Kapitel 5

Kaja fand ihre Großmutter im Atelier, wo diese dabei war, Geschenksets zusammen zu stellen. Die Geschenksets gab es in drei Ausführungen. Die erste Variante war die simpelste und bestand aus drei verschieden großen Kerzen mit drei verschiedenen Düften. Die zweite Version enthielt nur eine Kerze, dafür zusätzlich ein Fläschchen desselben reinen ätherischen Öls, welches die Kerze enthielt, und ein kleines tönernes Duftlämpchen, das unten Platz bot für ein Teelicht. Die dritte beinhaltete eine kleine aromatisierte Kerze, einen Badezusatz und eine Körperlotion mit derselben Duftnote. Die Holzschachteln waren mit einer Fotocollage ausgekleidet, auf welcher die verschiedenen Pflanzen abgebildet waren, die zur Gewinnung der entsprechenden Öle verwendet wurden. Die Verkleidung ließ sich herauslösen und zu einer großen Postkarte umfunktionieren. Abgerundet wurden die Sets mit getrockneten Originalblüten und Kräutern.

„Guten Morgen, Mémé“, rief Kaja fröhlich.

„Morgen Kaja, du bist heute aber früh unterwegs.“

„Ich war bereits laufen, es war so ein schöner frischer Morgen. Ich habe sogar die kleine Fuchsfamilie auf der Lichtung beim Wäldchen gesehen.“

„Ach, sind sie wieder da. Ich bin ihnen dieses Jahr noch gar nicht begegnet. Kannst du mir helfen und die fertigen Pakete in meinem Auto verstauen? Ich fahre nachher los und verteile sie an meine Kunden. Wenn du Lust hast, komm doch mit. Wir könnten uns beim Bäcker Pains au Chocolat und Orangensaft holen, ich habe nämlich nichts zum Frühstücken im Haus.“

„Ja klar, klingt gut. Dann sehe ich gleich mal, wo du überall deine Sachen verkaufst. Und echte französische Pains au Chocolat hatte ich schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr“, antwortete Kaja.

Sie stapelte jeweils drei Geschenkpakete aufeinander, trug die Pakettürme zum Auto und verstaute sie im Kofferraum. Die letzten drei brachte ihre Großmutter mit. Sie war soeben fertig geworden. „Kann Zorro mitkommen?“, fragte Kaja. „Er klebt wie ein Schatten an mir, sobald er merkt, dass ich weggehen will. Dabei sein ist für ihn alles!“

„Ja klar, hol du den Hund, ich zieh mich noch schnell um.“

Eine Viertelstunde später fuhren sie die Hofzufahrt hinunter und bogen Richtung Dorf ab. Zorro, der auf der Rückbank saß, streckte Kaja alle paar Minuten seine feuchte Schnauze ins Gesicht. Kaja musste Kichern.

„Lass das, du Schlingel, das kitzelt!“ Sie schob den Hund nach hinten und meinte, an Mémé gewandt: „Er benimmt sich schon seit ich gestern in Zürich abgefahren bin ein wenig seltsam. Man könnte fast meinen, er will mir dringend was sagen.“

Sieh mal einer an, dachte Mémé bei sich, sie merkt also doch langsam, dass etwas anders ist. Vielleicht hilft ihr ja der Hund auf die Sprünge. Laut sagte sie: „Das ist gut möglich. Du weißt ja, dass Tiere oft mehr wahrnehmen, als wir Menschen.“

Kaja stellte verwundert fest, dass Mémé es bei dieser Aussage beließ und nicht die Gelegenheit ergriff, einen ihrer berühmten Vorträge über „Zeichen im Leben wahrnehmen und deuten“ oder so ähnlich zu halten. Sie zuckte die Achseln und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Landschaft, die draußen vorbeizog. Schon kamen die ersten Häuser von Aujargues in Sicht.

„Erinnerst du dich noch an Madame Bouvar? Sie hatte früher doch zusammen mit ihrem fürchterlich jähzornigen Mann diesen schmuddeligen kleinen Tabakshop in Lunel geführt.“

Als Kaja nickte, fuhr sie fort: „Na ja, auf jeden Fall ist er letzten Winter wenig überraschend an einem Herzinfarkt gestorben. Kurz darauf schloss sie den Tabac und vernagelte die Schaufenster. Jeder dachte, sie würde den Laden verkaufen und zu ihrer Schwester nach Paris ziehen. In Wirklichkeit renovierte sie klammheimlich und praktisch ganz alleine den Laden, ohne dass irgendwer das mitbekam. Im April tauchte sie völlig verwandelt, hübsch geschminkt und zurechtgemacht bei mir zu Hause auf und verkündete, sie würde ihren Laden neu eröffnen und sie würde gerne meine handgemachten Kerzen und Seifen ins Sortiment mit aufnehmen. Ich staunte nicht schlecht. Ihr Laden ist inzwischen der schönste und speziellste der ganzen Region und sie somit inzwischen eine meiner besten Kundinnen.“

„Worauf beruht denn ihr Erfolg? Und was verkauft sie sonst noch?“, wollte Kaja wissen, die gespannt zugehört hatte.

„Du kannst dir gleich selbst ein Bild davon machen, wir sind da.“

Sie stiegen aus dem Auto und befreiten Zorro vom Rücksitz. Da die Sonne für September ungewöhnlich heiß vom wolkenlosen Himmel strahlte, war es zu heiß, um ihn im Auto zu lassen. Mémé wies Kaja an, zwei Pakete hineinzutragen, sie selbst klemmte sich ebenfalls zwei unter die Arme. ‚Café des Arts’ stand in geschwungenen Lettern über dem Eingang. Gemeinsam traten sie durch die Glastür in den Laden. Kaja hatte gar keine Zeit gehabt, die Schaufenster zu betrachten. Jetzt, im Innern, stand sie mit offenem Mund da und war schlichtweg überwältigt. Madame Bouvar hatte wirklich ganze Arbeit geleistet! Die Schaufenster waren leer, so dass Passanten einen ungehinderten Blick ins Innere des Ladens hatten. Was heißt hier Laden, staunte sie, mehr eine Galerie. An den Wänden hingen kunstvolle Tuschzeichnungen und Aquarelle, immer wieder unterbrochen von gelben und orangenfarbenen Stoffbahnen. Die geschickt angebrachte, indirekte Beleuchtung ließ den Raum hell und luftig wirken. In einer Ecke war ein großer Gletscherfindling platziert, auf dem eine einzelne große Kerze brannte, die Kaja als eine von Mémé erkannte. Die Kerze füllte den Raum mit dem für diese Gegend typischen Duft nach Lavendel und Rosmarin, ohne aufdringlich zu wirken. Das hatte Kaja schon als Kind an Mémés Kerzen so bewundert. Ganz sanft und unbewusst wurde man von den Düften in verschiedene Stimmungen versetzt, und man fühlte sich augenblicklich wie in den Ferien. Schräg gegenüber vom Eingang führte ein Rundbogen in einen kleineren Raum. Dicht gedrängt standen dort einfache, hölzerne Regale, gefüllt mit Kunsthandwerk und allerlei Spezialitäten aus der Region. Zusätzlich befand sich dort auch eine kleine Theke mit einer Glasvitrine. In dieser warteten frische Salate, Tapas und köstliche Kuchen. Hungrige Besucher konnten die Köstlichkeiten entweder mitnehmen oder draußen im Hinterhof unter den großen Platanen genießen.

Kaja trat näher an die Bilder heran, um sie besser betrachten zu können. „Mémé“, rief sie aus, „das sind ja alles Motive aus der Gegend. Hier ist die alte Mühle am Bach, wo ich gestern Abend war. Und hier die berühmte Kathedrale in Uzès. Und Lucs Werkstatt… Wow, und hier sind, wenn mich nicht alles täuscht, Sehenswürdigkeiten aus ganz Frankreich versammelt, Wahnsinn!“

„Freut mich, dass dir meine Bilder gefallen“, ertönte eine Stimme hinter ihr. Kaja schnellte herum.

„Madame Bouvar! Haben Sie die etwa gemalt? Sie sind unglaublich schön, so detailgetreu und doch von einer Leichtigkeit…“

„Nenn mich ruhig Alice“, bot sie Kaja an. „Ja, die Bilder sind von mir. Hättest du mir gar nicht zugetraut, was? Na ja, ist ja auch kein Wunder, so wie ich früher aufgetreten bin, als mein Mann noch lebte.“ Sie seufzte bei der Erinnerung daran und man sah ihr die Erleichterung an, dass sich das jetzt geändert hatte. „Kommt, wir setzen uns in den Garten, ich mache uns Kaffee.“

„Wie ist denn die Idee zum Café des Arts entstanden?“, fragte Kaja neugierig.

„Die Idee dazu schlummerte schon lange in mir. Gemalt habe ich schon in meiner Jugend. Ich war fasziniert von Orten, Gebäuden und Plätzen, ihren Geschichten und den Menschen, die sie geprägt hatten..“ Sie machte eine kleine Pause, wie um ihre Gedanken zu ordnen. „Na ja, nach meiner Heirat merkte ich allerdings bald, dass Paul, mein Mann, nicht viel von meinem Gepinsel, wie er es nannte, hielt. Und von meiner Idee, den heruntergekommenen Laden zu renovieren, auch nicht. Den Vorschlag, eine kleine Galerie zu integrieren habe ich wohlweislich für mich behalten, das hätte sowieso nichts gebracht. All die Jahre über habe ich nur heimlich gemalt und natürlich aus diesem Grund vorwiegend Objekte und Plätze aus der Gegend. Als er letzten Winter gestorben ist und ich den ersten Schock über die großen anstehenden Veränderungen überwunden hatte, entschloss ich mich, es einfach zu wagen und meinen Traum zu verwirklichen“, erzählte Alice.

„Mémé meinte, dein Unternehmen sei ein Riesenerfolg – was ist dein Geheimrezept?“, forschte Kaja weiter nach.

„Ich denke, das habe ich verschiedenen Dingen zu verdanken. Zum ersten kennen mich die Leute hier schon seit langem. Einige der Alteingesessenen haben sich zwar erst darüber aufgeregt, dass ich etwas komplett Neues aus dem alten Tabac gemacht aber inzwischen haben sich die meisten daran gewöhnt.“

„Hattest du nicht Angst, dass die dein neues Unternehmen boykottieren würden?“

„Nein, ich hab sie einfach ignoriert. Es handelte sich mehrheitlich um unsere wenigen Stammkunden, die einen ganzen Morgen lang ihr Bier tranken und mit Paul geschwatzt haben oder vor dem Spielautomaten gesessen sind. Nur konnten wir von denen schon damals kaum leben. Ich wollte mir eine frische Kundschaft aufbauen. Und mein Geheimrezept“ schmunzelte Alice, „wie du es genannt hast, ist, dass ich es geschafft habe, Touristen sowie die Einheimischen gleichermaßen anzusprechen. Da sich unter meinen Bildern auch viele Plätze und Orte aus der Umgebung finden, spricht das auch die hiesigen Leute an. Viele freuen sich, ihr Häuschen oder einen Lieblingsplatz auf einem Bild zu entdecken und kaufen es dann. Die Urlauber hingegen können zwischen Motiven von bekannten Sehenswürdigkeiten oder regionalen Sujets wählen. Zusätzlich gebe ich den Einheimischen auf alles, was ich verkaufe, auch auf Essen und Getränke, zehn Prozent Rabatt. So bin ich sehr saisonunabhängig und habe den Laden mittags immer voll. Das zieht dann auch Passanten an, wenn so ein Trubel herrscht. Im Winter habe ich vor, den Laden zwei Monate zu schließen. Ich will in dieser Zeit herumreisen, um auszuspannen und zu malen.“

Einen Moment lang saßen die drei schweigend im Schatten der wunderschönen Bäume. Jeder hing seinen Gedanken nach. Zorro lag schlafend unter dem Tisch. Ab und zu zuckte er mit dem Fell, wenn die Fliegen zu aufdringlich wurden.

„Wie schön!“, seufzte Kaja. „Ich finde es immer toll, wenn Menschen ihre Träume verwirklichen!“

„Aber Kind, das klingt ja reichlich frustriert! Was sind denn deine Träume? Du brauchst nur ein wenig Mut und Durchhaltewille und musst deinen Träumen vertrauen!“, sagte Alice.

„Wenn das nur so einfach wäre. Im Moment weiß ich gar nicht, was meine Träume einmal waren oder sind...“ Sie verstummte.

Mémé, die merkte, dass Kaja schon mehr von sich preisgegeben hatte als sie wollte, stand auf und meinte: „Wir müssen noch weiter, unsere Verteiltour hat ja erst begonnen. Vielen Dank für die Geschichte und den Kaffee.“

„Ja, danke“, sagte Kaja und warf Mémé einen dankbaren Blick zu, „wir kommen bestimmt noch mal wieder, solange ich da bin.“

„Nichts zu danken. Ich hab mich über euren Besuch gefreut und dass ich dich wieder einmal getroffen habe. War ja schon eine Ewigkeit her.“

Sie kauften noch ihr Frühstück und verließen den Laden mit zwei Büchsen Orangensaft, einer großen Flasche Wasser und einer frisch gefüllten Tüte voller Pains au Chocolat. Ihre Tour führte sie durch die umliegenden Dörfer und sie trafen auf allesamt zufriedene Ladenbesitzer, von denen die meisten gleich neue Bestellungen aufgaben, darunter auch etliche Spezialwünsche von Stammkunden. Die Stammkundschaft setzte sich mehrheitlich aus Einheimischen zusammen. Aber auch Feriengäste, welche Jahr für Jahr hier ihren Urlaub verbrachten und Josephines Produkte sehr schätzten, zählten dazu.

Sie verließen den letzten Laden, als Kaja staunend zugab: „Ich hätte nie gedacht, dass die Idee mit diesen Geschenksets so großen Anklang findet.“

Mémé parkte den Wagen im Schatten einiger Bäume am Ufer der Vidourle. Sie hatten ihre Tour in Sommières beendet, wo sich Josephine auf dem bekannten Kräutermarkt mit einigen Kräutern eindeckte, die ihr entweder ausgegangen waren, oder die sie selber nicht anpflanzte. Da die Kräuterhändler sie natürlich alle kannten, hatte ein großes Hallo geherrscht und alle wollten von ihr wissen, ob ihre Enkelin denn für länger hier sei. Einerseits ein schönes Gefühl, so in einer Gemeinschaft willkommen zu sein, aber auch anstrengend. Kaja fühlte sich, als hätte sie einen Marathon hinter sich.

„Lass uns hier essen, ich bin schon wieder am verhungern“, schlug Mémé vor. Sie suchten sich eine Stelle, welche nicht ganz in der prallen Sonne lag und setzten sich auf einen großen Stein, von wo aus sie ihre Füsse bequem ins erfrischende Wasser baumeln lassen konnten. „Ja“, nahm die Großmutter den Faden wieder auf, als sie es sich bequem gemacht hatten. „Es ist wirklich ein voller Erfolg. Wenn ich im Winter jeweils nicht so viel herstellen könnte, würde ich mit der Produktion kaum nachkommen. Und da ich mich vorwiegend auf einheimische Düfte beschränke und diese selber anpflanze, habe ich sehr geringe Kosten und verdiene dementsprechend gut daran. Dadurch, dass ich jetzt nicht mehr nur auf dem Markt und bei mir zu Hause verkaufe, sondern ein richtiges Verteilernetz habe, erreiche ich viel mehr Leute.“

„Ich find es toll“, freute sich Kaja. „Ich bin froh, du hast dir endlich ein gutes und gesichertes Einkommen erarbeitet.“

Das war nicht immer so gewesen. Kaja erinnerte sich noch gut daran, wie hart Mémé früher gearbeitet hatte. Oft hatte sie die Menschen in der Umgebung kostenlos beraten. Und die Verkäufe auf dem örtlichen Markt liefen zwar schon früher gut, aber der fand nur an drei Tagen der Woche statt und hatte ein relativ kleines Einzugsgebiet. Kajas Eltern schickten regelmäßig Schecks, um die Kosten ihrer Tochter zu decken. Aber Kaja hatte trotzdem gemerkt, dass sich ihre Großmutter ständig Sorgen gemacht hatte, ob das Geld wohl reichen würde. Vor allem, wenn unvorhergesehene Dinge passierten, wie zum Beispiel der Sturm, der das halbe Dach abgedeckt hatte. Dann war die Grenze des finanziell Machbaren jeweils schnell erreicht. Kaja hatte sie immer nach Kräften unterstützt, sich ihr Taschengeld selbst verdient. Sie hatte ihrer Großmutter nach ihrer Ausbildung auch immer wieder Dinge mitgebracht, von denen sie wusste, dass sie sie gut gebrauchen konnte oder sich wünschte, sich selber aber nicht kaufte.

„Ja, das stimmt. Bei all den Bestellungen weiß ich zumindest jeweils ein halbes Jahr im Voraus, was ungefähr zu tun ist. Aber was ich schon seit längerem mit dir besprechen wollte: Diese ganze Sache mit den Geschenksets war ja eigentlich deine Idee. Das erste Geschenkset hast du für mich gebastelt. In der Werkstatt hat es dann ein Kunde entdeckt, worauf die Sache eine regelrechte Eigendynamik entwickelt hat. Plötzlich erhielt ich Anrufe von allen Seiten, sie würden gerne diese Sets und allenfalls auch Einzelstücke von mir in ihr Sortiment aufnehmen. Deshalb habe ich von Anfang an jeweils zehn Prozent vom Reingewinn auf dein altes Kinder-Sparkonto getan.“

„Was? Aber Mémé, das ist doch nicht nötig!“, rief Kaja aus. „Ich habe doch das alle von dir gelernt und du hast die ganze Arbeit damit. Ich habe doch gar nichts damit zu tun!“

„Doch, doch eben schon. Ohne dich wäre das alles gar nicht entstanden. Das steht dir zu! Das lag mir schon lange am Herzen!“, beharrte Mémé.

„Ich hab doch genug Geld, ich brauche es nicht“, sagte Kaja.

Josephine, die merkte, dass Kaja sich momentan nicht umstimmen ließ, antwortete: „Machen wir es doch einfach so. Wir lassen das Konto einfach bestehen, ich beteilige dich weiterhin mit zehn Prozent und falls du das Geld brauchen solltest, ist es da. Sonst kannst du immer noch deinen Lebensabend damit finanzieren“, scherzte die Großmutter, „was ich so über die Schweizer Altersvorsorge höre, klingt ja nicht so optimistisch.“

„Okay, aber nur, wenn du mir versprichst, dass du ohne zu zögern davon nimmst, falls du knapp bei Kasse bist“, wollte Kaja ihrer Großmutter das Versprechen abnehmen.

„Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden, wie erfolgreich deine Idee ist. Ich muss, wenn alles so weiter geht, wohl bald ein paar Leute anstellen, die mir mit der Arbeit helfen.“

„Oh.“ Kaja verstummte.

In dem Moment wurden sie von Zorros wütendem Gebell unterbrochen. Eben hatte er noch friedlich nach Steinen im Wasser getaucht, als er wie vom wilden Affen gebissen anfing, im Kreis durchs Wasser zu rennen. Josephine musste lachen. Dem Drachen war es offenbar langweilig geworden, weshalb er angefangen hatte, Zorro zu ärgern. Der Hund fiel natürlich prompt darauf rein und verfolgte ihn mit großen Sätzen. Kaja versuchte, sich einen Reim auf Mémés Heiterkeitsausbruch zu machen, als der Drache den Hund ans Ufer lockte, zu dem Stein, auf dem die beiden Frauen nebeneinander saßen. Zorro hatte nur Augen für den Drachen, welcher gekonnt zwischen den beiden hindurch schlüpfte. Josephine, die das hatte kommen sehen, wich zur Seite aus, doch Kaja wurde von dem stürmischen Fellbündel glatt überrannt und kippte kopfüber ins Wasser. Spuckend und fluchend tauchte sie wieder auf.

„Geht’s eigentlich noch, Zorro“, schimpfte sie, „hast du denn keine Augen im Kopf?“

Der Drache hatte sich in der Zwischenzeit buchstäblich in Luft aufgelöst und Zorro bot, mit seinem nassen Pelz, den hängenden Ohren und der unsicher wedelnden Rute ein solches Bild des Jammers, dass Kajas Ärger auf der Stelle verflog. Sie fing an zu lachen und sagte: „Nur gut, dass Tim mich jetzt nicht sieht. Ich mache meinem Spitznamen ja wieder einmal alle Ehre.“

Mémé saß immer noch auf dem Felsblock und japste vor lauter Lachen nach Luft. Kaja spritzte sie nass und zog sich ans Trockene. „Los, lass uns gehen“, meinte Mémé. „Zum Glück ist es heute so warm, du wirst dich sicherlich nicht erkälten.“