21.
Als sie sich umdrehten, fanden sie drei Steinstufen in der Farbe von Haferkuchen vor, die zu einer grüngoldenen Landschaft aus Buckeln und kleinen Hügeln hinaufführten. Wäre es nicht so still gewesen, und hätte nicht unweit von ihnen der Nebel begonnen, so hätten sie geglaubt, sie wären schon wieder im Karnsburg außerhalb des Wegsteins.
Durch eine Rinne im gold-grünen Rasen ging es leicht bergauf. Die Buckel, unter denen Herns Palast lag, blieben winzig hinter ihnen zurück. So sind Ruinen eben, dachte Maewen. Alle Gebäude, sogar Paläste scheinen viel mehr Platz einzunehmen, als sie es wirklich tun.
Zuerst waren sie alle sehr still und sehr ernst. Immer wieder warfen sie Mitt Blicke zu, der in ihrer Mitte ging, während vor seinem Haar die Krone orangegolden glänzte. Er wirkte größer. Niemand wusste, was er sagen sollte. Schließlich beschloss Maewen, dass jemand das Schweigen brechen musste.
»Sollen wir dich jetzt Majestät nennen?«, fragte sie.
»Lodernder Ammet!«, rief Mitt. »Wag das bloß nicht!« Er nahm ihre Hand. »Keiner von euch soll mich anders behandeln als bisher«, sagte er. »Ich brauche euch alle in meiner Nähe, wenn ich nicht den Verstand verlieren soll!«
Alles brach erleichtert in Lachen aus. Danach konnten sie wieder recht normal miteinander reden, bis Moril plötzlich sagte: »Seid mal einen Moment ruhig.«
Seine Quidder brummte und wurde mit jedem Schritt lauter, den sie vorwärts gingen. Etwas Dunkles erhob sich aus dem Nebel vor ihnen. Die Quidder knurrte beinahe, als sie es erreichten. Es war der Wegstein, nur dass er nicht mehr klein war. Als mächtiger Bogen überragte er sie; er war noch größer als der auf dem Bahnhof, an den sich Maewen erinnerte.
Moril murmelte: »Größer als die Welt, mal wie eine Nuss so klein.« Es musste ein Zitat sein. Kialan erkannte es und grinste, während sie gemeinsam durch den Wegstein stiegen, wobei Ynen, der als Letzter folgte, fast auf Moril getreten wäre, der gleich vor Kialan ging.
Sie kehrten zurück auf grünes Gras an einem grauen Morgen. Hinter ihnen stand hüfthoch der Wegstein, und ringsum tobte die Schlacht.
Der Kampf war laut und scheußlich; wohin sie auch blickten, Menschen rannten umher, rangen und schlugen aufeinander ein. Reiter wie reiterlose Pferde galoppierten schreiend hin und her. Sie erhaschten einen Blick auf Luthan, der noch immer im Sattel saß und wütend auf jemanden mit gewölbtem Helm und glänzender Rüstung einhieb, die ihm eine stolz geschwellte Brust verlieh. Luthans Gesicht war rot von Blut, das sich mit dem Rot seiner Kleidung biss. Auch einer seiner Arme zeigte das falsche Rot, und das Kettenhemd hing dort in Streifen herab. Ihnen blieb gerade genügend Zeit, um ihn zu erkennen, dann wirbelten Pferd und Kampf schon weiter, und sowohl Luthan als auch sein Gegner verschwanden im Getümmel. Die Luft war erfüllt von treibenden grauen Rauchwölkchen, Rufen, Geklirr und dem Surren von Armbrustbolzen, die womöglich noch grausamer waren als Büchsenkugeln, denn man hörte sie kaum kommen.
Kialan warf sich hinter den Wegstein. »Runter mit euch, mit euch allen!«
Der Wegstein bot nur sehr wenig Deckung, aber er war das Beste, was sie hatten. Sie drängten sich alle hinter Kialan und kauerten oder knieten sich hin. Mitt hockte auf einem Knie und rückte mit einer Hand die Krone zurecht.
»Was geht hier vor?«, keuchte Moril. Er hatte sich schützend über seine Quidder gelegt. »Die sehen aus wie Südländer! Diese Rüstungen!«
Ynen warf einen Blick durch das Loch im Wegstein. »Das sind sie auch! Ich glaube, sie sehen aus wie Andmarker.«
»Graf Henda!«, rief Mitt aus. Alle außer Maewen hoben rasch den Kopf und riskierten einen hastigen Blick. »Das sind Hunderte«, sagte Mitt. »Wo kommen die denn alle her?«
»Dann müssen sie es ein, die wir in der Nacht gehört haben – Ynen und ich«, sagte Kialan, der sich auf die Knie geduckt hatte. »Ich weiß noch, ich habe geglaubt, Vorratswagen zu hören.«
Mitt hob wieder den Kopf und spähte in das wilde Durcheinander. Er duckte sich fast augenblicklich wieder, und ein Armbrustbolzen pfiff über ihre Köpfe hinweg. Trotzdem hatte er eine Reihe von großen schwarzen Wagen entdeckt, die ein Stück von der Grünen Straße entfernt abgestellt waren. »Sie benutzen die Wagen als Deckung«, sagte er. »Die mit den Büchsen.«
»Was meinst du, wer gewinnt?«, fragte Kialan.
Mitt schüttelte den Kopf. Durch die Krone fühlte er sich schwerer an als gewohnt. Die Schlacht war offensichtlich schon längst über das Stadium hinaus, in dem man noch sagen kann, was vor sich geht, doch anscheinend waren die Südländer in der Übermacht. Er hatte den Eindruck, dass den Nordländern eine Niederlage drohte.
Er hörte ein anderes Geräusch. Unter all dem Lärm war es schwer auszumachen. Mitt glaubte, er bemerke es nur deshalb, weil er es in seinen Knochen ebenso sehr spürte wie in seinen Ohren. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er unbeabsichtigt den Namen des Erderschütterers ausgesprochen hatte. Die Welt schien von Trommeln erfüllt.
Hinter ihnen erhob sich ein gewaltiges Gebrüll.
Als sie sich herumwarfen, erblickten sie eine Wand aus Reitern, die auf sie zugaloppierte. Die Welt schien nur noch aus Tausenden von donnernden Pferdehufen zu bestehen, aus umherwirbelnden Grassoden und hohl dröhnendem Getrommel. Kialan breitete die Arme aus und zog die vier eng vor sich zusammen. »Runter!«, brüllte er und warf sich über sie.
Trotzdem duckten sie sich und zuckten zusammen, während die Reiter sie überrannten. Überall ringsum waren Pferde, und sie mitten dazwischen. Ein Reiter sprang wirklich genau über ihre Köpfe, genau über sie und über den Wegstein hinweg. Der Boden erbebte ernsthaft.
»Ach du großer Einer!«, stöhnte Kialan und hob den Kopf, um diesem bestimmten Reiter mit Blicken zu folgen. »Das war mein Vater! Was immer jetzt geschieht, wir stecken drin.«
Der Kampfeslärm verdoppelte sich plötzlich. Sie spürten förmlich, wie die Hannarter Reiter sich in die Schlacht warfen. Am Wegstein vorbei sah Maewen, wie ein Pferd sich schreiend aufbäumte und sein Blut verströmte. Jemand taumelte mit einem gedämpften Aufprall in Sicht, und sie sah, dass es der Reiter war, wie eine zerbrochene Puppe in merkwürdiger Haltung niedergeworfen. Er bewegte sich nicht mehr, nur sein Pferd schrie und schrie, und genauso andere, die Maewen nicht sehen konnte. Sie hätte beinah selbst geschrien. Sie hätte sich am liebsten übergeben. Ihre Augen fühlten sich heiß und verdreht an. Mitt hatte Recht gehabt, als er sagte, dass der Krieg nichts für sie war. Es war einfach schrecklich. Indem sie an Noreths Stelle der Straße des Königs folgte, hatte sie dazu beigetragen, dass dieser Krieg ausbrach; das war am allerschlimmsten. Nur aus einem Grund schrie sie nicht und trat nicht um sich und schlug nicht mit den Fäusten ins Gras: weil sie Mitt dadurch in den Rücken gefallen wäre. Sie kauerte sich zusammen und schluckte.
Eine Kugel traf jaulend die Kante des Wegsteins. Die hätte mich fast getroffen!, dachte Maewen. Neben ihr stieß Kialan ein außerordentlich hässliches Wort hervor. Maewen fuhr herum und sah, dass er sich den Arm hielt. Ein langer Granitsplitter ragte aus seinem Ärmel, und Blut versuchte ihn aus dem Schnitt zu spülen. Der Ärmel war schon rot getränkt. Kialan wiederholte das hässliche Wort, packte den Granitsplitter und versuchte ihn herauszuziehen.
»Lass das sein!«, brüllte Mitt ihn an. »Erst die Blutung stillen!«
»Aber es tut so weh!«, rief Kialan. Unter seinen Augen zeigten sich graugrüne Ringe vom Schock.
Maewen sah genau, welche Schmerzen er litt. Kialan hatte die Arme ausgebreitet, um sie alle davor zu bewahren, niedergetrampelt zu werden. Er hatte es wirklich nicht verdient, verwundet zu werden. Sie wollte ihm irgendwie helfen. Aber wie? Sie hob den Kopf. Auf der anderen Seite der Grünen Straße wallte der Kampf hektisch hin und her. Das Feld davor war voller reiterloser Pferde und regloser, puppengleicher Menschen. Eines der Pferde, die ziellos umherstreiften, gehörte ihr – oder besser Noreth, nur dass die arme Noreth es nie wieder brauchen würde. Doch, sie konnte etwas tun.
»Ich habe Verbandszeug in der Satteltasche«, sagte sie und sprang auf, um es zu holen.
Mitt und Moril schrien sie beide an, sofort zurückzukommen, doch es flogen kaum noch Kugeln. Der Kampf hatte sich vom Wegstein entfernt und tobte nun nur noch längs der Reihe schwarzer Wagen. Maewen gelangte unverletzt zu ihrem Pferd und lobte sich, dass sie endlich einmal mutig gewesen sei. Das Pferd stand unterwürfig bei ihr. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und zerrte an den Schnallen der Satteltasche. Schnell, schnell, sonst verblutet Kialan! Es schien hundert Jahre zu dauern, bloß zwei Schnallen zu lösen.
Da sprach die Stimme zu ihr: »Vor deinen Füßen liegt eine geladene Pistole, die jemand verloren hat. Nimm sie und…«
»Ach, halt den Mund!«, fuhr Maewen auf. »Kialan ist verletzt.«
»Moril!«, rief Mitt.
»Ich weiß. Ich habe ihn gehört.« Moril beugte sich hastig über die Quidder und beeilte sich, die Macht zu sammeln. Mitt spürte, dass sie sich nur langsam und mühsam so rasch wieder rufen lassen wollte, und die Schreie und das Schlachtgetöse machten es noch schwieriger.
»Ich habe dafür gesorgt, dass der Adon verwundet wird«, erklärte die Stimme Maewen selbstgefällig. »So lautete mein Befehl. Erschieß zuerst den Südländer mit der Krone, und dann –«
»Ich sagte, du sollst den Mund halten!«, schrie Maewen. Die Schnallen waren gelöst. Das Verbandszeug war… Wo denn ? Da! Da ist es ja! Sie nahm das Päckchen und trat einen Schritt zurück. Wo ist die Pistole? O ja. Da lag sie, fast schon zwischen den Pferdehufen.
Die Stimme schwoll zu einem Plärren an: »Heb sie auf, du dummes Ding. Erschieß sie alle und nimm die Krone!«
»Schnell!«, rief Mitt.
»Nein«, widersprach Maewen. Mit einem gezielten Tritt beförderte sie die Pistole so weit fort, wie sie konnte.
Mitt ächzte. Moril legte alle Finger unter die tiefste Seite und zupfte verzweifelt. Die Quidder reagierte mit einem tiefen, blechernen Twäng, als hätte Moril einen Gong geschlagen.
Das Tier vor Maewen wich seitwärts zurück. Obwohl es wie ein echtes Pferd erschien, verhielt es sich genau wie Rauch und wurde von der Luft rasch in braune Fähnchen zerteilt. An seiner Stelle stand der Schemen eines Mannes. Er war zwölf Fuß groß oder noch höher, wie eine Glocke gebaut und steckte in einem langen Gewand. Er hatte sich vorgebeugt und funkelte Maewen mit menschlichen Augen an, die unter dicken Lidern hervorloderten. Er war hohl. Maewen sah die Leere in seiner Mitte, und aus einem Grund, den sie nicht genau benennen konnte, war das das Schlimmste an ihm. Darauf bin ich geritten!, entsetzte sie sich.
Kankredin schien es nicht zu stören, dass Maewen ihn nun in seiner wahren Gestalt erkannte. Er schmetterte: »Ich bin der Eine! Tu, was ich dich heiße!«
Mitt wollte aufstehen. Die geisterhaften Augen unter den wulstigen Lidern bemerkten die Bewegung. Die undeutliche Hand im leeren Ärmel vollführte eine knappe Geste, als Maewen sagte: »Nein, du bist nicht der Eine. Und du hast mich von Anfang an keinen Augenblick lang getäuscht.« Sie bebte am ganzen Leib, aber sie war froh festzustellen, dass sie sich wenigstens in dieser Hinsicht als tapfer erwies.
Die drohende Gestalt beugte sich zu ihr nieder. Die Matten aus verfilztem Haar zu beiden Seiten des Gesichts fielen nach vorn, und die riesigen, verschwommenen Hände näherten sich Maewen. Mitt stellte fest, dass er seine Beine nicht bewegen konnte. Moril stand stocksteif neben ihm, und seine Hände schienen in verkrümmter Haltung an der Quidder festzukleben. Doch Mitt brauchte nicht laufen zu können. Er holte tief Luft und brüllte:
»YNYNEN!«
Und dann bewegte er sich doch, obwohl er sich nicht bewegen konnte, und schoss vor wie ein Rennläufer. Irgendwie überwand er den Abstand zwischen Maewen und sich gerade rechtzeitig, warf sie zu Boden und legte sich schützend über sie, bevor Ammet auf seinen Ruf antwortete.
Ein heulender Wind kam auf, der voller Spreu war. Zuerst von der Seite, dann von überall her prasselten Weizenkörner auf sie ein, die ihnen in die Haut stachen. Sie krümmten sich zusammen. Aber trotzdem, trotz der Körner, die sie bombardierten wie Hagel, trotz des peitschenden Strohs und des Streustaubs, der ihnen in die Augen drang und die Sicht raubte, trotz allem beugten Maewen und Mitt den Hals und hielten nach dem Gespenst Kankredins Ausschau. Der weizengesättigte Wind hatte die Form einer riesigen, wirbelnden Trompete angenommen und schleuderte das Schemen wild im Kreis herum.
Als sie hinschauten, war es schon beinahe vorüber. Der Schemen raffte seine Fetzen zusammen und zog sich zurück, indem er zerging. Die Trompete löste sich ebenfalls auf und wehte über das grüne Land davon; Spreu und Korn trug der Wind mit sich fort.
»Habt ihr ihn erwischt?«, fragte Maewen.
»Ich bin mir nicht sicher.« Mitt erhob sich auf die Knie. Von Kankredin gab es keine Spur mehr. Der Gongschlag, den Moril der Quidder entlockt hatte, hing noch in der Luft und klang nach. Wenn Kankredin in der Nähe gewesen wäre, hätte er sichtbar sein müssen. »Ich hatte das Gefühl, dass Ammet nur einen Teil von ihm gefangen hat«, sagte Mitt bedauernd, »aber ich denke, er ist fort.«
Maewen rappelte sich auf. Das Verbandszeug hielt sie noch in der Hand. Die Krone war neben sie gefallen. Sie hob den Reif auf, breit, orange und schwer wie er war, und er hinterließ einen einfachen, ovalen Abdruck in dem Korn, von dem das Gras bedeckt wurde. »Ich wusste doch, dass irgendetwas an dem Pferd merkwürdig war«, sagte sie, während sie zum Wegstein zurückgingen. Noch immer prasselte Korn herab, und Spreu trieb in der Luft.
Moril sah auf, als sie kamen. Mitt nickte. Moril legte eine Hand auf die dröhnende Saite, um ihr Tönen zu beenden, dann wackelte er mit allen Fingern, als hätte Kankredin sie ihm verkrampft. Hinter Moril hatte sich Kialan mittlerweile Ynens Gürtel um den Arm gelegt, um die Blutung zu stillen. Er hielt ihn fest zugeschnürt, damit Ynen beide Hände frei hatte und von ihren Hemden Streifen abreißen konnte. Damit verband er die Stelle, wo der Steinsplitter gesteckt hatte.
»Was für eine Schande«, sagte Kialan. »Zwei gute Hemden dahin.« Seine Gesichtsfarbe wirkte schon wieder gesünder. Er blickte Mitt an. »Was ist mit der Krone passiert?«
Maewen begriff, dass sie noch immer den Reif in der Hand hielt. »Senke mal den Kopf«, sagte sie zu Mitt.
Niemand von ihnen hatte bemerkt, dass der Kampfeslärm völlig verebbt war. Während Mitt den Kopf beugte und Maewen ihm sorgsam die Krone aufs Haar setzte, kam Graf Keril mit knirschenden Schritten über das verstreute Korn zu ihnen gelaufen. Er war ein wenig zerzaust, sah aber nicht aus wie ein Mann, der gerade in der Schlacht gekämpft hatte. Er hakte beide Daumen in den Schwertgurt und betrachtete Mitt und Maewen. »Also wirklich«, sagte er freundlich. »Ich hatte fünf mögliche Entwicklungen im Sinn, als ich dich nach Adenmund schickte, aber ich muss zugeben, damit hätte ich nicht gerechnet.«
Mitt richtete sich auf. Er überragte Graf Keril ein wenig. »Lass mich hängen und sorge dafür, dass es keinen Aufstand gibt«, sagte er. »Richtig.«
»Dich zu hängen mag durchaus die Lösung sein«, sagte Graf Keril ungemindert freundlich. »Lass es mich aus meiner Sicht beschreiben. Der Norden ist seit einigen Jahren ganz aus dem Häuschen über Geschichten, dass Noreth Einentochter«, er verbeugte sich freundlich vor Maewen, »in dem Jahr, in dem sie achtzehn wird, der Straße des Königs folgen würde. Dann tauchst du plötzlich in Aberath auf eine Weise auf, die sämtliche Prophezeiungen erfüllt, die jemals getroffen wurden, und die einfachen Leute grüßen dich als den neuen König, der endlich gekommen sei…«
»Das habe ich nicht gewusst«, entgegnete Mitt. »Daran hätte ich nie gedacht. Wenn du mich in Ruhe gelassen hättest, wäre ich jetzt nicht hier. Aber du hast mich losgeschickt, um Noreth zu ermorden.«
»Weil ich natürlich hoffte, dass zwei Anwärter sich gegenseitig ausstechen würden«, stimmte Keril ihm zu. Er blickte wieder Maewen an. »Stattdessen krönt die eine Anwärterin den anderen. Dennoch waren wir auch auf ganz andere Ergebnisse vorbereitet. Zu diesem Zweck nahmen die Gräfin und ich uns deiner an, erzogen dich und ergriffen Maßnahmen, damit du weiterhin unter der Patenschaft von Hannart und Aberath bleibst…«
»Patenschaft nennt ihr das also«, sagte Mitt. »Wer’s glaubt.«
»Ich habe dich gebeten, die Sache aus meiner Sicht zu betrachten!«, fuhr Keril ihn an. »Als ich noch jung und unwissend war, habe ich an einem Aufstand teilgenommen. Heute bin ich dazu zu klug. Ich würde noch viel größere Anstrengungen unternehmen, um einen neuen Aufstand zu verhindern. Wenn das Volk sich erhebt, dann sterben die Menschen zu Tausenden einen furchtbaren Tod.«
»Als ich noch jung und unwissend war«, entgegnete Mitt, »habe ich in Holand gelebt. Dort starben die ganze Zeit über viele Menschen, nur eben langsam, und die Übrigen waren zu verängstigt, um ihnen zu helfen. Ein Aufstand ist unvermeidlich, und diesmal muss er gelingen.«
Die beiden starrten sich ohne jede Wärme an. »Wenn du das so siehst«, sagte Keril, »werde ich dich zum Erntefest hängen lassen. Gründe dafür gibt es zuhauf.«
Moril, Kialan und Ynen sprangen auf. Kialan rief: »Hör zu, Vater…«, und Ynen protestierte: »Löse doch den Gürtel noch nicht!«
»Sei still!«, sagte Keril. »Mit euch beiden befasse ich mich später. Jetzt verlange ich zu erfahren …«
Erneut knirschten rasche Schritte über das Korn, und Alk und Navis näherten sich von beiden Seiten. Alks Lederkleidung war von oben bis unten zerrissen und entblößte beschädigte Kettenrüstung, und am Kinn lief ihm ein Streifen Blut herunter. Navis’ Gesicht war auf der einen Seite schwarz vom Pulverrauch. Er sah todmüde aus, und doch wandte er sich mit äußerster Höflichkeit an Keril. »Herr, wir haben dir für dein zeitiges Eingreifen sehr zu danken.«
Alk grinste. »Ohne dich wär’s mit uns aus gewesen, Keril.«
Keril blickte sie nacheinander kalt an. Navis fragte: »Gibt es Schwierigkeiten, Herr? Dürfen wir dir helfen?«
»Ja«, sagte Keril grimmig. »Ich würde gern erfahren, wie dein Mitt es zuwege gebracht hat, dass eine Horde Südländer hier auf ihn wartet.«
»Ich habe nichts dergleichen getan!«, rief Mitt.
»Das waren Hendas Männer, Herr«, entgegnete Navis. »Wie du gewiss selbst weißt, kann man bei Henda sicher sein, dass er von ganz alleine auf alles reagiert, was seine Grafschaft bedrohen könnte.«
»Aber woher sollte er davon wissen?«, fragte Keril. »Hast du es ihm verraten, Navis Haddsohn?«
»Jetzt lass es aber mal gut sein, Keril«, sagte Alk. »Du hast Navis selbst das Leben gerettet. Du hast gehört, wie die Südländer ihn einen Verräter schimpften.«
Keril zuckte gereizt mit den Schultern. Navis verneigte sich vor ihm. »Was den Quell von Hendas Wissen anbelangt, Herr, so habe ich schon vor wenigstens zwei Jahren von Noreth Einentochter gehört. Deshalb kann ich nur annehmen, dass Hendas Spione ihm etwa zur gleichen Zeit von ihr berichtet haben.« Mitt starrte ihn an. Das war ihm neu. »Das ist eines der Geheimnisse«, wandte Navis sich an ihn, »bei denen mein Bruder dafür sorgte, dass sie im Holander Hafen nicht bekannt wurden.«
»Soll ich es also so verstehen«, wandte Keril sich an Navis, »dass Navis Haddsohn den Befehl über die Gefolgsleute von Wassersturz und Aberath übernommen hat, um gegen Henda zu kämpfen, weil er wusste, dass Henda sich Navis Haddsohns Kandidaten für den Thron widersetzen würde?«
Navis’ Blick wanderte zu dem goldenen Reif um Mitts Stirn. Er lächelte flüchtig. »Herr, ich habe nicht mit Henda gerechnet, sondern mit dir. Du hast aber Recht, wenn du glaubst, dass ich hoffte, Mitt würde König werden.«
»Warum?«, fragte Keril eisig.
Navis zuckte mit den Schultern. »Von rein persönlichen Wünschen abgesehen, Herr, war eines der Bilder in meinen Räumen in Holand ein Porträt des Adons. Ich habe den Eindruck, dass Mitts Ähnlichkeit mit dem Adon auch dir, Herr, aufgefallen ist. Während wir auf See in den Norden unterwegs waren, habe ich viel darüber nachgedacht. Trotzdem hätte ich noch einige Jahre abgewartet, dann erst hätte ich deswegen irgendetwas in die Wege geleitet. Du hast uns zum Handeln gezwungen.«
»Darüber bin ich froh«, sagte Keril. »Dein Anwärter auf den Thron ist noch nicht volljährig und hat darum kein Recht auf den Reif auf seinem Kopf.«
Alk hatte Blicke mit Mitt getauscht. Nun sagte er: »Richtig, Keril. Warum fragen wir nicht den Barden?« Und er nickte Moril zu.
Moril trat vor. »Der Eine berief uns soeben zu Zeugen«, verkündete er laut und förmlich, »dass wir einen neuen König haben. Der Eine gab Mitt die Krone und seinen eigenen Namen Amil.«
»Hiermit bezeuge ich, dass der Eid rechtens ist«, sagte Alk. »Komm schon, Keril. Nimm es hin.«
Keril war noch immer sein tiefer Widerwille anzumerken. Moril setzte bedachtsam und nachdrücklich die Finger auf die Saiten der Quidder. »Ich könnte den Einen herbeirufen«, sagte er.
Keril blickte voll Unbehagen auf das Instrument. »Du hattest immer etwas von einem Mystiker, Moril«, sagte er. »Wir leben aber im Zeitalter der Vernunft …«
Geheule und Geschrei und Schmährufe aus der Ferne unterbrachen ihn. »Verräter!«, hörten sie. »Verräter! Da ist der Verräter!« Die Gefolgsleute stießen das Gebrüll aus, Gefolgsleute in allen drei Monturen. Es musste etwas mit den Vorratswagen zu tun haben, die aufgereiht am Straßenrand standen. Navis rannte dorthin, Alk und Keril folgten ihm. Mitt deutete mit dem Daumen auf Kerils Rücken. »Man baue niemals auf die Vernunft.«
»Königssprüche«, sagte Moril und lachte.
Sie eilten zu den Wagen; Ynen folgte ihnen langsamer mit Kialan. Als Mitt die Menge erreichte, die sich um die Wagen drängte, winkte Navis. Die Leute wichen respektvoll zur Seite und ließen Mitt durch. Jedes einzelne Auge fixierte einen Moment lang verwundert die Krone. »Was geht hier vor?«, fragte Mitt.
»Wir bitten dich, dir das anzusehen«, sagte Navis und fügte hinzu, indem er Keril ruhig anstarrte: »Majestät.«
Er winkte wieder. Mehrere Gefolgsleute rissen an der wasserdichten schwarzen Plane eines des Fuhrwerke, und darunter kam ein schmucker, grün gestrichener Wagen hervor.
Auf dem Kutschbock saß Hestefan. Als er sah, wie Mitt, Maewen und Moril ihn anstarrten, wich er sich windend zurück. »Ich bin unschuldig!«, rief er. Seine gute Bardenstimme brach, und er krächzte rau: »Sie haben mich gezwungen! Sie haben mich gezwungen, sie zu begleiten!«
»Was sagen die Südländer dazu?«, fragte Mitt.
Alk nickte dem nächsten Aberather zu. »Geh und bring den andmarkischen Hauptmann vor den König.«
Die Südländer saßen als großer Haufen ein Stück abseits und hatten die Köpfe in die Hände gestützt. Luthan und seine Gefolgsfrauen umgingen sie langsam mit Büchsen mit aufgepflanztem Bajonett. Luthans Kleider waren ruiniert, und sein Arm hing in der Schlinge. Er wirkte wie ein tüchtiger Krieger, als er auf den überbrachten Befehl hin nickte und jemand aus der Menge der Südländer zu sich winkte.
Der Mann widersetzte sich der Anweisung. Am Ende ging Alk hinüber und zog ihn aus dem Haufen, fast baumelte ihm der Mann von der riesigen Faust. »Hier ist er, Majestät«, sagte er. »Ein Hauptmann.«
Der Gefangene blickte Mitt an und schaute verwundert drein. »Wir sollten aber einer Frau den Hinterhalt legen«, sagte er. »Was geht hier vor?«
»Mach dir darüber keine Gedanken, Hauptmann Fervold«, entgegnete Navis. »Sag uns nur, was der Barde damit zu tun hatte.«
»Du vergisst wohl niemals einen Namen, was, Navis Haddsohn?«, fragte der Hauptmann. »Es muss zehn Jahre her sein, seit…«
»Zwölf«, unterbrach ihn Navis. »Sprich.«
»Die Sache ist einfach genug«, sagte Fervold. Alk ließ ihn los, und er richtete sich mit erleichterter Miene auf. »Wir hatten Befehl, unbeobachtet im Hafen von Cressing an Land zu gehen, im Schutz der Nacht die Grüne Straße zu erreichen und uns bei Sonnenaufgang mit dem Barden zu treffen. Er sollte uns zeigen, wo Karnsburg liegt. Dort sollten wir einen Hinterhalt legen für die … Na ja, wir sollten sie fangen, bevor sie die Krone finden. Und wenn ihr nicht einen Tag Verspätung gehabt hättet, dann hätten wir euch gehabt. Aber wir haben zwei Nächte hintereinander die Grüne Straße im Dunkeln nicht gefunden, und der Barde tauchte erst heute Morgen auf, um uns den richtigen Weg zu zeigen. Was hat er getan? Hat er uns verraten? Nach allem, was wir wussten, sollten wir es nur mit fünf Mann zu tun haben.«
»Euer Pech«, sagte Alk. »Also hat Hestefan für den Süden gearbeitet?«
»Schon seit Jahren«, entgegnete Fervold.
Bei diesen Worten schrie Hestefan auf: »Sie haben mich dazu gezwungen! Ich sage euch doch, gezwungen haben sie mich!«
Alk bedachte ihn mit seinem Rechtsgelehrten-Blick. »Haben sie dich auch gezwungen, Noreth von Kredinstal zu ermorden?«
Hestefan straffte die Schultern und zupfte sich am Bart. »Was soll dieser Unsinn? Wie hätte ich das tun sollen ? Sieh doch! Da steht sie!« Er wies auf Maewen.
»Ich bin nicht Noreth«, sagte Maewen. Zwar war es ihr sehr peinlich, das vor allen Leuten zuzugeben, doch zugleich erleichterte es sie sehr.
»Und ich habe Noreths gemeuchelten Leichnam gesehen«, sagte Alk. »Die anderen, die sie hätten töten können, sind alle entlastet. Ich klage dich vor dem Gesetz und vor der Krone an, Noreth die Kehle durchgeschnitten zu haben.«
»Niemals!«, rief Hestefan. »Bei meiner Bardenehre. Niemals.«
»Hol lieber den Kelch hervor«, sagte Alk zu Navis.
Maewen hatte eine andere Idee und zupfte Mitt am Ärmel. »Vielleicht ist es nicht recht, denn es sind Kankredins Worte, aber wenn er sie wirklich getötet hat, dann könnte er auch die goldene Statue gestohlen haben.«
»Die Statue!«, rief Mitt. »Weißt du was, ich habe sie völlig vergessen! Wo würde Hestefan etwas wirklich Wertvolles verstecken?«, fragte er Moril.
Er musste Moril anstoßen und noch einmal fragen. Hestefan sagte währenddessen: »Jeder Barde ist ein Ehrenmann. Unser Wort bindet uns. Wir haben geschworen, die Wahrheit zu sprechen und niemals eine Lüge weiterzutragen. Weder begehen wir Niedertracht noch Heimtücke. Diese Beschuldigung kränkt alle Barden in ihrer Ehre.«
Moril starrte Hestefan an, als könne er nicht glauben, was er hörte. »Geheimfach hinten unter dem Wagen«, sagte er tonlos und stierte weiter.
Mitt flüsterte Alk etwas zu. Alk gab Navis den Kelch zurück und ging, während Hestefan weiterhin Reden schwang, zum hinteren Teil des Wagens. Das Fuhrwerk schwankte. Man hörte Holz bersten. Als Alk grimmig zurückkam, funkelte Gold in seiner gewaltigen Faust. »Halt den Mund, Hestefan. Woher hast du das?«
Hestefan starrte die Statue mit aufgerissenen Augen an. Sein Gesicht war grau und mitleidheischend geworden. »Ich sage euch doch, ich habe sie nicht umgebracht. Diese Frau ist eine Unvergängliche und kann gar nicht sterben. Ich nahm die Statue – ja, ja, das gebe ich zu –, nachdem ich das erste Mal versucht hatte, sie zu töten, aber eine halbe Stunde später wartete sie schon wieder lebendig an der Grünen Straße. Mir blieb keine andere Wahl, als mich ihr anzuschließen und sie wieder zu töten. Und da ich wusste, dass sie nicht sterben kann, gab ich in Kredinstal Hendas Spion Nachricht, er solle ein Boot nach Süden schicken, das einen bewaffneten Trupp herbeibringt, der sie in Stücke hacken sollte. Und tatsächlich, sie starb nicht, obwohl ich sie in Auental zweimal tötete.« Er wiegte sich auf dem Kutschbock. »Ich musste es tun. Ich musste es tun, für Fenna!«
»Er hat den Verstand verloren, glaube ich«, sagte Navis und lehnte sich müde an den nächsten Wagen.
»Wie kommt es, dass du es für Fenna tun musstest?«, fragte Mitt.
Hestefan blickte ihn an, doch er schien ihn nicht zu sehen. »Fenna sitzt in Graf Hendas Kerker. Der Graf foltert sie zu Tode, wenn ich nicht tue, was er sagt.«
»Was für ein Unsinn!«, rief Navis. »Wir wissen doch beide sehr genau, dass Fenna in Adenmund ihren angebrochenen Schädel auskuriert.«
»Das ist nicht meine Fenna«, entgegnete Hestefan. »Das ist die Tochter von Hendas Hofmusikanten. Er hat sie mir mitgegeben, damit niemand merkt, dass ich meine Tochter verloren habe.«
»Hältst du das für möglich?«, fragte Alk Navis. »Stimmt das?«, herrschte er Fervold an.
»Das weiß ich nicht«, antwortete der Hauptmann. »Aber wie ich Henda kenne, halte ich es für gut möglich.«
»Möglich oder nicht möglich, der Mann hat einen Mord gestanden«, sagte Graf Keril und trat vor, um den Befehl an sich zu nehmen. Er nickte einigen seiner Gefolgsleute zu. »Bringt ihn nach Wassersturz – das ist am nächsten – und bittet Graf Luthan, dafür zu sorgen, dass er hängt.«
Mitt merkte Keril an, dass er nur deswegen eingeschritten war, weil er es nicht anders gewöhnt war. Er betrachtete sich als ranghöchsten unter den anwesenden Grafen. Das machte Mitt zornig. Trotz allem, was gesagt worden war, missachtete Keril die Krone, die Mitt auf dem Haupte trug. Noch zorniger allerdings machte ihn zu begreifen, dass Keril ihm genau das Gleiche angetan hatte, was Hestefan von Henda erlitten zu haben behauptete – und Keril schien es nicht einmal zu bemerken.
»Einen Augenblick!«, sagte er. »Du kannst ihn nicht hängen. Wir brauchen ihn. Barden kommen dorthin, wo andere Leute nicht hinkommen.«
Keril presste die Lippen fest zusammen und starrte Mitt an. Als er sich umblickte, sah er, dass sich alle einschließlich seiner eigenen Gefolgsleute, denen er zugenickt hatte, respektvoll Mitt zuwandten. Er presste die Lippen noch fester aufeinander, aber er schwieg.
»Hestefan«, sagte Mitt. Obwohl Hestefan aufblickte, sah er noch immer durch Mitt hindurch. »Hestefan, du wirst zu Henda gehen und ihm melden, dass du seine Befehle ausgeführt hast. Sag ihm, dass Noreth tot sei. Kannst du das?« Hestefan nickte und blinzelte, als erlangte er langsam das Sehvermögen wieder. »Aber«, fuhr Mitt fort, »du wirst Andmark über Holand erreichen. In Holand gehst du zu Hobin dem Büchsenmacher – hast du den Namen verstanden? – und sagst ihm, dass ich die Krone habe und er mir den Königsstein bringen soll. Verstanden?«
»Nun… ja …«, antwortete Hestefan langsam. »Aber wenn Henda davon hört … Nein, nein! Das kann ich nicht!«
»O doch, das kannst du!«, entgegnete Moril. »Mein Vater hat so etwas zeit seines Lebens getan! Gehorche!« Hestefan wandte sich Moril zu; er bebte so heftig, dass sein Bart zitterte. Dadurch blickten alle auf Moril. Moril war so blass, wie ein Mensch nur sein kann, so blass, dass er gespenstisch fahl aussah; auf seinem Gesicht zeigte sich so deutlich, wie betrogen er sich fühlte, dass jeder rasch wieder den Blick abwandte. »Gehorche«, sagte Moril, »oder ich verfluche dich, lege mit der Macht dieser Quidder den Fluch des Barden auf dich, sodass er dich über das Grab hinaus verfolgt! Du hast alle Barden verraten!«
»Aber nein.« Hestefan hielt einen bebenden Finger hoch. »Ich habe nur getan, was an meiner Stelle jedermann …«
»Du bist aber nicht jedermann!«, schrie Moril ihm ins Gesicht. »Du bist ein Barde! Ich dachte, du wärst ein guter Barde. Ich habe dir vertraut. Jetzt bin ich klüger. Fahr nach Holand. Sofort!« Er kehrte Hestefan den Rücken zu und sah aus, als müsse er sich übergeben.
Keril wandte sich an Mitt. »Und was wird aus unseren südländischen Gefangenen?«, fragte er in einem höflichen und zugleich sarkastischen Tonfall, mit dem er Navis übertraf. »Ersinnst du auch für sie eine Verwendung?«
Das genügte Mitt, um sich auf der Stelle etwas einfallen zu lassen. »Aber selbstverständlich! Meine Krone ist die Krone von ganz Dalemark. Ich brauche ein Heer, das sowohl aus dem Süden als auch aus dem Norden stammt. Sie alle können mir beim Kelch des Adons die Treue schwören, und die, bei denen er nicht leuchtet, können verdammt noch mal unter Bewachung hier bleiben. Ich will nicht, dass die Neuigkeit nach Süden dringt, bevor Hestefan bei Hobin gewesen ist.«
»Und was werden sie hier tun? Herumsitzen, die Köpfe noch immer auf den Schultern?«, fragte Keril.
Mitt lachte. »Aber nein! Graben werden sie. Sie können das Fundament des Palastes ausheben, den ich hier errichten werde. Und danach können sie gleich weitermachen und das ganze alte Karnsburg wieder aufbauen.«
»So ist’s recht!«, rief Alk. »Ich übernehme die Bewachung. Soll ich dir Zeichnungen und Pläne der Gebäude anfertigen? So etwas liegt mir viel mehr als die Schlacht. Mal sehen – Luthans Schreiber hatte doch Papier und Bleistift.« Er blickte die Statue in seiner Hand an und sah sich suchend nach einem Ort um, an dem sie sicher war. »Und da es deine Idee war, danach zu suchen«, sagte er zu Maewen, »halt sie so lange für mich, während ich einige Skizzen anfertige.«
Er reichte ihr die Statue. Als ihre Hände das Gold berührten, verschwand sie.