Sechs

Der Grubenbauer legte seine fettige Hand auf Lewins Schulter. Mit Entsetzen musste dieser feststellen, dass die haarigen Finger von altem Blut ganz fleckig waren. Der Grubenbauer roch unangenehm säuerlich und Lewin spürte automatisch ein unheilvolles Klopfen in seiner Magengegend.

„Was ist hier los?“ Die Stimme dröhnte in Lewins Ohren und er merkte, wie sich die wurstigen Finger enger um seine Schulter schlossen. Die Drohung in dieser Berührung war kaum zu übersehen und Lewin spürte, wie er zu keuchen begann.

Der kurze Sprint hatte ihn so angestrengt, dass er nicht gemerkt hatte, wie die Grubenbauer-Jungs ihn direkt vor die Schlachterei ihres Vaters gelockt hatten. Vermutlich hockten sie jetzt in einer Ecke und lachten sich halbtot, während sie das Spektakel beobachteten.

„Ich … nichts.“ Lewin stotterte und brach dann ab. Es hatte keinen Sinn sich zu rechtfertigen. Menschen wie der Grubenbauer hatten kein Interesse an Begründungen oder an der Wahrheit. Menschen wie der Grubenbauer lösten ihre Probleme stets auf dieselbe Art.

„Für nichts ist hier aber ganz schön was los!“, sagte der Fleischer.

Lewin schluckte.

„Ich kann dich nicht leiden. Ich glaube sogar, keiner hier kann dich leiden. Und ich will, dass du dich von meinen Jungs fernhältst.“

Lewin wagte es nicht, dem Grubenbauer in die Augen zu sehen. Er fühlte sich wie eine Maus, die von einer Katze gefangen worden war und nun zu einem hilflosen Spielball wurde. Er erinnerte sich, wie er einmal eine Katze bei diesem Todesspiel beobachtet hatte. Die Katze hatte die Maus in zwei Teile gebissen, den Leib verspeist und den Kopf anschließend liegengelassen.

Die Pranke des Grubenbauers drückte sich noch heftiger in Lewins Schulter. Er hörte es knacken und wimmerte leise auf. Der Grubenbauer schnaufte verächtlich, drückte noch einmal einen Hauch fester zu und stieß Lewin dann von sich.

„Du bist jämmerlich. An dir mach ich mir meine Hände nicht schmutzig. Aber wenn ich dich noch einmal in der Nähe meiner Jungs erwische, dann kannst du was erleben!“

Für eine winzige Sekunde blitzte in Lewin der irre Gedanke auf, dass die Hände des Grubenbauers ohnehin niemals sauber waren, aber zu seinem Glück gelang es ihm, diesen Einfall schnell wieder zu verdrängen. Stattdessen richtete er demütig den Blick auf den Boden und wartete, bis der Schatten des riesigen Mannes verschwunden war. Dann rappelte er sich langsam auf, klopfte sich den Staub aus der Hose und rieb sich das schmerzende Schultergelenk. Wenn er bei Galen angelangt war, würde dieser sich gleich auch seinem ramponierten Körper widmen können.