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Eine Zinke von Poseidons Dreizack hatte den Kragen von Brookies langem Mantel durchbohrt. Brookie schaukelte sanft im Wind und sah mit seiner Schiebermütze und dem hellroten Schal so lässig aus, als würde er in einem Seebad Kettenkarussell fahren.

Im ersten Augenblick dachte ich, er wäre in seiner Schnapsseligkeit auf die Statue geklettert, auf Poseidons Kopf ausgerutscht und in den Dreizack gefallen.

Dann fiel mir jedoch auf, dass seine Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Und das war noch nicht das Schlimmste.

Als ich um den Brunnen herumgegangen war, sah ich etwas Glänzendes aus Brookies Mund ragen.

»Warte hier«, sagte ich zu Porcelain. Eine überflüssige Bemerkung, denn sie war ohnehin zur Salzsäule erstarrt.

Ich lehnte Gladys an die untere der drei Muschelschalen des Brunnens, kletterte über den Rahmen auf den Sattel und setzte von dort aus das Knie auf den rauen Rand der Steinschale.

In der Brunnenschale schwappte eine eklige Brühe aus abgestandenem Wasser, vermoderten Blättern und Schimmel. Das Ganze stank zum Himmel.

Ich stellte mich auf den Rand und konnte von dort aus auf die mittlere Schale und schließlich auf die obere klettern. Jetzt befand ich mich auf gleicher Höhe mit Brookies Knien und spähte nach oben in seine ausdruckslosen Augen. Sein Gesicht war weiß wie ein Fischbauch.

Und er war tot – was sonst?

Nach dem ersten Schreck, als ich begriff, dass ich noch vor ein paar Stunden mit jemandem gesprochen hatte, der inzwischen im Jenseits weilte, packte mich die Neugier.

Ich hatte keine Angst vor Leichen. Im Gegenteil, aufgrund meiner beschränkten Erfahrung wage ich zu behaupten, dass ihr Anblick mich geradezu aufleben lässt. Ein Toter ist viel interessanter als ein Lebender, und die meisten Leichen haben sogar die spannenderen Geschichten zu erzählen. Ich schätzte mich glücklich, bereits die Bekanntschaft mehrerer Leichen gemacht zu haben. Genau genommen war Brookie die dritte.

Jetzt erkannte ich auch, was da in der Sonne glänzte. Aus Brookies Nase – nicht aus seinem Mund – ragte etwas eher Flaches, Durchbrochenes aus Silber, das mich auf den ersten Blick an ein längliches Medaillon denken ließ. An seinem Ende hing ein Tropfen von Brookies Blut.

Aus dem flachen, länglichen Silber war ein Hummer herausgestanzt, und darunter war das Monogramm der de Luces eingraviert.

DL

Es war eine silberne Hummergabel – aus unserem Familiensilber!

Ein solches Besteckteil hatte ich zuletzt bei Doggers Putzaktion auf dem Küchentisch liegen sehen.

Die Gabel lief in zwei kurze Zinken aus, die wie die Fühler einer Schnecke aussahen und dazu dienten, das rosige Fleisch aus der Hummerschale zu pulen – und die jetzt wohl in Brookie Harewoods Hirn steckten.

Tod durch Familiensilber, ging es mir durch den Kopf.

Unter mir gab jemand ein leises Jammern von sich. Porcelain hatte ich ganz vergessen.

Ihr Gesicht war fast so weiß wie das von Brookie, und sie zitterte krampfhaft.

»Um Himmels willen, Flavia, komm da runter. Lass uns hier verschwinden. Mir ist kotzübel.«

»Das ist Brookie Harewood«, stellte ich den Toten vor und sprach im Stillen ein kurzes Gebet für den Wilderer.

Behüte ihn, o Herr, und lass den Himmel für ihn voller Forellenbäche sein.

Mit einem Mal fiel mir Colin Prout ein. Ob der Junge wohl aufatmen würde, wenn er erfuhr, dass sein Peiniger tot war? Oder würde er um Brookie trauern?

Brookies Mutter würde seinen Tod vermutlich ebenso zwiespältig aufnehmen. So wie im Grunde ganz Bishop’s Lacey.

Ich setzte den Fuß auf Poseidons Knie und zog mich an seinem muskulösen Ellenbogen hoch. Jetzt war ich höher als Brookie und schaute auf das hinunter, was meine Aufmerksamkeit erregt hatte. Zwischen zwei Zinken von Poseidons Dreizack blinkte eine Stelle, etwa so groß wie ein Sixpence, als hätte jemand die Bronze mit einem Lappen poliert.

Ich prägte mir den Anblick ein, dann kletterte ich vom Brunnen herunter, wobei ich aufpasste, dass ich die Leiche nicht streifte.

»Komm!« Ich zog Porcelain am Arm. »Wir verziehen uns lieber, bevor jemand auf die Idee kommt, dass ihn eine von uns umgebracht hat.«

Ich verschwieg ihr, dass Brookies Hinterkopf eine einzige blutige Masse war.

 

Hinter einer Rosenhecke blieben wir stehen. Die Rosen erfreuten sich um diese Jahreszeit gerade ihrer zweiten Blüte. Aus dem Küchengarten hörte man Dogger mit einem Spachtel Blumentöpfe sauberschaben. Mrs Mullet war bestimmt schon nach Hause gegangen.

»Du wartest hier«, flüsterte ich. »Ich sehe nach, ob die Luft rein ist.«

Porcelain schien mich gar nicht richtig zu hören. Vor Angst und Müdigkeit ganz bleich, stand sie stocksteif zwischen den Rosen wie ein Standbild, dem jemand zum Spaß ein altes schwarzes Kleid übergeworfen hatte.

Ich flitzte über den Rasen und die kiesbestreute Auffahrt zur Küchentür, wo ich vorsichtshalber noch einmal das Ohr an das dicke Holz legte.

Wie schon erwähnt, hatte ich Harriets überscharfes Gehör geerbt. Mir wäre auch das leiseste Klappern von Töpfen und Pfannen oder eine gedämpfte Unterhaltung nicht entgangen. Mrs Mullet pflegte bei der Küchenarbeit Selbstgespräche zu führen, und falls Feely und Daffy wieder einen Hinterhalt planten, hätte ihr Gekicher sie verraten.

Hinter der Tür war alles mucksmäuschenstill.

Ich öffnete die Tür und trat in die leere Küche.

Erst einmal musste ich Porcelain ins Haus schmuggeln und irgendwo unterbringen, wo sie niemand entdecken würde. Danach wollte ich die Polizei anrufen.

Das Telefon wurde auf Buckshaw immer außer Sichtweite in einem kleinen Wandschrank in einem schmalen Gang zwischen Küche und Eingangshalle verwahrt. Wie schon gesagt, verabscheute Vater »das Instrument«, und uns allen auf Buckshaw war es verboten, das Ding zu benutzen.

Als ich den kleinen Flur entlangschlich, vernahm ich das Klackern von Absätzen auf dem Fliesenboden der Eingangshalle. Das war höchstwahrscheinlich Vater. Daffys und Feelys Schuhe hatten weichere Sohlen und verursachten sanftere Laute.

Ich verdrückte mich in die Telefonkabine und zog die Tür leise zu. Auf der kleinen Polsterbank konnte ich warten, bis die Gefahr vorüber war.

Die Schritte wurden langsamer – und hielten an. Ich wagte kaum zu atmen.

Nach ungefähr zweieinhalb Ewigkeiten entfernten sich die Schritte in Richtung Westflügel, wo sich Vaters Arbeitszimmer befand.

Ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte neben meinem Ellenbogen das Telefon.

Die Schritte machten kehrt. Ich nahm den Hörer ab und drückte ihn an die Brust. Wenn das Klingeln aufhörte, dachte Vater vielleicht, der Anrufer hätte es sich anders überlegt.

»Hallo? Hallo?«, hörte ich eine blecherne Stimme an meinem Schlüsselbein fragen. »Ist da jemand?«

Die Schritte hielten an – und gingen wieder davon. »Hallo?«, rief die gedämpfte Stimme gereizt.

Ich hob den Hörer ans Ohr und zischelte in die Sprechmuschel: »Hier ist Flavia de Luce.«

»Hier ist Wachtmeister Linnet aus Bishop’s Lacey. Inspektor Hewitt hat versucht, Sie zu erreichen.«

»Wie schön, Wachtmeister Linnet«, hauchte ich wie die Schauspielerin Olivia de Havilland, »ich wollte Sie auch gerade anrufen. Bei uns auf Buckshaw ist etwas ganz Schreckliches passiert!«

Nach beendetem Telefonat lief ich wieder in den Garten zu den Rosenbüschen. Porcelain war noch da.

»Schnell!« Ich nahm sie an der Hand und zerrte sie hinter mir her.

Dann trippelten wir auf Zehenspitzen die breite Treppe im Ostflügel hoch.

 

»Ich werd verrückt«, sagte Porcelain, als sie mein Zimmer sah. »Das ist ja groß wie ein Paradeplatz!«

»Und genauso kalt«, erwiderte ich. »Kriech unter die Decke. Ich hole dir eine Wärmeflasche.«

Ein kurzer Ausflug nach nebenan in mein Labor, fünf Minuten den Bunsenbrenner angestellt, und schon hatte ich einen roten Gummibehälter mit kochendem Wasser gefüllt, den ich unter Porcelains Füße schob.

Dann hob ich meine Matratze an und holte die Schachtel Pralinen hervor, die ich auf der Schwelle der Küchentür gefunden hatte, wo der Schankkellner Ned immer seine Liebesgaben für Feely abstellte. Da Fräulein Rotznase davon nichts ahnte, konnte sie die Naschereien auch nicht vermissen. Ich musste unbedingt dran denken, Ned bei unserer nächsten Begegnung auszurichten, wie wohlwollend seine Geschenke aufgenommen wurden. Er brauchte ja nicht zu erfahren, von wem.

»Bedien dich.« Ich riss das Zellophan von der Schachtel. »Sind vielleicht nicht mehr die Frischesten, aber es kriechen auch noch keine Maden darin herum.«

Neds Finanzen gestatteten ihm nur den Kauf von Pralinenschachteln, die mindestens ein Vierteljahrhundert im Schaufenster gestanden hatten.

Porcelain hatte sich einen Vanilletrüffel genommen, traute sich jetzt aber nicht mehr, ihn in den Mund zu stecken.

»Iss ruhig«, sagte ich. »Ich hab nur Spaß gemacht.«

Das stimmte zwar nicht ganz, aber wozu die Ärmste unnötig beunruhigen?

Ich ging zum Fenster. Bevor ich die Vorhänge zuzog, schaute ich noch einmal nach draußen. Niemand war zu sehen.

Hinter der Rasenfläche erspähte ich einen Zipfel des Visto und im Süden – Poseidon! Ich hatte völlig vergessen, dass man den Brunnen von meinem Zimmerfenster aus sehen konnte.

Sah man etwa auch …? Ich rieb mir die Augen und schaute noch einmal hin.

Ja! Dort hing Brookie Harewood. Aus der Entfernung sah es aus, als hätte der Meeresgott mit seinem Dreizack eine Vogelscheuche erlegt. Bestimmt konnte ich noch einmal hinlaufen und mich umschauen, bevor die Polizei eintraf. Und falls sie kam, während ich noch dort war, würde ich eben behaupten, ich hätte Brookie bewacht und aufgepasst, dass nichts angefasst würde und so weiter.

»Du siehst ganz erledigt aus«, sagte ich nach hinten zu Porcelain.

Als ich die Vorhänge zuzog, fielen ihr bereits die Augen zu.

»Schlaf gut«, sagte ich noch, aber das hörte sie vermutlich schon nicht mehr.

Als ich die Treppe hinunterstürmte, klingelte es an der Haustür. Mist! Ich zählte bis zehn und öffnete. Im selben Augenblick klingelte es zum zweiten Mal.

Draußen stand Inspektor Hewitt. Er hatte den Finger noch auf dem Klingelknopf und sah ein bisschen verlegen aus, wie ein kleiner Junge, den man beim Klingelmännchenspielen erwischt hatte.

Schnell ist unsere Polizei, das muss man ihr lassen, dachte ich. Es war kaum zehn Minuten her, seit ich mit Wachtmeister Linnet telefoniert hatte.

Der Inspektor schien fast erschrocken, mich an der Tür zu sehen.

»Sieh da, die allgegenwärtige Flavia de Luce.«

»Guten Abend, Herr Inspektor«, erwiderte ich mit einer Stimme, die so schneidend klingen sollte, als ob sie selbst durch Stahl wie durch Butter gegangen wäre. »Möchten Sie nicht hereinkommen?«

»Nein, vielen Dank. Man hat mich verständigt, dass sich hier wieder ein … Vorfall ereignet hat?«

»Genau. Ein Vorfall.« Ich ging auf das Spielchen ein. »Es geht um Brookie Harewood. Der kürzeste Weg ist über den Trafalgar-Rasen. Ich bringe Sie gern hin.«

»Das lässt du schön bleiben. Ich möchte dich aus der Sache komplett heraushalten. Hast du mich verstanden, Flavia?«

»Es ist unser Anwesen, Herr Inspektor.« Ich musste ihn wohl erst daran erinnern, dass er mit einer de Luce sprach.

»Stimmt. Und es ist meine Ermittlung. Wenn ich auch nur einen Fingerabdruck von dir am Tatort finde, zählst du ab sofort zu den Verdächtigen, ist das klar?«

Diese Frechheit verdiente keine Antwort. Auch nicht: Der Tatort ist voll von meinen Fingerabdrücken, Inspektor. Ich knallte ihm die Tür vor der Nase zu.

Anschließend legte ich das Ohr an die Türfüllung und lauschte angestrengt.

War das ein belustigtes Auflachen? Nein, es war gewiss ein Schreckenslaut, der dem Inspektor entfuhr, weil er sich leichtsinnigerweise die Unterstützung einer genialen Ermittlerin verscherzt hatte.

Der Teufel sollte ihn holen! Sein selbstherrliches Auftreten würde ihm noch leidtun!

Ich flog förmlich die Treppe hinauf und sperrte die schwere Tür zu meinem Labor auf. Kaum hatte ich den Raum betreten, umfing mich ein solcher Frieden, dass ich mich schlagartig beruhigte.

Das Labor war wirklich ein ganz besonderer Ort. Das durch die hohen Bleiglasfenster sanft einfallende Licht, der warme Messingglanz des Leitz-Mikroskops, das einst Onkel Tar gehört hatte und inzwischen in meinen Besitz übergegangen war, das Funkeln und Blitzen der gläsernen Gerätschaften, die Vitrinen mit den säuberlich beschrifteten Flaschen voller Chemikalien (darunter durchaus wirkungsvolle Gifte), und die Reihen von Büchern – das alles verlieh dem Raum etwas geradezu Ehrfurchtgebietendes. Ja, das Labor war mein persönliches Heiligtum.

Ich hievte einen hohen Laborhocker auf einen Tisch am Fenster. Dann holte ich aus der untersten Schublade des Schreibtischs – der für mich immer noch Onkel Tar gehörte, weil er dessen Unterlagen und Tagebücher enthielt – ein Fernglas deutscher Herkunft. Die Linsen waren, wie ich aus einem Buch in Onkel Tars Handbibliothek erfahren hatte, aus einem ganz speziellen Sand gemacht, der nur im Thüringer Wald in der Nähe des Dorfes Martinroda vorkam und aufgrund seines Gehalts an Aluminiumoxid ein unglaublich scharfes Bild lieferte. Das war jetzt genau das Richtige!

Mit dem Fernglas um den Hals stieg ich von einem Stuhl auf den Tisch und dann auf den Hocker. Mein improvisierter Aussichtsturm schwankte bedenklich, und mein Kopf streifte beinahe die Decke.

Ich hielt mich mit einer Hand am Fensterrahmen fest, mit der anderen hielt ich das Fernglas an die Augen, und mit den freien Fingern stellte ich die Schärfe ein.

Als ich jedes Blatt in den Hecken rings um den Trafalgar-Rasen deutlich erkennen konnte, stellte ich fest, dass ich den Brunnen vom Labor aus noch viel besser sah als aus meinem Zimmer.

Poseidon schaute auf ein unsichtbares Meer hinaus und schenkte dem Bündel an seinem Dreizack keine Beachtung.

Nun kam auch Inspektor Hewitt angeschlendert. Er hielt zum Schutz gegen die Sonne die Hand über die Augen und betrachtete Brookies Leiche. Er spitzte die Lippen, und ich konnte seinen Pfiff förmlich hören.

Ob er wusste, dass er beobachtet wurde?

Das Bild im Fernglas wurde plötzlich dunkler, hellte sich wieder auf – und verdunkelte sich abermals. Ich nahm das Glas von den Augen und stellte fest, dass sich eine dunkle Wolke vor die Sonne geschoben hatte; ein Gewitter zog herauf.

Ich hob das Fernglas rechtzeitig wieder, um dem Blick des Inspektors zu begegnen. Ich hielt die Luft an – aber es war eine optische Täuschung, natürlich konnte er mich nicht sehen. Wahrscheinlich schaute er zu den Wolken empor, die sich über Buckshaw zusammenbrauten.

Er drehte sich weg und dann wieder in meine Richtung. Er schien sich mit jemandem zu unterhalten. Genau so war es. Detective Sergeant Woolmer kam mit einer schweren Tasche um den Brunnensockel herum. Dr. Darby und Detective Sergeant Graves folgten ihm auf dem Fuße. Offenbar sind sie alle im gleichen Auto gekommen, dachte ich, sie sind durch die Rinne und am Gehölz vorbeigefahren.

Im Handumdrehen hatte Sergeant Woolmer sein Stativ ausgeklappt und die protzige Polizeikamera daraufgeschraubt. Mit seinen Wurstfingern stellte er das Objektiv erstaunlich geschickt ein; dann knipste er eifrig drauflos.

Ein greller Blitz zuckte auf, dicht gefolgt von einem so ohrenbetäubenden Donnerschlag, dass es mich beinahe buchstäblich vom Hocker haute. Ich ließ das Fernglas fallen und stützte mich mit beiden Händen an der Fensterscheibe ab.

Was hatte mir Daffy einmal während eines sommerlichen Wolkenbruchs erzählt?

»Bei Gewitter muss man vom Fenster weggehen, dumme Nuss.«

Und ich klebte hier von Blitzen umzuckt an der Scheibe wie ein Schmetterling auf seiner Pappkarte im Museum für Naturgeschichte.

»Wenn dich der Blitz verfehlt, saugt dir der Donner die Luft aus den Lungen, und du wirst umgekrempelt wie eine alte Socke«, hatte Daffy behauptet.

Es blitzte abermals, der Donner toste, und dann kam der Regen wie aus Kübeln herunter und trommelte auf das Dach wie tausend Kesselpauken. Die Bäume im Park bogen sich unter peitschenden Windböen.

Eigentlich war es ein aufregendes Schauspiel. Zum Kuckuck mit Daffy, dachte ich. Bestimmt konnte man sich an diese Art Spektakel gewöhnen und sich daran erfreuen.

Ich richtete mich wieder auf und setzte das Fernglas, das an seinem Riemen vor meiner Brust baumelte, wieder an die Augen.

Mir bot sich eine Szene wie geradewegs aus der Hölle. Im wässrig-grünen Licht, vom Wind zerzaust und von Blitzen beleuchtet, mühten sich die drei Beamten ab, Brookies Leichnam von Poseidons Dreizack zu heben. Sie hatten ein Seil unter den Armen der Leiche durchgeführt und ließen sie langsam, fast fürsorglich auf den Boden hinab. Poseidon ragte im Regen auf wie ein steinerner Satan, schaute aber noch genauso abwesend, ja gelangweilt drein wie eh und je.

Inspektor Hewitt griff nach dem Seil und hielt es fest, damit Brookie nicht auf dem Boden aufschlug. Die nassen Haare klebten ihm an der Stirn, und es kam mir vor, als betrachtete ich ein schauriges Passionsspiel.

Erst als Sergeant Woolmer eine Plane aus seiner Tasche gezogen und Brookies Leiche damit zugedeckt hatte, schienen die Männer daran zu denken, selbst Schutz vor dem Regen zu suchen. Dr. Darby hielt sich seine kleine schwarze Tasche über den Kopf, was aber nicht viel half.

Inspektor Hewitt hatte einen durchsichtigen Regenmantel entfaltet und über seinen klatschnassen Anzug gestreift. Ob ihm seine hübsche Frau Antigone den Regenmantel für Notfälle wie diesen in die Tasche gesteckt hatte?

Sergeant Woolmer stand da wie eine Eiche, als wäre seine Körpermasse Schutz genug gegen Wind und Regen, wogegen Sergeant Graves, der Kleinste der vier, sich unter das unterste Brunnenbecken duckte, wo er im Trockenen saß.

So plötzlich, wie es gekommen war, zog das Gewitter auch wieder davon. Die dunkle Wolke trieb nach Osten weiter, die Sonne kam heraus, und die Vögel nahmen ihren unterbrochenen Gesang wieder auf.

Sergeant Woolmer zog die wasserdichte Haube von der Kamera und machte sich daran, den Brunnen aus allen erdenklichen Perspektiven zu fotografieren. Als er mit den Nahaufnahmen anfangen wollte, schob sich ein Krankenwagen ins Bild und schaukelte über den unebenen Boden zwischen dem Gehölz und dem Trafalgar-Rasen.

Dr. Darby wechselte ein paar Worte mit dem Fahrer und half ihm, Brookies verhüllten Leichnam auf eine Trage zu legen, dann kletterte er auf den Beifahrersitz.

Der Krankenwagen rumpelte davon, kurvte um die halb vergrabenen Statuen herum, und ein Regenbogen erschien am Himmel. Die in ein unheimliches gelbes Licht getauchte Landschaft sah wie das Gemälde eines Geisteskranken aus.

Am Waldrand hinter dem Trafalgar-Rasen bewegte sich etwas. Ich schwenkte das Fernglas herum, stellte es scharf und sah gerade noch eine Gestalt im Wald verschwinden.

Noch ein Wilderer, dachte ich. Er hat die Polizisten beobachtet, will aber selbst nicht gesehen werden.

Ich suchte den Waldsaum noch einmal ab, aber der Mann blieb verschwunden

Dann folgte ich durch das Fernglas dem Krankenwagen, bis er hinter einer Hecke verschwand. Ich kletterte von meinem Hochsitz und verließ das Labor.

Wenn ich vor der Polizei in Brookies Bude eintreffen wollte, musste ich mich sputen.