dir«, sagte Anna und sah mich durchdringend an. Ich wusste ja, was auf dem Spiel stand, aber … »Es wird nichts passieren, Edie. Ich vertraue dir.«
Mir war klar, dass ich sie nicht verletzen konnte, auch mit diesem Ding nicht. Außerdem fanden Vampire – manchmal sogar ich selbst – Schmerz oft durchaus anregend. Aber trotzdem.
Wo war denn der Unterschied, ob ich jemandem zu seinem eigenen Wohl eine Nadel in die Haut stach oder ihr jetzt diese verkrusteten Klingen in den Arm bohrte? Wie oft hatte ich schon jemandem wehgetan, damit es besser wurde? Anderen genauso wie mir selbst? Sie wollte, dass ich es tat. Wenn ich mich weigerte, konnte das ihr Ende bedeuten. Und das Ende unserer Freundschaft.
Ich legte das Kästchen auf ihr Handgelenk, stabilisierte es mit meinem Daumen und hielt es ruhig, indem ich ihren Unterarm umfasste. Ihre Haut war so weich …
Und dann drehte ich an der Kurbel. Die Klingen schoben sich aus ihren Schlitzen. Ich wagte es nicht, aufzusehen.