4. KAPITEL

“Du kommst zu spät.”

David stand auf der Veranda des Hauses seiner Exfrau – seines alten Zuhauses – und rang sich ein freundliches Lächeln ab. “Ich freue mich auch, dich zu sehen, Lynnette.”

“Wo warst du denn?”, fragte sie. “Ich habe versucht, dich zu erreichen.”

Er hatte sein Telefon auf stumm gestellt, damit er nicht in Versuchung kam, den Hörer abzunehmen. Wenn er sich ihr Gemecker anhörte, würde er auch nicht früher da sein – in ihrem Haus. Er wollte sich nicht von ihr herumkommandieren lassen. “Ärger im Büro heute.”

“Da gibt es doch immer Ärger.” Sie drehte sich um und ließ die Tür offen. Nach ihrem Wutanfall zeigte sie nun gelangweilte Gleichgültigkeit. “Jeremy hat nach dir gefragt. Er hatte Angst, du würdest die Verabredung wieder einmal absagen.”

David musterte sie irritiert. “Wovon sprichst du? Ich sage fast nie ab. Höchstens, wenn der Job mal dazwischen kommt.”

“Ja, ja, und du liebst ja deinen Job.”

Als Medizinalassistentin in einem hiesigen Medizinlabor hatte Lynnette feste Arbeitszeiten – von neun bis drei, fünf Tage die Woche. Es war perfekt, da Jeremys Schulunterricht zur selben Zeit stattfand. Doch mit ihrem regelmäßigen Stundenplan konnte sie nicht verstehen, wie unvorhersehbar die Polizeiarbeit war und dass ab und zu auch Überstunden dazugehörten. “Du weißt, ich kann nicht immer um Punkt fünf gehen.” Seine Arbeit forderte ihn, aber nicht ansatzweise so sehr wie Lynnette, als sie noch zusammen gewesen waren. Sie war äußerst gefühlsbetont und bei guter Laune schnell zu erheitern. Genauso schnell konnte sie aber auch in schlechter Stimmung aufbrausen.

“Erspar mir deine Erklärungen.” Sie zog sich die Schuhe an und griff nach einem Mantel. Dann ging sie zum Schrank, der zum Teil mit seinen Jacken, Hüten, Schirmen und der Skiausrüstung vollgestopft war. “Du hast immer noch Zeug hier.”

“Ich weiß.” Wollte sie, dass er es mitnahm? Bisher war sie immer darauf bedacht gewesen, es nicht so weit kommen zu lassen. Er hatte wiederum absichtlich ignoriert, dass er noch etwas zurückgelassen hatte. Seit man bei Lynnette nach der Rechtskräftigkeit ihrer zweiten Scheidung eine Multiple Sklerose diagnostiziert hatte, glaubte er, sie nicht einfach allein lassen zu können. Welcher Mann würde die Mutter seines Kindes verlassen, wenn ihr ein lebenslanger Kampf gegen eine solche Krankheit bevorstand?

Er zuckte die Schultern. “Ich werde es demnächst mitnehmen.”

“Nein, wirst du nicht. Du wirst es so lange hierlassen, bis es verrottet oder ich es in den Müll werfe.”

Weil er keine andere Wahl hatte. Es war nicht so, dass sie eine zuverlässige Familie besaß, an die sie sich hätte wenden können. Seine Familie war auch die ihre geworden, und die hatte beschlossen, ihr beizustehen, zu ihrem und Jeremys Besten. Eine Medizinalassistentin verdiente nicht besonders viel, und sie würde womöglich nicht mehr lange arbeiten können. Er hatte bei ihr bereits gewisse Veränderungen bemerkt; noch ausgeprägtere Launen beispielsweise.

Aber sie hatten sich einmal geliebt. Zehn Jahre waren sie zusammen gewesen. Mit genug Anstrengung und Durchhaltevermögen würden sie es bestimmt irgendwie schaffen. Wenn er nur Skye vergessen könnte …

“Ich werde vor Mitternacht nicht zurück sein”, kündigte sie an.

Warum so spät? Er verbrachte jeden Montag mit Jeremy, während sie am American River College ihren Kunstkurs absolvierte. Sie war nie nach zehn Uhr zurückgekommen. Hatte sie jemand anders kennengelernt?

Wenn ja, konnte er sich kaum vorstellen, dass es von Dauer wäre. Er glaubte nicht, dass sie einen Mann fand, der sie bereitwillig versorgte, wenn ihre Krankheit weiter voranschritt. David war sich auch gar nicht sicher, ob er wollte, dass Jeremy einen Stiefvater bekam. Daraus würden eine Menge weiterer Probleme entstehen. Das hier war Davids Familie, er würde sich um sie kümmern. “Viel Spaß”, sagte er.

Sie sah ihn skeptisch an. “Willst du mich nicht fragen, wohin ich nach dem Kurs gehe?”

“Sollte ich das?”

Ein schmerzhafter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. “Nein, ich denke, lieber nicht. Jeremy ist hier. Das ist das Einzige, was dich interessiert.”

“Lynn.”

Sie blickte nicht auf. Nachdem sie den Schlüssel von der Anrichte genommen hatte, ging sie zur Tür.

“Lynn”, sagte er noch mal, ging ihr hinterher und griff nach ihrem Arm.

Als sie aufsah, glitzerten Tränen in ihren Augen. “Was ist los?”

“Du glaubst, du kommst zurück”, sagte sie. “Du willst, dass wir wieder miteinander auskommen. Du willst mich mit meiner Krankheit nicht allein lassen.”

“Das stimmt.”

“Aber nur, weil du dich dazu verpflichtet fühlst. Du liebst mich nicht mehr.”

Er wusste nicht, was er darauf antworten oder wie er auf ihr merkwürdiges Verhalten reagieren sollte. Auch wenn sie sich nie in Gegenwart von Jeremy stritten – soweit es David anging, war das eine strenge Regel –, meist verhielt sie sich jedoch so, als könnte sie ihre Abneigung gegen David kaum verbergen. Dann wieder war sie so voller Angst wegen ihrer Krankheit und klammerte sich so fest an ihn, dass er glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. “Du bist mir wichtig. Ich möchte, dass du glücklich bist.”

“Du willst, dass Jeremy glücklich ist.”

“Das auch.”

“Aber ich weiß …”

Er ließ ihr nicht die Zeit, nach den Worten zu suchen, die sie ihm an den Kopf werfen konnte. Es wären nur weitere Klagen gewesen, dieselben, die er seit fünf Jahren zu hören bekam. “Wir müssen uns nicht schlecht fühlen, wenn wir zusammen sind”, sagte er. “Wir können noch einmal zur Beratung …”

“Wir hatten genug Beratungstermine, David!”

Ihre Stimme klang schrill, und die Tränen tropften ihr jetzt aus den Augen. David befürchtete, dass Jeremy sie hörte und eine unangenehme Szene mitbekommen würde. “Komm schon.” Er wollte sie in die Arme nehmen und sie beruhigen, doch sie schob ihn von sich.

“Nicht! Verstehst du das nicht? Es bringt mich um! Ich muss über dich hinwegkommen. Du wirst mich nie mehr so lieben wie früher.”

Da konnte David ihr nicht widersprechen. Seine Gefühle waren gestorben, lange bevor er von der Diagnose erfahren hatte, niedergestreckt von all den Streitigkeiten und Vorwürfen. Und so sehr er es auch versuchte – er konnte sie nicht wieder herstellen. Aber es gab noch etwas anderes in einer Ehe: Vertrauen. Stabilität. Kameradschaft. Im Lauf der Zeit wurden solche Dinge oft wichtiger als diese sich überschlagenden Gefühle, diese völlige Hingabe, die Lynnette erwartete. Zumindest könnte sie sich an ihn anlehnen. Und Jeremy hätte die Sicherheit, dass sich jemand um seine Mutter kümmerte. “Ich ziehe mich nicht aus der Affäre. Ich werde immer für dich da sein, dich unterstützen, soweit ich kann, ehrlich zu dir sein …”

“Mit anderen Worten, du bist zu Diensten”, unterbrach sie ihn verbittert. “Das reicht mir nicht. Ich liebe Jeremy auch. Er ist der Grund, warum ich das mitmache. Aber ich kann keine gute Mutter sein, wenn es mir so schlecht geht.” Sie wischte sich die Tränen von der Wange und versuchte sich zu sammeln. “Ich habe mich heute Abend mit jemandem verabredet. Wahrscheinlich ist es besser, wenn du hier schläfst, ich werde nämlich sehr spät zurückkommen. Vielleicht bleibe ich sogar über Nacht bei ihm.” Diese letzte Bemerkung warf sie noch über die Schulter zurück, nachdem sie sich wieder zur Tür gewandt hatte.

“Lynnette!” Sie blieb bei dem scharfen Tonfall erschrocken stehen. “Wenn du den Mann nicht gut kennst, sei bitte sehr vorsichtig.”

“Das ist alles, was du zu sagen hast? Sei vorsichtig?”

“Überstürz nur nichts, nur, um dich an mir zu rächen.”

“Ich tue nichts, um mich an irgendjemanden zu rächen”, erwiderte sie. “Ich möchte geliebt werden, ich will mich wieder mal gut fühlen! In deiner Gegenwart bin ich ständig schlecht drauf. Ich kann mich ja selbst nicht leiden, wenn ich mit dir zusammen bin!”

David sagte sich selbst, dass er sie aufhalten sollte, ihr die Worte sagen sollte, die sie hören wollte. Er sollte mit ihr nach oben gehen und sie lieben. Aber Jeremy stand plötzlich am oberen Treppenabsatz und blickte sie unsicher an. “Dad? Mom? Ist was passiert?”

Davids Blick wanderte von seinem Sohn zu seiner Exfrau, und er hätte fast vor Erleichterung geseufzt. “Alles okay, Kumpel”, sagte er und stieg die Stufen hoch, um seinen Sohn zu beruhigen.

Die Eingangstür wurde geöffnet und wieder geschlossen. Dann hörte man den startenden Motor von Lynnettes Wagen und wie sie wegfuhr. Während er dem immer leiser werdenden Autogeräusch lauschte, machte sich David Vorwürfe. Was zum Teufel war mit ihm los? Lynnette litt an einer Krankheit, die sie sehr schwächte. Warum konnte er ihr nicht geben, was sie wollte?

Er konnte einfach nicht. Es war unmöglich, mit ihr ins Bett zu gehen und so zu tun, als wäre sie diejenige, die er wollte. Nicht heute. Nicht, nachdem er heute Morgen Skye getroffen hatte.

“Dad?”

“Was ist?”

“Du kommst doch wieder nach Hause, oder?”

David zuckte innerlich zusammen, als er in die traurigen Augen seines Sohnes blickte. Irgendetwas musste er gegen diesen Schmerz tun, den er darin erkannte. Den sie alle spürten.

“Dad? Du hast doch gesagt, du kommst wieder nach Hause.”

“Das werde ich, Kumpel.”

“Wann?”

David biss die Zähne zusammen. “Bald.”

Jeremy grinste breit und warf David euphorisch die kleinen Arme um den Nacken, um ihn fest zu drücken. “Yippie!”

Bei Regen fühlte sich Skye immer ein bisschen unwohl, aber heute machte ihr dieses dumpfe, einförmige Prasseln auf dem Dach besonders zu schaffen und trieb sie aus dem Bett. Manchmal, bei starkem Gewitter, wurden die Sümpfe überwässert, traten über die Ufer und fluteten die Straßen. Im Winter passierte das häufig. Es gehörte zum Leben im Delta – als Kind hatte sie dieses aufregende Ereignis genossen. Aber jetzt, da Oliver Burke bald nach Sacramento zurückkehren würde, als freier Mann, machte ihr das nur noch Angst. Es war nicht gerade der ideale Zeitpunkt, um sich vorzustellen, dass man vielleicht bald vom Rest der Menschheit abgeschnitten sein würde.

Himmel, wenn sie schon so durcheinander war, bevor er aus dem Gefängnis kam, was sollte dann erst nachher werden? So ging es ihr nun schon das ganze Wochenende.

Sie kochte sich eine Tasse Tee, schaltete den Fernseher ein und versuchte sich auf die Nachrichten zu konzentrieren. Doch als der makellos gepflegte Moderator zu dem Fall des verschwundenen Mannes Anfang vierzig aus Del Paso Heights überwechselte, schaltete sie das Gerät wieder aus. Sean Regan. Sie hatte ihm nicht rechtzeitig geholfen.

Aber sie tat doch, was sie konnte, oder? Jonathan bearbeitete den Fall seit Freitag. Er würde Regan irgendwann finden.

Unglücklicherweise konnte sie das nicht besonders aufmuntern. Sean Regan war irgendwo da draußen im Freien, während das Gewitter tobte, wie so viele andere Opfer …

Um ihre überschüssige Energie loszuwerden, begann sie zu trainieren. Fünfzig Liegestütze, zweihundert Sit-ups, eine halbe Stunde Yoga. Aber sie konnte sich trotzdem nicht entspannen.

Nachdem sie sich eine weitere Tasse Tee gekocht hatte, setzte sie sich an den Küchentisch, um Jasmine anzurufen. Sie hatten über das Wochenende nur kurz gesprochen. Jasmine hatte sich sofort gemeldet, als sie erfuhr, dass Burke vorzeitig aus der Haft entlassen wurde. Doch da war gerade ein FBI-Agent bei ihr gewesen, deshalb hatten sie nicht über die Situation in Fort Bragg reden können. Skye hoffte, dass Jasmine jetzt in ihrem Hotelzimmer war. Sie musste mit jemandem reden. Außerdem wollte sie unbedingt wissen, wie ihre Freundin von dieser kleinen konservativen Polizeieinheit empfangen wurde, die sie um Hilfe gebeten hatte.

“Hallo?”

Skye zuckte zusammen, als sie Jasmines leise, müde Stimme hörte. Okay, sie war in ihrem Hotelzimmer, hatte aber wahrscheinlich tief und fest geschlafen und war vom Telefonklingeln aufgeschreckt worden. “Habe ich dich geweckt?”

“Skye?”

“Ja.”

“Sehr lange war ich noch nicht im Bett. Geht es dir gut?”

“Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.”

“Warum um mich? Mir geht’s gut. Glaube ich”, fügte sie hinzu.

Skye wollte Jasmine bereits raten, sich lieber wieder hinzulegen. Sie würden dann am nächsten Morgen weitersprechen. Doch dann ging ihr das “Glaube ich” durch den Kopf, und sie musste doch noch einmal nachfragen. “Das klingt nicht so, als wäre wirklich alles in Ordnung.”

“Das wird nicht leicht.” Skye hörte das Bettzeug rascheln, als Jasmine sich aufsetzte. “Es macht mich immer fertig, wenn Kinder im Spiel sind.”

Die meisten Menschen fanden es belastender, an einem Fall zu arbeiten, wenn ein Kind in Gefahr war. Aber bei Jasmine ging es um mehr. An einem heißen Sommertag vor fünfzehn Jahren, sie war erst zwölf gewesen war, hatte man ihre Schwester aus dem Haus ihrer Eltern entführt. Kimberly war nie gefunden worden. Bis heute wusste Jasmine nicht, was mit ihr passiert war. Sie konnte sich zwar auf ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten verlassen, wenn sie andere Menschen aufzuspüren versuchte – doch wenn es um ihre Schwester ging, versagte dieses Gespür. Sie hatte sich hypnotisieren lassen, war bei Beratern und Psychologen gewesen, um die mentale Blockierung zu lösen. Aber sie konnte nicht einmal ausreichende Angaben für einen Polizeizeichner machen, damit er eine Skizze erstellte. Der Schock, den sie damals erlitten hatte, war zu stark gewesen. Weshalb sie sich wahrscheinlich mit jedem Entführungsfall befasste.

Wenn sich herausstellte, dass das Mädchen in Fort Bragg bereits tot war – wie würde Jasmine reagieren? Würde sie sich dann dafür verantwortlich fühlen? Oder einen Zusammenbruch erleben wie schon zehn Jahre zuvor? Sie machte sich Vorwürfe, weil sie Kimberly nie gefunden hatten. Obwohl sie den Entführer ihrer Schwester gesehen, sogar mit ihm gesprochen hatte. Die Unfähigkeit, sich an Einzelheiten zu erinnern, ließ sie fast verzweifeln.

“Wie alt ist das Mädchen, das ihr sucht?” Skye sprach absichtlich in der Gegenwartsform. Sie wollte nicht glauben, dass die Kleine schon verloren war, nachdem sie nun alles taten, was sie konnten.

“Erst drei.”

So klein … Das hieß, sie konnten von dem Kind keine Mithilfe erwarten. In diesem Alter würde es nicht mal die eigene Telefonnummer kennen oder etwa die der Polizei. “Bist du sicher, dass sie nicht weggelaufen ist?”

“Ganz sicher.”

“Und woher weißt du das?”

Am anderen Ende der Leitung war ein deutliches Seufzen zu hören. “Ich weiß es einfach.”

Mit anderen Worten, sie konnte es “fühlen”. Sie wollte es nicht sagen, weil sie wusste, es hörte sich für andere nach Hokuspokus an. Jasmine erklärte ihre Gabe als eine Art sechsten Sinn. Sie war die Erste, die zugab, dass sie weder Gedanken lesen noch die Zukunft voraussagen konnte. Es war ihr auch nicht möglich, die Polizei direkt zu einem Entführungsopfer oder zum Täter zu führen. Statt klarer Antworten empfing sie lediglich Eindrücke. Meist stellten sie sich ein, wenn sie einen Gegenstand berührte, der dem Opfer oder dem Täter gehörte. Oder auch, wenn sie sich in deren Haus aufhielt, in deren Wagen oder am Arbeitsplatz.

Zusammen mit ihren Kenntnissen in Psychologie und Profiling hatten diese Eindrücke schon manches Mal dazu beigetragen, ein Opfer zu retten. Und je mehr Jasmine lernte, ihrer Intuition zu folgen, desto besser wurde sie. Einige ihrer Fälle hatten auch überregional Aufsehen erregt. Im Ubaldi-Fall war ein Kind vom Schulspielplatz verschwunden. Jasmine hatte der Polizei geholfen, eine Frau mittleren Alters aufzuspüren; sie hatte die Kleine entführt. Jasmine war sich sicher gewesen, dass sie in der Nachbarschaft der Schule wohnte. Auf ihr Drängen wurden Wohnungen im Häuserblock durchsucht.

“Es war eine Spontanhandlung”, sagte sie. “Entweder ein Nachbar oder jemand, der hier zu Besuch war.”

“Habt ihr die Nachbarschaft überprüft?”

“Es gibt keine richtige Nachbarschaft, die man überprüfen könnte. Die Mutter ist unverheiratet, lebt aber mit ihrem Freund zusammen in einem Haus im Wald.”

“Hat die Polizei irgendwelche Verdächtigen?”

“Sie glauben, die Mutter würde ihren Freund decken.”

“Du nicht?”

“Nein.”

Der Regen goss jetzt in Strömen, aber Skye achtete nicht darauf. Denk nicht daran. Es wird keine Überschwemmung geben. Ich werde wegfahren können, wann immer ich will. “Wie ist das passiert?”

“Vor sechs Tagen hatte die Mutter das Kind zum Schlafen gelegt und selbst ein Nickerchen gemacht. Als sie aufwachte, war Lily verschwunden.”

“Wo war ihr Freund?”

“Er sagt, er hat den Weihnachtsbaum auf seinen Truck geladen und ist weggefahren, um ihn zu entsorgen.”

“Und niemand hat ihn innerhalb dieser Zeitspanne irgendwo gesehen?”

“Er hat der Polizei gezeigt, wo er den Baum weggeworfen hat, aber niemand kann sagen, wie lange er unterwegs gewesen ist.”

“Kein Mensch hat ihn gesehen?”

“Er hat extra dafür gesorgt, dass man ihn nicht sieht. Er wollte keine Strafe aufgebrummt bekommen, weil er den Baum auf einem Privatgrundstück weggeworfen hat.”

Skye ging zum Fenster, um die Jalousie herunterzulassen, aber sie bekam den Knoten nicht aus der Schnur. Sie hatte die Kordel vorher festgebunden, damit das verdammte Ding auch oben blieb. “Keine Hinweise, dass irgendjemand ins Haus eingedrungen ist?”

“Nicht gewaltsam. Aber die Türen waren nicht verschlossen, es hätte also jeder reinmarschieren können. Der einzige Hinweis ist ein merkwürdiger Fußabdruck im Matsch neben dem Weg vorm Haus.”

Skye starrte auf die nasse Fensterscheibe mit der kaputten Jalousie. Sie wollte das Rollo herunterlassen. Es fühlte sich so an, als wäre jemand draußen und beobachtete sie. Aber sie wusste, dass sie wieder von ihren alten Angstgefühlen heimgesucht wurde. Burkes Entlassung war ein Schock für sie gewesen, das warf sie wieder zurück. Es ist ein Küchenfenster. Eine Menge Leute haben noch nicht mal Rollos an ihren Küchenfenstern. “Was ist an dem Fußabdruck merkwürdig?”

“Er ist zu klein für den Freund und zu groß, um von der Mutter zu sein.”

“Was ist mit einem Monteur, dem Postboten oder dem Gasmann?”

“Die Mutter meint, es wäre schon seit Tagen niemand im Haus gewesen, aber es ist ein frischer Abdruck.”

“Das ist allerdings merkwürdig.”

“Sie haben Abgüsse gemacht. Wir werden sehen, ob man herausfindet, von wem er stammt.”

Skye hörte, dass jemand in der Leitung anklopfte. Sie runzelte überrascht die Stirn. Es war Montag und schon nach zwölf. Wer sollte da so spät anrufen? Sie hätte gern die Nummer auf dem Display überprüft, aber wenn sie bereits ein Gespräch führte, wurde die zweite Nummer nicht angezeigt.

Sie vermutete, dass es womöglich eine ihrer Stiefschwestern war, und bat Jasmine, einen Moment zu warten. Dann nahm sie den anderen Anruf an. “Hallo?”

Schweigen am anderen Ende.

“Hallo?”, sagte sie erneut.

“Skye Kellerman?”

Sie kannte die tiefe Stimme nicht. “Ja?”

“Wenn ich rauskomme, schlitze ich dir die Kehle auf.”

Skye rührte sich nicht von der Stelle. Sofort überfielen sie wieder die Erinnerungen an Burkes Attacke – wie er ihre Beine auseinanderriss und sie auf das Bett drückte, während sie sich wehrte. Die Messerspitze zeigte auf ihr Auge, schnitt ihr aber in die Wange, als sie sich unter ihm drehte und wendete. Dann kam der Schmerz, und sie wurde noch panischer. Das Blut verteilte sich überall. Sie versuchte wie eine Wilde, sich freizukämpfen …

“Wer spricht da?”, fragte sie, aber es klickte, und der Anrufer hatte aufgelegt.

Sofort blickte sie wieder zum Fenster. Es kann nicht Burke sein, sagte sie sich. Seine Telefonate wurden aufgezeichnet. Noch, jedenfalls. Hatte er jemand anders damit beauftragt? Das musste wohl der Fall sein. Der Anrufer hatte nichts allgemein Übliches wie “Ich beobachte dich” oder “Ich werde dich töten” gesagt. Er hatte gesagt: “Wenn ich rauskomme …”

“Skye? Bist du noch dran?”

Jasmine.

Antworte. Sie atmete tief durch und räusperte sich. “Ja, ich bin wieder dran.”

“Wer war das?”

Ihr lief eine Gänsehaut über den Rücken, als sie an die Worte dachte. Wer auch immer das gewesen war, jedenfalls kein kleiner Junge, der sich einen Scherz mit Erwachsenen erlaubte. Es musste ein Mann gewesen sein.

Woher kannte er ihre Nummer? “Ich weiß nicht.”

“Was soll das denn heißen?”

Skye stand auf und verließ die Küche. Sie wollte aus dem Blickfeld desjenigen verschwinden, wer auch immer sie von der anderen Seite des großen Fensters beobachtete. “Jemand, der weiß, dass Burke entlassen wird, hat mich gerade bedroht.” Mit einem Messer …

“Was genau hat er gesagt?”

“Wenn ich rauskomme …” Sie schluckte und versuchte sich gegen die aufsteigende Panik zu wehren. “… schlitze ich dir die Kehle auf.”

“Ruf die Polizei an!”, rief Jasmine. “Erkundige dich, ob sie Burke schon früher entlassen haben.”

Skye lehnte sich gegen die Wand im Flur. “Das glaube ich nicht. David hätte mich bestimmt gewarnt. Außerdem muss es nicht Burke sein, der dahintersteckt. Wir haben alle in den Medien von unseren Erfahrungen mit Gewaltverbrechen gesprochen.”

“Vielleicht wissen eine Menge Leute, wie du überfallen wurdest. Aber wie viele wissen, dass Burke vorzeitig entlassen wird?”

Skye versuchte sich einzureden, dass mehr Leute davon wussten, als ihr klar war. “Das hängt damit zusammen, wie vielen er das gesagt hat und wem sie es weitergesagt haben …”

“Du musst trotzdem zur Polizei gehen.”

Draußen goss es noch heftiger, der Regen klatschte auf die Terrasse. Skye stellte sich vor, wie das Wasser in den Sümpfen ständig weiter anstieg, ihr den Fluchtweg versperrte … “Ich kann nicht. Wenn sie überhaupt darauf reagieren, dann werden sie sich Zeit lassen. Sie haben mich bei mehreren Anlässen gewarnt, dass ich mich zur Zielscheibe mache. Dass ich mich selbst gefährde, wenn ich mich weiterhin in potenziell gefährliche Situationen begebe.”

“Ruf sie trotzdem an, und zwar sofort! Vergewissere dich, dass deine Fenster und Türen geschlossen sind. Ich benachrichtige Sheridan und bitte sie, zu dir rauszufahren und bei dir zu bleiben. Ich bin zu weit weg, sonst würde ich selbst kommen.”

“Nein”, unterbrach Skye ihre Freundin. “Ruf Sher bitte nicht an, Jaz! Ich bin gut ausgerüstet. Ich kann mich verteidigen.” Sie zog die Pistole aus der Manteltasche, die sie am Freitag bei Davids Besuch dort hineingeschoben hatte. Sie war immer noch geladen. Bereit.

“Aber du würdest dich besser fühlen, wenn jemand da wäre”, widersprach Jasmine. “So wirst du wohl kaum schlafen können.”

Nicht dass sie es nicht versucht hätte. Schlimme Sachen passierten, sobald sie die Augen schloss …

“Ich kann von Sheridan nicht erwarten, dass sie mitten in der Nacht aufsteht und eine Stunde durch den strömenden Regen fährt, um meine Hand zu halten.”

“Doch, das kannst du! Am Freitag hast du erfahren, dass der Mann, der dich umbringen wollte, frühzeitig aus dem Gefängnis kommt! Es würde Sheridan ganz bestimmt nichts ausmachen.”

“Lass sie in Ruhe. Sie war ziemlich kaputt, als wir gegangen sind.” Skye presste sich den Griff der Waffe gegen die Brust. Das Gewicht gab ihr ein sicheres Gefühl, das kühle Metall auf der Haut beruhigte sie. Seit dem Erlebnis mit Burke hatte sie fürchterliche Angst vor Messern. Aber ein Revolver konnte es jederzeit mit einem Messer aufnehmen. Jedenfalls, wenn sie den Angreifer rechtzeitig bemerkte. “Es ist schon in Ordnung.”

Jasmine zögerte, gab aber schließlich nach. “Ich gebe auf, weil er noch nicht draußen ist. Aber nur, wenn du die Polizei anrufst und sie bittest, vorbeizukommen.”

“Dafür wäre der Sheriff zuständig. Ich wohne nicht mehr innerhalb des Citybereichs.”

“Wer auch immer. Lass jemanden dein Grundstück überprüfen.”

“Okay.”

“Sag mir Bescheid, falls du noch einen Anruf bekommen solltest. Aber wirklich. Egal, wie spät es ist.”

“Das tu ich.” Skye legte auf, dann machte sie die Runde im Haus. Vergewisserte sich, dass sie alle Fenster und Türen geschlossen hatte. Jeden Abend war es dieselbe Prozedur – einmal, zweimal, dreimal. Manchmal stand sie in den frühen Morgenstunden auf, nur um noch einmal alles zu überprüfen. Oder sich ans Fenster zu setzen und durch die Jalousien und die Eisengitter zu lugen, die sie hatte anbringen lassen. Immer in Erwartung des Schlimmsten.

Heute Nacht war es wieder so. Sie würde die Polizei nicht anrufen. Sie würde niemanden anrufen. Wenn Burke oder irgendjemand anders ihr hier auflauerte, würde sie dafür sorgen, dass die Bedrohung ein Ende hatte – auf der Stelle.

Das Vibrieren seines Handys weckte David lange vor Sonnenaufgang. Er blinzelte, blickte sich in dem möblierten Zimmer um und versuchte sich zu erinnern, wo er war. Er schlief in einem Doppelbett. Dort drüben lagen zwei große Sitzsäcke, daneben ein paar Regale mit …

Jeremys Spielsachen und Bücher. Er befand sich im Gästezimmer seines alten Hauses. Er musste eingeschlafen sein, bevor Lynnette zurückgekommen war.

Gähnend rieb er sich das Gesicht und stand auf. Er wollte nachsehen, ob seine Exfrau in ihrem Bett lag. Heute Morgen gab es eine Menge zu tun. Er hatte keine Lust, diese ermüdende Szene mitzuerleben, die normalerweise auf ihre emotionalen Ausbrüche folgte. Das ganze Wochenende und den Montag hatte er damit verbracht, alte Mordfälle zu studieren: die Autopsieberichte zu lesen und die Aussagen der Zeugen, die die Opfer zuletzt gesehen hatten, und Fotos der Tatorte anzusehen. Er musste irgendetwas finden, um Burke wieder ins Gefängnis zu bringen. Bevor er wieder jemandem wehtat. Zum Beispiel Skye.

Er ging zur Tür, aber als sein Handy erneut vibrierte, fiel ihm wieder ein, was ihn geweckt hatte.

Er zog das Handy aus der Tasche und klappte es auf. “Ja?”

“Detective Willis?”

“Ja?”

“Entschuldigen Sie. Hier ist Sergeant Blazer vom Revier Marysville Boulevard.”

David spannte sich in der Erwartung an, dass man ihn zu einem neuen Tatort rief. Die schlimmsten Anrufe kamen immer mitten in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden. Erst vor wenigen Wochen hatte er bei einem Einsatz in einem Haus in Oak Park helfen müssen. Ein Mann hatte seine Frau und beide Kinder erschossen, bevor er die Waffe auf sich selbst richtete. “Ja?”

“Vor ein paar Minuten hat Jasmine Stratford von The Last Stand hier angerufen.”

Sofort spürte David einen Knoten in seinem Magen. Warum sollte Jasmine anrufen? “Wollte sie mich sprechen?”

“Nicht direkt. Sie wollte etwas melden.”

David wurde es eiskalt bei dem Gedanken daran, welche Kriminellen Skye, Jasmine und Sheridan täglich verärgerten. Und wer alles Rache an ihnen nehmen wollte. “Was denn?”

“Ich glaube, ihre Partnerin hat gestern Abend einen Drohanruf bekommen.”

“Welche Partnerin?”, fragte er, aber er wusste die Antwort bereits.

“Skye Kellerman.”

Er umfasste das Handy fester. “Hat Jasmine Ihnen irgendwelche Einzelheiten berichtet?”

“Ein Typ hat angerufen und gesagt: Wenn ich rauskomme, schlitze ich dir die Kehle auf.” Die Stimme des Sergeants bekam etwas Wichtigtuerisches. “Ich habe Mrs. Stratford gesagt, dass es wahrscheinlich ein Perverser war, der sich einen Kick holt, indem er Frauen Angst macht. Aber sie und ihre Freundinnen haben mehr Feinde, als man an zwei Händen abzählen könnte, und eine Menge davon sind ziemlich gefährlich. Deshalb wollte ich es Ihnen sagen – für den Fall, dass es kein Scherz war.”

“Das haben Sie richtig gemacht, Sergeant. Ich danke Ihnen vielmals.” Wenn ich rauskomme … Wenn diese Bemerkung nicht gewesen wäre, hätte man glauben können, dass jemand von dem Überfall auf Skye gehört hatte und ihr jetzt Angst einjagen wollte. Jemand, der sauer war, weil sie dessen Frau oder Partnerin geholfen hatte. Doch wie viele Leute wussten schon von Burkes Haftentlassung? Es war ja nicht so, dass die Medien davon berichtet hätten. Himmel noch mal, David selbst hatte erst am Freitag davon erfahren! “Wenn noch irgendetwas ist, das mit The Last Stand oder den drei Frauen zu tun hat, benachrichtigen Sie mich bitte sofort.”

“Wird gemacht.”

David drückte die Austaste, behielt das Handy aber in der Hand. Er schloss die Tür, um Lynnette nicht zu wecken, falls sie zu Hause war, und drückte Skyes Nummer. Dies war ein rein dienstlicher Anruf. Er beabsichtigte keineswegs, irgendetwas Privates anzusprechen. Aber immer, wenn er Kontakt zu Skye aufnahm, fühlte er sich schuldig.

“Hallo?”

Er bezweifelte, dass sie überhaupt geschlafen hatte, denn sie meldete sich sofort beim ersten Klingelton.

“Ich bin’s”, sagte er nur. “Ich habe von dem Anruf gehört.”

“Von Jasmine?”

“Sie hat beim Revier Marysville Boulevard angerufen.”

“Warum? Ich habe ihr gesagt, dass mein Haus nicht mehr zum Citybereich gehört.”

“Heißt das, du hast dich beim Sheriff gemeldet?”

Es entstand eine längere Pause, die ihm bestätigte, was er bereits geahnt hatte: Sie glaubte, sie würde allein damit fertig werden. Aber das war verrückt und leichtsinnig. Sie überschätzte ihre Kraft und ihr Urteilsvermögen, und das schockierte ihn.

Er rief sich Skye ins Gedächtnis, so wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Mit vierzig Messerstichen, davon einem unter ihrem linken Auge. Auch an den Händen und Unterarmen hatte sie mehrere tiefe Schnitte, die von Burkes Messer stammten. Allein der Gedanke an ihre Verletzungen und ihren Schock genügte, um seinen Vorsatz, Burke hinter Gitter zu bringen, zu bestärken. Sie war so erschüttert gewesen, so verletzlich.

Doch inzwischen war sie nicht mehr schwach. Die Wunde unter ihrem Auge war zu einer dünnen Narbe verheilt und die anderen Stiche waren kaum noch zu erkennen. Seit diesem Angriff hatte sich außerdem ihre körperliche Verfassung geändert. Sie war stärker, hatte sich wohlproportionierte Muskeln antrainiert. Aus ihr war ein regelrechter Gesundheits- und Fitness-Apostel geworden. Doch so sehr sie auch daran arbeitete, stark zu werden – im Grunde war sie noch immer sehr empfindlich. David wollte sie beschützen, wollte diesen gehetzten Blick aus ihren Augen vertreiben.

“Warum hast du mich nicht angerufen?”, fragte er. Es ärgerte ihn, dass er nichts von dem Vorfall erfahren hätte, wenn Jasmine nicht gewesen wäre. “Wenn so was passiert, musst du mir das sagen.”

“Warum?”

David musste daran denken, wie Burke über Skye gesprochen hatte. Ich kenne sie besser als jeder andere – Sie inbegriffen. Er war immer noch von ihr besessen. “Damit ich weiß, was los ist!”

Ihre Stimme wurde leiser. “Würdest du vorbeikommen?”

Er wusste, dass es besser war, nicht allzu viel Zeit mit Skye allein zu verbringen. Wenn er jetzt zu ihr fuhr, konnte er womöglich nicht widerstehen. Dann würde er womöglich das tun, wonach er sich so verzweifelt sehnte – und was sie ebenso sehr wollte. Und dann wäre er niemals in der Lage, mit Lynnette zusammenzuleben. Könnte sich nie mit dem begnügen, was ihm sein Gewissen diktierte. “Wenn ich dich beschützen muss”, erwiderte er schroff.

“Ich kann mich selbst beschützen”, sagte sie und hängte auf.

Stirnrunzelnd wählte David ihre Nummer erneut.

Sie ließ es mehrmals klingeln, aber schließlich nahm sie doch wieder ab.

“Was ist?”

“Ruf mich an, sobald wieder irgendetwas in der Art passiert. Verstanden?”

“Weil …”

“Weil ich mir Sorgen um dich mache, verdammt noch mal!”

“Vorsicht, Detective. Das klingt ja, als würde ich dir was bedeuten.” Bis auf einen Kuss und diesen Abend, an dem er fast mit ihr im Bett gelandet wäre, hatte er sich immer zurückgehalten und war vorsichtig gewesen. Aber sie wusste, was er empfand; es konnte ihr unmöglich entgangen sein: Er begehrte sie, wenn er sie nur ansah.

“Du hast mir von Anfang an etwas bedeutet”, entgegnete er gereizt. “Manchmal kann ich an gar nichts anderes mehr denken.”

Dieses Geständnis kam zum ersten Mal, doch seine Worte machten es nicht gerade besser. Vielleicht auch, weil er sie wie einen Fluch ausgesprochen hatte.

“Und das würdest du gern ändern, wenn du könntest”, sagte sie vorwurfsvoll.

Er widersprach ihr nicht. Sicher wäre es einfacher für ihn, seine Verpflichtungen Lynnette gegenüber und sein Versprechen an Jeremy einzuhalten, wenn er nicht dauernd davon träumen würde, mit Skye ins Bett zu gehen. “Stimmt.”

“Damit soll mich zufriedengeben?”

Er fuhr sich frustriert mit den Fingern durchs Haar. “Mehr kann ich nicht anbieten.”

Klick.

David hätte sie fast erneut angerufen. Er wollte – er brauchte … irgendetwas. Nähe. Verständnis. Dafür, dass er nicht anders handeln konnte. Zustimmung, dass er das Richtige tat. Aber das würde nicht reichen. Denn er wusste: Was er wirklich wollte, war sie.

Er stopfte das Handy in die Tasche, um nicht in Versuchung zu geraten, und fluchte leise. Er musste sie loslassen, musste sie vergessen, wenn er es jemals schaffen wollte, diese Familie wieder zu kitten. Aber jetzt, wo Burke entlassen wurde, konnte er Skye nicht vergessen – sonst würde sie es womöglich nicht überleben.