Drei

Nachdem Lewin sich eine Weile hüpfend und geduckt rennend vorwärts bewegt hatte, musste er eine kleine Verschnaufpause einlegen. Sein Rücken tat ihm weh, der Schweiß lief ihm sturzbachartig über den Körper und in seiner Luftröhre schienen kleine Sandkörner seine Atmung zu blockieren. Außerdem kam er sich unglaublich albern vor, wie er sich hinter parkenden Autos und Büschen versteckte, als wäre er ein Möchtegern-James-Bond. Trotzdem überzeugte er sich, dass er es ertragen konnte, lächerlich zu wirken, wenn er dadurch sein Leben retten konnte. Schließlich war es ihm unmöglich zu erkennen, wer oder was bereits infiziert war, und er hatte  keine große Lust es bei einem direkten Zusammentreffen herauszufinden. Nichtsdestotrotz musste er nun eine Pause einlegen. Er wollte nicht riskieren, irgendwo hinter einem Busch oder zwischen zwei geparkten Autos zusammenzubrechen, nur weil er sich seine Kräfte nicht gut eingeteilt hatte. Aber Der Weg in den Wald war ihm noch nie so lang vorgekommen.

Er kletterte über einen kleinen, weiß lackierten Jägerzaun, von dem die Farbe in großen Stücken abblätterte, und schlich auf ein niedriges Haus mit zerschlagenen Fenstern zu. Nur wenige Sekunden später spürte er die kühle Wand der alten Bäckerei an seinem Rücken. Das Gebäude war bereits seit längerem verlassen. Es bestand keine Gefahr, dass ihn jemand erwischen würde, während er hier hockte. Der kleine Vorgarten, in dem er kauerte, war von drei Seiten mit hohen Büschen eingerahmt, das Schaufenster hinter ihm hatte einen großen Sprung und Lewin wusste, dass man von der Straße aus keinen Blick auf ihn werfen konnte. Oft genug hatte er sich hier bereits vor Simon und den Anderen versteckt. Zumindest kurzfristig, um Atem zu holen. Genau wie jetzt.

Er lehnte den Kopf an die rissigen Steine und schloss die Augen. Langsam merkte er, wie seine Brust sich immer weniger hektisch hob, das Rauschen in seinen Ohren leiser wurde und sein Atemtempo sich regulierte. Er beruhigte sich.

In seinem Kopf ging er den restlichen Weg bis zum Waldrand durch, versuchte sich vorzustellen, welche Versteckmöglichkeiten sich auf der Strecke boten und wägte diese anschließend gegeneinander ab, als seine Gedanken durch ein aufgeregtes Murmeln unterbrochen wurden.

Lewin hielt den Atem an und versuchte die Herkunft der Geräusche zu lokalisieren. Offenbar befanden sich auf der Straße, direkt vor der alten Bäckerei, Leute, die sich ganz offenkundig miteinander stritten.

Als das Gespräch immer lauter wurde, konnte Lewin seine Neugierde nicht länger unterdrücken. Auf Händen und Knien kroch er vorsichtig an einen dichten Busch heran und ließ sich der Länge nach auf den Boden sinken. Zwischen Blätterwerk und Erdboden war ein schmaler, unbewachsener Spalt, auf dem einige Ameisen und Käfer herumkrochen, und durch diesen konnte Lewin erkennen, was auf der Straße vor sich ging.