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»Aber warum treffen wir uns denn im Museum?«, fragte Amelia, als sie auf Luc zutrat.

Er streckte den Arm aus, schloss seine langen Finger um ihren Ellenbogen und zog sie wieder herum in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war. »Weil wir hier quasi auf öffentlichem Parkett wandeln und uns trotzdem ganz ungestört miteinander unterhalten können. Wer uns sieht, wird glauben, dass wir uns hier vollkommen unabsichtlich und nur rein zufällig über den Weg gelaufen wären. Keiner würde auf die Idee kommen, dass man sich zu einem Rendezvous ins Museum begibt. Ich habe die Säle hier offiziell also nur unter Zwang betreten - als Begleiter meiner Schwestern und von Miss Ffolliot. Nein! Wink ihnen jetzt auf keinen Fall zu! Wir haben ausgemacht, dass sie sich jetzt erst einmal allein umsehen. Ich treffe sie dann später wieder.«

Amelia schaute zu den drei jungen Mädchen am anderen Ende des Ausstellungsraumes hinüber, die mit großen Augen eines der Exponate betrachteten. »Würde das denn eine Rolle spielen, wenn sie uns zusammen sähen?«

»Nein, das nicht. Aber wenn sie merken, dass du auch hier bist, dann erwarten sie natürlich, dass wir beide uns sofort zu ihnen gesellen. Und das wäre unserem Vorhaben nun wirklich nicht sonderlich zuträglich.« Damit drängte Luc Amelia durch eine kleine Tür und in den Saal mit den ägyptischen Artefakten hinein.

Amelia hob den Blick zu seinem Gesicht empor, musste aber leider feststellen, dass seine Miene ihr wie immer nichts verriet. Luc trug sein volles, pechschwarzes Haar sorgsam gekämmt, und die klassische Schönheit seiner fein geschnittenen Züge war durch die Ausschweifungen der vergangenen Nacht nicht im Geringsten beeinträchtigt worden. Es war nur schwer vorstellbar, dass Luc vor weniger als zehn Stunden noch sturzbetrunken zu ihren Füßen gelegen hatte.

Also, wie sollte sie ihre Frage nun am besten formulieren - was, lieber Luc, ist denn nun eigentlich der Grund für unser Treffen?

Amelia ließ ihren Blick einen Moment in die Ferne schweifen, wappnete sich innerlich gegen die ihr nun bevorstehende Unterredung und fragte: »Worüber möchtest du denn mit mir sprechen?«

Der Blick, den Luc ihr zuwarf, war scharf und eindringlich. Er zog Amelia unauffällig mit sich zum Rande des Saales, um dann unmittelbar vor einer Vitrine mit Töpferwaren stehen zu bleiben. »Ich hätte gedacht, dass das nach unserer Begegnung vergangene Nacht doch eigentlich klar sein müsste.«

Er hatte es sich anders überlegt. Er war aus dem Rausch aufgewacht, ihm war wieder eingefallen, was er gesagt hatte, und nun wollte er sein Versprechen wieder zurücknehmen. Amelia faltete die Hände, presste die Fingerkuppen zwischen die Knöchel, hob das Kinn - und blickte Luc fest in die Augen. »Versuch jetzt nicht, mir weiszumachen, dass du gestern angeblich so betrunken gewesen wärst, dass du überhaupt nicht mehr gewusst hättest, was du dahergefaselt hast. Ich habe genau gehört, was du gestern Nacht gesagt hast. Und ich bin davon überzeugt, du selbst hast dich auch gehört. Du hast in unsere Heirat eingewilligt - und ich werde darauf bestehen, dass du dein Wort hältst.«

Luc blinzelte und runzelte so angestrengt die Stirn, bis sich schließlich tiefe Furchen über seinen Augenbrauen bildeten. »Aber ich habe doch gar nicht vor, einen Rückzieher zu machen - unter Berufung auf meine zeitweilige Unzurechnungsfähigkeit, wie du wahrscheinlich meinst. Denn so betrunken, dass ich nicht mehr wusste, was ich tat, war ich ja nun auch wieder nicht.«

»Oh.« Lucs scharfer Ton ließ nur wenig Zweifel daran, dass er es ernst meinte.

»Es steht also außer Frage, dass ich selbstverständlich mein Wort halte.« Noch immer sah er Amelia mit gerunzelter Stirn an.

Diese war so erleichtert, dass sie es kaum beschreiben konnte. Doch sie gab sich alle Mühe, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen, und blickte Luc mit scheinbar bloß aufmerksamem Interesse an. »Und worüber wolltest du dann mit mir sprechen?«

Luc sah sich um, dann ergriff er erneut ihren Arm und drängte sie, langsam weiterzuschlendern. Er war so groß gewachsen, dass er den Kopf zu Amelia hinabneigen musste, wenn er sich mit ihr unterhielt, wodurch ihre Unterredung unwillkürlich etwas Vertrautes bekam - obgleich sie beide sich an einem öffentlichen Ort getroffen hatten. »Dass wir heiraten werden, steht auf jeden Fall schon mal fest. Das haben wir ja bereits beschlossen. Aber nun müssen wir uns an die nächsten Schritte wagen. Wir müssen überlegen, in welchem Rahmen und wann wir vor den Altar treten wollen.«

Mit einem strahlenden Lächeln sah Amelia zu Luc auf. Dann wollte er sein Versprechen also doch nicht brechen... ganz im Gegenteil sogar! Ihr Herz schien vor lauter Freude geradezu zu hüpfen - ein äußerst irritierendes Gefühl für Amelia. »Ich dachte, am besten heiraten wir gleich in den nächsten Tagen. Es dürfte dir doch keine Schwierigkeiten machen, zum Bischof von Canterbury zu gehen und von ihm den Ehedispens einzuholen, nicht wahr?«

Abermals kehrten die Sorgenfalten auf Lucs Stirn zurück. »Aber was ist mit dem Brautkleid? Was ist mit deiner Familie? Eine Heirat gleich in den nächsten Tagen - wäre das nicht ein kleines bisschen übereilt?«

Abrupt blieb Amelia stehen, hob den Kopf und schaute ihn an. »Um das Kleid mache ich mir nicht allzu viele Gedanken. Und was meine Eltern anbelangt - die kann ich bestimmt überreden. Die werden mit Sicherheit keinerlei Einwände erheben. Und sowieso wollte ich schon immer eine Junibraut sein. Und das wiederum bedeutet, dass wir innerhalb der nächsten vier Wochen heiraten müssen.«

Luc verengte die Augen zu schmalen Schlitzen. Amelia wusste, dass er nun gerade angestrengt über irgendetwas nachdachte. Sie konnte es an dem Ausdruck erkennen, der in seinen dunkelblauen Augen lag. Doch wie immer konnte sie nicht sagen, was das war, worüber er nachgrübelte.

»Eine Heirat innerhalb der nächsten vier Wochen wäre sicherlich machbar. Eine Heirat innerhalb der nächsten vier Tage ist völlig undenkbar. Stell dir doch bloß mal vor, was die Leute vermuten würden, wenn sie wie aus heiterem Himmel erfahren, dass wir in solch überaus unschicklicher Eile vor den Traualtar treten. Auf so was folgt meist unweigerlich die Frage, was denn wohl der Anlass dafür ist, dass wir so überstürzt heiraten. Darauf gibt es dann doch bloß zwei mögliche Antworten. Und keine dieser beiden Möglichkeiten würde unsere Verbindung deinen Eltern sonderlich schmackhaft machen - geschweige denn mir.«

Amelia dachte über seine Worte nach… und stimmte ihm schließlich widerwillig zu. »Es würde der Eindruck entstehen, dass es bei unserer Heirat in erster Linie ums Geld geht. Und genau diesen Eindruck möchtest du wahrscheinlich gerade nicht erwecken - ich meine, wenn man bedenkt, wie hart du dafür arbeiten musstest, um die finanzielle Misere deiner Familie vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen.« Sie seufzte einmal, dann blickte sie Luc abermals in die Augen. »Also gut, du hast Recht. Dann heiraten wir eben erst innerhalb der nächsten vier Wochen.« Damit würde das Datum ihrer Hochzeit schließlich immer noch im Juni liegen.

Luc biss die Zähne zusammen, umfasste Amelias Arm und zog sie weiter. »Im Übrigen könnten die Leute auch noch etwas anderes denken - zumindest, wenn wir so überstürzt heiraten. Und diesen Eindruck möchte ich ebenso wenig erwecken.«

Amelia zog die Brauen hoch. »Du meinst, dass du und ich...« Sie errötete leicht.

»Sicherlich, so etwas könnte theoretisch einen regelrechten Skandal nach sich ziehen - aber im Grunde würde eine solche Geschichte ja doch niemand so recht glauben.« Sie wollte gerade stehen bleiben, um nachzudenken, doch Luc drängte sie weiter. »Tu so, als würden wir uns die Ausstellungsstücke ansehen.«

Amelia wandte ihren Blick den Glasvitrinen zu, die sich entlang der Wand aufreihten. »Aber wir kennen uns doch schon seit Jahren.« Sie sprach mit gepresster Stimme.

»Ganz genau. Und trotzdem haben wir nie auch nur das kleinste Anzeichen dafür erkennen lassen, dass wir unsere Beziehung zueinander gern intensivieren wollten - ich meine, über die reine Familienbekanntschaft hinaus. Wir müssen also erst einmal eine Art Basis für unsere Hochzeit schaffen. Und wenn dir nun so viel daran liegt, unbedingt innerhalb der nächsten vier Wochen zu heiraten, dann schaffen wir diese Basis eben in lediglich vier Wochen.« Amelia hob den Blick; doch noch ehe sie Luc widersprechen konnte, schritt dieser bereits zügig weiter. »Ich habe da auch schon eine Idee.«

Ursprünglich war er zwar davon ausgegangen, dass er mindestens zwei Monate Zeit haben würde, oder vielleicht sogar noch länger, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Und darum bereitete ihm der Gedanke, das Ganze nun in lediglich vier Wochen über die Bühne bringen zu müssen, leichte Magenschmerzen... Auf der anderen Seite würden aber auch vier Wochen bereits Zeit genug sein, um so ziemlich jede Frau zu verführen.

»Es kommt doch bloß darauf an, dass die Leute in unseren Kreisen unsere Heirat als ganz normal empfinden, dass sie keinen Verdacht schöpfen oder irgendetwas anderes dahinter vermuten. Und genau genommen gibt es ja auch überhaupt nichts, was sie gegen unsere Verbindung einwenden könnten. Denn jeder weiß doch, dass wir bestens miteinander auskommen und eigentlich haargenau zusammenpassen. Wir müssen ihnen diese Tatsache jetzt nur noch einmal behutsam in aller Deutlichkeit ins Bewusstsein rufen - und zwar bevor wir irgendetwas offiziell bekannt geben.«

Amelia nickte. »Du willst damit quasi sagen, dass wir so kurz vor dem Ziel die Pferde nicht scheu machen sollten.«

»Genau das meine ich. So, wie ich die Sache sehe, wäre der glaubwürdigste Weg, den wir beide in dieser Angelegenheit beschreiten könnten, der, dass ich nun erst einmal beginne, mich ganz offiziell nach einer Braut umzusehen. Und wie die Dinge liegen, werde ich meinen Blick nicht allzu weit schweifen lassen müssen, ehe mein Augenmerk auf dich fällt. Du warst immerhin die Brautjungfer bei der Hochzeit von Amanda und Martin, und ich war sein Trauzeuge. Und du unternimmst auch viel mit Emily und Anne. Wenn man dann noch bedenkt, dass wir uns quasi schon ewig kennen, gibt es wirklich keinen Grund mehr, der dagegen sprechen sollte, dass ich mich nun, da ich mit der Suche nach einer geeigneten Ehefrau begonnen habe, mehr oder weniger auf den ersten Blick in dich verliebe.«

Amelias Gesichtsausdruck verriet ihm, dass sie seiner Argumentation durchaus folgen konnte, dass sie begriff, welches Bild er vor der Öffentlichkeit erschaffen wollte. »Und dann«, fuhr Luc fort, »werden wir ausnahmslos sämtliche Stadien der Brautwerbung durchlaufen. Obwohl wir diesen Parcours, da du ja auf einer Junihochzeit bestehst, dann sozusagen im Sauseschritt absolvieren müssen.«

Amelia zog leicht die Augenbrauen zusammen. »Du denkst also, dass wir so tun sollen, als würden wir uns... plötzlich zueinander hingezogen fühlen? Also genauso wie alle anderen Paare auch?«

Genau das meinte Luc, wobei aber zumindest er nicht nur so würde tun müssen, als fühlte er sich zu Amelia hingezogen. Dennoch wollte er nicht von seinem Vorhaben ablassen, dass die Phase der Brautwerbung und Amelias Verführung ganz offiziell und vor aller Augen vollzogen werden müsste. »Wir verhalten uns genauso, wie man das in einer solchen Situation üblicherweise macht. Das heißt, wir treffen uns auf Bällen und Empfängen, wir unternehmen kleine Ausflüge miteinander, und so weiter. Und da die Ballsaison sich langsam ihrem Ende zuneigt und Emily und Anne schließlich auch irgendwie unterhalten werden müssen, sollte es uns an Gelegenheiten zu diversen Treffen nicht mangeln.«

»Hmmm... das klingt ja alles ganz vernünftig. Aber brauchen wir dafür wirklich vier ganze Wochen?« Sie waren inzwischen in der Ecke des Ausstellungssaales angelangt; Amelia blieb stehen und wandte sich zu Luc um. »Denn zumindest was mich angeht, weiß doch nun wirklich jeder, dass ich bereits seit geraumer Zeit nach einem Ehemann Ausschau halte.«

»Richtig - und auch das passt ganz hervorragend in unseren Plan.« Geschickt schob Luc den Arm unter dem von Amelia hindurch, zog sie mit sich und schlenderte gelassen weiter, ganz so, als würde er sich die Ausstellungsstücke ansehen. »Wir müssen erst einmal so tun, als würden wir beide plötzlich erkennen, was wir einander in Wahrheit bedeuten. Und von diesem Punkt aus entwickeln wir dann den Rest unserer Geschichte. Du hast doch in den vergangenen Jahren schon genügend Erfahrung im Flirten gesammelt. Also mach einfach genauso weiter, improvisiere ein bisschen, und orientiere dich ansonsten einfach an der Art und Weise, wie ich mich verhalte.«

Amelia warf ihm einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu und schob störrisch das Kinn ein Stückchen vor. »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum wir dafür vier ganze Wochen einplanen müssen. Ich brauche höchstens sieben Tage, um glaubhaft zu vermitteln, dass ich mich in dich verliebt habe.«

Fast hätte Luc ihr darauf mit einer sehr unklugen Bemerkung geantwortet, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Er erwiderte ihren starren Blick. »Vier Wochen. Du hast vorgeschlagen, dass wir die Sache innerhalb von vier Wochen hinter uns bringen, und ich habe deinen Vorschlag angenommen. Aber von jetzt an bestimme ich, wie das Spiel weitergeht. Von jetzt an folgst du einfach meinen Vorgaben.«

Sie blieb abrupt stehen. »Wieso denn das?«

Luc begegnete ihrem kriegerischen Blick und hielt ihm stand. Als Amelia ihm weiterhin und ohne mit der Wimper zu zucken böse in die Augen starrte, erklärte er schließlich mit ruhiger, beherrschter Stimme: »Weil es sich nun mal so gehört. Und genauso werden wir es auch machen.«

In diesem Punkt ließ er nicht mit sich reden, und es machte ihm auch nichts aus, darüber gleich zu Beginn ihrer noch sehr jungen Beziehung energisch zu diskutieren. Bei jeder anderen Frau hätte er sich zwar deutlich weniger hartnäckig gegeben, aber Amelia war eine Cynster - und darum war es klug, ihr gleich von Anfang an gewisse Grenzen aufzuzeigen und die Frage der Hierarchie zu klären, ihr zu verdeutlichen, dass er seine Prinzipien hatte, dass er derjenige war, der in derlei Dingen das Tempo vorgab. Und dies war zweifellos genau der richtige Moment für ihn, um ihr diesen Standpunkt einmal glasklar vor Augen zu führen. Denn sie konnte ihm jetzt nur schwerlich widersprechen. Andernfalls hätte sie riskiert, alles das, was sie bereits gewonnen hatte, wieder zu verlieren - seine Zustimmung zu ihrer Heirat.

Abrupt und mit hoch erhobener Nase wandte Amelia den Blick von ihm ab. »Na schön. Du sollst deinen Willen bekommen. Vier Wochen.« Damit marschierte sie einfach weiter - ohne darauf zu warten, dass Luc wieder ihren Arm ergriff. »Aber nicht einen Tag länger.«

Die tiefere Bedeutung dieser Bedingung begriff Luc erst, als Amelia sich bereits ein ganzes Stück von ihm entfernt hatte. Er folgte ihr jedoch nicht sofort, sondern blieb noch einen Augenblick lang stehen und versuchte, den Impuls, die plötzliche Regung, die sie ganz unabsichtlich in ihm wachgerufen hatte, wieder zu unterdrücken. Noch konnte er sie seinem Willen nicht vollständig unterwerfen - eine Woche oder so würde er schon noch abwarten müssen. Aber sobald er Amelia erst einmal fest an sich gebunden hätte...

Amelia blieb stehen, um sich scheinbar höchst interessiert eine Ausstellungsvitrine mit Messern anzusehen; Luc beobachtete sie, betrachtete die schimmernden Reflexe, die das Licht auf ihre Locken zauberte.

Eine Lüge war sicherlich nicht die beste Grundlage für eine Ehe. Doch andererseits hatte er ihr ja gar keine Lügen erzählt und würde dies auch nie tun. Alles, was er getan hatte, war, ihr eine leidlich relevante Tatsache zu verschweigen. Sobald Amelia die seine war und er sich ihrer sicher sein konnte, würde er ihr selbstverständlich die Wahrheit sagen - denn sobald ihr weibliches Herz ehrlich und wahrhaftig nur noch für ihn schlug, würde es ihr mit Sicherheit egal sein, warum genau sie beide nun eigentlich heirateten. Dann zählte nur noch, dass sie überhaupt gemeinsam vor den Altar traten.

Und im Grunde müsste er sie auch gar nicht erst öffentlich umwerben. Denn ob er sie nun gleich hier und jetzt dazu verführte, sich in ihn zu verlieben, oder erst, nachdem sie verheiratet waren, machte, was seinen Plan betraf, überhaupt keinen Unterschied. Zumal es ihn auch herzlich wenig interessierte, ob Amelia nun tatsächlich glaubte, dass er sie nur wegen ihres Geldes heiratete. Das Ganze war ja schließlich ihr Vorschlag gewesen. Dass allerdings auch die Londoner Gesellschaft vermuten könnte, ihre Heirat beruhe auf rein finanziellen Erwägungen… dieser Gedanke war ihm wiederum regelrecht zuwider. Denn das wäre nach seinen Ehrbegriffen ein durch nichts zu rechtfertigendes Verhalten; ein Verhalten, das einem Gentleman einfach nicht geziemte. Im Übrigen würden sie beide damit der Öffentlichkeit auch ein vollkommen falsches Bild von ihrer Beziehung bieten, und, schlimmer noch, die Vorstellung, dass er Amelia nur aus finanziellen Gründen heiratete und keinerlei echte Zuneigung für sie empfände, würde auch Amelias Ansehen schaden. Besonders, wenn ihre Eheschließung schon so kurz nach Amandas und Martins stattfand, die offenkundig eine Liebesheirat gewesen war.

Lucs Ansicht nach hatte Amelia wirklich etwas Besseres verdient.

Amelia warf hochmütig ihre Locken zurück und ging weiter. Luc folgte ihr, schlich einem Raubtier gleich hinter ihr her, während er mit seinen längeren Schritten trotz seines gemächlichen Tempos die Distanz zwischen ihnen beiden immer weiter verringerte.

Amelia war es einfach wert, umworben zu werden. Wenngleich sie diesem Vorhaben zweifellos immer noch sehr ablehnend gegenüberstand. Widerwillig und misstrauisch, ungeduldig und leicht verächtlich, wie sie in derlei gekünstelten Angelegenheiten nun einmal war. Zugleich aber würde gerade das ihm die Möglichkeit bieten, die er brauchte, um Amelia noch mit etwas anderem als bloß mit nüchternem Pragmatismus an sich zu binden. Er würde sie mit Ketten an sich fesseln, gegen die die rein finanziellen Erwägungen von geradezu verschwindend geringer Bedeutung wären.

Doch trotz all dieser Überlegungen weigerte Luc sich im Augenblick noch entschieden, genauer darüber nachzudenken, womit er diese Ketten schmieden wollte. Er hoffte einfach, dass diese geheime Kraft, die Amelia schließlich auf ewig an ihn binden würde, noch für eine Weile in ihrem gerade erst aufkeimenden, flüchtigen Stadium verharren würde - denn dann ließe sich damit zumindest vorerst noch ein wenig leichter umgehen. Die Frage, warum ein solch bezwingendes Gefühl ausgerechnet jetzt zu Tage getreten war, warum es sich so auf Amelia konzentrierte, die plötzliche Erkenntnis, dass sie die einzige Ehefrau war, die er sich jemals an seiner Seite vorstellen konnte, all das verstärkte sein unterschwelliges Unbehagen nur noch. Denn bei aller Sehnsucht, die Amelia und diese Empfindung in ihm auslösten - Amelia hatte keinerlei Anzeichen dafür erkennen lassen, dass seine Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhten.

Zumindest noch nicht.

Luc trat neben sie und ergriff ihre Hand, erwiderte ihren Blick, als sie zu ihm aufsah. »Ich werde mich wohl bald mal wieder zu Emily und Anne gesellen müssen - es wäre besser, wenn sie uns nicht zusammen sähen.«

Amelia hob fragend eine Braue. »Du meinst, es wäre besser, wenn sie nicht mitbekommen würden, wie wir hier gerade geheime Pläne schmieden?«

»Ganz genau.« Luc blickte Amelia noch einmal tief in die Augen. Dann verbeugte er sich: »Wir sehen uns dann heute Abend bei den Mountfords.«

Amelia zögerte einen kurzen Moment, schließlich nickte sie: »Bis heute Abend.«

Er drückte kurz ihre Finger, dann ließ er ihre Hand sanft aus der seinen entgleiten. Amelia wandte sich ab und studierte den Schaukasten.

Zwei Herzschläge lang verweilte er noch bei ihrem Anblick, dann entfernte er sich mit raschen Schritten von ihr.


Es gab nur eine einzige Person, der er die Wahrheit über diese ganze Scharade erzählen musste. Kaum dass Luc nach Hause zurückgekehrt war, schaute er hastig nach der Uhrzeit, zog sich dann aber zunächst noch einmal in sein Arbeitszimmer zurück und beschäftigte sich mit den diversen finanziellen Angelegenheiten, die seiner Aufmerksamkeit harrten. Erst als die Uhr vier schlug, legte er die Unterlagen beiseite und ging die Treppe zu dem privaten Wohnzimmer seiner Mutter hinauf.

Mit Sicherheit hatte sie ein kleines Mittagsschläfchen gehalten, doch gegen vier Uhr stand sie für gewöhnlich wieder auf. Als Luc die obere Galerie erreichte, konnte er einen raschen Blick auf Mrs. Higgs erhaschen, die durch die unter ihm liegende Eingangshalle eilte und auf die große Haupttreppe zustrebte - in den Händen hielt sie ein gut gefülltes Tablett mit allerlei kleinen Häppchen. Luc klopfte an die Holzpaneele; erst als Minerva Ashford ihn mit freundlicher Stimme zum Eintreten aufforderte, öffnete er die Tür.

Seine Mutter hatte es sich auf einer Chaiselongue ein wenig gemütlich gemacht, richtete sich aber bereits wieder auf und ordnete die Kissen in ihrem Rücken.

Sie war noch immer eine wunderschöne Frau, obwohl ihre ursprünglich dramatischen Farben - das schwarze Haar, die helle Haut und jene dunkelblauen Augen, wie auch Luc sie hatte - mit der Zeit allesamt ein wenig an Leuchtkraft eingebüßt hatten. Dennoch lag in ihrem Lächeln, schimmerte in ihren Augen auch weiterhin so ein gewisser, nur schwer zu beschreibender Reiz, der seine Wirkung auf die Gentlemen in ihrer Gesellschaft nie verfehlte, sodass diese beim Anblick von Lucs Mutter zumeist sofort danach strebten, ihr in irgendeiner Weise zu Diensten zu sein. Dies war eine Gabe, derer sich seine Mutter zwar durchaus bewusst war, die sie aber - zumindest, soweit Luc dies beurteilen konnte - selbst nach dem Tod seines Vaters nie ausgenutzt hatte. Im Übrigen hatte Luc ohnehin nie verstanden, was seine Eltern eigentlich aneinander gebunden hatte, denn seine Mutter war zweifellos klug und besaß ein ordentliches Maß an gesundem Menschenverstand. Trotzdem hatte sie ihrem Ehemann unverbrüchlich die Treue gehalten, einem trägen Taugenichts, der nicht nur zu Lebzeiten wenig Ansehen genossen hatte, sondern über den man selbst nach seinem Tode bloß mit verächtlichem Unterton sprach.

Als Minerva ihren Sohn sah, hob sie fragend beide Brauen. Er lächelte, trat noch einen Schritt vor und hielt Mrs. Higgs die Tür auf, die ihm dankbar kurz zunickte und dann an ihm vorbeieilte, um das Tablett auf dem tiefen Tischchen vor der Chaiselongue abzusetzen.

»Ich habe vorsichtshalber gleich zwei Tassen mitgebracht, und die kleinen Kuchen dürften sicherlich auch ausreichend sein - oder wünscht Ihr eventuell sonst noch irgendetwas, M’lord?«

Luc ließ flüchtig den Blick über die leckere kleine Mahlzeit schweifen, die Mrs. Higgs mit einigen geschickten Handgriffen auf dem Tischchen arrangierte. »Danke, Mrs. Higgs, aber ich habe keinerlei Wünsche. Was hier angerichtet steht, reicht vollkommen aus.«

Auch seine Mutter bedachte die Haushälterin mit einem freundlichen Lächeln. »In der Tat, vielen Dank, Mrs. Higgs. Und was das Abendessen betrifft, das wir besprochen hatten - wie geht es denn da mit den Vorbereitungen voran, läuft alles wie geplant?«

»’türlich, Ma’am.« Mrs. Higgs richtete sich auf und schenkte Luc und seiner Mutter ein herzliches Grinsen. »Es geht alles seinen vorschriftsmäßigen Gang. Die Welt ist also in bester Ordnung.«

Mit dieser leicht triumphierenden Schlussbemerkung knickste Mrs. Higgs flüchtig und huschte dann aus dem Raum hinaus, wobei sie vorsichtig die Tür hinter sich schloss.

Das Lächeln von Lucs Mutter wurde noch eine Spur herzlicher; sie streckte ihrem Sohn die Hand entgegen, Luc umfasste ihre Finger und spürte, wie sie sie einmal fest drückte. »So fröhlich schwirrt sie nun schon den ganzen Tag durchs Haus. Als ob sie wieder achtzehn wäre.« Damit hob Minerva den Blick zu Lucs Gesicht empor und fuhr fort: »Du allein hast uns allen durch die schwere Zeit hindurchgeholfen, mein Sohn - habe ich dir eigentlich schon einmal gesagt, wie stolz ich auf dich bin?«

Luc schaute hinab in ihre liebevoll blickenden Augen. Auch er strahlte über das ganze Gesicht, war angesichts der guten Neuigkeiten fast schon euphorisch gestimmt. Trotzdem machte das Lob seiner Mutter ihn verlegen, nur mit Mühe konnte er den Impuls unterdrücken, aus lauter Verlegenheit mit den Füßen zu scharren und wie ein Schuljunge den Kopf zu senken. Letztendlich aber gewann seine Selbstbeherrschung die Oberhand, sodass er Minervas Lächeln entspannt erwiderte, ihr rasch die Hand drückte, sie dann sogleich wieder aus seinen Fingern entgleiten ließ und mit einer wegwerfenden Handbewegung erwiderte: »Keiner von uns ist erleichterter, als ich es bin.«

Damit setzte er sich in den Lehnsessel, der der Chaiselongue gegenüber stand.

Minervas kluger, scharfer Blick schweifte einmal kurz über Lucs Gesicht, dann griff sie nach der Teekanne. »Ich habe Robert eingeladen, heute Abend mit uns zusammen zu essen. Das war eine gute Idee von dir, ein kleines Fest zu geben. Das Essen wird um sechs Uhr serviert - für uns ist das zwar ziemlich früh, ich weiß, aber du kennst ja Robert.«

Luc nahm die Tasse entgegen, die sie ihm anbot. »Und wie steht es mit Emily und Anne?«

»Ich habe ihnen gesagt, dass sie ein bisschen zu unternehmungslustig sind. Und da wir heute Abend auf keiner offiziellen Abendgesellschaft erscheinen müssen, habe ich ihnen vorgeschlagen, dass sie am besten bis sieben Uhr schlafen sollten, dann das Abendessen in ihren Zimmern einnehmen und sich anschließend für den Ball bei den Mountfords herrichten.«

Um Lucs Lippen spielte ein leichtes Lächeln. Seine Mutter war eine genauso skrupellose Taktikerin wie er selbst.

»Und nun...«, fuhr Minerva fort, während sie sich in die Kissen zurücksinken ließ, einen kleinen Schluck von ihrem Tee nahm und Luc mit durchdringendem Blick ansah, »erzähl mir doch mal, was dir auf der Seele lastet.«

Doch Luc lächelte sie beruhigend an. »Also ich möchte doch bezweifeln, dass wir es hier mit einer ›Last‹ zu tun haben - ich habe mich entschieden zu heiraten.«

Sie blinzelte verwundert, hielt mitten in der Bewegung inne und sah ihn schließlich mit großen Augen an. »Bitte korrigiere mich, falls ich mich irren sollte, aber kommt dieser Entschluss nicht ein klein wenig plötzlich?«

»Ja und nein.« Luc setzte seine Tasse ab und staunte im Stillen darüber, wie wenig er doch vor seiner Mutter verbergen konnte. Minerva war wirklich überaus scharfsinnig - besonders, was ihre Sprösslinge anging. Der Einzige, den sie nie richtig einzuschätzen vermochte, war Lucs Bruder, Edward, gewesen. Jener Bruder, der erst vor kurzem wegen Verbrechen des Landes verwiesen worden war, die sie alle, die gesamte Familie, noch immer nicht so recht begreifen konnten.

Luc zwang sich, seine Gedanken wieder von Edward abzuwenden, und schaute seine Mutter an. »Meine Entscheidung ist nur insoweit etwas plötzlich, als dass ich bis zum gestrigen Tage ja noch gar nicht in der finanziellen Lage gewesen bin, ernsthaft an eine Heirat denken zu dürfen - wie du sehr wohl weißt. Auf der anderen Seite wiederum ist mein Entschluss überhaupt nicht überraschend, da ich die besagte Dame schon seit geraumer Zeit ins Auge gefasst habe.«

Minerva schaute ihn gelassen an. »Amelia Cynster.«

Luc musste sich wirklich anstrengen, um sich sein Entsetzen über die anscheinende Hellsichtigkeit seiner Mutter nicht anmerken zu lassen. War er denn - ohne es zu wissen - tatsächlich so leicht zu durchschauen gewesen? Rasch verdrängte er auch diesen Gedanken. Stattdessen nickte er kurz. »Du sagst es. Wir haben uns entschieden -«

»Warte.« Verblüfft riss Minerva die Augen auf. »Hat sie denn etwa schon zugestimmt?«

Vorsichtig wich Luc im Geiste wieder einen Schritt zurück. »Wir sind uns gestern Nacht kurz über den Weg gelaufen.« Er vermied es, seiner Mutter zu verraten, wo genau sie sich über den Weg gelaufen waren. Sie würde sicher denken, er hätte irgendeinen Ball besucht. »Heute Nachmittag haben wir uns noch einmal getroffen und unseren Entschluss noch ein wenig, sagen wir, präzisiert. Sicherlich ist das Ganze erst mal noch nicht spruchreif, aber...« Ganz gleich, wie angestrengt Luc nachgrübeln mochte, so sah er doch leider keinerlei Möglichkeit, wie er nun darum herumkommen könnte, seiner Mutter endlich die gesamte Wahrheit zu gestehen. Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Um ehrlich zu sein, der Vorschlag mit der Heirat stammt von ihr.«

»Gütiger Gott!« Erschrocken hob Minerva abermals die Brauen und starrte ihren Sohn fragend an.

»Sie hat unsere Maskerade durchschaut. Es waren eben die viel beschworenen, zahlreichen Kleinigkeiten, die ihr verraten haben, dass uns das Wasser quasi bis zum Halse stand. Mittlerweile ist der Zeitpunkt gekommen, dass sie heiraten will, sie möchte eine passende und gute Verbindung eingehen. Ich glaube, durch Amandas Heirat fühlt sie sich nun - wahrscheinlich zum ersten Mal in ihrem gesamten Leben - in gewisser Weise einsam. Allerdings hat sie keinerlei Bedürfnis, einen dieser jungen Burschen zu heiraten, die ja geradezu vor ihrer Haustür Schlange stehen und nur darauf warten, ihr offiziell den Hof machen zu dürfen.«

»Und da ist sie plötzlich auf dich gekommen?«

Luc zuckte mit den Achseln. »Wir kennen uns doch nun schon eine halbe Ewigkeit. Und nachdem sie dann auch noch die missliche Lage erkannt hat, in der sich unsere Familie befand, schlug Amelia mir vor, dass wir doch einfach heiraten könnten - eine Heirat zwischen uns beiden käme doch schließlich allen zugute. Sie würde meine Vicomtesse werden und den Status einer verheirateten Dame erlangen, und die finanziellen Angelegenheiten unserer Familie wären ebenfalls geregelt.«

»Und was ist mit dir?«

Luc erwiderte den Blick, den seine Mutter ihm zuwarf. Nach einem Moment des Schweigens ergänzte er: »Und ich stimme dem Ganzen zu.«

Sie drängte ihn nicht, diese Aussage noch ein wenig genauer auszuführen, sondern musterte nur schweigend sein Gesicht. Dann nickte sie und nahm noch einen kleinen Schluck von ihrem Tee. Schließlich, nach einer Weile, hob sie abermals den Blick, sah ihn an und fragte: »Dann gehe ich wohl recht in der Annahme, dass du ihr noch nicht erzählt hast, dass du mittlerweile geradezu beneidenswert vermögend bist?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, denn damit würde ich doch bloß eine äußerst unangenehme Situation zwischen uns beiden heraufbeschwören - du kannst dir doch vorstellen, wie sie sich dann fühlen würde. Zumal...« Luc konnte sich gerade noch beherrschen, um nun nicht zum wiederholten Male mit den Achseln zu zucken. Er nahm seine Tasse auf und trank einen kleinen Schluck. Im Geiste stieß er ein Stoßgebet aus, dass seine Mutter nun hoffentlich nicht noch genauer nach seinen Motiven für die Heirat mit Amelia Cynster forschen mochte.

Und in der Tat, Minerva hatte offenbar keine weiteren Fragen mehr - oder zumindest sprach sie diese nicht laut aus. Doch sie ließ das Schweigen sich ganz bewusst noch ein Weilchen in die Länge ziehen. Unterdessen musterte sie ihren Sohn unablässig mit ihrem dunklen, gewitzten, doch auch verständnisvollen Blick. Ihre Aufmerksamkeit war Luc sehr unangenehm. Er musste an sich halten, um nicht unruhig auf seinem Sessel herumzurutschen.

Schließlich setzte Minerva ihre Tasse wieder auf der Untertasse ab. »Wollen wir doch mal sehen, ob ich das alles nun auch wirklich richtig verstanden habe. Wir beide wissen, dass es Männer gibt, die ihre Ehefrau allein aus finanziellen Erwägungen auswählen. Aber natürlich wollen sie diese Tatsache verbergen und behaupten, sie würden diejenige aus tiefstem Herzen lieben - zumindest tun sie so, als wären sie bis über beide Ohren verliebt. Du dagegen gibst vor, du würdest Amelia nur wegen ihres Geldes heiraten wollen, um zu verbergen, dass du sie -«

»Aber diese Taktik verfolge ich doch nur vorübergehend.« Fest erwiderte er ihren Blick und spürte, wie er fast schon reflexartig den Unterkiefer ein wenig vorschob. »Selbstverständlich werde ich sie über meine wahren finanziellen Verhältnisse aufklären. Aber das mache ich erst dann, wenn ich dazu bereit bin. Solange bleibt dieses ganze Verwirrspiel natürlich streng unter uns. Und was die Londoner Gesellschaft betrifft und auch alle anderen, die noch von unserer bevorstehenden Hochzeit unterrichtet werden... offiziell heiraten wir ganz einfach aus den üblichen Gründen.«

Minerva hielt ihren Blick fest in den seinen gesenkt. Eine volle Minute verstrich, dann nickte sie zustimmend. »Also schön.« In ihrer Stimme schwebte ein Hauch von Mitgefühl. Sie setzte die Tasse ab, und ein liebevoller Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. »Wenn du die ganze Sache also unbedingt auf diese Weise angehen willst, dann verspreche ich dir, dass ich Stillschweigen bewahren werde und die Aufdeckung der Geschichte ganz allein dir überlasse.«

Genau dieses Versprechen war der Grund gewesen, weshalb Luc seine Mutter aufgesucht hatte - darüber waren sich beide im Klaren.

Er nickte und trank seinen Tee aus. Minerva lehnte sich in die Kissen zurück und plauderte noch ein wenig über belanglose Dinge. Schließlich erhob Luc sich wieder und verabschiedete sich von seiner Mutter.

»Aber denk dran.«

Sanft rief sie ihm diese Worte nach; er war schon an der Tür angelangt, die Hand auf dem Türknauf, drehte sich schließlich aber doch noch einmal zu ihr um.

Minerva zögerte einen Moment. Er ahnte den zweifelnden Ausdruck in ihren Augen mehr, als dass er ihn tatsächlich sah. Dann schenkte sie ihm ein herzliches Lächeln. »Abendessen um sechs.«

Luc nickte. Als sie schließlich nichts mehr sagte, neigte er kurz den Kopf und verließ ihr Wohnzimmer.


Später am selben Abend betraten sie den Ballsaal der Mountfords und stellten sich in der Reihe jener Gäste an, die darauf warteten, ihren Gastgeber und ihre Gastgeberin begrüßen zu können. Luc stand unmittelbar neben Minerva, schaute sich aber unablässig um. Der Saal war gut gefüllt, doch nirgends sah er diesen gewissen, ihm schon so vertrauten Blondschopf mit den tanzenden Locken.

Hinter ihm und Minerva tauschten Emily und Anne gerade atemlos die neuesten Vertraulichkeiten mit Annes bester Freundin, Fiona Ffolliot, aus. Fiona war die Tochter eines Nachbarn der Ashfords in Rutlandshire; das Gut ihres Vaters grenzte unmittelbar an das Hauptanwesen von Luc. Sie war mit ihrem verwitweten Vater nach London gekommen, um zumindest einen Teil der Ballsaison mitzuerleben - die beiden wohnten unterdessen bei General Ffolliots Schwester in Chelsea. Und obwohl Fionas Familie durchaus gut situiert war, hatte sie doch nur wenig gesellschaftliche Kontakte. Minerva hatte also angeboten, Fiona gemeinsam mit Emily und Anne zu dem Ball der Mountfords mitzunehmen. Auf diese Weise sah Fiona ein wenig mehr von der Londoner Gesellschaft und wurde wiederum auch selbst mehr gesehen.

Luc hatte der Idee seiner Mutter zugestimmt. Zumal Anne, die stets ein wenig ängstlich und scheu war, durch Fionas ungekünsteltes und temperamentvolles Wesen etwas an Selbstvertrauen gewann; und Emily wiederum, die ein Jahr älter war als Anne, wurde durch Fionas Anwesenheit ein wenig von ihrer Verantwortung für die jüngere Schwester entbunden. Im Übrigen sah es ganz danach aus, als ob Emily zum Ende der Saison einen Antrag von Lord Kirkpatrick erhalten sollte. Sie waren zwar beide noch recht jung, doch es wäre eine überaus passende Verbindung, die von beiden Familien mit großem Wohlwollen betrachtet wurde.

Die Schlange der Gäste rückte langsam voran, als Lucs Mutter sich zu ihrem Sohn hinüberneigte und mit gedämpfter Stimme, sodass kein anderer sie hören könnte, zu ihm sagte: »Ich glaube, unser Abendessen war ein voller Erfolg. Und es war eine gute Gelegenheit, um einen Schlussstrich unter unsere einstige, missliche Situation zu ziehen.«

Luc hob eine Braue. »Du meinst, ehe wir das Thema endgültig für begraben erklären.«

Minerva lächelte und wandte den Blick wieder von ihm ab. »Ganz genau.«

Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Trotzdem werde ich auch weiterhin Roberts Büro aufsuchen - ich habe nicht vor, mein Interesse an unseren finanziellen Unternehmungen plötzlich wieder aufzugeben.«

Minerva sah ihren Sohn mit großen Augen an, dann lächelte sie und klopfte ihm anerkennend auf den Arm. »Nun denn, wenn dir diese Finanzspielereien tatsächlich so viel bedeuten, dann wäre ich bestimmt die Letzte, die dich daran hindern würde, Liebling. Schließlich geht es dir bei diesen Unternehmungen ja nicht ums Geldausgeben, sondern - ganz im Gegenteil - ums Geldverdienen.«

Das leise Lachen, das in ihrer Stimme mitschwang, das durch nichts mehr getrübte Funkeln in ihren Augen und überhaupt die ganze Art und Weise, wie ihre Stimmung sich in nur einem einzigen Tag merklich gehoben hatte, zeigten Luc, dass es all die harte Arbeit wert war. Dann geleitete er seine Mutter weiter, um die Mountfords zu begrüßen. Leise raschelten hinter ihnen die Roben von Emily und Anne, die ihrem Bruder und ihrer Mutter folgten. Und mit einem Mal erkannte Luc, dass er ein wahrhaft glücklicher Mann war - und dies trotz der Entbehrungen der vergangenen Jahre, trotz der Bemühungen seines Vaters sowie den noch nicht ganz so lange zurückliegenden Anstrengungen seines Bruders, ihm all dies zunichtezumachen.

Und es schien ganz so, als würde sein Glück schon bald vollkommen sein. Dieser Gedanke hallte noch einen Moment in seinem Hinterkopf nach, als er seine Mutter auf einer Chaiselongue neben Lady Horatia Cynster - Amelias Tante - platzierte und dann endlich auch seine zukünftige Braut in der Menge entdeckte. Sie hatte offenbar noch gar nicht bemerkt, dass er ebenfalls hier war, und wirbelte gerade in einem volkstümlichen Tanz durch den Ballsaal. Mit hüpfenden Locken und einem strahlenden Lächeln blickte sie zu Geoffrey Melrose, ihrem Tanzpartner, auf. In Luc dagegen rief dieser Anblick ein leichtes Missfallen hervor.

Auch seine Schwestern und Fiona hatten bereits ihre Tanzpartner gefunden und wirbelten ebenfalls quer durch den Ballsaal. Luc richtete den Blick fest auf Amelia, wartete...

Endlich drehte sie den Kopf, sah ihn - und ließ prompt den nächsten Schritt aus. Rasch wandte sie den Blick wieder von ihm ab und passte sich erneut dem Rhythmus des Tanzes an. Sie schaute nicht noch einmal in seine Richtung. Nachdem der Kotillon geendet hatte, gesellte Amelia sich zu Lucs Schwestern. Und da sowohl sie als auch Amanda sich die gesamte Ballsaison über bereits geradezu aufopferungsvoll darum bemüht hatten, Emily und Anne ein wenig von deren Befangenheit zu nehmen, schien auch niemand darüber verwundert, dass Amelia nun, wie schon so oft, mit den beiden Ashford-Mädchen plauderte. Im Stillen war Luc Amelia und Amanda für deren selbstlose Bemühungen um den gesellschaftlichen Erfolg seiner Schwestern überaus dankbar - wie dankbar er aber tatsächlich war, würde er keiner der beiden jemals verraten.

Im Übrigen gehörte auch er in gewisser Weise zu diesem Kreis dazu, sodass keine der notorischen Klatschbasen in diesem Ballsaal auch nur eine Augenbraue hochzog, als er durch den Raum schlenderte, um sich Amelia und den anderen anzuschließen.

Und sie waren wirklich eine bunte und äußerst anziehende Gruppe. Die drei jüngeren Mädchen - allesamt braunhaarig und etwas kleiner als Amelia - trugen Kleider in Pastellblau und zartem Rosa und wirkten geradezu wie kleine Blütenblätter, um die sich die dunkleren Fräcke der Gentlemen schmiegten. Im Zentrum der kleinen Versammlung aber stand in einem seidenen, mattgoldfarbenen Kleid Amelia. Die Schattierung ihrer Robe betonte ihre makellose, elfenbeinweiße Haut, ließ ihr Haar in einem noch etwas tieferen Goldton schimmern und hob das fast schon verwirrend intensive Blau ihrer Augen noch ein wenig stärker hervor.

Emilys, Annes und Fionas Tanzpartner hatten sich ein wenig zurückgezogen und unterhielten sich entspannt miteinander. Unterdessen waren drei weitere und allesamt noch recht junge Gentlemen auf die Mädchen zugestürmt - in der Hoffnung, die Mädchen ihren älteren Kontrahenten für den nächsten Tanz entführen zu können. Zu Lucs Verärgerung hatte sich aber auch Melrose zu der Gruppe gesellt. Er war Amelia augenscheinlich gefolgt. Und auch Hardcastle hatte sich gelassen neben ihr aufgebaut und ließ nun begehrliche Blicke über ihre schlanke Gestalt schweifen. Luc verbarg seinen Impuls, ein instinktives Knurren auszustoßen, hinter einem entspannten Lächeln, verbeugte sich vor Amelia, nickte den beiden Gentlemen, die jeweils rechts und links von ihr standen, einmal knapp zu und manövrierte sich so geschickt in die Gruppe hinein, dass er unmittelbar neben Amelia stand.

Sie bemerkte die Absicht, die hinter dieser Geste lag, durchaus, ließ sich aber nichts anmerken. Nachdem Luc einen argwöhnischen Blick über seine Schwestern, Fiona und deren Verehrer hatte schweifen lassen, überließ er die jungen Paare ausnahmsweise einmal sich selbst und wandte dann seine ganze Aufmerksamkeit Amelia zu... und der Aufgabe, ein möglicherweise auftretendes Problem am besten gleich im Keim zu ersticken.

»Man sagt«, mischte Luc sich ganz beiläufig ins Gespräch, sobald die erste Gesprächspause entstand, »dass Toby Mick in Derby höchstwahrscheinlich gegen den Knirscher antreten muss.«

Amelia starrte Luc an; auch Melrose wirkte leicht schockiert. Es war ein ungeschriebenes Gesetz, dass solch blutrünstige Angelegenheiten wie die Heldentaten der aktuellen Boxmeister nicht in Gegenwart von Damen erörtert wurden.

Hardcastle dagegen schien vor lauter aufgestauter Begeisterung für dieses Thema fast schon zu platzen. Er warf Amelia einen bettelnden Blick zu, fragte: »Es macht Euch doch hoffentlich nichts aus, nicht wahr, meine Liebe?« und verkündete dann - ohne ihre Antwort abzuwarten - auch schon mit lauter Stimme: »Ja, das stimmt. Ich hab es von Gilroy persönlich. Sie sagen zwar, dass der ganze Spaß nach spätestens drei Runden wieder vorbei sein wird, aber -«

Melrose schien nur schwer entscheiden zu können, ob er sich nun in die Diskussion einmischen sollte oder sich besser seiner Meinung enthielt. Mildes Interesse heuchelnd und scheinbar vollkommen unempfänglich für Amelias bohrende Blicke, wartete Luc einfach ab.

»Und es heißt sogar, dass Cartwright jetzt, da sie den Wetteinsatz sogar noch verdoppelt haben, darüber nachdenken soll, ob er sich nicht freiwillig k. o. schlagen lässt.«

Als nun auch noch Cartwright, ein weiterer der Kandidaten für den nächsten Boxkampf, ins Spiel gebracht wurde, war es mit der Geduld von Melrose endgültig vorbei.

»Meine Rede! Aber ist so etwas tatsächlich wahrscheinlich? Ich meine, es ist doch nun nicht so, als ob Cartwright unbedingt eine Auszeit bräuchte - bei dem Kampf in den Downs, also den großen Boxhallen, vor zwei Wochen, war er doch noch in bester Verfassung. Warum also sollte er es dann riskieren, dass -«

»Falsch, ganz falsch. Denn letztendlich geht es doch bloß darum, dass keiner glaubt, er würde sich vor der Herausforderung drücken.«

»Schon, aber -«

Luc wandte sich zu Amelia um. Lächelte. Und fragte schließlich: »Hast du Lust, ein bisschen umherzuschlendern?«

»Zu gern.« Damit reichte sie ihm die Hand.

Mit besitzergreifender Geste legte er ihre Finger auf seinen Arm. Die anderen beiden Gentlemen unterbrachen ihre Diskussion nur gerade so lange, um Amelia und Luc noch einen schönen Abend wünschen zu können.

»Du bist ganz schön hinterhältig«, schimpfte Amelia mit Luc, sobald sie außer Hörweite waren. »Irgendeine von den Anstandsdamen wird mit Sicherheit hören, worüber die beiden sich unterhalten, und dann steht ihnen eine Menge Ärger ins Haus.«

Scheinbar verwundert hob Luc in theatralischer Geste beide Brauen. »Ja, aber habe ich sie denn etwa gezwungen, sich über diese Schläger zu unterhalten?«

»Tz!« Amelia wandte den Blick ab und versuchte, das leicht flatternde Gefühl, das mit einem Mal in ihrer Magengegend aufgetaucht war, wieder zu unterdrücken - Nervosität konnte es doch wohl kaum sein. Der genaueren Ursache kam sie allerdings auch nicht auf den Grund.

Dann beugte Luc sich noch ein wenig näher zu ihr hinüber und führte sie um eine Gruppe von drei Gentlemen herum. Plötzlich schien ein zarter Schauder, ein leises Prickeln an ihrer einen Körperseite entlangzurieseln, und zwar genau an jener Seite, an der Luc sie kurz zuvor leicht berührt hatte - und endlich begriff Amelia, woher dieses unruhige Gefühl in ihrem Magen stammte.

Aber natürlich! Sie war ihm körperlich noch nie so nahe gewesen. Außer in jenem Augenblick, als Luc non compos mentis - bewusstlos - gewesen war. Nun hingegen war er ganz zweifellos hellwach und beugte sich deutlich näher zu ihr hinüber, als nötig gewesen wäre, um sie mit höflich-beschützender Geste vor einem Zusammenstoß mit den drei Gentlemen zu bewahren. Amelia konnte Luc spüren, konnte fühlen, wie hart, stark und männlich er war - mächtig und überaus lebendig schritt er einem Raubtier gleich neben ihr her.

Schließlich - und zu ihrer größten Verwirrung - wurde ihr schlagartig bewusst, dass es nicht etwa Angst oder gar Panik waren, die seine Nähe in ihr auslösten. Nein, die Emotionen, die nun gerade in ihrem Inneren tobten, glichen eher einer Art Schwindel - einem sehr wohligen Schwindel.

Amelia blickte Luc offen ins Gesicht. Er spürte, wie sie ihn ansah, und schaute zu ihr hinab. Dann nahm sein Blick plötzlich eine geradezu eindringliche Intensität an, und er sah ihr tief in die Augen.

Amelia stockte der Atem.

Das rege Stimmengwirr, das den Ballsaal erfüllte, wurde übertönt von den einleitenden Klängen des ersten Walzers an diesem Abend. Luc ließ den Blick über die Menge schweifen, und Amelia tat einen tiefen Atemzug.

Dann schaute er abermals zu ihr hinab. Er schloss die Finger um ihre Hand, hob sie sanft von seinem Arm und vollführte eine elegante Verbeugung - unterdessen sah er ihr unablässig tief in die Augen. »Das dürfte dann wohl mein Tanz sein, nicht wahr?«

Sein Blick war so intensiv, dass Amelia in diesem Moment wohl selbst ein Wolf als Tanzpartner lieber gewesen wäre, als sich nun mit Luc im Walzerschritt zu wiegen. Doch sie neigte höflich den Kopf, schenkte ihm ein gelassenes Lächeln und ließ sich von ihm auf die Tanzfläche führen. Wie hatte Amanda ihn doch gleich genannt? Einen Panter?

Und es stimmte, Luc hatte wahrhaftig etwas von einem Panter an sich. Einem Panter, der wohl jedes Opfer hätte erlegen können, wenn er es nur wollte.

Im Stillen musste Amelia der Beobachtung ihrer Zwillingsschwester uneingeschränkt zustimmen, während Luc sie dicht an sich zog und mitten in die umherwirbelnde Schar der Tanzenden hineinführte.

Seine Brust fühlte sich sehr fest an; über Amelias Haut lief abermals ein zartes Prickeln. Nicht nur auf der Tanzfläche, sondern auch in ihrem Kopf schien sich alles zu drehen, ihre Nerven waren aufs Äußerste angespannt. Sie bebte regelrecht vor lauter Vorfreude, vor Erwartung. Sie konnte zwar gar nicht so genau benennen, worauf sich diese Neugier eigentlich bezog... aber andererseits machte das die Sache ja nur noch aufregender.

Und überhaupt war das alles doch geradezu lächerlich - schließlich war dies beileibe nicht der erste Walzer, den sie mit Luc tanzte, schon oft hatten sie sich im Takt der mitreißenden Melodien gedreht. Und doch war noch kein Walzer so gewesen wie dieser. Noch niemals zuvor war Lucs Blick, seine gesamte Aufmerksamkeit allein auf sie gerichtet, allein auf sie fixiert gewesen. Er schien die Musik gar nicht mehr wahrzunehmen. Oder vielleicht war die Musik auch schon längst ein Teil dieses sinnlichen Ganzen geworden, das ihre Körper umschloss, die sich elegant drehten, sich von einer Seite auf die andere wiegten, die sich berührten, einander sanft streiften, während Luc sie beide scheinbar vollkommen mühelos durch den langen Saal führte.

Noch niemals zuvor hatte Amelia das Gefühl gehabt, so lebendig zu sein, und niemals zuvor hatte sie einen Walzer getanzt wie diesen - weder mit Luc noch mit irgendeinem anderen Mann. Sie war ganz versunken in die Musik, in den Augenblick, in die …

Irgendetwas hatte sich verändert. Irgendetwas ganz Grundlegendes. Luc war nicht mehr der Mann, mit dem sie die vorherigen, unzähligen Male getanzt hatte. Sogar seine Gesichtszüge schienen sich an diesem Abend auf geheimnisvolle Weise verändert zu haben; sie wirkten härter, die Konturen waren geradezu asketisch, als hätte ein unbekannter Künstler Lucs Charakter noch ein wenig eindringlicher in dessen Züge eingemeißelt. Sein Körper schien eine ganz andere Energie zu besitzen, und zugleich schien diese attraktive Hülle seines Wesens ein bisschen durchscheinender geworden zu sein. Und auch in seinem Blick, den er beständig auf sie, Amelia, gerichtet hielt, lag so etwas Gewisses - etwas, das... sie konnte es einfach nicht benennen. Doch ihr Instinkt wusste genau, welche geheime Qualität er da an Luc wahrnahm, und das genügte, um Amelia unwillkürlich erschauern zu lassen.

Auch Luc spürte ihre plötzliche Verunsicherung. Er schaute zu ihr hinab, während lange Wimpern seine dunklen Augen überschatteten. Dann verzog er die Lippen zu einem spöttischen Lächeln, verlagerte die Hand in Amelias Rücken ein wenig, wollte sie mit dieser kleinen Geste wieder etwas beruhigen, besänftigen.

Amelia aber verspannte sich nur noch mehr. »Du führst doch irgendetwas im Schilde - was ist das?«

Noch ehe sie darüber nachdenken konnte, waren ihr die Worte auch schon entschlüpft, und ihr Ton war mindestens ebenso misstrauisch wie ihr Blick.

Erstaunt riss Luc die Augen auf und musste sich sehr beherrschen, um nun nicht in amüsiertes Gelächter auszubrechen und sie zu fragen, was, zur Hölle, sie denn bloß von ihm dachte. Dann aber begriff er plötzlich, woran Amelia offenbar gedacht hatte, und sämtliche Belustigung wich von ihm - und doch musste er regelrecht darum kämpfen, um das besitzergreifende Glitzern in seinen Augen ein wenig zu dämpfen und ein selbstgefälliges Lächeln von seinen Lippen zu verbannen. Ein klein wenig von alledem musste sich aber wohl trotz all seiner Anstrengungen auf seinen Zügen widergespiegelt haben. Rasch zog er Amelia in eine schwungvolle Umdrehung, um sie abzulenken und den zornigen Ausdruck, der ihm bereits immer eindringlicher aus ihren Augen entgegenblitzte, wieder zu vertreiben. »Mach dir keine Gedanken. Ich weiß, was ich tue. Und ich habe es dir ja schon heute Nachmittag gesagt - folge einfach meinen Vorgaben.«

Abermals verlagerte er die Hand in ihrem Rücken ein wenig und zog Amelia noch etwas enger an sich, während sie sich elegant im Takt der Musik drehten. »Ich werde dich schon nicht beißen. Aber du kannst auch nicht erwarten, dass ich jetzt quasi über Nacht mein komplettes Auftreten ändere.«

Und wenn Luc ehrlich war, so musste er sich eingestehen, dass er so oder so nicht vorhatte, jemals in die Rolle des vor lauter Glück schon ganz gefühlsduseligen, zukünftigen Bräutigams zu schlüpfen. Klugerweise behielt er diese Überlegung jedoch für sich. Es dauerte nicht lange, bis der grimmige Ausdruck in Amelias Augen wieder verschwand. Luc spürte, wie sie sich wieder entspannt in seine Arme schmiegte - genau genommen schien sie sogar noch entspannter als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt an diesem Abend.

»Oh - ja, ich glaube, ich verstehe, was du meinst.«

Luc jedoch bezweifelte, dass sie ahnte, was er vorhatte. So richtig wusste er das ja selbst noch nicht, und er brauchte einen Moment, bis er begriff, in welche Richtung Amelias Gedanken gewandert waren. Und endlich ging ihm auf, wie Amelia seine Worte gedeutet hatte. Sie dachte, dass die verwirrende Wirkung, die er auf sie ausübte - und derer Luc sich auch durchaus bewusst war - lediglich Teil des... Schauspiels war, das er der Öffentlichkeit gerade zum Besten gab. Amelia glaubte, Luc setze seinen allgemein bekannten Charme nun ganz gezielt und vor aller Augen ein, um damit den Beginn seiner offiziellen Brautwerbung um ihre, Amelias, Hand einzuläuten.

In gewisser Weise hatte Amelia mit dieser Einschätzung auch tatsächlich Recht. Und doch erklärte dieses angebliche Schauspiel, das sie beide gerade aufführten, nur zum Teil die plötzliche, heftige Art, mit der sie und Luc aufeinander reagierten - oder, um noch genauer zu sein, die wilden Emotionen, die ihre Reaktion in ihm hervorrief.

Seine Erfahrung, und er verfügte wahrlich über einen reichen Erfahrungsschatz, verriet Luc, dass Amelia nicht nur bemerkenswert einfühlsam war, sondern sich auch überraschend bereitwillig in die kleine Maskerade mit ihm fügte. Und wenn man dann noch bedachte, dass sein kleiner, nonverbaler Flirt mit ihr sie zunächst regelrecht aus der Bahn geworfen hatte, dann kam man unweigerlich zu der Erkenntnis, dass der Flirt Amelia eindeutig unter die Haut gegangen sein musste - und dass sie scheinbar erst wenig Übung darin besaß, ihre Gefühle vor einem Mann zu verbergen. Womöglich war er, Luc, sogar der Erste, der jemals derartige Reaktionen in ihr ausgelöst hatte.

Es war also nur allzu logisch, dass Amelias mädchenhaft-unerfahrenes Verhalten sie in Lucs Augen nur noch begehrenswerter erscheinen ließ. Sie war in gewisser Weise der Hauptgewinn der diesjährigen Ballsaison; sie war so sinnlich und doch so unberührt, unerfahren. Und sie war die seine, ganz und gar die seine. Luc konnte sich ein klitzekleines selbstgefälliges Grinsen also nur schwer verkneifen.

Er wusste, hatte es schon die ganzen Jahre über gewusst, dass die Regungen, die Amelia in ihm hervorrief, stärker waren und anders und mächtiger als alles, was jemals irgendeine seiner Damenbekanntschaften in ihm hatte auslösen können. Und in all der Zeit hatte er sich in Amelias Gegenwart stets allein darauf konzentriert, seine Reaktion auf sie zu unterdrücken, zu ignorieren. Nie hatte er ernsthaft versucht, in Amelia die gleichen Gefühle zu erwecken, wie er sie für sie empfand. Warum eigentlich? Und nicht ein einziges Mal hatte er ernsthaft daran gedacht, ihr offiziell den Hof machen zu wollen.

Bis heute.

Es fiel ihm schwer, Amelia nun nicht noch enger an sich zu ziehen. Er musste sich beherrschen, in Gedanken nicht schon weiter an seinem Plan zu schmieden, wie er sie schließlich nicht nur auf emotionaler, sondern auch auf sinnlicher Ebene an sich binden wollte. Doch die Erfahrungen der vergangenen Jahre schienen ihn mit leisem Flüstern zu warnen, dass ein zu schnelles Vorgehen nur die Gefahr barg, dass Amelia seine Taktik schließlich doch noch durchschaute - und sich seinem Vorgehen widersetzte. Es war erst wenige Augenblicke her, dass Amelia ihn misstrauisch gefragt hatte, was er eigentlich mit seinem Verhalten bezweckte. Und wenn er nun zu rasch handelte, würde ihr Misstrauen nur noch umso größer.

Nahm er sich hingegen Zeit und verführte sie ganz bewusst nur Schritt für Schritt, dann wäre Amelia - die im Moment ja noch dachte, ihre Reaktion auf Luc wäre ganz normal, das Übliche eben und nichts Außergewöhnliches - bereits viel zu sehr von ihm verzaubert, als dass sie seine Enthüllungen noch großartig interessieren würden, wenn er ihr schließlich gestand, dass er sie in Wahrheit gar nicht wegen ihrer Mitgift heiratete. Dann, bei einem langsamen, bedächtigen Vorgehen nämlich, wäre sie bereits viel zu gefangen in dem Sog ihres Verlangens nach ihm, wäre sie schon viel zu süchtig nach Luc, als dass sie noch darüber diskutieren würde, was genau nun eigentlich der Anlass dafür war, dass sie beide vor den Traualtar traten.

Die Musik wurde leiser, Luc und Amelia verlangsamten ihre Schritte. Sein ganzes Wesen, sein ganzes Bewusstsein konzentrierte sich allein auf sie. Er betrachtete ihre Erscheinung, schwelgte in den sinnlichen Verheißungen, die ihre zarte Haut, die Augen, die vollen Lippen - der Rhythmus ihres Atems - und nicht zuletzt ihre schlanke Gestalt zu bergen schienen.

All das gehörte ihm, ganz allein ihm.

Luc musste sich regelrecht zwingen, um schließlich die Arme zu öffnen und Amelia wieder loszulassen. Und er musste seine Begierde unter dem dunklen Schleier seiner Wimpern verbergen. Mit einem zwar leicht verkrampften, aber nichtsdestotrotz scheinbar vollkommen entspannten Lächeln legte er sanft ihre Hand auf seinen Arm, zog sie von der Tanzfläche fort und wieder in Richtung der anderen Gäste. »Besser, wir schlendern nun ein bisschen durch den Saal.«

Amelia hingegen reagierte auf seinen Vorschlag leicht verstimmt. »Aber ich suche doch nach niemandem.«

»Trotzdem.« Als Amelia ihm einen raschen Blick zuwarf, erklärte Luc ihr schließlich leise murmelnd: »Wir können doch jetzt nicht plötzlich nach nur einem einzigen Walzer schon so tun, als könnten wir uns nicht mehr voneinander lösen.«

Amelia verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Dann aber deutete sie nach vorn und erwiderte: »Schon verstanden - also, dann übernimm mal weiterhin die Führung.«

Und genau das tat er auch, wenngleich gegen seinen Willen, zumal er nur allzu genau wusste, dass dies auch gegen Amelias Willen geschah. Doch ein Plan war nun einmal ein Plan, und speziell sein, Lucs, Plan war nun wirklich überaus geschickt ausgeklügelt. In diesem Augenblick entdeckte er eine Gruppe gemeinsamer Bekannter; Amelia und Luc gesellten sich zu den jungen Herrschaften und brachten sich mit der ihnen eigenen Geschicklichkeit in die Unterhaltung mit ein. Sie beide waren in dieser Art gesellschaftlichen Sphäre schon seit langem zu Hause und brauchten keinerlei Hilfestellung, um sich in den Fluss der Unterhaltung einzufügen.

Voller Überraschung stellte Luc schließlich fest, dass er sich ganz unbewusst immer mehr aus dem Gespräch zurückgezogen hatte und vollkommen zufrieden damit war, einfach nur Amelias angeregtem Geplauder zu lauschen, ihr Lachen zu hören und ihre witzigen, kleinen Bemerkungen. Sie war fast so scharfzüngig wie er und von mindestens ebenso rascher Auffassungsgabe - und oftmals sprach sie genau denselben Gedanken aus, den auch Luc gerade gehabt hatte. Er war verblüfft.

Trotz allem entgingen ihm nicht die gelegentlichen, neugierigen Blicke in ihrer beider Richtung. Im Stillen musste er leise lächeln. Seine entspannte, aber aufmerksame Gegenwart an ihrer Seite blieb also nicht unbemerkt. Und indem er in genau dem richtigen Moment ihren kleinen Spaziergang durch den Ballsaal wieder aufnahm, verhinderte er, dass Amelia beim nächsten Tanz gleich wieder von irgendeinem Gentleman entführt wurde, und behielt sie somit noch ein Weilchen länger an seiner Seite. Während die anderen Paare also mit schwungvollen Drehungen den Takten eines Reel folgten, bewegten Luc und Amelia sich langsam weiter durch die Menge.

Unglücklicherweise durfte er sie jedoch noch nicht gänzlich mit Beschlag belegen. Und es dauerte auch nicht lange, da erschien Lord Endicott und verlangte mit nahezu unerträglich selbstgefälligem und aufgeblasenem Gehabe, dass Amelia den zweiten Walzer an diesem Abend unbedingt mit ihm tanzen müsse.

Luc musste also notgedrungen mit ansehen, wie Amelia den ganzen Tanz hindurch freundlich und mit heiterem Lachen zu Endicott aufblickte. Und dann, als die Musik endlich wieder verstummte, kehrte dieses gedankenlose Frauenzimmer nicht etwa gleich wieder zu ihm zurück - nein, nichts dergleichen! -, sondern er musste sich nun regelrecht an ihre Verfolgung machen.

Als er schließlich Reggie Carmarthen entdeckte, der durch die Schar der Gäste langsam in seine, Lucs, Richtung schlenderte, ergriff er die Gelegenheit sofort beim Schopfe. Und es wunderte Amelias alten Freund aus Kindheitstagen auch nicht im Geringsten, als Luc ihn drängte, sich doch bitte unbedingt den nächsten Tanz bei Amelia zu reservieren - auch Reggie und Luc kannten einander gut.

Dennoch wirkte Reggie etwas verwundert, als Luc am Ende des nächsten Tanzes bereits auf sie beide wartete und sofort wieder Amelias Hand ergriff.

Amelia grinste nur und klopfte Reggie beruhigend auf den Arm. »Mach dir keine Gedanken.«

Dennoch starrte Reggie erst Amelia an und dann Luc. Schließlich murmelte er leise: »Wie du meinst.«

Und obwohl Luc ungeduldig darauf bedacht war, endlich wieder mit Amelia allein zu sein, versuchte er keineswegs, Reggie davonzuscheuchen. Schließlich war dieser ein treuer Freund seiner Zukünftigen. Trotzdem warf Reggie Luc immer wieder einen verstohlenen Blick zu in der Erwartung, dass Amelias Kavalier ihn, den alten Freund aus Kindertagen, sicherlich irgendwann würde loswerden wollen. Gemeinsam mit einigen anderen begaben sie sich schließlich zum Abendessen, setzten sich an einen der größeren Tische und begannen eine fröhliche, entspannte Plauderei. Luc saß natürlich gleich neben Amelia - abgesehen von dieser vorsichtigen Geste aber achtete er streng darauf, seinen Besitzanspruch auf sie nicht offen zutage treten zu lassen.

Sie kehrten genau in dem Augenblick in den Ballsaal zurück, als das Orchester den nächsten Walzer anstimmte. Luc lächelte und bat mit entspanntem Charme um den nächsten Tanz.

Amelia erwiderte sein Lächeln und erlaubte ihm, ihre Hand zu ergreifen. In genau diesem Moment marschierte allerdings festen Schrittes auch Lord Endicott auf sie zu und baute sich vor ihnen auf.

»Es tut mir ja so leid.« Sie schenkte Seiner Lordschaft ein bedauerndes Lächeln. »Aber Lord Calverton ist Euch zuvorgekommen.«

Lord Endicott nahm die Niederlage gelassen entgegen. Er verbeugte sich höflich und fragte: »Aber dann den nächsten Tanz vielleicht?«

Amelia lächelte ihn noch etwas herzlicher an. »Vielleicht.«

Luc drückte verstohlen ihre Finger. Amelia wandte sich von Seiner Lordschaft ab, und ihr Blick begegnete dem von Luc - und plötzlich entdeckte sie da so eine gewisse Härte in seinen Augen, etwas, das ihr regelrecht den Atem verschlug. Schließlich hob Luc den Blick wieder, nickte Lord Endicott kurz zu und führte Amelia auf die Tanzfläche.

Erst als sie mit schwungvollen Drehungen durch den Ballsaal glitten, konnte sie ihm abermals direkt ins Gesicht blicken. Der Ausdruck in seinen Augen - sie waren von einem reinen Mitternachtsblau - war schon immer nur schwer zu deuten gewesen. Wenn er seinen Blick, wie in diesem Moment, aber auch noch unter seinen verwirrend langen, dichten Wimpern verbarg, war es nahezu unmöglich zu erahnen, was gerade in Lucs Innerem vor sich ging. Sein Gesicht hingegen schien einen anderen Zug angenommen zu haben - es wirkte streng, kompromisslos und gar nicht mehr so gelassen und undurchschaubar wie sonst...

»Was, bitte schön, geht hier eigentlich gerade vor? Und sag jetzt nicht, ich würde mir das nur einbilden. Ich kenne dich viel zu gut, als dass du mir weismachen könntest, alles wäre in bester Ordnung.«

Kaum dass Amelia ihre eigenen Worte hörte, da begriff sie, wie Recht sie damit hatte - in diesem Augenblick sogar noch mehr als vorhin. Im Übrigen war sie sich mittlerweile sicher, dass sich in Lucs schlankem Körper eine ungewohnte Anspannung aufgestaut hatte.

»Es wäre unserer Sache wirklich überaus zuträglich, wenn du in Zukunft davon absehen könntest, auch anderen Gentlemen Hoffnungen zu machen.«

Amelia blinzelte verdutzt. »Endicott? Aber ich habe ihm doch gar keine -«

»Du könntest zumindest damit aufhören, sie so überaus strahlend anzulächeln. Das wäre schon einmal ein guter Anfang.«

Amelia starrte Luc an, studierte den harten Ausdruck, der auf seinem Gesicht lag, sah den noch unnachgiebigeren Ausdruck in seinen Augen. Es bestand kein Zweifel, Luc meinte das, was er sagte, vollkommen ernst. Sein beißender Tonfall verriet ihr schließlich, dass er gerade in überaus gereizter Laune war. Amelia musste sich sehr beherrschen, um nun nicht zu grinsen, und erwiderte: »Luc, du solltest dich selbst einmal hören.«

Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu... und runzelte die Stirn. »Nein, das möchte ich lieber nicht.«

Dann zog er sie noch ein wenig enger an sich - zu eng, nach den strengen Regeln von Anstand und Sitte -, während sie sich elegant immer weiter drehten. Und er lockerte seinen Griff auch nicht, als sie schließlich wieder in Richtung des entgegengesetzten Endes des Ballsaals tanzten.

Es war auf verwirrende Weise angenehm, wenn er sie so fest in seinen Armen hielt und sie mit einer solchen Leichtigkeit durch den Tanz führte, und doch... Amelia seufzte. »Schon gut. Wie soll ich mich deiner Ansicht nach denn verhalten? Ich dachte, ich dürfte nicht so tun, als ob ich mich innerhalb bloß einer Woche unsterblich in dich verliebt hätte. Schreiben wir das Textbuch zu unserer Aufführung etwa gerade neu?«

Es dauerte einen kleinen Moment, ehe Luc zwischen zusammengepressten Zähne hervorstieß: »Nein. Nur sei bitte nicht so... lebhaft. Schenk den Kerlen höchstens dann und wann mal ein kleines Lächeln, und auch nur so, als ob du sie in Wirklichkeit gar nicht richtig wahrnehmen würdest.«

Als Amelia sich sicher war, dass sie ihren spontanen Impuls, in herzliches Gelächter auszubrechen, bezwungen hatte, hob sie den Blick wieder und nickte. »Also gut. Ich werde es versuchen. Und ich vermute mal«, murmelte sie leise, während der Takt der Musik langsamer wurde, »dass ich mich stattdessen ganz auf dich konzentrieren soll?«

Amelia schaute Luc an, glaubte zu erkennen, wie das Blau seiner Augen plötzlich noch ein wenig dunkler wurde, und sah, wie er grimmig das Kinn vorschob. Doch er gab ihr keine Antwort auf ihre Frage. Stattdessen griff er fest nach ihrer Hand, hielt sie fest und zog Amelia von der Tanzfläche.

Mit großen Augen sah Amelia, wie sie sich den Terrassentüren näherten. Die Flügeltüren standen weit offen. Sanft hatte der Mond die mit großen Steinplatten ausgelegte Terrasse in sein Licht getaucht. »Wo gehen wir hin, was hast du vor?«

»Wir widmen uns der Weiterentwicklung unseres Textbuchs.«