VIERUNDZWANZIG
Und trotzdem …
Das Blaue im Meer der Rundwelt ist keine Chemikalie – jedenfalls nicht im üblichen Sinne des Wortes, der eine ›einfache Chemikalie‹ meint. Es ist eine Masse von Bakterien, genannt Zyanobakterien. Ein anderer Name für sie ist ›Blaugrüne Algen‹, was wunderbar verwirrend ist. Moderne sogenannte Blaugrüne Algen sind für gewöhnlich rot oder braun, die alten aber waren wahrscheinlich wirklich blaugrün. Und Blaugrüne Algen sind in Wirklichkeit Bakterien, während die meisten anderen Algen Zellen mit einem Zellkern haben und also keine Bakterien sind. Die blaugrüne Farbe kommt vom Chlorophyll – doch von einer anderen Art als das in den Pflanzen – zusammen mit orangegelben Chemikalien, die Karotenoide heißen.
Bakterien erschienen auf der Erde vor spätestens dreieinhalb Milliarden Jahren, nur ein paar hundert Millionen Jahre nachdem sich die Erde soweit abgekühlt hatte, daß Lebewesen darauf existieren konnten. Wir wissen das von seltsamen Schichtstrukturen, die man in Sedimentgestein gefunden hat. Die Schichten können flach und bucklig sein, sie können verzweigte hohe Säulen bilden oder stark gekrümmt sein wie Kohlblätter. Manche Ablagerungen sind knapp einen Kilometer dick und erstrecken sich über Hunderte von Kilometern. Die meisten stammen von vor zwei Milliarden Jahren, doch die von Warrawoona in Australien sind dreieinhalb Milliarden Jahre alt.
Zunächst wußte niemand, was diese Ablagerungen darstellten. In den fünfziger und sechziger Jahren wurden sie als die Spuren von Bakteriengesellschaften erkannt, insbesondere von Zyanobakterien.
Zyanobakterien sammeln sich in flachem Wasser an und bilden ausgedehnte schwebende Matten wie Filz. Sie sondern ein klebriges Gel zum Schutz vor ultraviolettem Licht ab, und dadurch bleibt Sediment an den Matten haften. Wenn die Sedimentschicht so dick wird, daß sie kein Licht mehr durchläßt, bilden die Bakterien eine neue Schicht, und so weiter. Wenn die Schichten fossil werden, verwandeln sie sich in Stomatoliten, die ziemlich ähnlich wie große Kissen aussehen.
Die Zauberer haben nicht mit Leben gerechnet. Die Rundwelt gehorcht Gesetzen, das Leben aber nicht – so denken sie jedenfalls. Die Zauberer sehen einen scharfen Bruch zwischen Leben und Nicht-Leben. Das ist das Problem, wenn man erwartet, daß das Werden Grenzen hat – wenn man meint, es müsse einfach sein, alle Objekte entweder der Kategorie ›lebendig‹ oder der Kategorie ›tot‹ zuzuordnen. Doch das ist nicht möglich, selbst wenn man den Fluß der Zeit ignoriert, wo aus ›lebendig‹ ›tot‹ werden kann – und umgekehrt. Ein ›totes‹ Blatt ist nicht länger Teil eines ›lebenden‹ Baumes, aber es kann durchaus ein paar Zellen enthalten, die wiederbelebt werden können.
Mitochondrien, jetzt der Teil der Zelle, der ihre chemische Energie erzeugt, waren einmal selbständige Organismen. Ist ein Virus lebendig? Ohne eine Wirtszelle kann es sich nicht fortpflanzen – doch auch DNS kann sich nicht ohne die chemische Maschinerie einer Zelle kopieren.
Wir haben längere Zeit ›einfache‹ chemische Modelle von Lebensprozessen aufgebaut, in der Hoffnung, ein hinreichend komplexes Netzwerk von Chemie könne von selbst ›starten‹ – selbstreferent, selbstkopierend werden. Es gab das Konzept von der ›Ursuppe‹, einer Menge in den Ozeanen gelöster einfacher Chemikalien, die aufs Geratewohl aneinanderstoßen und rein zufällig etwas Komplizierteres bilden. Wie sich zeigt, geht es so nicht. Man muß sich keine große Mühe geben, um die Chemie der wirklichen Welt kompliziert zu machen – das ist ihr Normalzustand. Es ist leicht, komplizierte Chemikalien herzustellen. Die Welt ist voll davon. Das Problem ist, diese Komplexität organisiert zu halten.
Was gilt als Leben? Jeder Biologe mußte eine Liste von Eigenschaften lernen: Fortpflanzungsvermögen, Reizbarkeit, Energienutzung und dergleichen. Wir sind inzwischen weiter. ›Autopoeisis‹ – die Fähigkeit, Chemikalien und Strukturen zur eigenen Reproduktion herzustellen – ist keine schlechte Definition, abgesehen davon, daß sich das moderne Leben von jenen frühen Notwendigkeiten fortentwickelt hat. Heutige Biologen ziehen es vor, dem Thema auszuweichen und Leben als Eigenschaft des DNS-Moleküls zu definieren, doch das läßt die tiefere Frage nach dem Leben als einem allgemeinen Typ von Prozessen offen. Möglicherweise definieren wir jetzt das Leben auf dieselbe Weise, wie ›Science Fiction‹ definiert wird – es ist, worauf wir zeigen, wenn wir den Begriff verwenden.* [* Jeder weiß, was Science Fiction ist – bis man Fragen von der Art zu stellen beginnt: »Ist ein Buch, das fünf Jahre in der Zukunft spielt, automatisch Science Fiction? Ist es SF, nur weil es in einer anderen Welt spielt, oder ist es einfach Fantasy mit Nuten und Bolzen außen? Ist es SF, wenn der Autor es dafür hält? Bedeutet die Gegenwart von Doug McClure, daß ein Film SF ist, oder nur, daß es eine hohe Leutein-Gummimonsteranzügen-Quote geben wird?« Eins der besten SF-Bücher, die jemals geschrieben wurden, war The Evolution Man des verstorbenen Roy Lewis; es kommt keine kompliziertere Technik als ein Bogen darin vor, es spielt in der fernen Vergangenheit, die Helden sind kaum mehr als Affenmenschen … aber es ist nichtsdestoweniger Science Fiction.]
Der Gedanke, daß Leben sich irgendwie selbst in Gang gesetzt haben könnte, erscheint vielen Menschen noch strittig. Es erweist sich jedoch, daß es leicht ist, mögliche Wege zum Leben zu finden. Es muß mindestens dreißig geben. Es ist schwer zu entscheiden, welcher davon der tatsächlich eingeschlagene Weg war – wenn es überhaupt einer davon war –, weil spätere Lebensformen fast alle Indizien vernichtet haben. Das hat vielleicht nicht viel zu bedeuten: Wenn das Leben nicht den Weg eingeschlagen hätte, den es nahm, hätte es leicht einen von den anderen nehmen können oder einen von den hundert, an die wir noch nicht gedacht haben.
Ein möglicher Weg von der anorganischen Welt zum Leben, den Graham Cairns-Smith vorgeschlagen hat, ist Ton. Ton kann komplizierte mikroskopische Strukturen bilden und ›kopiert‹ eine vorhandene Struktur, indem er eine weitere Schicht hinzufügt, die dann abfällt und der Ausgangspunkt einer neuen Struktur wird. Kohlenstoffverbindungen können an Tonoberflächen haften, wo sie als Katalysatoren für die Bildung komplexer Moleküle wirken können, wie wir sie in Lebewesen finden – von Proteinen, sogar der DNS selbst. Die heutigen Organismen haben also vielleicht einen Teil der Evolutionsfahrt per Anhalter auf Ton zurückgelegt.
Eine andere Möglichkeit hat Gunther Wächterhäuser vorgeschlagen: daß Pyrit, eine Verbindung von Eisen und Schwefel, eine für Bakterien geeignete Energiequelle geboten hat. Noch heute finden wir Bakterien kilometertief im Erdinneren und in der Nähe von Vulkanschloten am Grunde des Ozeans, die ihre Energie aus Eisen-Schwefel-Reaktionen gewinnen. Sie sind die Quelle des ›Stroms von giftigen Mineralien‹, die Rincewind feststellt. Es ist durchaus vorstellbar, daß das Leben in vergleichbarer Umwelt begonnen hat.
Ein potentielles Problem mit Vulkanschloten besteht jedoch darin, daß sie immer mal wieder verstopft werden und woanders ein neuer Vulkan ausbricht. Wie konnten die Organismen sicher durch das dazwischenliegende kalte Wasser gelangen? 1988 erkannte Kevin Speer, daß die Erdumdrehung die aufsteigenden Fahnen heißen Wassers in Rotation versetzt und eine Art heißen Unterwassertornado bildet, der sich durch die Tiefen des Ozeans bewegt. Organismen werden dabei mitgeführt. Manche schaffen es zu einem anderen Schlot. Viele schaffen es nicht, doch das spielt keine Rolle – es müssen nur genug überleben.
Es ist interessant festzustellen, daß in der Kreidezeit, als die Meere viel wärmer als jetzt waren, diese Heißwasserfahnen sogar bis an die Wasseroberfläche emporgestiegen sein können, wo sie vielleicht ›Hypercans‹ verursachten – wie Hurricans, aber mit einer Windgeschwindigkeit nahe der des Schalls. Sie hätten gewaltigen klimatischen Aufruhr auf einem Planeten erzeugt, der, wie wir sehen werden, nicht der gemäßigt friedliche Ort ist, für den wir ihn gern halten.
Bakterien gehören zu einer Kategorie von Organismen, die als Prokaryoten (Kernlose) bekannt sind. Sie werden oft als ›Einzeller‹ bezeichnet, doch viele einzellige Lebewesen sind weitaus komplexer und unterscheiden sich sehr von Bakterien. Bakterien sind keine echten Zellen, sondern etwas Einfacheres; sie haben keine Zellwand und keinen Kern. Echte Zellen und sowohl einzellige als auch mehrzellige Wesen kamen später und werden Eukaryoten genannt. Sie entstanden wahrscheinlich, als mehrere verschiedene Prokaryoten ihre Kräfte zum gemeinsamen Nutzen vereinten, ein als Symbiose bekannter Trick. Die ersten fossilen Eukaryoten sind Einzeller wie Amöben und erschienen vor etwa zwei Milliarden Jahren. Die ersten Fossilien von Mehrzellern sind Algen von vor einer Milliarde Jahren … vielleicht sind sie auch schon 1,8 Milliarden Jahre alt.
Das war die Geschichte, wie sie die Wissenschaftler bis 1998 auffaßten: Gliederfüßer und andere komplexe Tiere traten erst vor gerade eben 600 Millionen Jahren auf, und die bis vor etwa 540 Millionen Jahren waren wirklich sehr seltsam – ziemlich verschieden von dem, was uns heute umgibt.
Diese Wesen werden nach dem Ort in Australien, wo die ersten Fossilien gefunden wurden, als Ediacara-Fauna bezeichnet.* [* Bedenkt man manche Ortsnamen in Australien, so hatten sie Glück, daß sie schließlich nur so klangen wie eine weniger wichtige Spezies in Star Trek.] Sie konnten einen halben Meter oder noch größer werden, doch soviel nach den Fossilien zu sagen ist, scheinen sie keinerlei innere Organe oder Körperöffnungen wie einen Mund oder einen After gehabt zu haben (vielleicht lebten sie davon, daß sie symbiotische Bakterien in ihrem Innern verdauten, oder von einem anderen Prozeß, über den wir nur Vermutungen anstellen können). Manche waren abgeflacht und hingen deckenförmig zusammen. Wir haben keine Ahnung, ob die Ediacarer unsere fernen Vorfahren waren oder eine Sackgasse, eine zum Untergang verurteilte Lebensform. Einerlei: Damals gab es sie und, soweit man weiß, außer ihnen kaum etwas anderes. Es gibt allerdings Anzeichen für fossile Häufchen, wie sie von Würmern aufgeworfen werden, und einige der jüngsten Fossilien sehen aus wie … Aber wir eilen voraus. Der springende Punkt ist der, daß fast das gesamte ediacarische Leben anscheinend nichts mit dem zu tun hatte, was später kam.
Vor etwa 540 Millionen Jahren folgten auf die präkambrischen Ediacarer die Wesen des kambrischen Zeitalters. Die ersten zehn Millionen Jahre hindurch waren diese Viecher auch ziemlich seltsam; sie haben Fragmente von Graten und Stacheln hinterlassen, die vermutlich die Überreste urtümlicher Skelette waren, die sich noch nicht zu einem Ganzen zusammengefügt hatten. An dem Punkt lernte die Natur plötzlich, wie man zusammenhängende Skelette herstellt, und noch viel mehr: Es war die Zeit, die als die Kambrische Explosion bekannt ist. Zwanzig Millionen Jahre später existierte praktisch schon jeder Bauplan, den man bei modernen Tieren findet – alles danach war nur noch Feinarbeit.
Die wirkliche Neuerung der Kambrischen Explosion jedoch war weniger offensichtlich als zusammenhängende Skelette oder Stoßzähne oder Schalen oder Glieder. Es war eine neue Art von Bauplan des Körpers. Ediacarer und moderne Quallen sind Diploblasten – zweischichtige Lebewesen. Sie haben ein Innen und ein Außen, wie ein dicker Papiersack. Dreischichtige Wesen wie wir und so ziemlich alle anderen heißen Triploblasten.* [* Im Deutschen kommen ›Diploblasten‹ und ›Triploblasten‹ nur in ziemlich spezieller Fachliteratur vor, aber das sind die genauesten Begriffe. Die ersteren erscheinen deutsch öfters als ›Hohltiere‹, für letztere findet man Bezeichnungen wie ›Bilateria‹, ›Bilateralia‹ und ›Zölomaten‹ (Coelomata), die von Fall zu Fall auch noch abweichend definiert sein können. – Anm. d. Übers.] Wir haben Innen, Außen und Dazwischen.
Das Dazwischen war der große Sprung nach vorn, oder zumindest das große Schlittern. Dazwischen kann man Dinge unterbringen, die man schützen muß, wie innere Organe. In gewissem Sinn ist man nicht mehr Teil der Umwelt – es gibt auch ein Ich. Und wie jemand, der jetzt etwas für sich selbst hat, beginnt man mit Verbesserungen.
Das ist eine Lüge-für-Kinder, aber für eine Lüge ist es gut.
Triploblasten spielten eine entscheidende Rolle gerade weil sie innere Organe hatten und insbesondere weil sie Nahrung aufnehmen und sie ausscheiden konnten. Ihre Exkremente wurden zu einem wesentlichen Nährboden für andere Wesen; um eine auf interessante Art komplizierte Welt zu bekommen, ist es lebensnotwendig, daß Scheiße passiert.
Doch wo kamen alle diese Triploblasten her? Waren sie ein Seitenzweig der Ediacarer? Oder stammten sie von etwas anderem ab, das keine Fossilien hinterlassen hat?
Es ist schwer zu begreifen, wie sie von der Ediacarern hätten abstammen sollen. Ja, eine zusätzliche Gewebsschicht hätte entstehen können, doch zu dieser Schicht braucht man eine Menge Organisation, um sie zu nutzen. Diese Organisation muß irgendwoher kommen. Überdies waren da diese gelegentlichen irritierenden Spuren von etwas, was vielleicht präkambrische Triploblasten waren – Fossilien nicht von Würmern, die die Frage entschieden hätten, sondern von etwas, das vielleicht die Spuren von Würmern in weichem Schlamm sind.
Und vielleicht auch nicht.
Im Februar 1998 fanden wir es heraus.
Die Entdeckung hing davon ab, wo – und in diesem Fall wie – man nach Fossilien sucht. Eine Art, wie sich Fossilien bilden, ist die Versteinerung. Es gibt eine wenig bekannte Art der Versteinerung, die sehr schnell vor sich gehen kann – in ein paar Tagen. Die weichen Teile eines toten Organismus werden durch Kalziumphosphat ersetzt. Zum Pech für die Paläontologen funktioniert dieser Prozeß nur für Wesen, die etwa zweieinhalb Millimeter lang sind. Aber manche interessanten Dinge sind so winzig. Seit 1975 haben Wissenschaftler wunderbar erhaltene Exemplare von winzigen Urzeit-Gliederfüßern gefunden – Wesen wie Hundertfüßler mit vielen Segmenten. 1994 fand man fossilisierte Zellkugeln von Embryonen – frühen Entwicklungsstadien eines Organismus –, und man nimmt an, daß sie von embryonischen Triploblasten stammen. Doch alle diese Wesen müssen nach den Ediacarern gekommen sein. Aber 1998 entdeckten Shuhai Xiao, Yub Zhan und Andrew Knoll fossilisierte Embryonen in chinesischem Gestein, das 570 Millionen Jahre alt ist – mitten im Zeitalter der Ediacarer. Und diese Embryonen waren Triploblasten.
Vierzig Millionen Jahre vor der Kambrischen Explosion gab es Triploblasten auf der Erde, die neben jenen rätselhaften Ediacarern lebten.
Wir sind Triploblasten. Irgendwo im Präkambrium, umgeben von mundlosen, organlosen Ediacarern, wurden wir in unser Erbe eingesetzt.
Das Leben galt als ein verletzliches, äußerst ungewöhnliches Phänomen: schwer zu erschaffen, leicht zu vernichten. Doch wohin wir auch auf der Erde blicken, überall finden wir Lebewesen, oft in Umgebungen, die wir für völlig lebensfeindlich gehalten hätten. Es sieht allmählich so aus, als sei das Leben ein extrem robustes Phänomen, das leicht überall auftauchen kann, wo die Bedingungen auch nur im entferntesten geeignet sind. Wie kommt es, daß das Leben derart ausdauernd ist?
Weiter oben haben wir von zweierlei Arten gesprochen, wie man von der Erde loskommt – Rakete und Weltraumlift. Eine Rakete ist etwas, das verbraucht wird, aber ein Weltraumlift ist ein Prozeß, der andauert. Ein Weltraumlift erfordert eine hohe Anfangs-Investition, doch wenn man ihn erst einmal hat, ist das Hinauf und Hinunter so gut wie kostenlos. Ein funktionierender Weltraumlift scheint allen üblichen Regeln der Ökonomie zu widersprechen, die die einzelnen Transaktionen betrachten und einen vernünftigen Preis festzulegen versuchen, anstatt zu fragen, ob man das Konzept des Preises völlig ausschließen könnte. Er scheint auch dem Energieerhaltungssatz zu widersprechen, demzufolge man, wie die Physiker sagen, nicht etwas für nichts bekommen kann. Doch wie wir gesehen haben, kann man durchaus etwas für nichts bekommen – indem man die neuen Ressourcen nutzt, die man erhält, sobald man nämlich den Weltraumlift gebaut und in Gang gesetzt hat.
Es gibt eine Analogie zwischen Weltraumlifts und dem Leben. Das Leben scheint den üblichen Regeln der Chemie und der Physik zu widersprechen, insbesondere dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, der besagt, daß Dinge nicht von selbst komplizierter werden können. Das Leben tut das, da es sich wie der Weltraumlift auf ein neues Operationsniveau erhoben hat, wo es Zugang zu Dingen und Prozessen erlangen kann, die vorher nicht in Frage kamen. Insbesondere die Fortpflanzung ist eine wunderbare Methode, um mit den Schwierigkeiten fertig zu werden, eine wirklich komplizierte Sache herzustellen. Man baut einfach eine Sache, die mehr von sich selbst herstellt. Die erste mag unglaublich schwierig sein – aber der ganze Rest kommt ohne weitere Mühe.
Was ist der Lift fürs Leben? Wir wollen hier im allgemeinen bleiben und die Gemeinsamkeiten in den vielen verschiedenen Möglichkeiten für den ›Ursprung‹ des Lebens suchen. Die wichtigste scheint die neuartige Chemie zu sein, die in kleinen, an aktive Oberflächen angrenzenden Gebieten auftreten kann. Das ist weit entfernt von den heutigen komplexen Organismen – es ist sogar weit von den heutigen Bakterien entfernt, die entschieden komplizierter als ihre frühen Vorgänger sind. Das müssen sie sein, um in einer komplizierteren Welt zu überleben. Jene aktiven Oberflächen könnten sich in unterseeischen Vulkanschloten befinden. Oder in heißen unterirdischen Gesteinen. Oder es könnten Meeresufer sein. Stellen Sie sich Schichten von kompliziertem (denn das ist leicht), aber unorganisiertem (dito) Molekül-Matsch auf Felsgestein vor, das von den Gezeiten befeuchtet und von der Sonne erwärmt wird. Alles, was darin zufällig einen winzigen ›Weltraumlift‹ schafft, bildet eine neue Ausgangslinie für weitere Veränderungen. Die Photosynthese ist beispielsweise ein Weltraumlift in diesem Sinne. Wenn ein Stück von dem Matsch die erst einmal hat, kann es die Sonnenenergie anstelle seiner eigenen benutzen und Zucker am laufenden Band herstellen. Also war der ›Ursprung‹ des Lebens wohl eine ganze Serie von winzigen ›Weltraumliften‹, die Schritt für Schritt zu organisierter, aber immer komplexerer Chemie führten.