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Niemand sah den Angriff kommen. Vielleicht hätte man dafür sogar jemandem - oder statt einem Einzelnen vielen - die Schuld geben können. Im Nachhinein sparten die Beteiligten jedenfalls nicht mit gegenseitigen Anschuldigungen. Doch da alle wussten, dass sich die Schuld für ein solch beispielloses Ereignis nur schwer aufteilen - oder auch nur jemandem zuweisen - ließ, verklangen die Rufe nach Bestrafung, als man keinen geeigneten Sündenbock fand. Diejenigen, die sich teilweise für das Ereignis verantwortlich fühlten - ob zu Recht oder nicht -, bestraften sich selbst weit härter, als jedes traditionelle Gericht der Königin oder jeder Rat es vermocht hätten.

Mehr als hundert Jahre nach dem Erstkontakt zwischen AAnn und Thranx gärte immer noch Feindseligkeit zwischen beiden Spezies. Der Boden war solchermaßen fruchtbar, die Zeitspanne derart lang, dass ihre Feindschaft im Laufe der Zeit viele Formen annehmen konnte. Regelmäßig manifestierte sie sich in Übergriffen unterschiedlichsten Ausmaßes, Provokationen, die für gewöhnlich von den AAnn ausgingen. Die stets vernünftigen Thranx empfanden diese Provokationen als Plage, solange es bei den Provokationen blieb - die Grenze zu mehr nicht überschritten wurde. Die AAnn loteten aus, wie weit sie gehen konnten, bedrohten die Thranx und rückten so lange vor, bis die Geduld der Thranx erschöpft war und sie sich zu einer Reaktion gezwungen fühlten. Als sie sich den AAnn mit militärischen Mitteln entgegenstellten, verloren diese rasch, was sie zuvor an Boden gewonnen hatten, und zogen sich zurück. Der Spiralarm, den sich die beiden Hitze liebenden, Sauerstoff atmenden Spezies teilten, war groß genug für beide und besaß ausreichend Sterne, um einen direkten Konflikt, falls nicht bewusst gesucht, vermeiden zu können.

Bewohnbare Welten indes waren seltener. Wo immer sich eine solche Welt befand, verhärteten sich die Fronten. Die Folge davon war, dass beide Parteien schärfere Anschuldigungen vorbrachten, die, akribisch formuliert, eher bissig denn beschwichtigend wirkten. Trotzdem reichte diese knappe Kommunikation via Minusraum-Netz stets aus, um eine potenziell explosive Konfrontation zu vermeiden. Bis Willow-Wane. Bis Paszex.

 

Worvendapur neigte den Kopf, hob eine Echthand und rieb sich damit über das linke Auge. Hier draußen am Waldrand wirbelte der Wind viel Staub auf. Worvendapur senkte den durchsichtigen Schutzschild vor sein Gesicht, steckte, ohne darüber nachdenken zu müssen, seine beiden Antennen - zwei Fühler auf seinem Kopf - durch die dafür vorgesehenen Schlitze und setzte sich wieder in Bewegung, auf allen sechs Beinen. Gelegentlich hob er die zwei Fußhände vom Boden, sodass er nur noch auf seinen vier Echtbeinen lief - nicht etwa, weil er neben seinen beiden Echthänden noch die beiden greiffähigen Fußhände gebraucht hätte, sondern weil er sich auf diese Weise zur maximalen Größe von knapp über anderthalb Metern aufrichten und über das einen Meter hohe, lavendelfarbene Gras blicken konnte, das den Großteil der ihn umgebenden Vegetation ausmachte.

Etwas Schnelles, Zwitscherndes flitzte unmittelbar neben ihm durch das Riedgras. Mit der rechten Echt- und Fußhand zog er das Gewehr aus dem Rückenholster und zielte damit in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, nervös und zum Schuss bereit. Abrupt hob er die Mündung, als ein halbes Dutzend !Ccoerk aus dem Gras hervorschoss. Worvendapur stieß ein Pfeifen aus, mit dem er seine Erleichterung vierten Grades ausdrückte, ließ den Finger vom Abzug gleiten und schob das Gewehr wieder ins Rückenholster zurück.

Der Schwarm gefiederter !Ccoerk, deren dralle braune Körper mit rosa Streifen überzogen waren, flatterte dem spiegelglatten See entgegen, wobei die Tiere surrten wie statisch geladene Kunststoffstäbe. Unter dem gefiederten, konkaven Bauch eines der Tiere saß ein Eiersack, der beinahe so groß war wie das Tier selbst. Träge fragte Worvendapur sich, ob die Eier wohl genießbar seien. Willow- Wane war zwar seit mehr als hundert Jahren besiedelt, doch hatte sich hier alles langsam und schrittweise entwickelt, ganz nach der konservativen, bedachtsamen Art der Thranx. Die Kolonisation war zudem größtenteils auf die beiden Kontinente der Nordhemisphäre eingeschränkt gewesen. Die Südhalbkugel der Welt war noch immer eine riesige, größtenteils unerforschte Wildnis, Neuland, rau, aber dennoch anziehend, ein Gebiet eben, in dem man ständig neue Entdeckungen machte und nie wusste, welches kleine Wunder sich hinter dem nächsten Hügel verbergen mochte.

Aus diesem Grunde hatte Worvendapur ein Gewehr dabei. Zwar war Willow-Wane nicht Trix, eine Welt, auf der es von schnellen und kraftvollen, Fleisch fressenden Lebensformen nur so wimmelte, dennoch gab es auch hier eine einschüchternd hohe Zahl an höchst lebendigen Raubtieren. Ein Siedler musste Acht geben, wohin er trat, vor allem im wilden, unzivilisierten Süden.

Hohe, biegsame blaue Sylux fassten das Ufer des Sees ein, eine beeindruckende Wasserfläche, die die Landschaft dominierte und sich bis weit nach Norden erstreckte. Die warmen, von Leben wimmelnden Wassermassen trennten den Regenwald, in den hinein die Siedlung gebaut worden war, von der unwirtlichen Wüste, die sich vom Äquator nach Süden ausdehnte. Vor vierzig Jahren gegründet, hatte die blühende Stockkolonie Paszex bereits einige eigenständige Trabantenstöcke gegründet. Worvendapurs Familie, die Ven, war in einer dieser Gemeinschaften recht bekannt: der Agristadt Pasjenji.

Im Augenblick reichte der Niederschlag des Regenwaldes völlig aus, um den Wasserbedarf des Stocks - oder der Wabe, wie manche sagten - zu decken, doch für die geplanten Siedlungserweiterungen würde man eine größere und verlässlichere Wasser quelle erschließen müssen. Anstatt die Mühe und Kosten für den Bau von Wasserspeichern auf sich zu nehmen, hatte man den nahe liegenden Vorschlag gemacht, die natürlichen Wasserressourcen des Sees anzuzapfen. Da Wor Subspezialist in Hydrologie war, hatte man ihn damit beauftragt, geeignete Standorte für die Kläranlage zu suchen und das Gelände auszuwählen, auf dem die Rohrleitungen verlaufen sollten. Ideal wäre es, wenn er eine Stelle fände, die so dicht wie möglich am See läge und zugleich die nötigen geologischen Voraussetzungen böte, um die Last der erforderlichen technischen Infrastruktur tragen zu können, angefangen mit der Pumpstation über die Filteranlage bis hin zu den Zuführungsleitungen.

Inzwischen war Wor schon seit mehr als einer Woche im Gelände unterwegs, nahm Lotungen vor und analysierte sie, bestätigte Luftbildvermessungen, begutachtete potenzielle Standorte und Trassenrouten für das Wasser, das die Kläranlage letztlich liefern würde. Wie jeder Thranx vermisste er die Geselligkeit des Stocks, die Berührung, die Geräusche und die Gerüche seiner Artgenossen. Bedauerlicherweise stand ihm noch eine weitere einsame Woche bevor. Die hiesige Fauna half ihm ein wenig, sich von seiner Einsamkeit abzulenken. Er genoss diese stets neues Wissen bereithaltenden, manchmal bezaubernden Ablenkungen, solange sich nicht eine von ihnen erhob und ihm das Bein abbiss.

Seismische Messungen hätten auch von der Luft aus durchgeführt werden können oder durch eine ferngesteuerte Sonde, aber für etwas, das für die Zukunft der Gemeinschaft so wichtig war wie eine Kläranlage, wollte die Stock-Obrigkeit die Vor-Ort-Inspektion und Begutachtung von einem Spezialisten durchführen lassen. Der Beurteilung der Stock-Obrigkeit konnte Wor wohl kaum widersprechen. Wenn es sich als machbar erwies, würde dieses Seewasser bald dazu dienen, den Durst seines eigenen Nachwuchses zu stillen. Wenn sich die Zuflussrohre im Stock zum ersten Mal öffneten, sollte das herausspritzende Wasser aus einer zuverlässigen Station kommen, die nicht ständig ausfiel oder von Mikroben verseucht war; dafür würde Wor schon sorgen.

Er öffnete seinen Rucksack, nahm mit allen vier Händen das Lotgerät heraus und machte es einsatzbereit. Als er einen Schalter berührte, klappten sich blitzschnell die sechs dünnen, mechanischen Standbeine aus. Wor setzte das Instrument auf dem Boden ab und justierte die Standbeine, bis er sicher war, dass es stabil auf dem leicht sumpfigen Untergrund stand und akkurat ausgerichtet war. Verglichen mit den vielen feuchten Stellen, die er bereits besucht und begutachtet hatte, sah diese hier vielversprechend aus. Es wäre fatal, eine Wasseraufbereitungsanlage auf durchweichtem, potenziell problematischem Untergrund zu errichten.

Er schaltete das Lotgerät ein, trat zurück und richtete seinen Facettenblick auf einen Schwarm Gentre!!m, die über ihm vorbeisegelten: eine weitverbreitete einheimische Spezies, die er gut kannte, hatte er sie doch im seit langem besiedelten Norden häufig angetroffen. Die Tiere wanderten zu den südlichen Regenwäldern, um der auf der Nordhalbkugel einsetzenden Regenzeit und den Monsunwinden zu entkommen. Ihre durchscheinenden, membranartigen Flügel schimmerten im diesigen Licht der Mittagssonne. Einige der Tiere verständigten sich mit anschwellenden Lauten, wobei sich ihre langen, biegsamen Schnäbel aufblähten und gleich wieder in sich zusammensackten.

Mit einem leisen Piepen zeigte das Lotgerät an, dass es mit der Messung fertig war. Während Worvendapur beobachtet hatte, wie die wild lebenden Tiere am Horizont des Sees verschwanden, hatte das Lotgerät eine Schallabtastung der unmittelbaren Umgebung vorgenommen, bis zu einer Tiefe von über hundert Metern. Nach der Auswertung der Echolotmessungen sowie einer Menge anderer sich ansammelnder Daten würden Worvendapur und seine Kollegen bestimmen, an welcher Stelle sie die Kläranlage und Pumpstation errichten würden.

Zwar brauchte Wor seine jeweiligen Feldmessungen nicht vor Ort zu analysieren, doch war er stets neugierig darauf, was das Gerät gemessen hatte. Er interessierte sich sogar noch mehr als ein durchschnittlicher Thranx dafür, wie die Erde unter seinen Füßen beschaffen war, weil er vielleicht eines Tages darin würde leben müssen. Die ersten Auswertungen, die auf dem Schirm aufblinkten, sahen vielversprechend aus und enthielten auf den ersten Blick wenig Überraschendes. Wie sich bereits bei allen vorherigen Messungen gezeigt hatte, befand sich unter Wor vorwiegend Sedimentgestein, das gelegentlich mit uralten, magmatischen Schichten durchsetzt war; diese Schichten stammten aus einer Zeit, da die tektonische Aktivität des Planeten noch höher gewesen war. Obwohl das Gestein der Planetenkruste, und somit auch das unterirdische Areal, in dem Paszex lag, mit Verwerfungen durchsetzt war, hatten sich diese Verwerfungen seit langem nicht mehr verändert und stellten daher mit einiger Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr dar.

Wor neigte den Kopf ein wenig. Da er nur eine durchsichtige Nickhaut anstelle von undurchsichtigen Augenlidern hatte, konnte er nicht blinzeln; seine Antennen senkten sich dem Schirm entgegen, bis sie ihn beinahe berührten. Tatsächlich: Das Echolot zeigte eine Anomalie an, beinahe unmittelbar unter Worvendapurs Füßen. Eine sehr eigentümliche Anomalie.

Sie war so eigentümlich, dass Wor kurz in Betracht zog, zum Flugwagen zurückzulaufen und seinen Fund zu melden. Doch obgleich man die in der Landvermessung eingesetzten Echolote als verlässlich bezeichnen konnte, waren sie alles andere als perfekt. Kein Instrument war perfekt. Und auch nicht die Personen, die sie bedienten. Wenn er seinen Verdacht meldete und dieser sich hinterher als unbegründet erwies, würde er in den Augen seiner Kollegen mehr als nur ein wenig töricht erscheinen. Thranx-Humor konnte ebenso nadelspitz sein wie die Legeröhren einer jungen Tänzerin. Unsicher, wie er am besten verfahren sollte, trug er das Echolot zum See, stellte es erneut auf und führte eine zweite Messung durch. Anstatt wilde Tiere zu beobachten, wartete er dieses Mal ungeduldig ab, bis das kompakte Gerät mit der Lotung fertig war.

Die zweite Messung, an einer anderen Stelle durchgeführt, bestätigte die Werte der ersten. Worvendapur dachte lange angestrengt nach. Die ungewöhnlichen Ergebnisse, die er erhielt, konnten auf einen mechanischen Fehler im Lotgerät zurückzuführen sein, auf einen konstant auftretenden Fehler im Analyseprogramm, einen einfachen Mangel im Anzeigesystem oder Bildschirm selbst oder konnte mindestens fünfzig andere Gründe haben - von denen jeder einzelne mehr Sinn ergäbe als das, was er den angezeigten Werten entnehmen zu können glaubte.

Gleichmäßig atmete er durch seine acht Stigmen, die Atemöffnungen, während er die Systeme des Echolots gründlich überprüfte. Soweit er sagen konnte, ohne das Gerät zu zerlegen (dazu war er nicht ausgebildet), arbeitete es einwandfrei. Anschließend untersuchte er sich selbst und kam zu dem Ergebnis, dass er ebenfalls einwandfrei funktionierte. Also schön. Er würde es einem Untersuchungskomitee überlassen, die unerklärlichen Messergebnisse auszuwerten. Aber er würde sich nicht auf eine einzige Messung verlassen und auch nicht nur auf zwei. Er packte das Echolot und trug es an die dritte von mehreren Dutzend Messstellen in der unmittelbaren Umgebung, ohne zu merken, dass er nicht allein war.

Jeder seiner Schritte wurde ebenso gründlich analysiert, wie er den Boden unter seinen Füßen untersuchte. Die Augen, die ihn beobachteten, waren keine Facettenaugen und gehörten auch keinem Tier der heimischen Fauna.

»Wasss macht er da?« Gekleidet in einen Tarnanzug, der sowohl die Farbe als auch das Muster wechseln konnte, war die AAnn-Kundschafterin, die am Rand des Sees im dichten, sich hin und her wiegenden Sylux hockte, praktisch unsichtbar. Gemeinsam mit ihrer Begleiterin beobachtete sie, wie der Eindringling mit dem blauen Rückenpanzer sein sechsgliedriges Gerät aufstellte, kurz wartete und es dann an eine andere Stelle trug.

»Mit den wisssenschaftlichen Insstrumenten der Thranx kenne ich mich nicht auss«, gestand die andere Kundschafterin. »Vielleicht nimmt er Wettermesssungen vor.«

Die etwas größere der beiden AAnn bekundete mit einer Geste Ablehnung dritten Grades und drückte dann mit einer Handbewegung Ungeduld zweiten Grades aus. »Wiesso ssollte man einen einzigen Techniker mit nur einem kleinen Gerät hierher schicken, damit er Wetterdaten analysiert? Dass lässst sich viel effizienter mit Orbitern erledigen.«

»Dass sstimmt«, räumte ihre Gefährtin gereizt ein. »Ich wollte lediglich einige Möglichkeiten aufzeigen, ssolange wir noch keine konkreten Informationen haben.«

Sie spähte durch die sich anmutig im Wind wiegenden dunkelblauen Stängel, ihr getarntes Reptiliengesicht nahezu unsichtbar. Dass sich die Sylux-Stängel unablässig bewegten, erschwerte ihr die genaue Beobachtung des Thranx. Überdies war es hier draußen auf der Oberfläche viel zu feucht für ihren Geschmack. Während der Thranx sich in der Umgebung des Regenwaldes äußerst wohl fühlte - je dunstiger, desto besser - atmeten die AAnn am liebsten möglichst trockene Luft.

»Er ssammelt Messsdaten über sseine Umgebung. Desshalb werden wir Daten darüber ssammeln, wie er sseine Daten ssammelt.« Sie löste ein kleines, röhrenartiges Gerät vom Gürtel, aktivierte es und zielte mit dem glänzenden, reflektierenden Ende auf den Thranx. Das war zwar ein wenig riskant, doch war der Thranx so sehr in seine Arbeit vertieft, dass er das gelegentlich aufblitzende Licht aus dem dichten, schwingenden Sylux nicht bemerkte.

Die Ergebnisse bestätigten die schlimmsten Befürchtungen der beiden Kundschafterinnen.

»Er nimmt Schallmesssungen im Untergrund vor.«

»Dass dürfen wir nicht zulasssen!«, konstatierte die andere AAnn beunruhigt.

Ihre Vorgesetzte hob die Hand. »Korrigiere: Die Durchführung von Messsungen dürfen wir ihm gestatten. Wass wir verhindern müsssen, isst, dasss er die Messsergebnissse sseinen Vorgessetzten übermittelt.«

»Schau!« Die andere Kundschafterin richtete sich auf und zeigte auf den Thranx, ungeachtet der Tatsache, dass ihre plötzliche Bewegung trotz Tarnkleidung ihre Position verraten haben könnte.

Der Thranx klappte sein Messgerät zusammen. Er drehte sich um und schritt entschlossen durch das hohe Gras, geradewegs auf seinen wartenden Flugwagen zu. Die beiden Kundschafterinnen folgten ihm geduckt, und als sie aus dem Sylux schlichen, passten sich ihre Anzüge sogleich an Farbton und Musterung des Grases hier an. Während die beiden AAnn stetig zu ihm aufschlossen, berieten sie, wie sie am besten vorgehen sollten.

»Wir müsssen den Vorfall melden«, beschloss die kleinere AAnn.

»Können wir nicht. Biss unssere Vorgessetzten den Ernsst der Lage begreifen und Befehle weiterleiten, isst der Eindringling verschwunden, und dann isst ess zu spät, ihn an der Datenübermittlung zu hindern. Bricht ein Zahn ab, musss der Sstumpf abgefeilt werden, bevor ssich die Infektion aussbreiten kann.«

»Ich treffe nur ungern eine Entscheidung von ssolcher Tragweite, ohne eine Genehmigung von oben zu haben.«

»Ich auch«, stimmte ihr die größere Gefährtin zu, »und dass isst auch der Grund, warum du und ich hier ssind und die meissten anderen nicht.«

Die zweite Kundschafterin richtete sich zur vollen Größe auf. Ihr schuppiger Schwanz zuckte unruhig hin und her. »Er hat ssein Fahrzeug schon fasst erreicht.«

»Dass ssehe ich sselbsst!«, zischte ihre Kollegin. »Ess bleibt keine Zeit mehr, darüber zu beraten, wie wir am bessten vorgehen ssollen.« Sie rannte los, setzte ein kräftiges Bein vor das andere.

Worvendapur öffnete das Staufach und legte sorgsam das zusammengeklappte Echolot hinein. Er vergewisserte sich, dass die Stauchfachklappe fest verschlossen war, ehe er sich umwandte und auf die Einstiegsrampe zuging. Gleich nach seiner Ankunft in Paszex würde er ein Treffen mit seiner Arbeitsgruppe anberaumen. Die im Echolot gespeicherten Daten waren so bedeutend, dass er eine solche Notfallsitzung durchaus rechtfertigen konnte. Selbst als er schon seinen Vortrag im Kopf probte, hoffte er inbrünstig, dass ein mechanischer Defekt für die widersprüchlichen Messdaten verantwortlich war - oder ein anderer Fehler, den er bislang übersehen hatte. Die angezeigten Daten ließen eigentlich nur einen Schluss zu ... doch hoffentlich gab es für sie eine andere Erklärung!

Wegen der potenziellen Brisanz dieser Daten hätte er vorsichtiger sein müssen als bisher, das war ihm klar; doch ließ er sich von der friedlichen, idyllischen Umgebung einlullen. Außerdem würde er in ein bis zwei Minuten auf dem Rückweg zur Siedlung sein, mit hoher Geschwindigkeit dicht über dem Gras dahinjagen. Es bestand kein Grund, sich Sorgen zu machen. Selbst als er die Bewegung wahrnahm, beunruhigte ihn das nicht sonderlich.

Dann sah er einen Lichtschein, der von einer künstlichen Lichtquelle stammte, und wusste, dass das, was sich ihm näherte, größer und tödlicher war als alles, was ihm seit Beginn seiner Vermessungsfahrt begegnet war.

Mit Echt- und Fußhand griff er hinter sich und packte mit allen acht Fingern das Gewehr. Ehe Worvendapur es auch nur halb aus dem Holster gezogen hatte, traf ein gebündelter Schallstoß seine beiden oberen Abdomensegmente, betäubte sein Nervensystem und schlug ein Loch in sein blaugrünes Ektoskelett. Die Kraft des Treffers hob ihn vom Boden und schleuderte ihn gegen den parkenden Flugwagen. Während er von dem glänzenden, gerillten Rumpf abprallte und zu Boden rutschte, versuchte er noch immer, die Waffe zu ziehen.

Als er das Gewehr schließlich aus dem Holster gezerrt hatte, trat ihm ein schwerer, in einer Sandale steckender Fuß auf die Hand. Worvendapurs dünne Greiffinger brachen unter dem Gewicht, doch war der verwundete Hydrologe bereits über das Stadium hinaus, Schmerz zu empfinden. Obwohl seine Eingeweide von der dicken Innenschicht seines Panzers aus Chitin geschützt waren, quollen sie ihm aus dem Leib - durch ein Loch, knapp unter den beiden oberen rudimentären Flügelschalen.

Langsam entglitt ihm sein Bewusstsein, und sein Blick trübte sich, und als er aufsah, schaute er in zwei mordlustige, wachsame Augen. Dann bewegte sich das Stück Himmel, das die Augen umgab, und er erkannte den glatten Umriss eines Schädels: unter der Kapuze eines Tarnanzuges, der eine Wolke simulierte. Ein zweites Augenpaar schwebte in der Nähe, funkelte ihn aus einer flüssigen Maske simulierten Unterholzes an. Die beiden Gestalten wechselten einige Worte. Da Wor kein Linguist war, verstand er die abgehackten, schrillen Laute nicht. Er versuchte, sein Gewehr nur mit der Fußhand zu packen.

»Wass machen wir jetzt?«, fragte die kleinere der beiden Killerinnen. »Nehmen wir ihn mit?«

»Wass nutzt unss eine Leiche?« Die andere Kundschafterin hob den Fuß von der zerschmetterten Echthand des Thranx und stieß die klaffende, blutende Abdomenwunde mit der Mündung ihrer Waffe an. Der hilflose Hydrologe zu ihren Füßen schrie leise auf. »Die Wunde isst tödlich.« Sie drückte ihrem Opfer die Mündung seitlich an den blaugrünen, annähernd herzförmigen Kopf. Ihre Miene blieb völlig reglos, als sie den Abzug durchzog. Ein Ruck ging durch den Schädel des Thranx, seine beiden Antennen zuckten wild, dann rührte er sich nicht mehr. Während die beiden AAnn darüber berieten, wie am besten vorzugehen sei, verblassten die in den Facettenaugen ihres Opfers schimmernden rotgoldenen Streifen und nahmen den leeren Braunton der Leblosigkeit an.

Einige Zeit später traten die Kundschafterinnen entschlossen, aber besorgt vor die dreiköpfige Untersuchungskommission. Nach den üblichen knappen Formalitäten stellten die Vorgesetzten den beiden AAnn Fragen, die diese ohne Zaudern beantworteten.

»Wir waren der Meinung, dasss wir keine Wahl hatten«, erklärte die ältere Kundschafterin erneut. »Der Thranx wollte fortfliegen.«

»Wir musssten handeln«, unterstützte ihre Kameradin sie.

Der anwesende ranghöhere Offizier kratzte sich am Hinterkopf. Seine Halsschuppen waren vom Alter matt, und es war längst an der Zeit, dass er sich häutete. Seine Augen indes waren noch immer klar und sein Verstand scharf.

»Ssie konnten nicht anderss handeln.« Er betonte seine Worte mit einer Geste der Überzeugung zweiten Grades. »Wäre der Feldforscher mit den gessammelten Daten zu sseiner Ssiedlung zurückgekehrt, wäre unsser geheimer Possten nicht lange unbemerkt geblieben. Der aber darf nicht entdeckt werden, biss wir die nötigen militärischen Mittel haben, um unss hier zu behaupten.«

»Dann waren unssere Vermutungen über ssein Vorhaben richtig?«, hakte die ältere Kundschafterin nach.

Mit einer Geste bejahte der Subalternoffizier ihre Frage. »Wir haben die Daten aussgelessen, die in dem von Ihnen entdeckten, fremden Feldmesssgerät gesspeichert ssind. Diesse hätten sso viel Schaden angerichtet, wie Ssie beide befürchtet haben.«

»Der Vorfall isst bedauerlich«, fügte der dritte anwesende Offizier hinzu, »aber hätten Ssie anderss gehandelt, wäre die Lage noch weitauss prekärer. Ess war ssehr klug von Ihnen, die Leiche im Flugwagen zu verstauen und ihn darauf zu programmieren, sseinen Kurss zurückzuverfolgen und ssich in ssicherer Entfernung zu unsserem Possten sselbsst zu zersstören.« Der AAnn sah seine Offizierskameraden an. »Mit ein wenig Glück glauben die Anssässsigen, dasss ihr Forscher durch ein technischess Verssagen dess Flugwagen umgekommen isst.«

Der ranghöhere Offizier machte eine zustimmende Geste. »Diesse Thranx ssind einfache Ssiedler. Keine gebildeten Bessucher von Hivehom. Dass werden wir in unsserem Bericht berückssichtigen.« Seine Schlitzaugen suchten den Blick der beiden Kundschafterinnen, die nach wie vor in Habt-Acht-Stellung vor ihm standen, die Schwänze steif nach hinten gereckt. »Zum Glück konnten Ssie verhindern, dasss die Daten weitergeleitet wurden. Dafür werden Ssie angemesssen belobigt.«

Die beiden Kundschafterinnen waren überglücklich, denn als sie vor die Kommission getreten waren, hatten sie schlicht gehofft, man würde sie nicht der Herbeiführung eines verhängnisvollen Konflikts bezichtigen und verurteilen.

Die Hoffnungen, die die Vorgesetzten der Kundschafterinnen hegten und die auch deren Vorgesetzte teilten, erfüllten sich nicht. Im Gegensatz zu den allzu optimistischen Voraussagen der AAnn-Offiziere erwiesen sich die ansässigen Thranx als weniger teilnahmslos als erwartet. Verwirrt von den Umständen, unter denen der kompetente, beliebte Hydrologe umgekommen war, sandten die Thranx zwei Ermittler von Paszex aus, mit dem Auftrag, die Spur des Toten zurückzuverfolgen. Als die beiden auch nicht zurückkehrten, stellte man eine größere Suchmannschaft zusammen. Und als diese schließlich ebenfalls aus unerklärlichen Gründen verschwand, forderten die Siedler von der bereits vor langer Zeit etablierten und amtierenden Nordregierung eine offizielle Untersuchungskommission, die ihnen auch kurze Zeit später bewilligt und ausgesandt wurde.

Sie suchten dasselbe verdächtige, tödliche Gelände ab wie die Suchtrupps vor ihnen und entdeckten schließlich ebenfalls, was der inzwischen längst verschiedene Worvendapur zu enthüllen gedroht hatte. In der darauf folgenden gewaltsamen Auseinandersetzung wurde der größte Teil der schwer bewaffneten Einheit ausgelöscht. Diesmal aber konnten die AAnn nicht alle Thranx töten. Ein kleines Kontingent aus Thranx, deren Rückzug und Flucht von ihren rasch fallenden Kameraden gedeckt wurde, schlug sich zur Siedlung durch und berichtete nicht nur von ihrer Entdeckung, sondern auch von dem, was im Anschluss an diese Entdeckung vorgefallen war.

Da den AAnn jetzt nur noch blieb, den Konflikt, der ohnehin bevorstand, selbst zu ihrem Besten voranzutreiben, entschieden sie, die Überlebenden zu verfolgen, in der Hoffnung, sie auszuschalten, ehe sie den Behörden der nördlichen Hemisphäre offiziell Bericht erstatten konnten. Obgleich die AAnn schnell, effizient und durchschlagskräftig vorgingen, gelang es den Thranx, Paszex zu halten und der Regierung einen Lagebericht zu übermitteln - trotz der Versuche der Angreifer, die Kommunikationssysteme des Stocks von der Außenwelt abzuschneiden. Zur gleichen Zeit sah sich der befehlshabende AAnn-Lord dazu genötigt, zur Verteidigung seines Postens Verstärkung von Außerwelt anzufordern.

Als der erste Militärtransport aus dem Norden in Paszex eintraf, war die Stadt schon beinahe eingenommen. Verblüfft über die Stärke der angreifenden AAnn, forderten die erleichterten Thranx selbst Verstärkungstruppen an. Die Auswertung der Echolotdaten offenbarte, dass sich unter dem unschuldig wirkenden, großen See nicht nur ein Außenposten, sondern ein ganzer Koloniekomplex der AAnn befand. Die AAnn hatten gegraben, gebohrt und gebaut - ein umfassendes und aufwendiges Unterfangen mit dem Ziel, einen Vorposten auf Willow-Wane zu errichten, bevor die Thranx die feindlichen Absichten der AAnn durchschaut hätten. Die seltsamen Linien unter der Planetenoberfläche, die der verstorbene, heftig beklagte Worvendapur entdeckt und in seinem Echolot gespeichert hatte, waren keine geologischen Verwerfungen gewesen, sondern Stollen.

Schließlich gelang es den Thranx, die AAnn aus Paszex zu vertreiben. Doch ihre unterirdische Anlage erwies sich als zu ausgedehnt und zu gut befestigt, als dass sie hätte eingenommen werden können. Letztlich führte nicht militärische, sondern diplomatische Zermürbung dazu, dass die Thranx den AAnn Territorien auf Willow-Wane überließen. Zwar war es nun den AAnn gestattet, ihre Siedlungen zu behalten, ja diese auszudehnen - in einem Gebiet, das die Thranx nicht sonderlich begehrten -, doch untersagten die Thranx den AAnn, weitere Siedlungen zu bauen. Dieser Pakt war unter der Thranx-Bevölkerung Willow-Wanes äußerst unbeliebt, doch Dinge von größerer Tragweite galt es zu berücksichtigen. Besser, man duldete eine einzelne Siedlung, ganz gleich wie groß und illegal, als einen Krieg um eine Welt zu riskieren, die bereits größtenteils besiedelt und entwickelt war.

So kam es, dass die AAnn-Eindringlinge toleriert und auch die letzte ihrer trügerischen Forderungen akzeptiert wurde. Den Pakt verdankte man umfangreichen diplomatischen Bemühungen, bei denen man den Verlust an Leben freimütig dem unterordnete, was professionelle Diplomaten beschönigend als »Gesamtbild« bezeichneten. Im trägen und heuchlerischen Schatten der Diplomatie wird der Schmerz jener, die ihre Freunde und Angehörigen verloren haben, gerne übersehen.

Rache war unter den Thranx keine beliebte Leidenschaft, doch empfanden die Überlebenden von Paszex mehr als nur Trauer und das Gefühl, verraten worden zu sein. Zu diesen Überlebenden zählten auch die übrig gebliebenen Angehörigen der Ven-Familie. Sie hatten einen beträchtlichen Teil der Stockpopulation gebildet, waren aber beim ersten AAnn-Angriff beinahe ausgelöscht worden. Die Überlebenden rangen darum, ihre Familie vor dem Aussterben zu bewahren und den Namen der Ven in die nächsten Generationen weiterzutragen, doch nach dem Konflikt fand man nicht mehr viele im Stock und im Clan Pur, die sich des Geburtsnamens Ven rühmen konnten. Sich ihres Verlustes bewusst, nahmen die letzten Ven ihre Verantwortung für den Fortbestand ihres Geschlechts sehr ernst; sie zogen sich noch mehr von den anderen Clans zurück, als es bei den Thranx üblich war. Ihren Nachkommen prägten sie dieses abnorme Verhalten ebenfalls ein, und diese wiederum reichten es an die nächste Generation weiter.

Besonders an einen ganz bestimmten Thranx.

 

Es war ein langer Tag gewesen, und die Mitglieder des Großen Rats hatten sich wie immer in die heiße, dunstige Ruhe der Meditationshöhle unter der Ratskammer zurückgezogen, wo sie sich entspannen und den Stress ihrer Regierungspflichten abbauen konnten. Niemand suchte die Einsamkeit, sondern man unterhielt sich angeregt über weniger gewichtige Themen als Regierungsangelegenheiten.

Bis auf zwei. Obwohl sie, gemessen an jedwedem Standard, als betagt galten, waren sie die jüngsten Ratsmitglieder. Sie sprachen über zwei bedeutende Vorfälle, die sich erst kürzlich ereignet hatten und nicht miteinander in Verbindung zu stehen schienen. Doch die beiden Thranx brachten sie miteinander in Verbindung.

»Die AAnn verhalten sich kecker als gewöhnlich«, sagte das weibliche Ratsmitglied. »Ja«, stimmte der andere Thranx zu. »Es ist schrecklich schade um Paszex.« Während er sprach, inhalierte er den parfümierten Dampf aus dem Kräuterwickel, der die Hälfte seiner Stigmen bedeckte. »Dagegen kann man nichts tun. Die Toten kann man nicht zurückbringen, und man kann auch nicht guten Gewissens dafür stimmen, einen großen Krieg zu ihrem Andenken zu führen.«

»Die AAnn verlassen sich immer darauf, dass wir in solchen Angelegenheiten vernünftig und logisch handeln. Mögen ihre Schuppen verrotten und ihre Eier ausdörren!«

»Sirri!!ch, wieso sollten wir anders handeln? Wir sind immer vernünftig. Aber du hast Recht. Eine Invasion dieser Größenordnung hat es auf Willow-Wane noch nie gegeben! Aber wir können nichts dagegen tun.«

»Ich weiß«, gab die Thranx-Frau zu. Ihre Legeröhren lagen eng an der Rückseite ihres Abdomens an, nicht mehr dazu imstande, Eier zu legen. »Es bereitet mir Kopfzerbrechen, wie man ein solches Ereignis künftig verhindern kann. Wir müssen stärker werden.«

Der männliche Tri-Eint tat mit einer Geste seine Zerrissenheit kund. »Was können wir denn noch anderes tun als das, was wir bereits getan haben? Die AAnn wagen keinen offenen Angriff. Sie wissen, das könnte eine heftige Reaktion nach sich ziehen.«

»Heute stimmt das vielleicht noch. Morgen allerdings ...« Ihre Antennen flatterten vielsagend. »Jeden Tag verstärken und erweitern die AAnn die eigenen Reihen. Was wir brauchen, ist etwas, das sie ablenkt.« Im Dampf glitzerten ihre Komplexaugen matt. »Etwas, das nicht so vorhersehbar ist wie wir Thranx.«

Der Tri-Eint war fasziniert. Er verlagerte seine Position auf dem Liegesattel. »Du stellst keine Hypothesen auf. Du hast etwas Spezielles im Sinn.«

»Kennst du den Außenposten der Fremdweltler auf der Hochebene?«

»Den der Zweifüßer? Dieser Men'schen?«

»Menschen«, korrigierte sie seine Aussprache. Die Menschenworte hatten keinen Biss und waren schwer auszusprechen. Ihre Sprache klang weich - so weich, wie ihr fleischiges Äußeres war. »Ich habe gerade erst einen Bericht gelesen. Es läuft gut mit ihnen. So gut, dass man bereits Vorkehrungen trifft, unserer Beziehungen zu ihnen zu vertiefen und zu entfalten.«

»Zu den Menschen?« Der Tonfall des Tri-Eints klang eindeutig angewidert, und er untermalte seine Frage mit vielen entsprechenden Gesten. »Wieso sollten wir unsere Beziehung zu solch unangenehmen Wesen vertiefen?«

»Intelligenz kannst du ihnen nicht absprechen, oder?«, forderte die Thranx ihn heraus.

»Moral und Manieren vielleicht, aber Intelligenz - nein, nicht nach den Geheimdienstberichten, die ich gelesen habe.« Er glitt vom Sitzsattel und nahm sich den Kräuterwickel vom Rücken.

»Sie verfügen über eine auffallend hohe militärische Schlagkraft.«

»Die sie wohl kaum jemandem wie uns zur Verfügung stellen werden.« Die Antennen des Thranx' zuckten, doch der Tri-Eint fuhr unbeirrt fort: »Ich habe diese Berichte ebenfalls gelesen. Die Mehrheit der Menschenpopulation empfindet unser äußeres Erscheinungsbild als abstoßend. Ich muss sagen, dass diese Empfindung auf Gegenseitigkeit beruht. Gegenseitige Ablehnung bildet, wenn überhaupt, nur einen wackligen Sockel für eine Allianz.«

»So etwas braucht Zeit«, gab sie zu bedenken, während sie mit einer Fußhand eine duftende Creme auf ihr Ektoskelett auftrug. Im Verein mit dem Dampf in der Kammer verlieh die Creme ihrem violettblauen Chiton einen halb metallischen Glanz. »Und Erziehung.«

Das männliche Ratsmitglied bellte angewidert: »Du kannst niemanden erziehen, wenn du keinen Kontakt zu ihm hast. Zugegeben, den wenigen Unterlagen zufolge, die man für uns freigibt, läuft das Projekt recht gut. Aber es ist ein Projekt von bescheidener Größenordnung und geringer Auswirkung und ändert nichts an dem Abscheu, den die meisten Menschen in unserer Gegenwart zu empfinden scheinen.«

»Das stimmt.« Mit der Nickhaut blinzelte sie sich das Kondenswasser von den Facettenaugen. »Aber es gibt noch ein weiteres Projekt, das in größerem Maßstab angelegt und zielgerichteter ist.«

Ihr Gegenüber hob unsicher den Blick. »Ich habe von keinem anderen Projekt gehört.«

»Man hält es geheim, bis es so ausgereift ist, dass man es beiden Seiten präsentieren kann. Nur wenige wissen davon. Sehr wenige. Man betrachtet das Projekt als absolut entscheidend für die Entwicklung der Beziehungen zwischen unseren beiden Spezies. Vor allem die AAnn dürfen nichts davon erfahren. Sie betrachten die Menschen als Bedrohung für ihr Expansionsvorhaben. Der Gedanke an eine Mensch-Thranx-Achse könnte sie vielleicht zu etwas . Unüberlegtem treiben.«

»Was für eine Mensch-Thranx-Achse? Wir haben kaum Kontakt zu den Zweifüßern.«

»Man arbeitet daran, das zu ändern«, versicherte sie ihm.

Der Thranx zirpte skeptisch. »Ich kann mir vorstellen, dass unsere beiden Spezies korrekte, formelle Beziehungen pflegen. Aber eine dauerhafte Allianz?« Er vollzog die ablehnendste Geste, die den Thranx möglich war. »Dazu wird es nie kommen. Keine Seite will das.«

»Einige Visionäre, zugegebenermaßen noch wenige, sehen das anders. Daher wurde dieses zweite, höchst geheime Projekt realisiert.« Ein Hauch von Belustigung mengte sich in ihre ernsthafte Beteuerung. »Du wirst nicht glauben, wo dieses Projekt durchgeführt wird.« Sie rückte dichter an ihn heran, damit die anderen Eints in der Entspannungshöhle nicht mithören konnten, berührte seine Antennen mit den ihren und flüsterte ihm etwas in die Hörorgane seines B- Thorax.

Sie hatte Recht. Er glaubte es tatsächlich nicht.