18. KAPITEL

Jane Mantle stieg in den überfüllten Aufzug, in Gedanken mit dem Treffen beschäftigt, das sie gerade mit dem Generalstabschef ihres Mannes gehabt hatte. Unter vier Augen hatte er mit ihr über Larrys Gesundheit sprechen wollen. Sie hatten beschlossen, sich lieber in einem Konferenzraum der oberen Stockwerke zu treffen, als in seinem Büro oder in den Räumen der Familie, wo man sie vielleicht stören würde.

Jane nickte und lächelte, als die anderen Menschen im Aufzug für sie Platz machten. Stets verhielt sie sich liebenswürdig, aber sie vermied jeden Blickkontakt. In diesen wenigen wertvollen Momenten wollte Jane niemanden zu einem Gespräch ermutigen, sondern über das nachdenken, was sie gerade getan hatte.

Sie hatte gelogen. Sie hatte behauptet, dass es Larry nicht besser gehen könnte. Und die Erleichterung des Generalstabschefs war deutlich sichtbar gewesen. Fast hatte Jane ihre Ausflüchte gerechtfertigt. Die Wahlen standen an, und das Weiße Haus bereitete sich auf den Wahlkampf vor. Eine schwindelerregende Menge an Zeit und Arbeit würde darin investiert werden. Allein die Vorbereitungen bedeuteten einen gewaltigen Kraftakt, und Jane wollte dem Wahlkampf nicht schon den Schwung nehmen, bevor er begonnen haben würde.

Was hätte sie sonst tun sollen? Jeden zu Tode erschrecken?

Niemand außer ihr wusste von Larrys Symptomen, obwohl man möglicherweise einen Verdacht hatte. Das würde zumindest die Erleichterung des Generalstabschefs erklären. Larrys Symptome waren schnell gekommen und schnell wieder verschwunden. Er klagte über einen Druck auf der Brust, der vermutlich von nichts anderem als Stress oder einer Magenverstimmung herrührte. Oder einer einfachen Erkältung. Und Jane hatte beschlossen, dass es ihrem Mann gut gehen würde, weil sie sich darum kümmern würde.

Der Aufzug hielt im nächsten Stockwerk, und Jane trat zurück, um die Leute hinauszulassen. Als mehr Körper hineindrängten, ging sie noch weiter zurück – und stieß aus Versehen mit einer Person hinter ihr zusammen. Ein Mann, stellte sie fest, ohne sich umzudrehen. Woher wusste sie das? Das Rascheln seines frischen Baumwollhemdes vielleicht. Ein leichter männlicher Duft. Oder seine Größe. Er stand links hinter ihr, die Schulter über ihrer, wenn es seine war. Jane sah nicht nach.

Weil das die Spannung beendet hätte.

War das ein Hauch von Gin, vielleicht von einem Aperitif vor dem Mittagessen?

Sie murmelte eine Entschuldigung, erhielt aber keine Antwort.

Seltsam, dass sie schwitzte. Sie tastete nach dem Taschentuch in ihrem Ärmel und hoffte, dass sie sich nicht vor allen anderen die Stirn abtupfen musste. First Ladys benutzten die Mitarbeiteraufzüge nicht oft – falls doch, waren sie normalerweise in Begleitung. Jane hatte den Secret Service als Teil ihres Lebens akzeptiert. Aber sie lehnte es ab, zusätzlich von Laufburschen und Assistenten belagert zu werden, wenn sie etwas allein erledigen konnte. Sie hatte lieber ihren Palm-Pilot dabei als eine Mia, die mit dem Stenoblock hinter ihr herlief.

Warme Luft streifte ihren Nacken.

Etwas glitt über die Kurven ihres Pos.

Die Hand eines Mannes? Seine Hüfte?

War das Absicht?

Janes Magen krampfte sich so zusammen, als wäre ein Ruck durch den Aufzug gegangen. Der Atem stockte ihr in der Brust, nichts konnte das brennende Gefühl aufhalten, das sie durchströmte – wie kopfüber im freien Fall. Sie sah ihn immer noch nicht an. Es wäre vorbei, sobald sie ihn ansehen würde. Das erwartungsvolle Gefühl, das ihr Inneres durcheinanderwirbelte, würde verschwunden sein.

Sie zog das Taschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte sich einige Tröpfchen von der Oberlippe, aber es war sinnlos, solange ihr die Hitze im Gesicht brannte. In Sekunden hatte der Körper ihren Geist übermannt. In einem Wirbel von erotischen Fantasien, die alle den anonymen Mann hinter ihr einschlossen, wurde sie gefangen gehalten.

Beim nächsten Halt würde es passieren, im Erdgeschoss. Alle bis auf die beiden würden aussteigen. Wenn die Türen sich schlössen, würde er seine perfekt gebügelte Anzughose ausziehen und ihr seine riesige Erektion zeigen. Jane würde auf den Boden sinken, weil ihre Beine sie nicht mehr tragen könnten. Sie würde sein Hinterteil packen und ihm den Weg weisen. Ihn im Ganzen verschlingen.

Jane wusste, dass das passieren würde, weil es schon oft passiert war. Nicht mit diesem Mann in diesem Aufzug, aber mit vielen anderen in Aufzügen oder an anderen Orten, an denen man verbotene Kontakte zu Fremden aufnehmen konnte. Diese Erlebnisse fanden selten in Privaträumen statt. Denn die Angst, entdeckt zu werden, verschaffte Jane keinen Kick. Ihr war nur wichtig, dass es Geschäftsmänner waren, gepflegt und gut erzogen.

So wie Miss Rowes Männer.

Und dass sie sie wollten, Jane Dunbar.

Die Angst vor Ablehnung war furchtbar. Aber der Kick, wenn sie sie auswählten, beflügelte und erregte Jane. Sie brauchte kein Vorspiel. Sie war zu allem bereit, was für ihre Eroberung umso erfreulicher war. Wenn sie nicht gestört wurden, konnte es über einen Blowjob hinausgehen. Es konnte überall hinführen.

Ich weiß genau, was du brauchst, sagte sie ihnen. Einige Frauen werden mit diesem Wissen geboren.

Viele von ihnen bettelten darum, sie wiederzusehen, und ihr Bitten bereitete ihr ein unvorstellbar großes Vergnügen. Sie ließ sie immer in dem Glauben, dass sie sich vielleicht melden würde, aber sie tat es nie. Sie benutzte falsche Namen und verkleidete sich, um sicherzustellen, dass niemand ihre Identität entdeckte. Natürlich war es schon Jahre her … bevor sie Larry getroffen hatte … als sie sowieso ein Niemand gewesen war.

Warum passierte es wieder? Jetzt?

Die Tür ging auf, und der Aufzug leerte sich. Wie gebannt sah Jane, wie die Leute verschwanden. Die Vorfreude, die sie durchströmte, schmerzte sie beinah. Schweiß lief an ihren Armen herunter. Ich ruiniere mein Chanel-Kostüm. Der Gedanke war lächerlich, geradezu absurd, irgendwie aber auch wieder nicht. Jeden Knopf und jeden Stich dieses Meisterstücks eines Kostüms hatte Jane verdient. Sie schätzte diese Kleidungsstücke genauso wie ihr Vater seine ramponierten Werkzeuge geliebt hatte.

Obwohl der Mann sich nicht bewegte, glaubte Jane, schon das Geräusch des sich öffnenden Reißverschlusses zu hören und die strömende Hitze seines Ergusses zu schmecken, die ihre Kehle hinunterrann. Wenn er in ihrem Mund gekommen sein würde, würde er den Schritt ihres Höschens zerreißen, mit seinem immer noch harten Schwanz in sie eindringen und noch einen Höhepunkt erleben.

Männer konnten mit ihr multiple Orgasmen haben. Sie konnte mit ihnen umgehen, sie in Götter verwandeln und in Sklaven, so wie sie es wollten. Sie konnten nicht Nein zu ihr sagen. Nie.

Die Türen des Aufzugs begannen, sich zu schließen und rissen Jane zurück in die Wirklichkeit. Sie drängte sich durch die Öffnung und in den Flur, ein Laut der Erleichterung erstickte in ihrer Brust. Lieber Gott, das war knapp gewesen. Zu knapp! Eine Sekunde lang wusste sie nicht, wo sie hingehen sollte. Sie brauchte eine Toilette, einen Ort zum Verstecken, aber die Toiletten auf diesem Flur waren öffentlich.

War er ihr gefolgt? War er hinter ihr?

Sie drehte sich nicht um oder sah ihn an. Sie wusste nicht einmal, ob es ein Mann war.

Eine Welle der Hysterie stieg in ihr auf wie Magensäure. Sie kämpfte gegen den Drang, zu lachen, wusste aber, dass nicht mehr als ein Wimmern über ihre Lippen kommen durfte. Sie benahm sich bereits seltsam, und die Leute hatten das bemerkt. Niemandem durfte sie einen Blick auf das Chaos in ihrem Inneren gewähren.

Reiß dich zusammen, Jane. Reiß dich zusammen, Jane!

Mia würde im Büro auf sie warten, aber Jane konnte in diesem Zustand nicht dorthin gehen. Auf der Suche nach einem Treppenhaus lief sie den Flur entlang, ein geschäftsmäßiges Lächeln auf den Lippen. Sie betete, dass die Kabinettsversammlung ihres Mannes immer noch tagte. Wenn sie jetzt in ihren privaten Räumen Larry über den Weg lief … Es gab nur eine Sache, die sie wieder ruhiger werden ließ, und dafür musste sie allein sein.

Jane zitterte, als sie versuchte, die Tablette mit dem Messer zu zerschneiden. Sie schaffte es nicht einmal, sie in zwei Hälften zu teilen, geschweige denn in perfekte Achtel wie sonst. Sie hatte homöopathische Mittel ausprobiert, aber die waren nicht so effektiv wie die Beruhigungsmittel, die ihr Psychiater ihr verschrieben hatte. Seit Jahren nahm Jane das Medikament, allerdings nicht in der verschriebenen Dosis. Heute wäre sie andernfalls vollkommen abhängig davon, und das wäre undenkbar.

Ein Achtel einer Tablette, vier bis sechs Mal am Tag, abhängig von ihrem Zeitplan. So hielt Jane Mantle ihren Dämon in Schach, und sie war ziemlich stolz darauf, die Dinge unter Kontrolle zu halten. Wenn sie morgens nervös aufwachte, war das Schlucken eines Splitters das Erste, was sie in ihrem Badezimmer tat.

Aber nur einen. Sie erlaubte sich nicht mehr davon, nicht einmal, wenn sie morgens mit starkem Herzklopfen aufwachte, oder an den Abenden, an denen sie gespannt wie eine Gitarrensaite ins Bett fiel. Wenn sie weniger nahm, lobte Jane sich. Heute Morgen hatte sie nichts genommen.

Jetzt fragte sie sich allerdings, ob die ganze Flasche ausreichen würde, um ihr in diesem Moment zu helfen.

Sie ließ von dem Messer auf dem Tresen ab, aus Angst, sich in den Finger zu schneiden und das erklären zu müssen. Die runde pinkfarbene Tablette sah riesig aus. Jane nahm sie und schluckte sie ganz, und sie würde auch noch eine weitere nehmen, wenn es nötig wäre. Ein Schluck kalter Tee, der von der morgendlichen Terminbesprechung mit Mia übrig geblieben war, half ihr, die Pille hinunterzuspülen. Der Kontrollverlust, den sie spürte, erschütterte sie. Erst der Mann im Fahrstuhl, und jetzt schüttete sie Psychopharmaka in sich hinein.

Als Nächstes ging sie zum Schreibtisch in ihrem Schlafzimmer und nahm den Telefonhörer ab. Sie tippte eine Zahlenfolge und war überrascht, dass sie die Nummer ihres Psychiaters auswendig kannte. Jahrelang hatte sie ihn nicht mehr aufgesucht, nicht seit Larry Präsident geworden war. Es hatte Gott sei Dank keinen Grund gegeben.

"Jane Dunbar", sagte sie, als die Empfangsdame sich meldete. "Ich muss sofort mit dem Doktor sprechen. Es ist ein Notfall."

Selbst wenn er in einem Gespräch wäre, würde die Frau sie durchstellen. Janes Akte wurde unter ihrem Mädchennamen geführt, trotzdem wusste er, wer Jane Dunbar war, und würde sich Zeit für sie nehmen. Sie könnten sich im Weißen Haus treffen, wenn sie darauf bestünde, aber bei diesem Problem wäre es nicht ratsam. Larry wusste von ihrer Therapie. Die schmutzigen Details hatte sie jedoch ausgelassen. Eigentlich wusste das ganze Land von ihrer Therapie. Es war während des Wahlkampfes herausgekommen, sodass Jane gezwungen gewesen war, damit sofort an die Öffentlichkeit zu gehen und über ihren Zustand Auskunft zu geben.

Larrys Wahlkampfmanager hatte ihr erzählt, dass es Larry sogar einen Vorteil verschaffen würde, wenn sie sich als menschlich und verletzlich präsentierte – als jemand, mit dem sich die Frauen des Landes identifizieren konnten. Auf einer Pressekonferenz und später in einer Talkshow hatte Jane verraten, dass sie wegen einer Depression behandelt worden war, was nicht gelogen war. Die Ursache der Depression hatte Jane nicht genannt, weil das nicht nur den Wahlkampf ruiniert hätte, sondern auch ihre Ehe.

Eine männliche Stimme meldete sich. "Jane, sind Sie in Ordnung?"

"Nein", sagte Jane, "mir geht es überhaupt nicht gut. Haben Sie Zeit für mich?"

"Wo sind Sie gerade?"

"Pennsylvania Avenue. Im Schlafzimmer."

"Ich lasse alle Termine streichen und werde Zeit haben, sobald Sie hier eingetroffen sind."

"Danke", sagte sie und hasste es, wie gebrochen ihre Stimme klang.

"Wie fühlen Sie sich?"

"Lächerlich. Ich schäme mich." Jane zog das Taschentuch aus ihrem Ärmel und putzte sich vorsichtig die Nase. Als sie es wieder vom Gesicht nahm, war das feine irische Leinen rot gefleckt.

Nasenbluten. Grundgütiger. Nun gut, ihre alten Dämonen hatten sie eingeholt. Warum nicht auch das Nasenbluten?

"Ich war in einem Aufzug im Weißen Haus", sagte sie. "Könnten Sie sich vorstellen, wie ich es mit einem fremden Mann im Aufzug des Weißen Hauses tue?"

"Das tue ich lieber nicht", erwiderte der Arzt.

Verzweifelt sah sie zu ihm auf. "Warum ist das nach all der Zeit passiert? Und warum ist es immer noch so aufregend?" Sie hätte schmerzhaft sagen können, entwürdigend oder riskant. Jedes dieser Wörter hätte den Kern der Sache getroffen, aber Jane hatte sich für "aufregend" entschieden.

In einem großen Ledersessel saß er ihr gegenüber, die Beine überschlagen, das Tageslicht, das vom Fenster hereinfiel, erhellte sein stahlgraues Haar. Irgendwie schaffte er es, so auszusehen, als fände er sie nicht widerlich. Deshalb war sie nach der ersten Sitzung vor fünfzehn Jahren wieder zu ihm zurückgekehrt. Sie hatte ihm alles erzählt, und er hatte weder Entsetzen noch Wut gezeigt, noch hatte er irgendein Urteil über sie gefällt. Wenn überhaupt, dann empfand er Mitleid mit ihr. Unermessliches Mitleid.

"Es ist aufregend, weil Ihr Nervensystem sich nur an das Vergnügen erinnert", erklärte er, "und es will mehr davon. So funktionieren Süchte. Sie reduzieren den emotionalen Schmerz, das Stressgefühl und schwächen Langeweile ab. Der Effekt ist nur temporär, aber sehr intensiv. Sonst würde es nicht abhängig machen."

Jane verknotete ihr Taschentuch – und fragte sich, ob sie die Knoten jemals wieder herausbekäme. "Wird das wieder passieren? Habe ich einen Rückfall?"

Er dachte über ihre Frage nach. "Nein, das glaube ich nicht. Sie stehen unter einem enormen Druck. In diesen Situationen tritt Suchtverhalten häufig auf, unabhängig davon, wie lange es her ist."

Von dem Ausmaß des Drucks, der auf ihr lastete, hatte er keine Vorstellung. Über den Sex hatte Jane ihm alles erzählt, aber einige Dinge über das Internat hatte sie ausgelassen – und jetzt gab es Jameson Cross. "Ich liebe meinen Mann, und das würde ihn umbringen. Sie wissen, zu welch scheußlichen Dingen ich fähig bin, und ich traue mir selbst nicht."

Sie war zu Männern ins Auto gestiegen wie eine Prostituierte. In Kneipen und Billardhallen hatte sie Männer aufgerissen, in Country Clubs, Supermärkten, sogar in der Kirche. Wann immer dieses sengende Gefühl von Ablehnung in ihr brannte, wann immer man ihr zu verstehen gab, sie sei nicht gut genug, trieb sie einen Mann auf, der sie großartig fand.

Zuerst redete sie sich ein, dass es um Macht ging – und ja, dieser hemmungslose Rausch der Ekstase war es wert, etwas zu riskieren. Aber nach und nach hinterließ auch das Gefühl von Macht wieder Leere und Sehnsucht in ihr. Jane brauchte Liebe und Anerkennung, die sie als Kind nicht bekommen hatte. Dass sie es nicht verdiente, hatte Jane lange geglaubt … bis sie Larry traf.

"Ich darf nicht rückfällig werden", sagte sie. "Ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Oder es ihm zumuten."

Sie faltete die Hände im Schoß und senkte den Kopf, als warte sie auf die Verurteilung durch den Richter. Aber die Stimme des Psychiaters klang ruhig und voller Mitgefühl.

"Jane", sagte er, "vor fünfzehn Jahren mussten Sie sich unbedingt etwas beweisen. Heute sind Sie glücklich mit dem Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt verheiratet. Ohne Sie könnte er seinen Job nicht machen. Sie sind die First Lady, Jane."

Lady Jane, dachte sie und schüttelte den Kopf.

Sie brauchte einige Momente, um zu begreifen, dass ihr Leben sich auf dem Olymp abzuspielen schien: Der abrupte Wechsel von Tragödie und Triumph ließ keine Normalität zu. Schließlich schaute Jane den Arzt an und schaffte es, einen Hauch von Ironie in ihre Antwort zu legen. "Was muss ich noch beweisen?"

Er lächelte. "Aus meiner Sicht nichts, aber die Frage können nur Sie beantworten."

Sie ließ sich in den Ledersitz ihres Luxuswagens fallen und seufzte, um einiges von dem Druck loszuwerden, von dem ihr Psychiater gesprochen hatte. Die Sitzung hatte geholfen. Sie war jetzt ruhiger – weniger besorgt, dass sie über einen unschuldigen Praktikanten herfallen könnte –, aber sie wusste nicht, wie lange dieser Zustand andauern würde. Jederzeit konnte sie an Beruhigungsmittel kommen, nur war das keine Lösung.

Sie nahm sich vor, sich auszuruhen. Das Mobiltelefon war ausgeschaltet, und sie wurde von einem Geheimdienstagenten gefahren. Wie oft hatte sie die Chance, von der Bildfläche zu verschwinden und ganz allein zu sein, ohne dass jemand um ihre Aufmerksamkeit heischte? Trotzdem kamen ihre Gedanken nicht zur Ruhe. Sie sprangen und wirbelten durcheinander. Jane hatte keine Energie, um über ihre Probleme zu grübeln. Es gab zu viele davon.

In der Hoffnung, sich ablenken zu können, schaltete sie den Fernseher ein. Das Nachrichtenprogramm war mit negativen Wirtschaftsmeldungen gespickt, die sich schlecht auf Larrys Wiederwahl auswirken würden. Deshalb suchte Jane den Sender aus San Francisco, den sie über eine spezielle Satellitenleitung empfangen konnte.

Als sie hörte, wie der Moderator vom Tod eines Ex-Häftlings berichtete, setzte Jane sich abrupt auf. Offenbar hatte sie das Ende der Lokalnachrichten erwischt.

"Der frühere Todeskandidat wurde von seinem Bruder James Broud tot in San Rafael in einem Hotel aufgefunden", sagte der Mann. "Die Todesursache ist unbekannt, aber die Polizei untersucht den Fall."

Jane drehte die Lautstärke hoch. Sprachen sie über William Broud? Er war tot? Was das bedeutete, mochte Jane sich kaum ausmalen. Ihr Nervensystem schaltete auf Alarmstufe rot.

Sie kramte in ihrer Tasche, fand das Handy und suchte unter den gespeicherten Einträgen nach Matties Nummer. Es war riskant, das Mobiltelefon zu benutzen, aber sie musste mit ihrer Freundin reden. Sie musste jemandem erzählen, was gerade passiert war.