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Die Vergangenheit in Angriff nehmen
 
In diesem Kapitel
 
e9783527642427_triangle.jpg Alte Muster erkennen und loslassen
e9783527642427_triangle.jpg Möglichkeiten finden zu vergeben
e9783527642427_triangle.jpg Dankbar sein
 
In diesem Kapitel geht es darum, wie Sie Glück und Wohlbefinden zu einem wichtigen Teil Ihres Lebens machen können. Dazu zeigen wir Ihnen, wie Sie wenig hilfreiche alte Gewohnheiten loswerden. Das Festhalten an Verletzungen und Unmut der Vergangenheit verhindert, dass Sie sich weiterentwickeln können. Das Beste daran ist: Wenn Sie Wege finden, dankbar zu sein und jeden Tag so zu beginnen, als sei es ihr erster Lebenstag, kann Ihnen das Frieden, Glück und Wohlbefinden einbringen.
Sich mit der Vergangenheit beschäftigen
Die Erfahrungen Ihrer Vergangenheit haben das Fundament für Ihr heutiges Verhalten gelegt, und Ihr heutiges Verhalten bestimmt Ihre Zukunft. Sie werden zwar auch glückliche Erfahrungen gemacht haben, aber es gibt vielleicht Dinge in der Vergangenheit, die Sie davon abhalten, Ihr Leben sinnvoll, glücklich und gesund zu gestalten.
 
Dieses Kapitel zeigt Ihnen mehrere Möglichkeiten, wie Sie Ihre Vergangenheit betrachten können, und hilft Ihnen zu entscheiden, ob diese Vergangenheit Sie negativ beeinflusst und hemmt. Es beschäftigt sich darüber hinaus mit der Rolle der Vergebung bei der Bewältigung schädlicher Gefühle, die Sie möglicherweise davon abhalten, das Beste aus Ihrem Leben zu machen.
Die Vergangenheit kartieren
Als Sie Kind waren, haben Sie von allen möglichen Leuten Botschaften aufgeschnappt, die später Ihr Bild von sich selbst, von anderen Menschen und der Welt insgesamt beeinflussten. Ihre Eltern, Lehrer und Freunde haben Ihnen praktische Fertigkeiten vermittelt, die Sie zum Überleben brauchen. Sie haben aber nicht nur gelernt zu überleben, sondern haben auch Erfahrungen gemacht, die Ihr Überzeugungssystem geformt haben. Ein Überzeugungssystem besteht aus Überzeugungen, die Sie im Hinblick auf sich selbst, andere und die Welt allgemein für zutreffend halten. Diese Überzeugungen beeinflussen wiederum Ihre Gefühle und Ihr Handeln. Dieses Überzeugungssystem hat auch an der Herausbildung Ihrer Persönlichkeit mitgewirkt, der Art, wie Sie mit anderen Menschen umgehen, der Art der Beziehungen, die Sie eingehen, und der Erwartungen, die Sie an sich selbst und andere stellen.
 
Wir hoffen, dass Sie bei dem Gedanken an Ihre Vergangenheit ein angenehmes Gefühl verspüren. Vielleicht ist Ihre erste emotionale Reaktion auf Ihre Vergangenheit auch Traurigkeit oder Ärger, oder einfach gemischte Gefühle. Ein Menschenleben ist nie nur gut oder nur schlecht, allerdings erleben manche Menschen mehr als das übliche Maß an Problemen und schmerzlichen Erfahrungen. Sollte das bei Ihnen der Fall sein, ist es verständlich, wenn Sie mehr unglückliche als angenehme Gefühle verspüren. Ihre vergangenen Erfahrungen haben wahrscheinlich bei Ihnen bestimmte Denkweisen mit sich gebracht, und diese Denkweisen drängen Sie zu Verhaltensweisen, die zu den jeweiligen Gedanken passen. Wenn Sie schlechte Erfahrungen gemacht haben, fällt es Ihnen etwa schwerer, anderen Menschen Vertrauen entgegenzubringen oder Freundschaften aufzubauen – positive Erfahrungen begünstigen dagegen eher Offenheit und Vertrauen.
 
e9783527642427_i0015.jpgNehmen Sie einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und schreiben Sie die Überschrift »Karte meines Lebens« auf das Blatt. Teilen Sie die Fläche in drei Spalten ein: Überschreiben Sie die erste Spalte mit »Alter«, die mittlere mit »Glückliche Erfahrungen« und die dritte mit »Traurige Erfahrungen«. Teilen Sie die erste Spalte in Altersspannen ein, etwa 10 bis 20 Jahre, 20 bis 30 Jahre und so weiter, wie Sie es in Abbildung 3.1 sehen können, bis Sie Ihr aktuelles Alter erreichen.
Wenn Sie damit fertig sind, schreiben Sie unter die jeweilige Überschrift alle Erinnerungen, gute wie schlechte, an die Sie sich aus der jeweiligen Zeitspanne erinnern können. Wenn Sie mit der Übung fertig sind, nehmen Sie sich ein wenig Zeit, um über Ihre Erfahrungen, Ihre Gefühle und Ihre Gedanken nachzudenken, die in Ihnen aufkommen, wenn Sie Ihr Leben in dieser Weise vor sich ausgebreitet sehen. Abbildung 3.1 zeigt beispielhaft, wie eine solche Karte aussehen kann.
 
Loslassen – vergeben oder gar vergessen
Wenn Sie auf Ihr bisheriges Leben zurückblicken, empfinden Sie dann gegenüber bestimmten Menschen oder im Hinblick auf bestimmte Ereignisse Ärger oder Groll? Vielleicht fühlen Sie sich ungerecht behandelt und können sich nicht dazu durchringen, demjenigen zu vergeben. Es ist nichts Ungewöhnliches, dass man einzelnen Menschen nachträgt, dass sie einen schlecht behandelt haben, oder dass man sich darüber ärgert, wie sich die eigene Lebenssituation entwickelt hat.
 
Nehmen wir nur Marie – ein sehr kluges und talentiertes Kind, dessen Eltern arm waren. Als Marie im Alter von 11 Jahren den Eignungstest für das örtliche Gymnasium schaffte, konnten sich ihre Eltern weder die Schuluniform noch die anderen Extras leisten, die man an dieser Schule brauchte. Also musste sie zur Gesamtschule. Marie zeigte zwar gute Leistungen, ärgerte sich aber immer darüber, dass sie nicht aufs Gymnasium gehen konnte, weil sie dachte, dass sie auf diesem Weg mehr hätte erreichen können. Obwohl sie wusste, dass ihre Eltern die Schulgebühren nicht hatten zahlen können, ärgerte sie sich und warf ihren Eltern innerlich vor, dass sie sich mehr ins Zeug hätten legen können. Auch als Erwachsene konnte Marie diese Überzeugung nicht loswerden. Immer wenn sie am Arbeitsplatz eine Enttäuschung erlebte, dachte sie, dass sie zu einer besseren Universität hätte gehen können, wenn sie einen höheren Bildungsweg hätte nehmen können, dann hätte sie jetzt mehr Respekt und bessere Aussichten.
Abbildung 3.1: Karte meines Lebens
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Die Schikanen, die Jonas von einem bestimmten Jungen in der Schule erleiden musste, kann er bis heute nicht vergessen. Er war immer ein ruhiges Kind mit wenigen echten Freunden gewesen. Seine schlechten Erfahrungen machten ihn misstrauisch anderen Menschen gegenüber und erschwerten es ihm, Freundschaften zu schließen, weil er immer die Motive der anderen infrage stellte. Aufgrund seiner negativen Einstellung empfand Jonas immer Enttäuschung und Unzufriedenheit angesichts seines Lebens und sah die Gründe für seine mangelnde Teilhabe an der Gemeinschaft in der Behandlung, die er während der Schulzeit erfahren hatte.
Janina blickte auf eine achtjährige Ehe zurück, als ihr Mann sie wegen seiner Sekretärin verließ. Selbst als sie wieder im Leben Fuß gefasst hatte und finanziell auf eigenen Beinen stehen konnte, haderte sie immer und immer wieder mit ihrer Vergangenheit. Ärger und Wut wichen nie von ihr und sorgten dafür, dass sie Männern, denen sie begegnete, grundsätzlich misstraute. Das führte dazu, dass sie Männer, die als potenzielle Partner infrage gekommen wären, derart auf den Prüfstand stellte, dass diese aufgrund ihres nicht nachvollziehbaren Verhaltens schnell wieder das Weite suchten. Janina wiederum sah darin immer nur den klaren Beweis, dass man Männern einfach nicht trauen könne.
 
Bei Marie, Jonas und Janina hatte das Festhalten an in der Vergangenheit erlittenen Verletzungen dazu geführt, dass es ihnen nicht möglich war, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Sicher standen alle drei vor erheblichen Herausforderungen, aber ihre Unfähigkeit, zu vergeben und sich weiterzuentwickeln, führte dazu, dass sie sich den Rest ihres Lebens einsam und frustriert fühlten.
Vergeben oder gar vergessen
Man sagt, dass Elefanten nie vergessen, aber sich dazu durchzuringen zu vergeben, bedeutet nicht, dass man auch alles vergessen muss. Ein unglückliches Erlebnis kann auch zu einem positiven Ende geführt werden. Wenn Sie der Person vergeben können, die Sie verletzt hat, und damit die negativen emotionalen Folgen loswerden, sind schließlich Sie derjenige, der davon profitiert.
 
Eine Kartoffel, zwei Kartoffeln ...
 
Ein kluger Lehrer, den wir gut kennen, bat seine Schüler, eine durchsichtige Plastiktüte und ein paar Kartoffeln mit in die Schule zu bringen. Er forderte die Klasse dann auf, für jede Person, der sie nicht so recht vergeben konnten, eine Kartoffel zu nehmen und den Namen dieser Person sowie alle Einzelheiten, über die sie sich ärgerten, auf diese Kartoffel zu schreiben. Die Kartoffeln sollten sie dann in die Plastiktüte stecken. So füllten sich die Tüten mit mehr oder weniger vielen Kartoffeln.
 
 
Wir fordern Sie auf, dies ebenfalls zu tun, und ihre Tüte dann ein oder zwei Wochen mit sich herumzuschleppen. Sie werden bald merken, dass der alte Groll, den Sie mit sich herumschleppen, genauso schwer auf Ihnen lastet wie die Tüte mit den Kartoffeln. Die Menschen, über die Sie sich immer noch ärgern, sind längst weitergezogen, aber Sie schleppen sich immer noch mit diesen alten, ungesunden und schädlichen Gefühlen ab.
Wenn Sie zum Beispiel in jüngeren Jahren sehr vertrauensvoll waren und gemerkt haben, dass andere das ausnutzen, ist es für Sie sinnvoll, darauf zu achten, wie Sie darangehen, Freundschaften aufzubauen.
 
Britta war mit Anfang zwanzig sehr vertrauensvoll, kam aber mit der Zeit dahinter, dass andere dies ausnutzten. Einmal hatte sie längeren Besuch von einer Freundin, die gar nicht daran dachte, sich an den Haushaltskosten zu beteiligen, sich aber trotzdem fröhlich bei allem bediente und sich sogar Geld bei Britta lieh, ohne es zurückzugeben. Das war für Britta sehr belastend und sie wusste nicht, wie sie mit dieser Situation umgehen sollte. Sie fing an, anderen zu misstrauen, was dazu führte, dass sie sich von anderen Menschen abkapselte, um weitere Verletzungen zu vermeiden. Das führte schließlich dazu, dass sie sich einsam und unglücklich fühlte. Nach einer Weile begann Britta eine Therapie. Ihr Therapeut regte an, dass sie einen Selbstbehauptungskurs machen sollte, und arbeitete parallel dazu mit ihr daran, vernünftige persönliche Grenzen zu entwickeln. Beides ermöglichte Britta, wieder Freundschaften eingehen zu können. Sie entdeckte, wie sie Freundschaften langsam wachsen lassen konnte, anstatt sich gleich hineinzustürzen, bevor sie die Möglichkeit hatte, den Charakter eines Menschen zu erproben, den sie gerade nach und nach kennenlernte. Ihr Selbstbehauptungstraining vermittelte ihr die Fähigkeit, Nein zu sagen und selbstbewusst mit anderen zu kommunizieren. Am Ende dieses Prozesses hatte Britta sich mit mehreren vertrauenswürdigen und hilfsbereiten Menschen angefreundet und fühlte sich in der Lage, Situationen zu erkennen, in denen sie sich früher Risiken ausgesetzt hätte. Britta geht jetzt offen und gelassen mit anderen Menschen um (wenn man nicht offen ist, kann es schwierig sein, Freundschaften zu schließen) und hat gelernt, sich selbst in einer positiven Weise zu schützen.
 
Manchen Menschen fällt es schwer, sich selbst Dinge zu vergeben, die sie in ihrem Leben getan haben. Klaus war mit Alina zusammen, seit die beiden 15 Jahre alt waren. Die beiden blieben während der Schulzeit, dem Studium und auch danach zusammen. Mit 30 Jahren begann Klaus zu erkennen, dass ihm zwar sehr an Alina gelegen war, sie für ihn aber mehr beste Freundin als die Frau war, mit der er den Rest seines Lebens verbringen wollte. Er kämpfte mit seinen Gefühlen, trennte sich aber schließlich von Alina, nachdem er am Arbeitsplatz eine Frau kennengelernt hatte, die er wirklich mochte. Seine neuen Gefühle öffneten ihm die Augen für das, was er im Zusammenleben mit Alina vermisst hatte. Klaus traf sich jedoch nie mit der anderen Frau, weil er das Gefühl hatte, dass es falsch war, Alina zu verlassen und ein eigenes Leben aufzubauen. Er fühlte sich jedoch ständig schlecht und schuldig, und das wirkte sich auf seine Gesundheit und sein Glück aus. Klaus kümmerte sich um Alina und achtete darauf, dass er sich fair und ehrenhaft verhielt, was ihre finanzielle Situation betraf. Andererseits wurde er das Gefühl nicht los, ein schlechter Mensch zu sein. Er baute nie eine Beziehung zu der Frau am Arbeitsplatz auf, weil sie ihn jedes Mal, wenn er sie ansah, an sein in seinen Augen egoistisches Verhalten erinnerte.
 
Wenn Sie an Ärger, Groll, Schuldgefühlen und Verletzungen längst vergangener Tage festhalten, kann das negative Folgen wie die hier aufgeführten haben:
e9783527642427_coche.jpg  Sie geben ungeklärten Schuldgefühlen und Gewissensbissen im Zusammenhang mit Taten, wegen denen Sie sich schlecht fühlen, immer neue Nahrung.
e9783527642427_coche.jpg  Sie streben ständig nach Rache und Vergeltung.
e9783527642427_coche.jpg  Sie empfinden diffusen Ärger, Feindseligkeit und Verbitterung.
e9783527642427_coche.jpg  Sie verfestigen defensive und ungesunde Verhaltensweisen, um sich selbst zu schützen.
e9783527642427_coche.jpg  Sie haben das Gefühl zu versagen und zurückgewiesen zu werden, haben Angst, von anderen nicht anerkannt zu werden, Sie haben kein Selbstvertrauen und meiden Konflikte.
e9783527642427_coche.jpg  Sie leiden unter Stress.
Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie vergessen, was in der Vergangenheit passiert ist. Wenn Sie sich aber die Last aufbürden, erlittenes Unrecht nicht vergeben zu können, sind Sie der einzig Leidtragende. Sie müssen sich der Frage stellen, ob Sie einen doppelten Schlag ins Kontor hinnehmen wollen (den einen bei dem Ereignis in der Vergangenheit und den anderen, weil Sie Ihre negativen Gefühle aufrechterhalten) oder ob Sie aus dem Ereignis etwas Positives ziehen und dann Ihren Weg fortsetzen wollen.
Zehn Schritte hin zur Vergebung
Nachdem Sie sich entschieden haben zu vergeben oder gar zu vergessen, besteht Ihre nächste Aufgabe darin, die negativen Gefühle loszulassen, die Sie so lange mit sich herumgeschleppt haben. Dazu müssen Sie Ihr Denken in Bezug auf das in der Vergangenheit Geschehene infrage stellen.
 
Im Folgenden finden Sie einige Möglichkeiten aufgelistet, ungewollte Gefühle loszuwerden. Wenn einer oder mehrere dieser Punkte auf Sie zutreffen, bedeutet das nicht, dass Sie ein schlechter Mensch sind. Es bedeutet lediglich, dass Ihre Erfahrungen Sie dazu bewegt haben, die Welt in einer Weise wahrzunehmen, die Ihnen zu der gegebenen Zeit aufgrund Ihrer Lebenserfahrungen sinnvoll erschien. Das Gute ist, dass wir all das erst lernen, was wir im Leben tun. Und wenn wir etwas auf die eine Art zu tun lernen, können wir auch andere Arten lernen. Versuchen Sie also Folgendes:
1.    Erkennen Sie an, dass wir alle nur Menschen sind und dass niemand perfekt ist, auch Sie nicht! Sowohl Sie als auch die jeweils andere Person haben Schwächen und machen Fehler. Atmen Sie tief ein und sagen Sie sich beim Ausatmen: »Ich muss nicht perfekt sein und andere Menschen müssen das auch nicht.«
2.    Versuchen Sie, die Situation zu bewältigen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie sich schlecht benommen haben, machen Sie es wieder gut — sprechen Sie mit der betreffenden Person und entschuldigen Sie sich. Manchmal kommt es nur darauf an, dass jemand den ersten Schritt tut. Wenn Sie sich entschuldigen und versuchen, die Dinge wieder gerade zu rücken, werden Sie meist feststellen, dass Ihr Gegenüber Sie nicht daran hindert und dass Sie beide sich daranmachen können, entstandene Verletzungen zu heilen. Hat Sie jemand verletzt, schreiben Sie auf, was derjenige getan hat und wie es bei Ihnen angekommen ist, und schicken Sie der Person einen Brief oder sprechen Sie persönlich mit ihr. Sie müssen niemanden aus seiner Verantwortung entlassen oder sein Verhalten entschuldigen, um demjenigen zu vergeben. Manchmal merken Menschen nicht, wie sich ihr Verhalten auf andere auswirkt. Wenn ihnen dann jemand diese Auswirkungen vor Augen führt, kann das dazu beitragen, dass sie lernen, dieselben Fehler nicht immer wieder zu machen und ein besserer Mensch zu werden. Selbst wenn die betreffende Person sich absolut bewusst ist, was sie getan hat, können Sie sich die Sache vom Herzen reden, indem sie ihr sagen, wie Ihre Seite der Medaille aussieht, ob man Ihnen nun zuhört oder nicht. Sie können andere Menschen nicht steuern, aber Sie können steuern, was Sie selbst sagen und tun.
3.    Drücken Sie Ihre Gefühle aus. Wenn die Person, gegen die Sie Groll hegen oder mit der Sie schmerzliche Gefühle verbinden, nicht mehr lebt oder für Sie aus anderen Gründen nicht mehr greifbar ist, schreiben Sie Ihre Erlebnisse und Gefühle in einem Brief nieder und sagen Sie der Person, dass Sie zwar nicht alles vergessen, aber ihr vergeben. Verschließen Sie den Brief, binden Sie ihn an einen Ballon und lassen Sie ihn auf freiem Feld fliegen. Stellen Sie sich dabei vor, dass Ihr alter Ärger mit davonschwebt.
4.    Nehmen Sie die Entschuldigung der anderen Person an. Es mag einige Zeit dauern, bis Sie dem Betreffenden wieder Vertrauen entgegenbringen können oder die Person Ihr Vertrauen wieder verdient. Wenn Sie jedoch eine Entschuldigung annehmen und mit demjenigen daran arbeiten, die gemeinsame Beziehung wieder aufzubauen, haben Sie die Möglichkeit, einen Menschen zurückzugewinnen, der für Sie wichtig ist, und ihre Beziehung auf der Grundlage einer besseren Kommunikation zu stärken.
5.    Nehmen Sie hin, dass es eben einen treffen muss. Das Leben kann schon ungerecht sein. Manchmal sind Menschen, die in widrige Umstände hineingeboren werden, erfolgreicher als andere, weil diese Widrigkeiten den Wunsch nach einem besseren Leben erzeugen und einen Hunger nach Ausgleich. Was haben Ihnen Ihre Erfahrungen gebracht und was haben Sie daraus gelernt? Sie kennen sicher den Ausdruck »Silberstreif am Horizont«. Fast immer kann man einer schwierigen oder traumatischen Erfahrung etwas Positives abgewinnen. Unsere Arbeit mit Menschen, die lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt waren, zeigt uns, dass viele nach der Überwindung dieser Situation sich als stärker erlebt haben oder sorgsamer und verständnisvoller mit anderen Menschen umgegangen sind als vorher.
6.    Versuchen Sie darauf zu achten, dass Sie nicht alle Menschen negativ beurteilen. Eine Klientin sagte mir einmal, dass sie nach der leicht abgewandelten biblischen Maxime lebe: »Behandle andere so, wie sie dich behandeln, aber handle zuerst!« Auf diese Weise kommt man einem glücklichen, gesunden und erfüllten Leben sicher nicht näher und macht sich auch keine Freunde.
7.    Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch, wenn Sie sie brauchen. Manchmal ist es schwer, erlittene Verletzungen loszulassen. Wenn Sie es nicht allein schaffen, suchen Sie einen Psychiater, Psychologen oder Berater auf, der Ihnen helfen kann, zu begreifen, was passiert ist, inneren Frieden zu finden und sich weiterzuentwickeln.
8.    Fragen Sie sich, was es Ihnen bringt, andere Menschen zu beschuldigen. Ändern diese Schuldzuweisungen irgendetwas oder verschwenden Sie damit nur emotionale Energie?
9.    Nehmen Sie sich die Zeit, über Ihren Ärger nachzudenken. Reservieren Sie abends etwas Zeit dafür, sich vorzustellen, wie anders Ihr Leben verlaufen könnte, wenn Sie Ihren alten Ärger nicht mehr mit sich herumschleppten, und wie Ihr Ärger Sie zurückhält.
10.    Erkennen Sie an, dass es in Ihrem Leben auch positive Dinge gibt. Pflegen Sie die guten Dinge und lassen Sie sie wachsen und gedeihen. Je mehr Sie sich auf das Gute konzentrieren, desto weniger Zeit haben Sie, sich mit negativen Dingen zu beschäftigen.
Vergebung möglich zu machen, ist eine ungemein wertvolle Fähigkeit, die Ihnen einerseits ermöglicht, mit schmerzlichen Erfahrungen fertig zu werden, und andererseits mehr von dem zu erreichen, was Sie in Ihrem Leben haben möchten. In diesem Sinne ist die Fähigkeit zur Vergebung ein positiver und fruchtbarer Aspekt der »Ichbezogenheit«.
Dankbarkeit lernen
Aktive Dankbarkeit und die Suche nach Möglichkeiten, einer negativen Grundeinstellung etwas entgegenzusetzen, sind gut für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden. Psychologen gehen davon aus, dass die Konzentration auf negative Aspekte eine Form des Selbstschutzes darstellt. In Urzeiten war es für unsere Vorfahren die beste Lebensversicherung, auf der Hut zu sein und immer auf das Schlimmste gefasst zu sein, denn es bestand immer die Gefahr, unversehens als Frühstück eines hungrigen Säbelzahntigers zu enden! Zum Glück ist die Gefahr, von wilden Tieren gefressen zu werden, für uns heute eher gering, sodass wir uns gegen solche Gefahren nicht schützen müssen. Dennoch hat das Leben im 21. Jahrhundert durchaus dunkle und gefährliche Seiten, die dazu führen, dass Menschen im Bemühen, möglichen Gefahren auszuweichen, überwiegend negativ ausgerichtet sind.
 
Wenn Sie stattdessen jeden Tag nach Dingen suchen, für die Sie dankbar sein und die Sie schätzen können, macht Sie das zu einem glücklicheren Menschen und kommt Ihrer Gesundheit, Ihren Beziehungen und Ihrem Erfolg in der Welt zugute.
Danke sagen
Forschungen belegen, dass Menschen, die Dankbarkeit zeigen können, intensivere positive Gefühle empfinden, zufriedener mit ihrem Leben sind, ihre Vitalität steigern und optimistischer gestimmt sind. Dankbarkeit für das, was man hat, und die Menschen, mit denen man zusammenlebt, befördert die Entstehung positiver Gefühle und die Fähigkeit zu vergeben. Man hat ein stärkeres Gefühl des Wohlbefindens und erlebt weniger Depressionen und Stress. Dankbarkeit führt eher zu einer Steigerung angenehmer Gefühle als zu einer Minderung negativer Gefühle. Dankbar zu sein heißt nicht, dass man die negativen Aspekte des Lebens leugnen oder ignorieren muss.
Verschiedenartige negative Gefühle erkennen
Der Psychologe Albert Ellis hat die Begriffe gesunde negative Gefühle und ungesunde negative Gefühle geprägt. Gesunde negative Gefühle sind solche, die ganz natürlich zum Leben gehören, etwa Traurigkeit nach einer Trennung oder dem Tod eines Haustiers. Das sind natürliche Reaktionen und Gefühle, die der jeweiligen Situation angemessen sind und die man verarbeiten muss. Ungesunde negative Gefühle sind überwältigende Gefühle wie Wut oder extremer Neid, die der Situation nicht angemessen sind und auf den Betreffenden und sein Umfeld destruktiv wirken. Wenn Ihnen jemand auf die Zehen tritt, tut es schließlich weh, ob es sich nun um ein Missgeschick handelt oder nicht, und Sie haben allen Grund »Aua« zu schreien.
 
Dankbar zu sein heißt auch, den Menschen um Sie herum zu danken. Wann haben Sie das letzte Mal jemandem gesagt, wie sehr Sie ihn schätzen? Wir nehmen viel zu viel als selbstverständlich hin und gehen davon aus, dass die Menschen, die uns nahestehen, sowieso wissen, was wir für sie empfinden. Können Sie sich daran erinnern, als Sie einmal jemand gelobt hat und wie gut Sie sich dabei gefühlt haben? Wenn Sie Ihre Dankbarkeit ausdrücken, festigen Sie dadurch die Bindungen an andere Menschen und führen sich selbst vor Augen, wie glücklich Sie sind.
Einen Dankesbrief schreiben
Ein oft genutztes Mittel der Positiven Psychologie, mit dessen Hilfe man die Fähigkeit zur Dankbarkeit erlernen kann, ist das Verfassen eines Dankesbriefes.
Abbildung 3.2: Ein Dankesbrief
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Denken Sie an jemanden, der Ihnen viel bedeutet, eine Person, die sich um Ihr Wohlbefinden gekümmert oder es geschafft hat, dass Sie sich in Ihrer Haut wohlfühlten, und bei der Sie sich nie richtig bedankt haben. Schreiben Sie dieser Person einen Brief, in dem Sie Ihre Gefühle beschreiben. Sagen Sie ihr, wie positiv sich ihr Handeln auf Sie ausgewirkt hat. Wenn es Ihnen möglich ist, lesen Sie dieser Person Ihren Brief laut vor. Vielen Menschen ist es peinlich, diese Übung zu machen, und sie sind entsprechend nervös, aber wenn Sie in den vollen Genuss der Vorteile dieser Übung kommen wollen, sollten Sie sich beide genug Zeit lassen, die ganze Bandbreite der Gefühle zu erleben, die diese Übung mit sich bringt.
 
Abbildung 3.2 zeigt einen Brief, den Gladeana an ihre allererste Tutorin schrieb, eine Frau, die ihr Leben stark beeinflusst hat.
Dankbar sein für das, was man hat
Konzentrieren Sie sich mehr darauf, was Sie nicht haben, statt auf das, was Sie haben? In der Regel fällt es leichter aufzuzählen, was man noch will, als das, was man hat. Vielleicht fällt Ihnen zuerst Ihr mangelnder finanzieller Erfolg ein, bevor Sie an Ihre tolle Familie denken, obwohl die Liebe, die Sie für Ihre Familie empfinden und die Sie von ihr empfangen, viel mehr wert ist als ein dickes Bankkonto. Wenn Geld, Ruhm und ein dickes Portemonnaie glücklich machen würden, warum lassen sich dann so viele hoch bezahlte Stars immer wieder in Entzugskliniken behandeln!
 
Wenn Sie benennen können, wofür Sie dankbar sind, ist das der erste Schritt auf dem Weg zur Dankbarkeit. Wir wollen Ihnen ein kleines Beispiel zeigen: Sie stehen an der Bushaltestelle in der Kälte, und während Sie dort auf den Bus warten, der einfach nicht kommen will, sehen Sie ein kleines Mädchen, das mit seinen bunten Gummistiefeln durch die Pfützen springt und dabei vor Glück nur so strahlt. Dieser Anblick lenkt Sie zum einen von dem Gedanken an die Kälte ab und lässt Sie zum anderen an dem Vergnügen des Kindes teilhaben, erinnert Sie an Ihre eigenen Kinder oder belebt glückliche Kindheitserinnerungen wieder.
 
Gewöhnen Sie sich an, die kleinen Freuden im Leben zu schätzen. Es mag zwar lobenswert sein, wenn Sie sich zum Wohle Ihrer Familie verbessern und die Karriereleiter heraufklettern oder sich in der Gesellschaft etablieren, aber solche Bestrebungen können Sie blind machen für das, was den Alltag wirklich lebenswert macht.
 
e9783527642427_i0018.jpgMartin Seligman empfiehlt eine Übung mit dem Namen Dreimal Glück, mit deren Hilfe Sie erkennen können, was Ihnen im Laufe des Tages Gutes widerfahren ist. Wir haben die Übung um eine weitere Dimension ergänzt: Abgesehen von dem Ereignis selbst und der Dankbarkeit dafür ist es auch wichtig, dass Sie darüber nachdenken, warum Sie dankbar sind und was das Ereignis für Sie bedeutet. Dadurch werden Sie ermutigt, darüber nachzudenken, was Ihnen aufgefallen ist und wofür es steht, und entwickeln dabei ein besseres Gespür für Sinn und Bedeutung. Diese Übung hilft Ihnen zu erkennen, dass es in Ihrem Leben viele Dinge gibt, für die Sie dankbar sein können, und ermöglicht Ihnen, zu benennen, was genau ein Ereignis für Sie zu einem schätzenswerten Ereignis macht.
Legen Sie sich ein Dankbarkeits-Tagebuch zu und schreiben Sie abends vor dem Zubettgehen wenigstens drei Dinge auf, die gut gelaufen sind oder Ihnen tagsüber ein angenehmes Gefühl verschafft haben. (Mit zunehmender Übung werden Sie feststellen, dass Ihr Alltag voller Ereignisse ist, die Sie bisher nie richtig wahrgenommen haben.) Formulieren Sie Ihre Ereignisberichte etwa so: »Ich war dankbar, dass ... «. Durch die Verwendung des Wortes »dankbar« erinnern Sie sich selbst daran, dass es im Leben viele Dinge gibt, die nichts mit Geld, Status oder Erfolg zu tun haben, Ihr Leben aber trotzdem lebenswert machen. Abbildung 3.3 zeigt ein Beispiel für einen solchen Tagebucheintrag. Diese Übung hilft Ihnen, eine Art allgemeine Inventur Ihres Alltagslebens zu erstellen, und ermutigt Sie, nach den kleinen Dingen in Ihrem Leben Ausschau zu halten, die sich jeden Tag ereignen.
 
Je mehr Sie sich dafür erwärmen können, dankbar zu sein – das zeigen aktuelle Forschungsergebnisse – , desto widerstandsfähiger werden Sie auf Stress reagieren können.
Abbildung 3.3: Eintrag in ein Dankbarkeits-Tagebuch
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Die Perspektive eines Kindes einnehmen
Versuchen Sie, jeden Tag so anzugehen, als wäre es Ihr erster. Wenn Sie morgens aufwachen, haben Sie die Gelegenheit, Ihren Tag positiv, gesund und glücklich zu gestalten, ganz wie ein Kind, das jeden Morgen voller Neugier und Verwunderung aufwacht.
So sein, wie Sie sein wollen
Wenn Sie es schaffen, die vielen guten Dinge in Ihrem Leben zu schätzen, kann das Ihrem Dasein eine ganz neue Dimension verleihen: Sie können die Person sein, die Sie sein wollen. Das kostet kein Geld. Was Sie brauchen ist Mut, Entschlusskraft und Fleiß. Stellen Sie Ihr Verhalten so um, dass es die Lebensgeister weckt und Ihre Stimmung hebt, und Sie können nicht nur Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden, sondern auch Ihre Lebenserwartung steigern.
 
Aktuelle Studien zeigen, dass die Chancen, Ihr Leben selbst zu steuern, sehr gut für Sie stehen. Selbst wenn man von der pessimistischen Annahme ausgeht, dass die Hälfte Ihrer psychischen Konstitution genetisch bedingt ist und 10 Prozent von den Ereignissen in Ihrem Leben bestimmt wird, bleiben immer noch 40 Prozent Ihres Lebens übrig, das Sie selbst steuern können. Eine 40-prozentige Verbesserung der Lebensqualität kann sich enorm auswirken, Sie müssen nur die Herausforderung annehmen, der Mensch zu sein, der Sie sein wollen.
Das beste Leben wählen
Wenn Sie darüber nachdenken, wie Sie das beste Leben für sich selbst finden, sollten Sie in drei Kategorien tätig werden. Sie müssen
e9783527642427_coche.jpg  erkennen, was Sie wollen.
e9783527642427_coche.jpg  die Fähigkeiten und Strategien entwickeln, die Sie brauchen, um Ihr Ziel zu erreichen.
e9783527642427_coche.jpg  handeln.
In den Kapiteln 8 und 9 finden Sie weitere Möglichkeiten, wie Sie das Beste aus Ihrem Leben herausholen können.
Erkennen, was Sie wollen
Stellen Sie sich folgende Fragen: »Wer will ich sein?«, »Welche Eigenschaften will ich entwickeln? « und »Wie will ich mein Leben leben?«. Wenn Sie diese Fragen beantwortet haben, können Sie sich daranmachen, so zu handeln, dass Sie Ihre Ziele unterstützen und ein entsprechendes Leben aufzubauen.
Die notwendigen Fähigkeiten und Strategien entwickeln
Wenn Sie erst einmal wissen, was Sie wollen, müssen Sie die Fähigkeiten und Strategien entwickeln, die Sie zur Umgestaltung Ihres Lebens befähigen. Studien belegen, dass man diese Fähigkeiten und Strategien erlernen kann (etwa Möglichkeiten finden, zu vergeben und mehr Dankbarkeit zu empfinden). Sie brauchen nur das nötige Engagement.
Mit dem nötigen Handeln alles zusammenfügen
Wenn Sie wissen, was zu tun ist, müssen Sie sich nur noch dazu aufraffen, so zu handeln, dass sich für Sie alles zum Besten entwickelt. Das ist wie ins Fitnessstudio gehen: Je mehr Power Sie in Ihr Training stecken, desto fitter werden Sie. Je eifriger Sie Ihre lebensverbessernden Fähigkeiten üben, desto besser wird das Leben für Sie sein.
 
Sie haben die Wahl, Ihre Vergangenheit loszulassen und sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Fangen Sie heute an, indem Sie positive Entscheidungen treffen, die Ihr Leben verändern. Es liegt ganz bei Ihnen.