ZWEIUNDVIERZIG

Anthill inside* [* Zu deutsch ›Ameisenhaufen innen‹ – was freilich nicht mehr so ähnlich wie ›Intel inside‹ klingt, der Reklameslogan für jene Computer-Prozessoren. – Anm. d. Übers.]

Sie wissen, was mit den Affen passieren wird – sie werden sich in uns verwandeln. Aber warum lassen wir sie in der Brandung spielen? Weil es Spaß macht? Ja … aber was bedeutsamer ist, weil der Strand eine Hauptrolle in einer der beiden wichtigsten Theorien spielt, wie unsere äffischen Vorfahren zu großen Gehirnen gekommen sind. Die andere, orthodoxere läßt die Evolution des großen Gehirns in der afrikanischen Savanne stattfinden, und wir wissen, daß manche von unseren Vorfahren in der Savanne lebten, weil wir Fossilien gefunden haben. Leider sind Meeresstrände kein geeigneter Ort für die Entstehung von Fossilien. Man findet sie oft dort, doch das liegt daran, daß sie abgelagert wurden, als die Gegend überhaupt kein Meeresstrand war, und das Meer in der Folgezeit die Felsen erodierte, bis die Fossilien zum Vorschein kamen. Solange es keine direkten Beweise dieser Art gibt, muß sich die Theorie von den Affen in der Brandung mit Platz zwei begnügen … Aber sie erklärt unsere Gehirne wirklich sehr schön, während die Savannen-Theorie der Frage eher ausweicht.

Unsere nächsten lebenden Verwandten sind zwei Schimpansenarten: der übliche ausgelassene ›Zoo‹-Schimpanse Pan troglodytes und sein schlankerer Vetter, der Bonobo (oder Zwergschimpanse) Pan paniscus. Bonobos leben in sehr unzugänglichen Teilen von Zaire und wurden erst 1929 als eigenständige Schimpansenart erkannt. Wir können die vergangene Evolutionsgeschichte der Menschenaffen bis zu einem gewissen Grad erschließen, indem wir ihre DNS-Sequenzen vergleichen. Die menschliche DNS unterschiedet sich von der DNS beider Schimpansenarten um gerade eben 1,6 %; wir haben also zu 98,4 % die gleichen DNS-Sequenzen wie sie. (Es ist interessant, sich zu überlegen, wie wohl die Leute im viktorianischen Zeitalter darauf reagiert hätten.) Die beiden Schimpansenarten haben DNS, die sich nur um 0,7 % unterscheidet. Gorillas unterscheiden sich von uns wie auch von beiden Schimpansenarten um 2,3 %. Für Orang-Utans beträgt der Unterschied zu uns 3,6 %.

Dieser Unterschied mag klein erscheinen, aber man kann unglaublich viel in einen kleinen Prozentsatz eines Affengenoms hineinpacken. Ein Großteil dessen, was wir gemeinsam haben, besteht zweifellos aus Unterprogrammen, die Grundeigenschaften des Körperbaus von Wirbel- und Säugetieren organisieren, uns sagen, was man braucht, um ein Affe zu sein, und was mit den Dingen anzustellen ist, die wir alle haben – wie Haare, Finger, innere Organe, Blut … Es ist eine falsche Vorstellung, alles, was uns zum Menschen statt zum Schimpansen macht, müsse in jenen 1,6 % ›besonderer‹ DNS liegen – aber so funktioniert DNS nicht. Zum Beispiel können manche von den Genen in jenen 1,6 % des Genoms die anderen 98,4 % auf völlig neue Weise organisieren. Wenn man sich den Computercode für ein Textverarbeitungsprogramm und für eine Tabellenkalkulation anschaut, sieht man, daß sie unglaublich viel gemeinsam haben – Routinen zum Auslesen der Tastatur, zur Ausgabe auf dem Bildschirm, zur Suche nach einer bestimmten Zeichenkette, zum Einstellen von Kursivschrift, zur Reaktion auf einen Mausklick … Aber das heißt nicht, der einzige Unterschied zwischen einer Textverarbeitung und einer Tabellenkalkulation bestehe in den verhältnismäßig wenigen abweichenden Programmteilen.

Da die Evolution Veränderungen in der DNS einschließt, können wir die Größe dieser Unterschiede benutzen, um abzuschätzen, seit wann sich verschiedene Affenarten getrennt entwickeln. Diese Methode wurde 1973 von Charles Sibley und Jon Ahlquist eingeführt, und obwohl sie mit Vorsicht zu interpretieren ist, funktioniert sie im vorliegenden Fall gut.

Eine passende Zeiteinheit für derlei Diskussionen ist der ›Großvater‹, den wir als einen Zeitraum von 50 Jahren definieren. Das ist ein gutes menschliches Zeitmaß, etwa der Altersunterschied zwischen einem Kind und dem Großvater, der »Als ich jung war …« sagt und ein Gefühl von Geschichte vermittelt. In diesem Sinn lebte Christus vor 40 Großvätern, und die Babylonier liegen etwa 100 Großväter zurück. Das sind nicht besonders viele Opas, die die geschriebene Geschichte hindurch Erinnerungen wie »… als ich ein Junge war, hat’s diese neumodische Keilschrift nicht gegeben …« und »… mir hat Bronze allemal ausgereicht« weitergeben. Die menschliche Zeit reicht nicht sehr tief. Wir haben es einfach nur geschafft, eine Menge hineinzupacken.

DNA-Studien zeigen, daß sich die beiden Schimpansenarten vor etwa 60 000 Großvätern getrennt haben – vor drei Millionen Jahren. Menschen und Schimpansen zweigten 80 000 Großväter früher voneinander ab – so daß uns eine Kette von nur 140 000 Großvätern mit unserem schimpansenähnlichen Vorfahren verbindet. Der zugleich – diese Anmerkung wollen wir nicht versäumen – der menschenähnliche Vorfahre eines heutigen Schimpansen ist. Menschen und Gorillas trennten sich vor 200 000 Großvätern, Menschen und Orang-Utans vor 300 000. Also steht uns von diesen Tieren der Schimpanse am nächsten und der Orang-Utan am fernsten. Diese Schlußfolgerung wird auch vom körperlichen Aussehen und vom Verhalten bestätigt. Bonobos sind wirklich scharf auf Sex.

Wem diese Zeiten für alle diese notwendigen evolutionären Veränderungen zu kurz erscheinen, der möge zweierlei bedenken: erstens, daß sie unter Verwendung einer realistischen Mutationsrate für DNS abgeschätzt wurden, zweitens, daß nach Nilsson und Pelger sich ein komplettes Auge in gerade eben 8000 Großvätern entwickeln kann – und viele verschiedene Veränderungen konnten und mußten sich parallel entwickeln.

Das erstaunlichste am Menschen ist die Größe seines Gehirns: im Verhältnis zum Körpergewicht größer als bei jedem anderen Tier. In frappierendem Maße größer. Eine ins einzelne gehende Geschichte, was uns zum Menschen macht, muß außerordentlich verwickelt sein, doch es ist klar, daß große, leistungsstarke Gehirne die Haupterfindung waren, die alles erst ermöglichten. Also müssen wir jetzt über zwei auf der Hand liegende Fragen nachdenken: »Warum haben wir große Gehirne entwickelt?« und »Wie haben wir große Gehirne entwickelt?«

Die Standardtheorie befaßt sich mit dem ›Warum‹. Sie geht davon aus, daß wir uns in der Savanne entwickelten, umgeben von vielen Großraubtieren – Löwen, Leoparden, Hyänen – und ohne besonders viel Deckung. Wir mußten schlau werden, um zu überleben. Rincewind würde sofort eine Schwachstelle in dieser Theorie sehen: »Wenn wir so schlau waren, warum sind wir dann in der Savanne geblieben, umgeben von vielen Großraubtieren?« Doch wie gesagt, das paßt zu den Fossilbelegen. Die unorthodoxe Theorie befaßt sich mit dem ›Wie‹. Große Gehirne brauchen viele Hirnzellen, und viele Hirnzellen brauchen eine Menge Chemikalien namens ›essentielle Fettsäuren‹. Diese müssen wir mit der Nahrung aufnehmen – wir können sie nicht aus einfacheren Bestandteilen erzeugen –, und in der Savanne sind sie knapp. Wie aber Michael Crawford und David Marsh 1991 dargelegt haben, sind sie reichlich in Nahrung aus dem Meer vorhanden.

Neun Jahre zuvor hatte Elaine Morgan die Theorie Alistair Hardys vom ›Wasseraffen‹ weiterentwickelt: Wir haben uns nicht in der Savanne entwickelt, sondern am Meeresufer. Die Theorie stimmt mit mehreren menschlichen Eigenheiten überein: Wir mögen Wasser (neugeborene Kinder können schwimmen), wir haben ein komisches Haarmuster am Körper und wir gehen aufrecht. Man braucht nur in irgendeinen Urlaubsort am Mittelmeer zu gehen und sieht sofort eine riesige Menge nackter Affen, die den Strand für den idealen Ort zum Herumlungern halten.

Ob die Wasseraffen-Geschichte des Ursprungs der Menschheit die Savannen-Theorie verdrängen wird, bleibt abzuwarten, doch die Savannengeschichte ist von ganz anderer Seite in Bedrängnis geraten. Phillip Tobias hat nicht die Fossilbelege in Frage gestellt, sondern ihre Deutung. Er stellte eine derart einfache Frage, daß sie fast allen anderen, die auf diesem Gebiet arbeiten, entgangen zu sein scheint. Ja, viele Gegenden, in denen Fossilien von affenähnlichen Vorfahren des Menschen gefunden wurden, sind heute Savannen. Aber waren sie es damals? Als unsere fernen Ur-Ur-…-Großeltern vor 2,7 Millionen Jahren fossil wurden – war die Vegetation damals möglicherweise anders als heute?

Angesichts der Tatsache, daß die Tiere damals entschieden anders waren – unsere Vorfahren, nicht wir –, ist es ein wenig überraschend, daß diese Frage anscheinend noch niemandem zuvor in den Sinn gekommen ist. So läuft es leider oft in der Wissenschaft. Die Leute spezalisieren sich. Fachleute für prähistorische Menschenaffen interessieren sich vielleicht nicht besonders für Botanik.

Wie sich zeigt, war Sterkfontein, einer der Orte, wo fossile Affen gefunden wurden, die die Savannen-Theorie stützen, damals überhaupt keine Savanne. Fossile Pollen weisen darauf hin, daß es ein Waldgebiet war, und fossile Lianen machen das fest. Andere Gebiete in Südafrika und in Äthiopien (wo die berühmte ›Lucy‹ gefunden wurde) zeigen, daß diese Gebiete Wälder waren, als die Affen dort lebten. Der ›Mörderaffe der Savannen‹, sagt Tobias, ist Unsinn.

Und es gibt möglicherweise neue Indizien für eine wäßrigen Ursprung der Menschheit, wenngleich nicht unbedingt für den vollgültigen Wasseraffen. Eine gemeinsame Eigenschaft aller Fundstellen von fossilen Hominiden besteht darin, daß sie sich in der Nähe von Wasser befinden. Das hat Sinn, denn Homo sapiens muß eine Menge trinken, und er schwitzt und uriniert eine Menge. Wenn wir uns in den Savannen entwickelt hätten, hätten wir die anderen Tiere mit unserem ständigen Pinkeln zur Raserei getrieben. Und es hat den Anschein, daß wir mindestens vor einer Million Jahren erstklassige Schwimmer waren. Es gibt Indzien für menschliche Wanderungen auf Inseln wie Flores, das von Bali durch ein tiefes Unterwassertal getrennt ist. Selbst wenn man den niedrigeren Meeresspiegel der Vergangenheit berücksichtigt, müssen die Neuankömmlinge mindestens 30 km offenes Wasser schwimmend oder auf Flößen oder sonstwie zurückgelegt haben.

Wir waren vielleicht nicht der Wasseraffe, aber gewiß waren wir der Feuchtwaldaffe. Ganz wie heute der Bonobo, einer unserer beiden nächsten lebenden Verwandten.

Gehirne sind faszinierend. Sie sind das physische Vehikel für den Geist, der noch faszinierender ist. Der Geist ist sich seiner selbst bewußt (oder gibt zumindest seinem Besitzer den lebhaften Eindruck, er sei es) und hat einen freien Willen (oder gibt zumindest seinem Besitzer den lebhaften Eindruck, er habe ihn). Der Geist funktioniert in einer Welt von ›Qualia‹ – lebhaften Sinneseindrücken wie rot, heiß, sexy. Qualia sind keine Abstraktionen – sie sind ›Gefühle‹. Wir alle wissen, wie es ist, sie zu haben. Die Wissenschaft hat keine Ahnung, warum sie so sind, wie sie sind.

Gehirne jedoch … Wir können bei den Gehirnen weitermachen. Auf einer Ebene der Betrachtung sind Gehirne eine Art Gerät zur Datenverarbeitung. Der offensichtlichste physische Bestandteil sind Nervenzellen, zu komplizierten Netzwerken angeordnet. Mathematiker haben solche Netzwerke untersucht und festgestellt, daß es die typische Arbeit von Netzwerken ist, interessante Prozesse durchzuführen. Man gebe ihnen einen Input, und man kriegt einen Output. Man gebe ihnen die Möglichkeit, daß sich die Verbindungen in ihnen entwickeln, indem man bestimmte Zusammenhänge von Input und Output selektiert – wie Reaktion auf das Bild einer Banane, aber keine Reaktion auf das Bild einer toten Ratte –, und man bekommt ziemlich schnell einen ziemlich wirksamen Bananen-Detektor.

Was das menschliche Gehirn einmalig macht, soweit wir es feststellen können, ist die Tatsache, daß es rekursiv geworden ist. Ebenso wie es eine Banane entdecken kann, kann es darüber nachdenken, wie es eine Banane entdeckt. Es kann über seine eigenen Denkprozesse nachdenken. Es ist ein Gerät zur Mustererkennung, das seine Aufmerksamkeit seinen eigenen Mustern zugewandt hat. Diese Fähigkeit ist es, die hinter der menschlichen Intelligenz steckt. Sie liefert wahrscheinlich auch die Grundlage für das Bewußtsein: Eins der Muster, die das Gerät zur Mustererkennung zu erkennen gelernt hat, ist es selbst. Es ist sich seiner selbst bewußt geworden.

Im Ergebnis funktioniert das Gehirn auf mindestens zwei Ebenen. Auf einer reduktionistischen Ebene gibt es Netzwerke von Nervenzellen, die einander unglaublich komplexe, aber letzten Endes bedeutungslose Botschaften senden – wie Ameisen, die um einen Ameisenhaufen herumwimmeln. Auf einer anderen Ebene gibt es die Gesamtheit des Ichs – den Ameisenhaufen als eigenständige Persönlichkeit. Douglas Hofstadters Gödel, Escher, Bach enthält eine Passage, wo Tante Colonia (die ein Ameisenhaufen ist)* [* Die Tante Colonia der deutschen Ausgabe von 1985 hieß in Hofstadters Original Aunt Hillary – noch ein Anklang an anthill. – Anm. d. Übers.] Besuch von Dr. Ameisenbär bekommt. Bei der Ankunft von Dr. Ameisenbär geraten die Ameisen in Panik – sie verändern ihre Tätigkeiten. Für Tante Colonia, die auf der emergenten Ebene funktioniert, repräsentiert diese Veränderung das Wissen, daß Dr. Ameisenbär eingetroffen ist. Sie hat überhaupt nichts dagegen, wenn Dr. Ameisenbär sich an »ihren« Ameisen gütlich tut. Ameisen sind praktisch unerschöpflich – sie kann allemal neue züchten, um die verspeisten zu ersetzen.

Der Zusammenhang zwischen den Ameisen und Colonias ›Anthilligenz‹ ist emergent – er funktioniert glücklich quer über das hinweg, was wir ›Ameisenland‹ genannt haben. Dieselbe Tätigkeit hat eine Bedeutung für die Ameisen und eine ganz andere und transzendente für Colonia. Setzen Sie für Colonia sich selbst – Ihr Ich, von dem ›Sie‹ empfinden, daß es Ihre Gedanken hat – und für die Ameisen Hirnzellen ein, und Sie betrachten den Zusammenhang zwischen Geist und Gehirn.

Jetzt sind Sie selbstreferent geworden.

Neurale Netze sind der Grundstoff des Gehirns, aber zur Evolution eines Gehirns gehört mehr, als nur große neurale Netze zu knüpfen. Hirne funktionieren in Begriffen von ›Modulen‹ auf hoher Ebene – ein Modul zum Laufen, ein weiteres zum Erkennen von Gefahr, wieder eins, um das ganze Tier zu alarmieren, und so weiter. Jedes solches Modul ist eine emergente Eigenschaft eines komplexen neuralen Netzwerks, und es ist nicht konstruiert worden: Es hat sich entwickelt. Millionen Jahre haben diese Module trainiert, unverzüglich und genauestens zu reagieren.

Die Module sind nicht voneinander getrennt. Sie benutzen Nervenzellen gemeinsam, überschneiden sich, sie sind nicht unbedingt ein genau umrissenes Gebiet im Hirn – ebensowenig, wie ›Vodafone‹ ein genau umrissenes Gebiet des Telefonnetzes ist. Daniel Dennett zufolge gleichen sie einer Ansammlung von Dämonen, die per ›Pandämonium‹ fungieren. Sie alle schreien, und wer im jeweils gegebenen Moment am lautesten schreit, gewinnt (ein großer Teil des Internet hat diesen Entwurf übernommen).

Die Menschheit hat eine Kultur rings um diese Module errichtet – eine Idee, die wir später untersuchen wollen – und hat sie dabei neuen Zwecken dienstbar gemacht. Das Modul zum Entdecken von Löwen ist teilweise zum Modul für die Lektüre von Scheibenweltromanen geworden. Das Modul zur Wahrnehmung von Körperbewegungen hat sich teilweise in eins für bestimmte Arten von Mathematik verwandelt – jene Teile der Mechanik, wo ein körperliches ›Gefühl‹ für das Problem genau das Richtige sein kann. Unsere Kultur hat unseren Geist umgebaut und unser Geist seinerseits unsere Kultur, immer wieder in jeder Generation.

Solch eine radikale Umstrukturierung muß einfachere Vorläufer haben. Ein entscheidender Schritt zum menschlichen Geist war die Erfindung des Nests. Ehe es Nester gab, konnten sehr junge Organismen nur sehr beschränkte Verhaltensexperimente anstellen. Wenn man jedesmal, wenn man ein neues Spiel ausprobiert, von einer Python verschluckt wird, wird Neuheit nicht belohnt. In der Geborgenheit und relativen Sicherheit des Nests hingegen ist der Irrtum-Teil von Versuch und Irrtum nicht mehr unabänderlich verhängnisvoll. Nester erlauben einem zu spielen, und Spiele erlauben einem, den Phasenraum möglicher Verhaltensweisen zu erkunden und neue, manchmal nützliche Strategien zu finden. Weiter auf diesem Weg liegen die Familie, das Rudel und der Stamm mit gewissen gemeinsamen Verhaltensweisen und gegenseitigem Schutz. Erdmännchen, eine Art Mungos, haben eine kunstvolle Stammesstruktur und wechseln sich in der gefährlichen (weil exponierteren) Rolle des Wachpostens ab.

Die Menschen haben aus solchen Taktiken eine globale Strategie gemacht: Erwachsene widmen erhebliche Mengen an Zeit, Energie, Nahrung und Geld der Aufgabe, ihre Kinder großzuziehen. Die Intelligenz ist sowohl eine Folge dieser glänzend erfolgreichen Strategie als auch eine ihrer Ursachen.

Der Dekan wäre gut beraten, diesen Zusammenhang zwischen Familienleben und Intelligenz in Betracht zu ziehen. Er versucht, die Affen auf direktem Wege zu unterrichten (S … T … E … I … N), aber sie haben nichts in ihrem winzigen Verstand als S … E … X. Viele Schullehrer können das sicher nachfühlen … Aber wenn er nur begriffe, daß sexuelle Bindungen ein Hauptfaktor im Familienleben von Humanoiden sind und die Familie Intelligenz hervorbringt …

Bonobos sind das ideale Modell für die sexbesessenen Affen des Dekans. Sie sind bis zum äußersten promiskuitiv und setzen Sex ein, wo wir uns mit einem Lächeln, einem Winken oder einem höflichen Händedruck begnügen würden. Weibliche Bonobos haben fast beiläufig nacheinander Sex mit Dutzenden von Männchen oder Weibchen, männliche Bonobos ebenso. Erwachsene nehmen auch geschlechtliche Aktivitäten mit Kindern auf. Es wirkt alles sehr locker. Es trägt dazu bei, den Stamm enger zusammenzuschließen. Bei ihnen scheint es gut zu funktionieren.

Nach den Maßstäben orthodoxer Menschen sind gewöhnliche Schimpansen promiskuitiv, aber wahrscheinlich nicht in höherem Maße als viele Menschen. Paare von Männchen und Weibchen verschwinden für ein paar Tage, um dann neue Partnerschaften zu bilden … Menschen bilden allgemein ein Paar fürs Leben (der Begriff bedeutet ›bis wir es satt haben‹), und ein Grund dafür ist die enorme Mühe, die ein Menschenpaar ins Großziehen der Kinder investieren muß. Sex trägt dazu bei, die Beziehung der Eltern zu festigen, und ermutigt die Eltern, einander zu vertrauen. Das mag der Grund sein, warum sogar in einem angeblich sexuell unverkrampften Zeitalter die meisten Menschen Seitensprünge als Verrat betrachten – und warum trotzdem der vom rechten Wege abgekommene Partner in den meisten Fällen wieder in den Schoß der Familie aufgenommen wird.

Es ist kein Wunder, daß wir Sex im Kopf haben: Unsere Gehirne sind vom Sex geformt worden. Der Dekan sollte dem Sex seinen Lauf lassen, denn Intelligenz wird gewiß nachfolgen … Man braucht nur in wirklich großen Zeiträumen zu denken. Es hat keine Eile.