»Schließen Sie die Sitzgurte«
Die Raketen waren aktiviert.
In ganz Amerika, in der Wüste, im Gebirge, auf Straßen und Eisenbahnen und selbst draußen auf dem Meer liefen die Startvorbereitungen an. Die Raketenbasen in Dakota, Montana und Wyoming wurden in die höchste Alarmstufe versetzt. Sirenen heulten auf. Computer liefen förmlich heiß. Es war der Beginn einer Panik, die sich innerhalb weniger Minuten auf der ganzen Welt ausbreiten sollte.
Und eine Rakete nach der anderen explodierte förmlich aus ihrem Silo und stieg brüllend in die Luft– ein Anblick furchtbarer, entsetzlicher Schönheit.
Acht Minuteman-, acht Peacekeeper-, fünf Poseidon- und vier Trident-D5-Raketen stiegen genau gleichzeitig in die obere Atmosphäre und rasten mit Geschwindigkeiten von bis zu 8000Stundenkilometern dahin.
Manche wurden aus Silos abgefeuert, die tief in den Boden versenkt waren, andere aus speziell umgebauten Eisenbahnwaggons, wieder andere von Unterseebooten. Und niemand wusste, wer den Befehl gegeben hatte. Es war ein Milliarden Dollar teures Feuerwerk, das die Welt für immer verändern würde.
Und in 90Minuten würde alles vorbei sein.
Im Kommunikationsraum von Air Force One leuchteten die Computerbildschirme rot; auf allen Schalt- und Kontrolltafeln blinkte und blitzte es. Cray starrte fasziniert um sich und stand zufrieden grinsend auf.
»Das war’s dann«, sagte er. »Jetzt kann niemand mehr etwas dagegen unternehmen.«
»Die Amis werden alle Flüge abbrechen«, sagte Alex. »Sobald ihnen klar wird, was passiert ist, werden sie auf einen Knopf drücken und alle Raketen werden sich selbst zerstören.«
»Ganz so einfach wird es nicht sein, fürchte ich. Du musst wissen, dass alle Startprotokolle genau eingehalten wurden. Schließlich war es der Computer der Air Force One, der die Starts auslöste, deshalb kann auch nur Air Force One den Abbruch befehlen. Ich habe schon bemerkt, dass du den kleinen roten Knopf genau beäugt hast, Alex. SELF-DESTRUCT. Aber an den lass ich dich nicht ran, mein Lieber. Wir gehen jetzt.«
Cray gestikulierte mit der Pistole und Alex verließ gezwungenermaßen den Kontrollraum. Sie kehrten in die Hauptkabine zurück. Alex’ Kopf schmerzte immer noch heftig von dem Schlag mit der Pistole. Er musste unbedingt seine Kräfte wiederfinden. Aber wie viel Zeit blieb ihm eigentlich noch?
Yassen und Sabina warteten auf sie. Sobald Alex erschien, wollte Sabina zu ihm hinüberlaufen, aber Yassen hielt sie zurück. Cray ließ sich neben ihr in das Sofa sinken.
»Höchste Zeit zu verschwinden!«, verkündete er und grinste Alex an. »Dir ist doch hoffentlich klar, dass dieses Flugzeug buchstäblich unzerstörbar ist, sobald es sich in der Luft befindet. Man könnte sagen, es ist das perfekte Fluchtgefährt. Das ist das Schöne daran. Sein Rumpf ist mit über 350Kilometer Metallgeflecht verstärkt, sodass es sogar die Druckwelle einer Atomexplosion aushalten kann. Nicht dass das einen Unterschied machen würde! Selbst wenn sie es schafften, uns abzuschießen, würden die Raketen dennoch ihre Ziele finden. Und die Welt könnte trotzdem gerettet werden!«
Alex schüttelte den Kopf, um wieder klarer denken zu können.
Im Flugzeug befanden sich nur fünf Personen– Sabina, Yassen, Damian Cray und er selbst. Und natürlich Henryk, aber der saß im Cockpit. Alex blickte zur Tür hinaus, die noch offen stand. Die falschen amerikanischen Soldaten standen im Halbkreis um die Treppe. Selbst wenn jemand vom Tower oder vom Flughafengebäude herüberblickte, würde nichts an dieser Szene ihr Misstrauen auslösen. Aber wahrscheinlich schaute ohnehin niemand. Die Behörden hatten vermutlich alle Hände voll zu tun, um den Flughafen zu evakuieren und die tödliche Nervengaswolke zu bekämpfen, die es gar nicht gab.
Alex war klar, dass er nur etwas unternehmen konnte, solange das Flugzeug noch am Boden war. Cray hatte Recht: Sobald es in der Luft war, würde er nicht mehr die geringste Chance haben.
»Schließen Sie die Tür, Gregorovich«, befahl Cray. »Ich denke, wir sollten jetzt starten.«
»Einen Moment noch!«, rief Alex und sprang auf, aber Cray gab ihm ein Zeichen, sich wieder zu setzen. Die Pistole lag fest in seiner Hand. Es war eine Smith & Wesson mit einem Dreieinhalb-Zoll-Lauf und rechteckigem Handgriff, eine kleine und sehr starke Pistole. Alex wusste, dass es in einem ganz normalen Flugzeug sehr gefährlich war, eine Waffe abzufeuern. Wenn dabei ein Fenster zu Bruch ging oder die Kugel durch die Rumpfwand schlug, würde der Kabinendruck absinken und das Flugzeug fluguntauglich werden. Aber das hier war natürlich Air Force One, kein normales Flugzeug.
»Bleib genau dort sitzen!«, fauchte Cray.
»Wohin bringen Sie uns?«, wollte Sabina wissen. Cray saß immer noch auf dem Sofa neben ihr; wahrscheinlich hielt er es für besser, wenn Sabina und Alex einander nicht zu nahe kamen. Er fuhr ihr mit dem Finger über die Wange. Sabina schüttelte sich vor Ekel. Sie fand ihn absolut abstoßend und zögerte nicht, ihn das merken zu lassen.
»Wir fliegen nach Russland«, erklärte er.
»Russland?« Alex starrte ihn verblüfft an.
»Für mich ein neues Leben. Für MrGregorovich eine Heimkehr.« Cray fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Tatsächlich wird MrGregorovich dort sogar so etwas wie ein Held sein.«
»Daran hab ich aber große Zweifel.« Alex versuchte gar nicht, seine Verachtung zu unterdrücken.
»Oh doch. Heroin gelangt, wie man mir erzählt hat, in bleiverkleideten Särgen nach Russland. Die Zollbeamten an der Grenze schauen einfach weg. Aber natürlich bekommen sie Geld dafür. Überall herrscht Korruption. In Russland kosten Drogen nur ein Zehntel der Preise, die im Westen Europas dafür gezahlt werden, und in Moskau und St.Petersburg gibt es mindestens eine halbe Million Süchtige. MrGregorovich wird also ein Problem lösen, das sein Land fast in die Knie zwingt, und ich bin ganz sicher, dass ihm der Präsident sehr dankbar dafür sein wird. Denn siehst du, er und ich, wir werden glücklich und zufrieden unser Leben weiterleben– und das ist, fürchte ich, mehr, als sich von euch beiden sagen lässt.«
Yassen hatte inzwischen die Tür geschlossen. Alex starrte ihn an, als er den großen Hebel herunterzog und einrasten ließ. »Türen sind auf Automatik gestellt«, meldete Yassen.
In der Kabine gab es eine Gegensprechanlage; was in der Hauptkabine gesprochen wurde, konnte man so auch im Cockpit hören. Henryk, der am Steuer saß, schaltete ebenfalls ein Mikrofon ein, sodass seine Stimme durch die Kabine hallte.
»Hier spricht der Kapitän«, verkündete er. »Bitte schließen Sie die Sicherheitsgurte. Wir werden in wenigen Minuten starten.« Natürlich sollte das ein Scherz sein, eine grausame Parodie der normalen Ankündigung. »Danke, dass Sie mit Cray Airlines fliegen. Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Flug.«
Die Motoren begannen zu dröhnen. Durch das Fenster sah Alex, dass die Soldaten zu den LKW zurückliefen. Ihre Arbeit war getan. Sie würden sofort nach Amsterdam zurückkehren. Er warf Sabina einen Blick zu. Sie saß unbeweglich da und schien darauf zu warten, dass er endlich etwas unternahm. Ich weiß über manche Dinge ziemlich gut Bescheid… Überlass alles mir. Hatte er das nicht zu ihr gesagt? Wie hohl und angeberisch es jetzt doch klang!
Air Force One war mit vier riesigen Triebwerken ausgestattet. Sie heulten noch stärker auf, als das Flugzeug wendete. Jetzt würden sie starten! Verzweifelt blickte Alex sich um, starrte die geschlossene Tür mit dem eingerasteten Hebel an, den Treppenaufgang, der zum Cockpit führte, die niedrigen Tische und die ordentlich nebeneinanderliegenden Magazine, den Barwagen mit den Gläsern und Flaschen. Cray saß auf dem Sofa, die Beine leicht gespreizt, die Pistole lag griffbereit auf seinem Oberschenkel. Yassen stand noch neben der Tür. Auch er war bewaffnet; seine Pistole steckte in der Tasche, aber Alex wusste, dass der Russe sie ziehen, zielen und schießen konnte, bevor man nur einmal geblinzelt hatte. Weitere Waffen waren nicht zu sehen, nichts, was er als Waffe benutzen konnte. Absolut hoffnungslos.
Ein Ruck ging durch das Flugzeug, als es rückwärts zu rollen begann. Wieder blickte Alex aus dem Fenster; dieses Mal bemerkte er etwas Ungewöhnliches. Ein Fahrzeug parkte neben dem VIP-Gebäude, nicht weit vom Flugzeug entfernt, eine Art Miniaturtraktor mit drei angehängten Gepäckwagen, auf denen Plastikkisten standen. Die Kisten wurden plötzlich weggeblasen, als seien sie aus Papier. Die Gepäckwagen wirbelten herum und wurden auseinandergerissen. Der Traktor wurde zur Seite geschleudert und rutschte über den Belag.
Die Triebwerke! Normalerweise wurde ein Flugzeug dieser Größe auf den offenen Platz hinausgeschleppt, bevor es dann aus eigener Kraft weiterrollte. Aber Cray wollte natürlich keine Zeit verlieren. Air Force One hatte auf Rückstoß geschaltet und die Triebwerke mit ihrem Rückstoßstrahl von über 100000Kilo waren so stark, dass sie alles einfach wegbliesen, was in ihre Nähe geriet. Und jetzt kam das VIP-Gebäude selbst an die Reihe. Die Glasfenster zersplitterten, die Scheiben explodierten ins Innere. Ein Sicherheitsbeamter rannte heraus und Alex sah, dass er durch die Luft gewirbelt wurde, wie ein Plastiksoldat, der von einem Kind mit einer Gummischleuder weggeschossen wurde. Eine Stimme ertönte über den Lautsprecher. Henryk hatte offenbar den Funkverkehr so eingestellt, dass sie ihn auch in der Hauptkabine hören konnten.
»Flugkontrolle an Air Force One«, sagte die Männerstimme. »Sie haben keine Starterlaubnis. Bitte brechen Sie sofort ab.«
Die Treppe, die zur Flugzeugtür geführt hatte, kippte um und fiel krachend auf den Asphalt. Das Flugzeug rollte jetzt schneller, fuhr auf die Startbahn zu.
»Flugkontrolle an Air Force One. Wiederhole: Sie haben keine Starterlaubnis. Bitte teilen Sie uns mit, was Sie vorhaben.«
Aber Air Force One war bereits auf dem Vorfeld, entfernte sich rasch vom VIP-Gebäude. Ganz in der Nähe lag die Hauptstartbahn; der Rest des Flughafens war weit über einen Kilometer entfernt. Henryk erhöhte den Schub, und das Flugzeug rollte schneller. Alex spürte ein heftiges Rucken, hörte das Heulen der Triebwerke, das sich immer weiter steigerte. Das Flugzeug wurde immer schneller.
Cray summte leise vor sich hin; seine Augen blickten ins Leere, er schien sich in seiner wirren Gedankenwelt verloren zu haben. Aber die Smith & Wesson lag fest in seiner Hand und Alex war klar, dass Cray schon bei der geringsten Bewegung sofort reagieren würde. Yassen hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Auch er schien seinen Gedanken nachzuhängen. Vielleicht versuchte er zu vergessen, dass das alles kein böser Traum, sondern die Wirklichkeit war.
Henryk hatte die Geschwindigkeit der Maschine weiter erhöht; sie näherten sich nun der Startbahn. Die entscheidenden Informationen hatte er in den Bordcomputer eingegeben: Gewicht des Flugzeugs, Außentemperatur, Windgeschwindigkeit, Luftdruck. Der Start würde gegen eine leichte Ostbrise erfolgen. Die Hauptstartbahn war fast 4000Meter lang und der Computer hatte bereits berechnet, dass das Flugzeug für den Startvorgang nur 2500Meter benötigen würde, da es nur sehr wenig Zuladung trug. Es würde ein sehr einfacher Start werden.
»Flugkontrolle an Air Force One! Sie haben keine Starterlaubnis! Brechen Sie sofort ab! Wiederhole: Brechen Sie sofort ab!«
Die Stimme des Fluglotsen klang noch in ihren Ohren nach. Henryk griff nach oben und schaltete die Funkverbindung aus. Er wusste, dass der Katastrophenfall ausgerufen worden war und dass alle anderen Flugzeuge umgeleitet wurden. Niemand durfte der Air Force One in die Quere kommen, schließlich gehörte dieses Flugzeug dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Schon liefen alle Telefonleitungen heiß, weil sich die verschiedenen Luftfahrtbehörden über den Atlantik hinweg gegenseitig anschrien, denn sie hatten nicht nur einen Zusammenstoß von Großflugzeugen zu befürchten, sondern obendrein auch noch einen größeren diplomatischen Zwischenfall. In Downing Street würde man in diesen Minuten den britischen Premierminister informieren. In ganz London stellten sich jetzt Beamte und Politiker dieselbe Frage: Was zum Teufel war nur los?
Etwa 100Kilometer über ihren Köpfen näherten sich die acht Peacekeeper-Raketen dem unteren Rand des Weltraums. Zwei ihrer Antriebsraketen waren bereits ausgebrannt und abgestoßen worden, sodass nur noch die Rümpfe mit den Sprengköpfen und den Schutzschilden übrig blieben. Die Minuteman-Raketen und die übrigen Geschosse, die Cray abgefeuert hatte, waren nicht weit zurück. Alle hatten streng geheime und hoch entwickelte Navigationssysteme an Bord. Und ihre Bordcomputer berechneten ständig die Flugbahnen und passten sie immer wieder an. Bald würden sich die Raketen nach unten wenden und Kurs auf ihre Ziele nehmen.
Und in achtzig Minuten würden sie auf der Erde einschlagen.
Air Force One rollte jetzt sehr schnell in Richtung Startbahn. Ein Stück voraus war bereits der Haltepunkt zu sehen– die Stelle, an der die Maschine scharf wenden und die Startchecks durchführen musste.
In der Kabine starrte Sabina Cray so aufmerksam an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Ihr eigener Gesichtsausdruck zeigte nichts als abgrundtiefe Verachtung. »Ich überlege, was man mit Ihnen tun wird, wenn Sie in Russland ankommen«, sagte sie.
»Was meinst du damit?«, fragte Cray.
»Also, ich würde eben gern wissen, ob die Russen Sie an England ausliefern oder Sie auf der Stelle erschießen, dann hätten Sie’s nämlich gleich hinter sich.«
Damian Cray starrte sie an, als hätte sie ihm eben eine Ohrfeige verpasst. Alex’ Magen verkrampfte sich; er befürchtete das Schlimmste. Und so kam es auch.
»Ich hab genug von diesen Kanalratten!«, schrie Cray mit sich überschlagender Stimme. »Ich hab keinen Spaß mehr mit ihnen.« Er drehte sich zu Yassen um. »Töten Sie alle beide!«
Yassen Gregorovich schien ihn nicht verstanden zu haben. »Was?«, fragte er.
»Sie haben mich gehört! Töten Sie die beiden!«, schrie Cray. »Jetzt sofort!«
Das Flugzeug kam zum Stillstand, es hatte den Haltepunkt erreicht. Henryk hatte zwar ebenfalls gehört, was Cray Yassen befohlen hatte, aber er achtete nicht weiter darauf, da er mitten in den Startvorbereitungen war: Er testete Höhenruder, Landeklappen und Quersteuer. Nur noch Sekunden bis zum Start. Sobald er sich überzeugt hatte, dass das Flugzeug startklar war, würde er die vier Schubregler nach vorn schieben und das Flugzeug würde von seinen mächtigen Jetstrahlen vorangetrieben. Er checkte die Ruderpedale und das Bugrad. Die Maschine war startklar.
»Ich töte keine Kinder«, sagte Yassen ruhig. Das hatte Alex schon einmal von ihm gehört, damals, auf der Jacht in Südfrankreich. Damals hatte er es ihm nicht abgenommen, aber jetzt wunderte er sich. Was wohl wirklich im Kopf des Russen vor sich ging?
Sabina starrte Alex durchdringend an, sie wartete darauf, dass er etwas unternahm. Aber sie waren in einem Flugzeug gefangen, dessen Motoren immer lauter aufheulten, und es gab nichts, was er hätte tun können. Zumindest noch nicht…
»Was soll das heißen?«, schrie Cray wütend.
»Es gibt keinen Grund dafür«, sagte Yassen. »Nehmen Sie die beiden einfach mit. Sie können uns nicht in die Quere kommen.«
»Warum soll ich sie den ganzen Weg nach Russland mitnehmen?«, wollte Cray wissen.
»Wir können sie in eine der Kabinen einsperren. Dann bekommen Sie die beiden nicht einmal zu sehen.«
»Gregorovich…«, fauchte Cray warnend. Er atmete schwer und Schweißperlen traten auf seine Stirn. Er hielt den Pistolengriff so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortraten. »Wenn Sie sie nicht sofort umlegen, tu ich es.«
Yassen zuckte mit keiner Wimper.
»Okay! Okay!«, murmelte Cray frustriert. »Eigentlich habe ich hier den Befehl, aber offenbar muss ich trotzdem alles selbst machen!«
Cray hob die Pistole. Alex stand auf.
»Nein!«, schrie Sabina.
Cray feuerte.
Aber er hatte weder auf Alex noch auf Sabina gezielt. Die Kugel traf Yassen in die Brust und schleuderte ihn von der Tür weg. »Tut mir echt leid, MrGregorovich«, seufzte Cray. »Aber Sie sind gefeuert.«
Dann wandte er sich zu Alex um.
»Und jetzt bist du dran«, sagte er.
Und feuerte noch einmal.
Sabina schrie vor Entsetzen. Cray hatte direkt auf Alex’ Herz gezielt, und in der engen Kabine war die Chance sehr gering, dass er nicht treffen würde. Die Kugel riss Alex von den Füßen und schleuderte ihn quer durch die Kabine. Er stürzte zu Boden und lag still.
Sabina warf sich auf Cray. Alex war tot. Das Flugzeug bebte vor mühsam gezähmter Kraft. Jetzt war ihr alles egal. Cray feuerte auch auf Sabina, verfehlte sie aber, und plötzlich war sie über ihm, ihre Hände krallten sich in sein Gesicht und sie schrie sich die Seele aus dem Leib. Aber Cray war zu stark für sie. Er riss seinen Arm herum, packte sie und schleuderte sie gegen die Tür. Sie blieb benommen und hilflos liegen. Cray hob die Pistole auf.
»Guten Flug, mein Kind«, sagte er.
Er zielte. Aber bevor er abdrücken konnte, packten zwei Hände seinen Arm und rissen ihn zurück. Sabina starrte entgeistert an Cray vorbei. Alex stand hinter ihm und schien völlig unverletzt. Aber das war unmöglich! Doch wie Cray konnte auch Sabina nicht wissen, dass er das kugelsichere Jerseyhemd trug, das Smithers ihm mit dem Mountainbike geliefert hatte. Die Kugel hatte ihn schmerzhaft getroffen; er dachte, dass sie ihm eine Rippe gebrochen haben könnte. Sie hatte ihn von den Füßen gerissen, war aber nicht durch das Hemd gedrungen.
Alex warf sich auf Cray. Der Mann war klein– kaum größer als Alex, aber er war muskulös und erstaunlich stark. Alex schaffte es zwar, Crays Handgelenk zu packen und sich die Pistole vom Leib zu halten, aber Crays freie Hand legte sich wie eine Stahlklammer um Alex’ Hals und seine Finger krallten sich tief in seine Gurgel.
»Sabina! Hau ab!«, brachte Alex noch hervor, dann wurde ihm die Luft abgeschnitten. Die Pistole schwenkte herum; Alex musste seine ganze Kraft einsetzen, um Cray davon abzuhalten, auf ihn zu zielen. Er war nicht sicher, wie lange er Cray noch zurückhalten konnte. Sabina rannte zur Flugzeugtür und riss den weißen Hebel nach oben.
In genau diesem Augenblick schob Henryk im Cockpit die vier Schubregler nach vorn. Vor ihm erstreckte sich die Startbahn; sie war absolut leer. Air Force One ruckte heftig an und beschleunigte.
Die Flugzeugtür flog mit lautem Zischen auf. Als sich das Flugzeug in Bewegung setzte, war sie auf Automatik umgeschaltet worden, und als Sabina nun den Hebel hochschob, hatte sich das pneumatische System eingeschaltet. Die orangefarbene Notrutsche sprang heraus und begann sich aufzupumpen.
Wind und Staub wirbelten herein, ein Minitornado raste durch die Kabine. Cray hatte die Hand mit der Pistole aus Alex’ Klammergriff gerissen und versuchte, auf Alex’ Kopf zu zielen. Alex kämpfte verzweifelt. Der Wind war jetzt so heftig, dass sich beide kaum noch auf den Beinen halten konnten. Die Magazine auf dem Tisch wirbelten herum, klatschten wie Riesenmotten gegen Crays Gesicht. Der Barwagen riss sich los und schoss durch die Gegend, Flaschen fielen herunter und Gläser zersplitterten.
Mit wutverzerrtem Gesicht blickte Cray um sich, seine perfekten weißen Zähne waren gebleckt, seine Augen traten fast aus den Höhlen. Er fluchte, aber im Lärm der Triebwerke war kein Wort zu verstehen. Sabina klammerte sich irgendwo an der Wand fest und starrte hilflos durch die offene Tür auf das Gras und den Rand der Startbahn, die sie nur als verschwommenen grün-grauen Streifen wahrnahm. Yassen bewegte sich nicht mehr; auf seinem Hemd breitete sich langsam ein großer Blutfleck aus. Alex’ Griff um Crays Handgelenk lockerte sich und Cray drückte ab. Sabina schrie. Die Kugel hatte eine Lampenfassung zerschmettert, wenige Zentimeter neben ihrem Kopf. Alex riss das Knie hoch, stieß es gegen Crays Arm und versuchte gleichzeitig, ihm die Pistole aus der Hand zu winden. Aber auch Cray riss sein Knie hoch und rammte es in Alex’ Magen. Alex taumelte rückwärts und schnappte nach Luft. Das Flugzeug raste weiter, jagte immer schneller über die Startbahn.
Im Cockpit traten plötzlich Schweißperlen auf Henryks Stirn und er starrte verwirrt auf die Kontrollanzeigen. Eine der Kontrollleuchten blinkte; das bedeutete, dass eine Tür plötzlich aufgegangen und der Druck in der Hauptkabine abgesunken war. Aber er raste bereits mit 200Stundenkilometern über die Startbahn! Die Flugkontrolle musste inzwischen bemerkt haben, was los war, und hatte wahrscheinlich die Sicherheitsbehörden informiert. Wenn er jetzt den Start abbrach, würde man ihn sofort verhaften. Aber– konnte er überhaupt einen Start wagen?
Der Bordcomputer begann zu sprechen.
»V1…«
Eine Computerstimme. Völlig emotionslos. Nur zwei Silben, die von irgendeinem elektronischen Schaltkreis zusammengefügt worden waren. Aber es waren die beiden letzten Silben, die Henryk je hatte hören wollen.
Normalerweise hätte der Copilot die Geschwindigkeit gemeldet und den Startvorgang überwacht. Aber Henryk war allein. Er musste auf die automatischen Systeme und den Bordcomputer vertrauen. Und die monotone Computerstimme hatte ihm soeben mitgeteilt, dass das Flugzeug jetzt eine Geschwindigkeit von 240Stundenkilometern erreicht hatte– V1, Entscheidungsgeschwindigkeit für Startabbruch. Das Flugzeug raste bereits zu schnell dahin, um noch anhalten zu können. Wenn er versuchte, den Startvorgang abzubrechen und die Triebwerke auf Gegenschub zu schalten, wäre ein Crash unvermeidlich.
Es war der Augenblick, vor dem sich jeder Pilot fürchtete– und der absolut gefährlichste Moment bei jedem Flug. Fehlentscheidungen zu genau diesem Zeitpunkt verursachten mehr Flugzeugunfälle als alle anderen Möglichkeiten. Jede einzelne Hirnzelle schrie ihm zu, den Start abzubrechen. Er hatte immer noch sicheren Boden unter den Rädern. Ein Unfall hier unten würde weit glimpflicher ausgehen als ein Absturz aus 300Meter Höhe. Aber auch bei einem sofortigen Abbruch des Starts war ein Unfall nicht mehr zu vermeiden.
Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte.
Die Sonne ging hinter Quetta in Pakistan unter, aber trotzdem herrschte im Flüchtlingslager immer noch reges Leben. Hunderte Menschen schleppten Decken mit sich und kämpften sich mühsam durch diese Miniaturstadt, die nur aus Zelten bestand; Kinder, die nur Lumpen auf dem Leib hatten, standen vor der Impfstation Schlange. Auf Bänken saßen lange Reihen von Frauen, stopften Decken, flickten Kleidung und falteten Stoffe zusammen.
Es war kühl und frisch in den Patkai-Hügeln von Myanmar, dem Land, das früher Burma genannt wurde. Hier, 1400Meter über dem Meeresspiegel, trug eine leichte Brise den Duft von Piniennadeln und Blumen herbei. Es war 21.30Uhr und die meisten Menschen lagen bereits in ihren Betten. Ein paar Schäfer hüteten einsam ihre Herden. Der Nachthimmel war mit Abertausenden von Sternen übersät.
In der Urabá-Provinz in Kolumbien war gerade ein neuer Tag angebrochen und der Duft von Kakao hing in der Dorfstraße. Die Campesinas, die Bauersfrauen, hatten bereits in der Dämmerung mit ihrer Arbeit begonnen, rösteten die Kakaobohnen und brachen die Schalen auf. Der starke, unwiderstehliche Duft lockte die Kinder zur Küchentür.
Und im Hochland von Peru, nördlich von Arequipa, befanden sich farbenfroh gekleidete Familien auf dem Weg zu den Märkten. Manche trugen kleine Bündel mit Früchten und Gemüse; das war alles, was sie zu verkaufen hatten. Eine Indiofrau mit einem Bowlerhut hockte neben ein paar Säcken auf dem Boden, die mit verschiedenen Gewürzen gefüllt waren. Lachende Kinder spielten auf der Straße Fußball.
Diese Menschen waren die Ziele, auf die sich die Raketen eingestellt hatten. Noch waren sie weit draußen im Weltraum. Menschen wie diese gab es zu Tausenden und Millionen– und alle waren unschuldig. Aber sie alle kannten die Mohnfelder in der Nähe. Und sie kannten auch die Männer, die dort arbeiteten. Aber das alles interessierte sie nicht. Sie hatten genügend eigene Probleme im Leben.
Kein einziger dieser Menschen wusste von den tödlichen Geschossen. Nein, niemand sah die entsetzlichen Instrumente des Todes, die auf sie zurasten.
Für Air Force One kam das Ende ganz plötzlich.
Cray hämmerte mit der freien Faust mit aller Kraft gegen Alex’ Schläfe, immer wieder. Alex umklammerte mit beiden Händen Crays andere Hand, in der er die Pistole hielt, aber Alex’ Griff wurde allmählich schwächer. Schließlich ließ er los, erschöpft und blutend. Sein Gesicht war übel zugerichtet und seine Augen waren halb zugeschwollen.
Die Notrutsche wurde vom Fahrtwind eng an den Flugzeugrumpf gepresst und erreichte fast die Tragflächen. Inzwischen raste das Flugzeug mit 280Stundenkilometern über die Startbahn; in weniger als zehn Sekunden würde es abheben.
Cray hob die Pistole– zum letzten Mal.
Doch dann schrie er auf, als etwas gegen ihn stieß. Sabina hatte den Barwagen gepackt und benutzte ihn als Rammbock. Der Wagen krachte von hinten in Crays Kniekehlen. Seine Beine gaben nach und er verlor das Gleichgewicht, fiel rückwärts und landete auf dem Barwagen. Die Pistole fiel aus seiner Hand und rutschte über den Teppich. Sabina hechtete danach; sie wollte Cray daran hindern, weiter um sich zu schießen.
In diesem Augenblick kam Alex wieder auf die Beine.
Mit einem Blick schätzte er die Entfernung und den Winkel ab. Er wusste instinktiv, was er zu tun hatte. Brüllend und mit ausgestreckten Armen warf er sich vorwärts, versetzte dem Barwagen mit beiden Händen und mit allerletzter Kraft einen gewaltigen Stoß. Cray schrie. Der Wagen raste quer durch den Raum und, mit Cray quer darüber liegend, schoss er zur Tür hinaus.
Aber damit war seine Fahrt noch nicht zu Ende. Die Notrutsche hing schräg zum Flugzeugrumpf bis zum Boden hinunter; sie wurde vom Fahrtwind und ihrem enormen Innendruck in stabiler Lage gehalten. Der Barwagen holperte auf die Notrutsche und rollte hinunter. Alex taumelte zur Tür, gerade noch rechtzeitig, um Crays Höllenritt verfolgen zu können. Die Rutsche blieb stabil, bis der Wagen ungefähr in der Mitte angekommen war, dann wurde der Wagen vom Fahrtwind gepackt und in Richtung der Flügel gedrückt.
Damian Cray geriet in den Sogbereich des Triebwerks Nummer zwei.
Das Letzte, was der berühmte Popstar sah, war der weit geöffnete Schlund der Jetdüse. Die Sogwirkung besorgte den Rest: Mit einem grauenhaften Schrei, den die dröhnenden Triebwerke jedoch übertönten, wurde er in die Düse gerissen. Der Barwagen folgte ihm ins Jenseits.
Cray war Hackfleisch– oder richtiger: Er war buchstäblich verdampft. In einer einzigen Sekunde wurde er zu einer roten Gaswolke verarbeitet, die sich sofort im Düsenstrahl auflöste. Von Damian Cray blieb schlicht und einfach nichts mehr übrig. Nur der stabile Barwagen leistete Widerstand. Es krachte wie ein Kanonenschuss, dann stieß das Triebwerk eine riesige Flamme aus und der Motor wurde buchstäblich zerfetzt.
Das führte dazu, dass das Flugzeug außer Kontrolle geriet.
Henryk hatte sich inzwischen doch dazu durchgerungen, den Start abzubrechen, und versuchte gerade zu bremsen, aber es war schon zu spät. Auf einer Seite fiel plötzlich ein Motor aus. Die beiden Triebwerke auf der anderen Seite röhrten noch immer mit vollem Schub. Das Ungleichgewicht riss das Flugzeug heftig nach links. Alex und Sabina wurden quer durch die Kabine geschleudert. Die Lichter gingen aus, ein Funkenregen prasselte auf sie nieder. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, flog durch die Luft. Henryk kämpfte verzweifelt darum, das Flugzeug wieder unter Kontrolle zu bekommen, aber die Sache war hoffnungslos. Das Flugzeug hatte scharf abgedreht und raste über den Seitenrand der Startbahn. Das war das Ende von Air Force One. Der weiche Grasboden hatte diesem gewaltigen Gewicht keinen Widerstand entgegenzusetzen. Das Fahrgestell knickte mit einem entsetzlichen metallischen Kreischen ein und die ganze riesige Maschine kippte auf die Seite.
Die Kabine drehte sich, der Boden wurde plötzlich zur Wand. Dann kam alles zum Stillstand. Die Triebwerke verstummten. Das Flugzeug lag auf einer Seite; Sirenen heulten auf, Feuerwehren und Rettungsfahrzeuge rasten heran.
Alex versuchte die Beine zu bewegen, aber sie gehorchten ihm nicht mehr. Er lag auf dem Boden und spürte, wie sich Dunkelheit über ihn senkte. Aber er kämpfte darum, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Seine Arbeit war noch nicht getan.
»Sab?«, rief er und sah erleichtert, dass sie sich regte. Sie stand auf und taumelte zu ihm.
»Alex?«
»Geh schnell zum Kommunikationsraum hinauf! Ein roter Knopf. SELF-DESTRUCT.« Sie starrte ihn einen winzigen Augenblick lang verständnislos an; er packte sie am Arm.
»Die Raketen…«, keuchte er mühsam.
»Ja… ja, natürlich…« Sabina stand unter Schock. Zu viel war passiert. Dennoch begriff sie. Sie taumelte die Treppe hinauf, stützte sich gegen die schrägen Wände ab.
Alex blieb liegen. Dann hörte er Yassens Stimme.
»Alex…«
Alex war so schwach, dass er nicht einmal mehr überrascht war. Langsam wandte er den Kopf, erwartete, die Pistole in der Hand des Russen zu sehen. Nichts war fair. Musste er nach allem, was er durchgemacht hatte, jetzt doch noch sterben, obwohl bereits Hilfe unterwegs war? Aber Yassen hatte gar keine Pistole. Er war völlig von Blut bedeckt und seine Augen waren fast farblos, als sei die stahlblaue Farbe abgeflossen. Seine Haut war noch blasser als gewöhnlich, und da er mit weit nach hinten gekrümmtem Kopf dalag, bemerkte Alex zum ersten Mal, dass er eine lange Narbe am Hals hatte. Eine völlig gerade, wie mit dem Lineal gezogene Linie.
»Bitte…« Yassens Stimme war sehr leise.
Es war das Letzte, was Alex tun wollte, aber er kroch durch die völlig zerstörte Kabine zu Yassen hinüber. Irgendwo war ihm dumpf bewusst, dass Cray noch am Leben wäre, wenn sich Yassen nicht geweigert hätte, Alex und Sabina zu töten.
»Was ist mit Cray?«, fragte Yassen mit schwacher Stimme. »Ist er tot?«
»Restlos.«
Yassen nickte, anscheinend erfreut. »Ich wusste, dass es ein Fehler war, dieser Auftrag«, sagte er mühsam. »Ich wusste es.« Angestrengt rang er nach Luft und seine Augen wurden schmal. »Ich muss dir noch etwas sagen, Alex.« Seltsamerweise sprach er jetzt fast völlig normal, als sei es nur eine nette kleine Unterhaltung mit einem Freund. Wider Willen musste Alex die Selbstbeherrschung des Killers bewundern. Yassen musste klar sein, dass er nur noch Minuten zu leben hatte.
Dann sprach Yassen weiter. Und was er sagte, änderte Alex’ Leben völlig und für immer.
»Ich hätte dich niemals erschießen können«, sagte Yassen Gregorovich. »Niemals. Denn… verstehst du, Alex… Ich kannte deinen Vater.«
»Was?« Trotz seiner Erschöpfung und trotz aller Schmerzen spürte Alex den kalten Schauder, der über seinen ganzen Körper lief.
»Dein Vater, Alex… er und ich…« Yassen rang mühsam nach Luft. »Wir arbeiteten zusammen.«
»Er arbeitete mit Ihnen?«
»Ja.«
»Sie meinen… er war ein Spion?«
»Nein, kein Spion, Alex. Er war ein Killer. Genau wie ich. Und er war der Beste. Der Beste auf der Welt. Ich lernte ihn kennen, als ich neunzehn war. Er brachte mir vieles bei…«
»Nein!« Alex weigerte sich zu glauben, was er da hörte. Er hatte seinen Vater nie kennengelernt, wusste nichts über ihn. Aber was Yassen Gregorovich da erzählte, konnte einfach nicht wahr sein! Nein! Sicherlich spielte der Russe nur einen letzten Trumpf aus, um sich doch noch an ihm zu rächen.
Die Sirenen kamen immer näher. Das erste Rettungsfahrzeug musste bereits beim Flugzeug sein. Von draußen waren Männerstimmen zu hören.
»Ich glaube Ihnen nicht«, rief Alex, plötzlich von heftigem Schluchzen erschüttert. »Mein Vater war kein Killer! Das ist unmöglich!«
»Es ist die Wahrheit. Und irgendwann musstest du die Wahrheit erfahren.«
»Hat er für MI6 gearbeitet?«
»Nein.« Kaum wahrnehmbar huschte ein Lächeln über Yassens Gesicht. Aber es verschwand sofort wieder. »MI6 jagte ihn. Sie stellten ihn und töteten ihn. Sie versuchten, uns beide zu töten. Aber ich konnte in allerletzter Minute entkommen, während er…« Yassen schluckte. »Sie haben deinen Vater getötet, Alex!«
»Nein!«
»Warum sollte ich dich jetzt noch belügen?« Yassens Hand griff schwach nach Alex’ Arm. Es war das erste Mal, dass sie sich berührten. »Dein Vater… das hat er getan.« Yassen fuhr mit dem Finger über die Narbe an seinem Hals, aber seine Stimme versagte und er konnte nicht mehr erklären, wie es geschehen war. »Er rettete mir damit das Leben. Irgendwie mochte ich ihn sehr. Dich mag ich auch sehr, Alex, denn du bist ihm sehr, sehr ähnlich. Ich bin froh, dass du jetzt bei mir bist.« Eine Pause trat ein. Yassens Körper wurde von Schmerzattacken geschüttelt. Doch er war noch nicht fertig. »Wenn du mir nicht glaubst, geh nach Venedig. Suche nach Scorpia. Dort findest du dein Schicksal…«
Yassen schloss die Augen und Alex wusste, dass er sie nie mehr öffnen würde.
Sabina hatte inzwischen den roten Knopf gefunden und drückte ihn. Draußen im All sprengte sich die erste der Minuteman-Raketen in tausend Stücke, eine leuchtend helle Explosion. Sekunden später explodierten nacheinander auch die anderen Raketen.
Air Force One war inzwischen von einer ganzen Flotte von Rettungsfahrzeugen eingekreist worden. Zwei Löschfahrzeuge bedeckten das Flugzeug mit Bergen von weißem Schaum.
Aber Alex bekam nichts mehr davon mit. Regungslos lag er neben Yassen. Seine Augen schlossen sich und still und sanft glitt er in die Bewusstlosigkeit.