27 Izzy ließ das Kleid über die Hüften fallen, drehte sich zu ihrer Cousine um, und beide prusteten vor Lachen, während der Welpe, den sie immer noch nicht in den Zwinger zurückbringen wollte, fröhlich bellte.
»Ich glaube, ich bin ein bisschen herausgewachsen«, sagte sie.
»Ihr Götter, Izzy!« Branwen kauerte sich neben sie und zog am Saum. Er reichte ihr kaum bis ans Schienbein. »Zumindest wirst du darin tanzen können.«
Sie lachten noch mehr.
Auch wenn Izzy es ihrer Mutter gegenüber nie zugegeben hätte – zumindest, solange sie selbstgerecht und rechtschaffen wütend war –: Sie war froh, wieder zu Hause zu sein. Und es war ein Zuhause. Ihr Zuhause. Der einzige Ort, wo sie immer willkommen sein würde.
»Ich rede mit Keita«, bot Branwen an und stand auf.
»Was soll das bringen? Gegen mich ist sie ein Baumwichtel.«
»Stimmt, aber sie hat ein Auge dafür. Sie kann ein Kleid besorgen, das dich innerhalb von Sekunden verdammt toll aussehen lässt.«
Branwen ging zur Tür, öffnete sie und schrie auf. »Schleich dich verdammt noch mal nicht an mich ran!«
»Hab ich nicht!«
Izzys Cousine verließ das Zimmer, und ihr »Onkel« trat ein.
Izzy drehte sich wieder zum Spiegel um, hielt aber den Kopf ein wenig gesenkt, um ihr Lächeln zu verstecken. Sie hatte gewusst, dass er wiederkommen würde. So, wie er sie vorhin im Hof angesehen hatte, hatte sie es einfach gewusst.
»Und, was meinst du?«, fragte sie ihn, als Brannie gegangen war.
Éibhear blinzelte. »Äh … es ist ein bisschen kurz.« Dann warf er einen finsteren Blick auf ihre Brust. »Und ein bisschen eng.«
Sie sah an sich hinab. Ihre Brüste wölbten sich aus dem Mieder. »Ich scheine herausgewachsen zu sein, seit ich es das letzte Mal anhatte.«
»Mir ging es mit meinem Kleiderschrank auch nicht viel besser.« Er schloss die Tür hinter sich. »Izzy?«
»Hhmmm?«
»Ich glaube, wir sollten reden.«
Das war es! Das war es! Er würde endlich zugeben, wie sehr er sie vermisst hatte, und mehr brauchte sie nicht – zumindest im Moment. Er konnte ihr auch morgen noch sagen, dass er sie liebte und sie für immer und ewig haben wollte … oder später in der Woche. Aber jetzt würde ihr ein einfaches »Ich habe dich vermisst« oder, noch besser, ein einfaches »Ich habe dich vermisst, ich kann ohne dich nicht leben – bei den Göttern, du bist die schönste Frau, die ich je gesehen habe« vollkommen ausreichen.
»Also gut. Lass uns reden.«
Er ging zu ihr hinüber und nahm ihre Hände. Und Blut und Feuer, er hatte große Hände!
»Izzy?«
»Aye?«
Er atmete aus. »Du musst dich in Acht nehmen.«
In Acht nehmen? Wovor? Vor seiner überwältigenden Liebe und Verehrung?
»Wovor muss ich mich in Acht nehmen?«
»Vor Celyn.«
»Celyn? Was ist mit Celyn?«
»Ich weiß, du verstehst das nicht, du glaubst, er ist nur nett zu dir oder ein guter Vetter, aber ich glaube, er will mehr von dir.«
Izzy konnte es nicht fassen. Er spielte immer noch den beschützerischen Onkel. Aber sie hatte bereits beschützerische Onkel! Außerdem einen beschützerischen Großvater, beschützerische Großonkel, beschützerische Tanten und Großtanten und beschützerische Vettern! Was sie nicht brauchte, was sie nie wieder brauchte, war noch ein götterverdammtes beschützerisches Irgendwas!
Izzy entzog ihm ihre Hände. »Du bist ein Idiot.«
Éibhear trat zurück. »Was?«
»Ich sagte, du bist ein Idiot.«
»Ich versuche, auf dich aufzupassen.«
»Du musst nicht auf mich aufpassen. Du hast jetzt zwei Jahre nicht auf mich aufgepasst, und sieh her.« Sie streckte die Arme vom Körper weg. »Ich bin immer noch da. An einem Stück. Ich werde dir aber mal etwas sagen.« Sie rammte ihm den Finger in die Brust. »Celyn hat mir in der Schlacht den Rücken freigehalten.« Sie rammte noch einmal mit dem Finger. »Celyn hat mir geholfen, mir das Blut aus den Haaren zu waschen.« Noch ein Rums. »Celyn hat außerdem einem Kerl die Arme ausgerissen, der es lustig fand, mich anzuspringen, als ich allein auf Nachtwache war.« Noch ein Stoß, der Éibhear zur Tür zurückweichen ließ. »Wenn es dir also nichts ausmacht, werde ich wohl Celyn als Freund behalten, denn er war da, als du es nicht warst!«
»Ich habe nur versucht, dich zu warnen!«
»Du kannst dir deine Warnungen sonst wohin schieben!« Sie drückte ihn zur Seite und riss die Tür auf. »Und jetzt verzieh dich aus meinem Zimmer!«
Éibhear stampfte in den Flur, aber er drehte sich noch einmal zu ihr herum. »Izzy …«
Sie knallte ihm die Tür vor der Nase zu, riss sich das dumme, viel zu kleine Kleid vom Leib und pfefferte es durchs Zimmer.
Das war ja wohl der nervtötendste Drache, den sie je gesehen hatte, und es ärgerte sie maßlos, dass sie ihn vielleicht für immer lieben würde!
»Gibt es eine Hinrichtung?«, fragte Vigholf, der zusah, wie die Südländer begannen, Tische aus dem Weg zu rücken, um Platz auf dem Boden zu machen.
»So etwas tun sie nicht während des Essens«, behauptete Meinhard, dann fügte er hinzu: »Zumindest die Menschen tun das nicht.«
»Aber wir sind schon fertig mit dem Essen.« Vigholf hatte die Hand am Schwert. »Vielleicht sollten wir gehen?«
Ragnar hatte es so lange vor ihnen geheim gehalten, wie er konnte, aber jetzt hatte er keine Wahl mehr, als mit der Wahrheit herauszurücken. »Wir können nicht gehen.«
»Warum nicht?«
»Weil wir eingeladen sind. Es sähe nicht gut aus, wenn wir gehen.«
»Eingeladen? Wozu?«
Ragnar holte Luft, um seinen Verwandten alles zu erklären, aber da begannen die Musiker zu spielen, und der Verderber schlitterte mit Anlauf auf den Knien auf das Ende des Saales zu. Er war so ein sonderbarer Drache. »Schwester!«, rief er.
»Bruder!« Keita, die in ihrem hellblauen Kleid, die dunkelroten Haare mit hellblauen Blüten durchflochten, blendend aussah, rannte barfuß zu ihrem Bruder hinüber.
»Tanz mit mir!«, befahl er. »Meine Gefährtin weigert sich.«
Keita schnappte nach Luft. »Ist sie verrückt? Weiß sie nicht, wen sie da abweist?« Sie legte ihre Hand in die ihres Bruders. »Wann wird sie je wieder die Gelegenheit haben, mit jemandem zu tanzen, der so schön und wunderbar ist wie du?«
»Das sage ich ihr auch ständig!« Gwenvael stand auf und wirbelte seine Schwester in die Mitte des Saals. »Aber sie hört mir nie zu.«
»Du Mistkerl!«, knurrte Vigholf Ragnar mit zusammengebissenen Zähnen an.
»Ich gehe«, sagte Meinhard.
»Keiner von euch beiden geht irgendwohin.« Um ehrlich zu sein, wollte er einfach nicht allein gelassen werden. »Wenn ich da durch muss, müsst ihr das auch.«
»Wir müssen gar nichts.« Vigholf sah ihn finster an. »Wir sind nicht diejenigen, die eine Prinzessin vögeln.«
Sein Bruder und sein Vetter hatten die Gerüchte gehört, die Keita gestreut hatte. Hätten sie es früher am Tag erwähnt, hätte er ihnen – weil er wusste, dass man ihnen trauen konnte – ehrlich gesagt, dass das alles eine Lüge war. Jetzt konnte er das aber wohl nicht mehr.
»Du folgst immer noch meinem Kommando, Bruder. Und du wirst bleiben, oder ich …«
Der Streit endete abrupt, als zwei Frauen auf die drei Männer zukamen. Zwei junge Frauen. Ein bisschen zu jung für sie, um genau zu sein.
»Lady Iseabail«, sagte Ragnar.
Sie lächelte. »Nenn mich einfach Izzy.«
»Und ich bin einfach Branwen.«
»Können wir euch irgendwie helfen?«
»Meine Cousine und ich haben uns gefragt, ob ihr vielleicht mit uns tanzen …«
»Nein«, antworteten alle drei Blitzdrachen im Chor.
»Nun, ihr müsst mich ja nicht alle anschreien.«
Der Blaue kam zu ihnen herüber und sah mit finsterem Blick auf Izzy herab. Sie würdigte ihn keines Blickes. Es schien, als sei Izzy das einzige weibliche Wesen in den ganzen Dunklen Ebenen, das nicht das Bedürfnis hatte, sich in die Arme dieses Schwachkopfs zu werfen.
»Wir müssen reden«, sagte der Blaue.
»Schon wieder? Wurde ich heute Abend nicht schon genug gefoltert?«
»Du hast mich falsch verstanden, und dass du mir beim Festmahl Essen an den Kopf wirfst, zeigt nur, dass du kein bisschen erwachsener geworden bist.«
»Ach, verpiss dich!«
Vigholf unterdrückte ein Lachen, und Meinhard nahm einen Schluck von seinem Ale.
»Nein, ich werde mich nicht verpissen. Was glaubst du eigentlich, mit wem du sprichst?«
»Willst du darauf wirklich eine Antwort?«, fragte sie, bevor sie fortging, dicht gefolgt von dem Blauen.
Branwen blieb noch einen Moment stehen, bevor sie die Achseln zuckte und sagte. »Ich habe keinem von euch etwas zu sagen.« Dann verschwand sie in der wachsenden Menge auf der Tanzfläche.
Vigholf nickte. »Ich mag ihre Ehrlichkeit.«
Meinhard knallte seinen Becher auf den Tisch. »Ihr Ale schmeckt wie Pisse.«
»Eher wie verdünnte Pisse.«
»Wenn ihr zwei euch nur beschweren wollt …«, begann Ragnar, aber wieder wurde er unterbrochen. Diesmal von Keita.
Sobald sein Bruder und sein Vetter sie sahen, standen sie beide aufrechter und lächelten sie an. »Lady Keita«, sagten sie beide. Sie waren vielleicht nicht wütend auf Ragnar, weil er sich Keita geangelt hatte, aber da er sie nicht in Besitz genommen hatte, galt sie nach den Standards der Nordländer immer noch als Freiwild. Herzlose Bastarde.
»Mylords. Ich sehe, ihr seid keine Fans von unserem Ale.«
»Oh, nein, nein. Es ist gut.« Meinhard nahm seinen Becher wieder in die Hand und zwang sich, noch einen Schluck zu nehmen. »Es ist … süffig.«
Keita lachte, strahlend weiße Zähne blitzten auf, weiche menschliche Haut dehnte sich, als sie den Kopf zurückwarf. Ihr Götter, er begehrte sie so sehr, dass es ihm fast den Atem verschlug.
»Ich weiß wirklich zu schätzen, dass du das hinunterwürgst, Meinhard«, sagte sie. »Aber keine Sorge. Ich habe etwas, das helfen dürfte.« Sie hob den Arm und schnippte mit den Fingern. Ein Diener mit einem Tablett eilte herbei. »Von meinem Vater gebraut«, sagte sie und reichte jedem von ihnen einen Becher. »Er ist hier irgendwo mit meiner Mutter. Meidet ihn, wenn ihr könnt. Dieses Ale ist ziemlich beliebt bei seinem Clan und Dagmar, auch wenn meine Brüder es nicht einmal anrühren würden, wenn man ihnen ein Messer an die Kehle hielte.«
Ragnar starrte in seinen Becher. »Sicher, dass es nicht vergiftet ist?«, konnte er sich nicht verkneifen zu frotzeln.
»Nur deines«, flüsterte sie zurück. »Jetzt, wo ich fast fertig mit dir bin.«
Während er hin und her überlegte, ob sie es ernst meinte oder nicht, probierten sein Bruder und sein Vetter das Ale. Nach einem langen Schluck nickten sie beide anerkennend.
»Das ist gut.«
»Wirklich gut.«
Achselzuckend probierte Ragnar seines. Während es sich seinen Weg in seinen Magen brannte, dachte er, die böse Hexe müsse ihn tatsächlich vergiftet haben!
Ragnar beugte sich vornüber und hustete, unfähig, den Schmerz zu verbergen, den er litt.
»Achte nicht auf ihn«, sagte Vigholf und klopfte Ragnar auf den Rücken. Was ihm in seiner momentanen Lage auch nicht half. »Er war immer schon ein bisschen empfindlich, was Alkohol angeht.«
»Das sehe ich. Tja, keine Sorge.« Keita nahm Ragnar den Becher ab, und während er ihr mit Tränen in den Augen zusah, trank sie diese gebraute Säure in einem herzhaften Zug aus. Als sie fertig war, knallte sie den Becher auf den Tisch hinter ihnen und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Ahhh. Das Gebräu meines Vaters ist über die Jahre nur besser geworden.«
»He! Eure Königliche Majestät!«, schrie einer ihrer Brüder von der Tanzfläche. »Kommst du nun oder was?«
»Meine Familie ruft«, sagte sie lachend. »Aber ich hoffe, ihr bleibt und amüsiert euch.«
Sie lächelte noch einmal, bevor sie sich auf dem Absatz umdrehte und sich unter die Tanzenden mischte.
Ragnar nahm rasch den Becher hoch, den sie abgestellt hatte, und sie sahen alle drei hinein. »Sie hat diese Galle bis zum letzten Tropfen getrunken.«
Gemeinsam schauten sie auf und sahen sie mit ihrem silberhaarigen Bruder Briec vorbeitanzen. Sie bewegte sich, als hätte sie überhaupt nichts getrunken – so sicher wie immer, sodass er sich fragte, wie viel sie wohl genau in jener Nacht mit ihren Cousinen und Tanten getrunken hatte.
Dann sagte Meinhard, was sie alle dachten …
»Sie ist absolut perfekt.«
Fearghus schnappte sich seine Tochter und drehte sich weg, bevor die Mutter des Mädchens ihre Hände um ihre Kehle legen konnte.
»Du kleine Schlange!«
»Annwyl …«
»Halt den Mund!« Sie wischte sich das Blut vom Gesicht. »Schau, was sie getan hat!«
»Ich bin mir sicher, es war ein Versehen.« Er log natürlich. Er hatte gesehen, wie seine Tochter nach dem Messer griff, bevor er es konnte, und es mit einer Kunstfertigkeit warf, für die er selbst Jahrzehnte trainiert hatte. Kaum zwei Jahre alt, und sie war schon so gut wie er, wie ihre Mutter, sogar wie Bercelak. Das Schlimmste war, er wusste, dass Talwyn dieses Messer nicht aus Wut, sondern aus Neugier geworfen hatte. Sie war nur daran interessiert gewesen, ihr Ziel zu treffen. Auch wenn sie, was ihre Fähigkeiten anging, ihrem Alter weit voraus war, hatte sie noch nicht verstanden, dass es Konsequenzen hatte, Messer, Schwerter, Teller, Tassen oder Stühle zu werfen.
»Sei nicht so hart zu ihr«, sagte er zu seiner Gefährtin.
»Wir brauchen ein Kindermädchen.« Annwyl nahm das Tuch, das ihr einer der Diener reichte, und drückte es auf ihre neueste Wunde.
»Wir arbeiten daran.«
»Arbeitet schneller.«
Fearghus hielt seine Tochter in Richtung ihrer Mutter. »Sag, dass es dir leid tut, Talwyn.«
»Was soll das?«, fragte Annwyl. »Du weißt, dass sie das nicht sagen kann.«
»Nicht können und nicht tun sind zwei verschiedene Dinge. Sie spricht mehr als genug mit ihrem Bruder.«
»Flüsternd Dinge aushecken ist nicht reden. Sie hecken Dinge aus.«
»Ich habe es schon einmal gesagt, und ich sage es wieder: Du bist zu hart zu – au! Du heimtückisches kleines Dämonenkind!«
Bevor Fearghus das kleine Biest treten konnte, das in seinen Fuß biss, hob Annwyl den kleinen Dämon in ihre Arme und drückte ihn an die Brust. »Wage es ja nicht, du Wahnsinniger!«
»Er hat angefangen!«
»Was ist los mit dir? Er ist dein Sohn!«
»Er ist dein Sohn, Weib.« Er zog seine Tochter an sich. »Sie gehört mir.«
»Du kannst sie haben.«
»Schön!«
»Schön!«
»Das reicht.« Rhiannon schaltete sich ein und nahm Annwyl ihren Enkel ab, während Bercelak Fearghus Talwyn abnahm. »Ihr zwei geht tanzen oder sonst etwas, bevor unsere Gäste aus den Nordländern noch zu sehen bekommen, wie der zukünftige Erbe meines Throns einen Schwertkampf mit seiner eigenen Gefährtin austrägt.«
»Seit wann seid ihr zwei hier?«, fragte Fearghus.
»Können wir nicht kommen und unsere Kinder und unsere wundervollen Enkel besuchen?« Sie lächelte das Dämonenkind an, das Fearghus höhnisch angrinste.
»Kleiner Mistkerl«, murmelte er, was ihm einen Schlag auf den Hinterkopf von seinem Vater einbrachte. »Musst du das tun?«
»Sei kein Esel. Geht. Tanzt. Vögelt. Tut etwas.«
Fearghus griff nach Annwyls Hand. Sie küsste ihren Sohn auf den Kopf, warf ihrer Tochter einen finsteren Blick zu und lächelte seine Mutter und dann Bercelak an. Sie ging in Richtung Tanzfläche, als Fearghus sie zurückriss.
»Was war das?«, wollte er wissen.
»Was war was?«
»Du. Du hast meinen Vater angelächelt.«
»Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte ihn angespuckt?«
»Um ehrlich zu sein … ja!«
Immer noch seine Hand haltend, stemmte sie die andere in ihre Hüfte. »Fearghus der Zerstörer, entweder du tanzt mit mir oder du vögelst mich, aber tu etwas.«
Bevor er antworten konnte, sprang Gwenvael an Annwyls Seite und sagte: »Wenn er nichts davon tun will, kann ich sicher …«
»Verzieh dich!«, schrien sie beide.
Schmollend ging Gwenvael weg. »Ihr zwei seid in letzter Zeit ganz schön launisch.«
Als sie wieder allein waren, sahen sich die beiden an und lächelten.
»Deine Schwester hat das letzte potentielle Kindermädchen vergrault!«, beschwerte sich Talaith, als sie sich ungebeten auf Briecs Schoß fallen ließ.
»Wie ist das passiert?«
»Weiß nicht genau. Brastias war ein bisschen vage, aber es sieht aus, als wären wir wieder auf der Suche. Was sehr zu Annwyls Unkenrufen beiträgt.«
»Wir haben kein Kindermädchen? Also hast du meine perfekte Tochter …«
»Wenn du sie noch einmal so nennst …«
»… ganz allein und wehrlos zurückgelassen?«
»Nein. Deine Eltern kümmern sich um die Kinder. Ich glaube, sie kommen jetzt nur noch zu diesen Festlichkeiten, damit sie sich um die Kinder kümmern können. Und seien wir ehrlich, mein Liebling, unsere Tochter und die Zwillinge sind wohl kaum wehrlos. Wenn ich allerdings herausfinde, welcher von euch Idioten Talwyn dieses verdammte Trainingsschwert gegeben hat …«
»Dieser Idiot war dann wohl ihr Großvater.«
»Oh.«
»Oh?«, fragte Briec. »Alles, was Bercelak erntet, ist ein ›Oh‹, aber wenn es Fearghus oder ich gewesen wären, oder – die Götter mögen es verhüten! – Gwenvael, dann hättest du uns die Köpfe abgerissen?«
»Ja. Da ist was Wahres dran.«
»Wo bleibt da die Gerechtigkeit?«
»Es ist Bercelak. Der süße, fürsorgliche, wunderbare Bercelak, der sich großartig um seine Enkel kümmert und … au!« Talaith schrie auf, als ihr Hintern auf den Boden knallte, weil Briec ohne Vorwarnung aufgestanden war und davonging.
Aber was hatte sie anderes erwartet?
Süß? Fürsorglich? Bercelak?
Morfyd konnte sich nicht zwischen mehreren der süßen Nachspeisen entscheiden, als ihre Schwester fragte: »Sicher, dass deine Hüften das vertragen, Schwester? Du siehst von hinten langsam aus wie Mum.«
Empört wirbelte Morfyd herum, einen riesigen Feuerball im Anschlag, doch Brastias stellte sich vor sie, sodass sein breiter Rücken Keitas perfektes, makelloses Gesicht abschirmte.
»Keita, deine Nordland-Gäste wirken langsam panisch. Vielleicht willst du nach ihnen sehen, bevor sie schreiend aus dem Gebäude rennen.«
»Also ehrlich«, beschwerte sich Keita. »Ist tanzen so schlimm?«
Sie ging die Nordländer retten, von denen sie zumindest mit einem zur Zeit – und dummerweise – ins Bett ging, und Brastias drehte sich langsam zu Morfyd um.
»Genügt ein Faustkampf am Tag nicht einmal für schöne Drachen?«
»Sie hat angefangen!«, erwiderte Morfyd anklagend.
»Und du hast sie gelassen. Warum? Du weißt doch, dass sie es mit Absicht macht?«
»Weil sie einmal ordentliche Dresche verdient.«
Brastias beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn, aber sie hatte das Gefühl, dass er das nur tat, um sie nicht auszulachen. Nicht dass sie ihm einen Vorwurf hätte machen können. Sie und Keita waren zu alt für solche Dinge, aber ihre Schwester hatte etwas an sich, das Morfyd einfach schrecklich wütend machte.
»Du siehst schön aus«, murmelte er an ihrer Haut, während sein Kuss länger anhielt als nötig. Das störte sie natürlich nicht im Geringsten. Eigentlich mochte sie es sogar sehr.
»Danke.«
»Müssen wir lange bleiben?«
»Nein.« Sie versuchte den Kloß in ihrem Hals zu schlucken und schloss kurz die Augen. »Es ist kein Festmahl oder so etwas. Nur ein Zusammensein nach dem Abendessen.«
»Warum gehen wir dann nicht« – er küsste ihre Wange – »rauf in unser Zimmer« – er küsste ihren Kieferknochen, ihren Hals – »und ziehen uns für die Nacht zurück?«
»Das klingt …« Beinahe hätte Morfyd ihn zu spät gesehen. Gwenvael ging an ihnen vorbei und spionierte sie beide aus, die schmalen Augen auf Brastias’ Rücken gerichtet, während er das Paar beim Kuscheln beobachtete. Götter, er benahm sich wie ein Baby wegen alledem!
Gwenvael blieb abrupt stehen, und sie sah, wie ihr Bruder Luft in die Lungen sog, um eine Flamme auf Brastias zu schleudern. Sie war diese lächerliche Vendetta ihres Bruders gegen ihren Gefährten so leid! Sie schlang die Arme um Brastias’ Schultern, zog ihn eng an sich und schleuderte den Feuerball, den sie für Keita hatte benutzen wollen.
Während ihr Bruder rückwärts durch den Raum flog, fuhr sie fort: »Wunderbar. Das klingt ganz wunderbar. Lass uns gehen.«
Ragnar und Vigholf traten beiseite und sahen dem Südländer nach, der in Flammen gehüllt an ihnen vorbeiflog.
Als er gegen die Wand krachte, stellten sie sich wieder nebeneinander und schauten in die Menge.
»Was hast du noch gehört?«
»Eine Menge Gerede über Angriffe auf kleine Dörfer und Städte in der Nähe der Westlichen Berge. Sie versuchen, es nach den Barbarenstämmen aussehen zu lassen, aber die Soldaten finden immer wieder Beweise, dass es die Souveräne sind.«
Ragnar atmete langsam aus und nickte. »Alles klar. Gute Arbeit.«
»Bist du sicher, dass du nicht nur zu viel in diese Sendschreiben hineininterpretierst?«
»Vielleicht, aber ich will lieber sichergehen, du nicht?«
»Bist du sicher, dass das nichts mit deiner Prinzessin zu tun hat? Vielleicht ein Grund, um in ihrer Nähe zu bleiben?«
»Es hat fast nur mit ihr zu tun. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Eisendrachen, wenn sie kommen, durch die Nordländer kommen werden.«
»Glaubst du wirklich, Styrbjörn wäre so dumm?«
»Ja. Das glaube ich.«
»Dann werde ich sehen, ob ich noch mehr herausfinden kann.«
»Gut. Danke, Bruder.«
Vigholf nickte. »Da ist noch etwas. Es hat vielleicht nichts zu bedeuten, aber …«
Wenn es nichts zu bedeuten hatte, hätte Vigholf sich nicht die Mühe gemacht, es anzusprechen.
»Aber was?«
Er beugte sich vor und sprach noch leiser. »Sie sagen, die Menschenkönigin hat Träume. Von etwas, das auf Pferden, die Augen aus Feuer haben, Berge aus Eis herunterreitet und dabei von riesigen Hunden mit Hörnern begleitet wird.«
Ragnar starrte auf den Boden, sein Herz setzte ein paar Schläge aus. »Bist du sicher?«
»Das habe ich gehört, aber das Gerücht verbreitet sich erst jetzt.« Er zuckte die Achseln. »Sie glauben sowieso alle, sie sei verrückt, deshalb nehmen wenige diese Träume ernst.«
Weil sie es nicht wussten.
»Wenn sie von ihnen träumt, Bruder …«, begann Vigholf.
»Keine Panik.« Ragnar hob den Kopf und sah sich um. »Mal sehen, was ich herausfinden kann. Wir sprechen uns später wieder.«
»Alles klar.«
Ragnar machte Meinhard, der sich am anderen Ende des Saals mit mehreren Frauen unterhielt, ein Zeichen. »Er scheint sich ganz gut zu schlagen.«
»Er hat auch noch alle seine Haare«, brummelte Vigholf, woraufhin Ragnar seinen Bruder am liebsten geschlagen hätte.
»Vielleicht hättest du gern Haare wie diese Royals. Länger als bis zum Hintern, damit andere Männer dich besonders verlockend finden.«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich will nur das hier nicht.«
»Sei dankbar, dass du deinen Kopf noch hast.«
»Lord Vigholf!«, rief Keita aus, die aus der tanzenden Menge heraustrat. »Da bist du ja!«
Da er und sein Bruder sich nicht vom Fleck gerührt hatten, wusste Ragnar nicht recht, wie schwer es für Keita hatte sein können, Vigholf zu finden.
Eine Hand auf die Schulter einer anderen Drachin gelegt, sagte Keita: »Lord Vigholf, das ist meine Cousine Aedammair.«
»Mylady.«
»Es heißt ›Hauptmann‹«, korrigierte ihn die braune Drachin schroff. »Also, willst du tanzen?«
»Na ja, eigentlich …«
»Gut.« Die Drachin schnappte Vigholf am Umhang und riss den armen Tölpel mit sich auf die Tanzfläche.
Keita lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch und stützte die Handflächen auf das Holz.
»Und was genau war das jetzt?«, fragte Ragnar.
»Er sah deprimiert aus. Aedammair wird ihm dabei helfen.«
»Sag mir, Prinzessin, beutest du alle deine Bekannten aus, um Außenstehende zu besänftigen?«
»Nur jene Cousinen, die mir sagen: ›Ich werde diesen lila Hengst da drüben vögeln. Wie heißt er?‹«
»Warum kann sie kritiklos mit einem lila Hengst ins Bett gehen, aber du nicht?«
»Aedammair ist von niederer Geburt, ich dagegen bin von königlicher Abstammung. Ich kann nicht herumrennen und einfach mit jedem ins Bett gehen.« Sie schürzte die Lippen, bevor sie zugab: »Ich tue es, aber ich sollte es eigentlich nicht.«
Ragnar lachte und sah auf sie herab. »Du siehst heute Abend unglaublich aus.«
Ihr Lächeln war strahlend. »Ich weiß. Ich habe mir all diese Mühe für dich gemacht, nur damit du es weißt. Ich will hoffen, dass es sich auszahlt.«
»Ich denke, das kann ich einrichten.«
Gwenvael hatte sich endlich wieder aufgerappelt und stolperte auf den Tisch zu, während er sich Schmutz und Flammenreste von seinen immer noch intakten Kleidern wischte – ein Zeichen, dass wer immer ihn auch in Flammen gesetzt hatte, nicht versucht hatte, ihm ernsthaft zu schaden, sondern nur ihn zu vertreiben.
»Du bist unvernünftig!«, schrie Gwenvael jemandem am anderen Ende des Saals zu.
»Glaubst du, dass derjenige, den er da anschreit, wirklich unvernünftig war?«
»Nein, überhaupt nicht.« Keita breitete die Arme noch ein bisschen weiter aus, und ihre Finger strichen über seine.
Ragnar sah seinen Bruder durch die Menge der Tanzenden pflügen im Versuch, es zu einem Ausgang zu schaffen, die braune Drachin dicht auf den Fersen. »Wann können wir hier raus?«, fragte Ragnar mit gesenkter Stimme. »Ich möchte unbedingt wieder in dir sein.«
»Wir könnten dreist hinausmarschieren, ich über deiner Schulter, wie einer meiner Vettern es mit seiner Gefährtin gemacht hat. Wenn ich mir auch ziemlich sicher bin, dass das zu deinem unmittelbaren Tod durch meine Brüder führen könnte, bevor wir es auch nur in den Hof geschafft haben.«
»Das würde ich gerne vermeiden.«
»Ich auch. Ich kann mich ja nicht mit dir amüsieren, wenn du tot bist.«
»Das ist ein hervorragendes Argument.«
Vigholf rannte jetzt in die andere Richtung und schob Feuerspucker aus dem Weg, während er versuchte zu fliehen.
»Wir könnten uns hinausschleichen, wie es mein kleiner Bruder vor ein paar Minuten mit einer der Töchter dieser menschlichen Adligen getan hat.«
»Wenn du gesehen hast, wie er sich hinausgeschlichen hat, dann ist er nicht besonders gut geschlichen.«
Keita schnaubte. »Dieser kleine Idiot wollte gesehen werden. Er ist so durchschaubar in dieser ganzen Sache.«
»Ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
»Nichts. Mein Bruder ist noch jung. Er wird noch früh genug etwas über Frauen lernen.«
»Ich glaube, dein Bruder wird tausend Jahre alt und immer noch nichts über Frauen wissen.«
Vigholf erschien plötzlich vor ihnen und flüsterte: »Hilf. Mir.«
»Wo willst du hin?«, fragte der weibliche Drachenhauptmann, hielt Vigholf fest und zerrte ihn zurück auf die Tanzfläche.
»Als ich so alt war wie dein Bruder«, fuhr Ragnar fort, »hatte ich schon eine Schlacht gegen eine Horde eines meiner eigenen Onkels hinter mir, war in die Eisländer gereist, um zehn Jahre mit einer kleinen Gruppe von Magiern zu lernen, die glaubten, sie seien weder gut noch böse, und hatte ein gesamtes Mönchskloster zerstört.«
»Ihr Götter«, sagte Keita mit bebendem Atem. »Du willst mich wohl direkt hier und jetzt vögeln.«
Briec kam auf sie zu, den Blick auf die Tanzfläche gerichtet.
»Was ist hier los?«, fragte er und deutete auf Vigholf, der verzweifelt versuchte, die braune Drachin nicht so dicht an sich heranzulassen, wie sie es gern gehabt hätte.
»Aedammair hilft dem armen Vigholf, den tragischen Verlust seiner Haare zu vergessen.«
Briec schüttelte den Kopf und lächelte. »Du bist wirklich eine herzlose Kuh.«
Statt beleidigt zu sein, lachte Keita und antwortete: »Ich weiß!«
»Übrigens«, sagte ihr Bruder, und Ragnar fragte sich, wie der Drache es schaffte, ständig so gelangweilt zu klingen. »Ren wollte, dass ich dir ausrichte, er sei bald zurück.«
»Warte. Was?« Keita richtete sich auf. »Ren ist gegangen? Wann?«
»Irgendwann heute Nachmittag.«
»Wo ist er hingegangen?«
»Ich weiß nicht.«
»Bist du nicht auf die Idee gekommen zu fragen?«
»Glaubst du wirklich, dass mich das interessiert?«, fragte Briec, bevor er weiterging.
»Du musst aber auch nicht gleich grob werden!« Keita begann mit dem goldenen Armband zu spielen, das sie am Handgelenk trug.
»Du machst dir Sorgen.«
»Es sieht Ren nicht ähnlich, einfach so zu gehen. Er sagt mir immer Bescheid, wenn er geht.«
»Vielleicht hatte er nicht vor, lange weg zu sein.«
»Vielleicht.«
»Du steigerst dich in etwas hinein.«
»Ich steigere mich nie in etwas hinein.«
»Doch, jetzt im Moment steigerst du dich in etwas hinein.«
»Tue ich nicht.« Sie trat rasch zur Seite, als Vigholf gegen den Tisch krachte.
»Bei der süßen Götterscheiße, helft mir!«
Der weibliche Hauptmann kam zu ihnen herüber. »Was ist bloß los mit ihm?«
»Er ist schüchtern.« Keita beugte sich vor und flüsterte: »Und ich glaube, er ist noch ein bisschen verliebter in Gwenvael als du.«
»Oh. So ist das?«
»Ich fürchte, ja.« Keita zeigte ans andere Ende des Saals. »Aber da drüben ist sein Vetter. Meinhard.«
»Meinhard. Der Name gefällt mir.« Und weg war die Braune.
»Du bist grausam, Prinzessin«, schalt Ragnar.
»Und dabei wollte ich diesmal wirklich nur helfen.«