17. KAPITEL

Das abendlich rosa gefärbte Wölkchen lag wie eine Portion Erdbeereis auf den lavendelfarbenen Hügeln, und in der Luft hing schwer der süße Duft des weißen Jasmins. Es war Cocktailstunde in der Fairmontvilla, und Julia und Bret nippten an Getränken, die nach einem Champagnermix aussahen, als Andrew zu ihnen auf die Terrasse trat.

“Kann ich Ihnen einen Drink holen?” Rebecca kam mit einem Tablett voller Appetithäppchen auf ihn zu.

“Nein, vielen Dank.” Er ging vorsichtig um sie herum zu Julia hinüber, die einen Liegestuhl unter einer riesigen Palme mit Beschlag belegt hatte.

Ob beabsichtigt oder nicht, der Schlitz von Julias Sarongkleid klaffte weit offen und entblößte so viel Haut, dass man sich fragte, ob sie Unterwäsche trug. Ihr glasiger Blick sagte ihm, dass dies nicht ihr erster Drink war.

Bret hingegen, der mit dem Rücken zum Ozean am Geländer lehnte, wirkte stocknüchtern, als er Andrew finster entgegenblickte.

Andrew drehte sich der Magen um. Vielleicht sollte er besser auf herunterfallende Tontöpfe achtgeben. Bret wirkte heute Abend definitiv feindselig.

“Hast du Alison gesehen?”, wandte sich Andrew an Julia. “Sie ist nicht in ihrem Zimmer und hat auch keine Nachricht hinterlassen. Als ich das Haus verließ, fühlte sie sich nicht besonders gut.”

Julias Drink schwappte leicht über, als sie ihn abstellte. “Keine Ahnung, wo sie ist. Ich habe sie seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. Stimmt irgendetwas nicht?”

Andrew versuchte das unbehagliche Gefühl zu verdrängen, das ihn befiel. “Nein, es ist alles in Ordnung. Sie macht wahrscheinlich einen Spaziergang.”

“Um diese Uhrzeit?”

“Es soll Leute geben, die vor dem Dinner eine Runde drehen.”

“Vielleicht in Long Island”, murmelte Julia. “Wir pflegen hier nach dem Essen zu laufen.”

“Ich habe sie gesehen, als sie gegangen ist”, sagte Bret. “Sie ist vor etwa einer Stunde Richtung Strand aufgebrochen und sah aus, als wäre sie in einer Art Trance. Inzwischen ist sie bestimmt schon halb in San Diego.”

“Siehst du?”, sagte Julia und gab Rebecca einen Wink. “Leiste uns doch auf einen Drink Gesellschaft, Andrew. Alison geht es gut. Sie kennt sich hier aus.”

“Machst du Witze?” Bret stieß sich vom Geländer ab. “Sie hat sich ja nicht mal an ihren eigenen Namen erinnert. Ich habe mehrere Male nach ihr gerufen, aber sie hat nicht reagiert.”

Andrew warf ihm einen ernsten Blick zu. “Ich nehme an, sie hatte keine Lust, mit dir zu reden.”

Bret grinste boshaft. “Und ich nehme an, sie erinnert sich nicht an ihren Namen.”

“Bret, jetzt sei nicht albern”, mischte sich Julia ungeduldig ein. “Rebecca, ich brauche noch einen Drink. Und bring auch etwas für Andrew mit.”

Andrew musterte Bret eingehend und versuchte sein Verhalten einzuordnen. Vielleicht handelte es sich wieder einmal um einen seiner Auftritte als verdorbenes Balg, das alte Lied von der Geschwisterrivalität. Aber wenn Bret herausgefunden hatte, dass Marnie nicht seine Schwester war, und versuchte, es zu beweisen, dann hatte Andrew noch ein weiteres Problem – zusätzlich zu allen anderen. Der Druck auf ihn wurde immer größer. Wenn er sich einerseits Brets offene Feindseligkeit und andererseits Julias Trunkenheit ansah, fragte er sich, ob überhaupt einer von ihnen in der Lage wäre, einen solch ausgefeilten Schwindel zu inszenieren, wie er hinter Alisons Verschwinden stecken musste? Der wurde immer aggressiver, die andere stürzte immer weiter ab. Es konnte wirklich jeder von beiden sein – und keiner.

Rebecca kam mit einem Tablett voller Drinks herübergeeilt, das Bret ihr geschickt abnahm, während Andrew bereits zur Treppe lief, die zum Strand hinunterführte.

“Wartet mit dem Dinner nicht auf mich”, rief Andrew zurück. “Ich gehe spazieren.”

Es schien ewig zu dauern, bis er am Fuß der vielen Treppenabsätze angelangt war, und als er schließlich den Strand erreichte, war dieser ziemlich ausgestorben. Der Strand war öffentlich, und tagsüber konnte es hier ziemlich voll werden, doch um die Dinnerzeit herum brachen die meisten Badegäste wieder nach Hause auf.

Die Sonne ging langsam unter, und der Wind wurde kühl. Zum Norden hin hatte man freien Blick auf den Pier von Mirage Bay, dessen Neonlichter bereits hell strahlten. Im Süden war die Küste zerklüftet, und der Blick durch Felsen versperrt. Bret hatte nicht gesagt, in welche Richtung Marnie gegangen war, aber er hatte von San Diego gesprochen. Das war südlich.

Andrew sah zur Terrasse hoch. Bret stand am Geländer und blickte herunter. Rebecca hatte sich zu ihm gestellt.

Andrew ging Richtung Süden.

Andrew war auf dem Weg vom Strand zu Gramma Jos Haus, als ihm Marnie entgegenkam. Sie hielt etwas in der Hand, und die Vordertür vom Cottage stand halb offen. Offensichtlich war sie den ganzen Weg von der Fairmontvilla hierher gelaufen. Das waren nach seiner Schätzung fast zwei Kilometer. Er hatte den Weg gerade selbst zurückgelegt und spürte es schon in den Beinen.

Sie näherte sich ihm mit erhobenem Kopf, und er sah, dass etwas sie erschüttert zu haben schien. Das wilde dunkle Haar wehte ihr ins Gesicht, trotzdem verbarg es nicht ihren aufgewühlten Ausdruck. Sie hatte die Nachricht bereits gehört, die er ihr überbringen wollte. Ihre Großmutter war verschwunden, aber nicht zu einer Kreuzfahrt. Er hatte genug Nachforschungen betrieben, um sagen zu können, dass eigentlich niemand wusste, wo sich Josephine Hazelton aufhielt.

Marnie wollte keinen Trost. Das konnte er auch sehen. Sie igelte sich völlig in ihrem Schmerz ein. Benutzte ihn wie eine Barriere. Und er respektierte das. Er hatte ihre Stärke immer bewundert. Eine andere Frau hätte ihm womöglich gestattet, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten, selbst Alison. Doch diese hier nicht. Sie hätte ihn in eine Salzsäule verwandelt.

Sie blieb einen Meter vor ihm stehen und hob einen Schal hoch, der in allen Regenbogenfarben schimmerte und mit langen weißen Troddeln besetzt war.

“Marnie, was ist los?”

“Ihr Tuch hat sie nicht mitgenommen. Sie ist nie ohne ihr Tuch weggegangen.”

“Das gehört deiner Großmutter?”

Marnie lockerte den Griff um den empfindlichen Seidenstoff und versuchte die Knitterfalten zu glätten. Die Troddeln schwenkten dabei hin und her und waren ihr im Weg.

Andrew kam ihr nicht zu Hilfe. Das war geheiligtes Territorium.

“Sie hätte es niemals hiergelassen”, sagte Marnie. “Der Schal hat ihrer Tante gehört, und in der Beziehung war sie ziemlich abergläubisch.”

Jetzt versuchte sie den dünnen Stoff sorgfältig zusammenzulegen, damit man ihn besser transportieren konnte.

“Lass uns zur Veranda gehen und etwas reden”, schlug er vor.

“Nein, ich kann nicht.”

Das dunkle Haar rutschte nach hinten und gab ihr Gesicht frei. Sie sah ihn mit großen, verletzlichen Augen skeptisch an. Die Intensität ihres Blicks war ihm manchmal fast unheimlich, dieser kühle Argwohn in den Augen, diese abwehrend und kämpferisch verzogenen Lippen. Sie war ungezähmt, verängstigt – und beängstigend. Doch es war die Art von Angst, die einen Mann anzog, ihn herausforderte wie die Sirenen auf dem Felsen, die den Seemännern Einladungen zuriefen und drohten, sie zu vernichten, wenn sie sie annahmen.

Ihr Anblick erregte ihn, und er hasste sich für diese Reaktion. So etwas sollte er lieber bleiben lassen, er durfte noch nicht einmal in dieser Richtung denken.

“Irgendwas Schreckliches ist meiner Großmutter zugestoßen”, sagte sie. “Sie ist verschwunden und hat nichts hinterlassen, was mir irgendwelche Hinweise geben könnte. Keine Nachricht.”

“Warum sollte sie dir eine Nachricht hinterlassen, Marnie?”, sagte er ruhig. “Sie denkt doch, du seist tot.”

Sie verzog schmerzhaft das Gesicht bei der Bemerkung, redete aber weiter. “Sie hat meiner Freundin LaDonna gesagt, dass sie in eine Art Krankenhaus geht, aber ich finde keine Hinweise darauf, keine Telefonnummer, keine Adresse von irgendeinem Arzt.”

“Es wird sicher nicht so schwierig sein, sie zu finden. So viele Krankenhäuser gibt es in dieser Gegend nicht.”

Er war nicht sicher, ob sie ihm zugehört hatte. Er sah zu, wie sie sich den Schal unter den Arm klemmte, und dachte nur, wie jung sie doch war. Nicht wie jung sie aussah. Sie war jung, zweiundzwanzig und vermutlich ohne große Erfahrung. Seit dem Tag, als er Butch und seine Kumpane von ihr weggejagt hatte, schien sie kaum gealtert zu sein. Doch das war Marnie gewesen, und dies hier war Alison. Alison mit Marnies Augen und Marnies Seele.

Es war erstaunlich, wie der Charakter das Gesicht verändern konnte.

“Wenn ich mein eigenes Leben ruiniere, ist das eine Sache”, sagte sie. “Ich muss damit leben und mit dem, was ich Butch angetan habe. Aber niemals wollte ich sie verletzen. Sie hat ihr ganzes Leben dafür gegeben, um mich großzuziehen.”

Andrew blickte an ihr vorbei zum Haus und zu dem kleinen Eichenwäldchen dahinter. Er fragte sich, ob sie zu der Senke hinübergelaufen war und sich dem Horror gestellt hatte. Das wäre eine Erklärung für ihren Zustand.

“Es wird spät”, sagte er. “Lass uns langsam zurückgehen.”

Sie betrachtete sein Gesicht, als suche sie nach etwas, ohne jedoch große Hoffnung zu haben, es zu finden. Konnte man ihm trauen? Konnte man irgendjemandem trauen?

Angst. Dieses Gefühl schien ihr Leben zu bestimmen. Er fühlte sich vollkommen hilflos, als er die Verzweiflung in ihrem Gesicht sah. Und Himmel noch mal, er hasste es, hilflos zu sein.

“Ich werde deine Großmutter finden”, sagte er. “Das verspreche ich dir.”

Eine Gänsehaut überlief ihre nackten Arme. Es sah fast schmerzhaft aus. Sie wandte den Blick ab, nickte aber. Er war sich nicht sicher, was das bedeuten sollte.

“Gehen wir”, sagte sie.

Das Licht schwand schnell, während sie den Weg zurückliefen, und am Strand hielten sich nur noch ein paar hartnäckige Surfer auf und einige Familien, die gerade dabei waren aufzubrechen. Es war zu spät, um zu schwimmen, und noch zu früh für ein Lagerfeuer. Deshalb war es ruhig und friedlich, aber auch ein wenig einsam.

Sie waren bestimmt schon einen Kilometer gelaufen, als Marnie plötzlich stehen blieb und ihn ansah.

“Danke”, sagte sie.

“Wofür?”

“Dass du mir zugehört hast. Ich muss mich ziemlich verrückt angehört haben.”

“Du hast Angst und machst dir Sorgen. Das ist etwas anderes als verrückt zu sein.”

“Ja.” Sie nickte, und sie liefen schweigend ein Stück weiter. Bis er diesmal stehen blieb.

“Ich habe etwas für dich”, sagte er. “Ich weiß nicht, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, aber ich denke, du solltest es haben. Heute Morgen bin ich in das Haus deiner Großmutter gegangen. Ich war vorher auf dem Flohmarkt, um mehr Informationen über sie einzuholen. Diesmal habe ich mit mehreren Leuten gesprochen, und die meisten äußerten sich ziemlich besorgt wegen dieser Kreuzfahrt, auf der sie sich angeblich befinden soll. Sie meinten, dass sie schon zu lange weg wäre. Sie haben sie bereits wochenlang nicht gesehen.”

Er nahm die Schmuckkassette aus seiner Jackentasche. “Das hier stand in ihrem Schrank. Nach der Beschriftung zu urteilen gehört es dir. Ich dachte, du möchtest es vielleicht haben.”

Er öffnete die Schatulle, und sie kam näher, um die zarte Kette darin zu betrachten. Das Gold glitzerte im rötlichen Licht der untergehenden Sonne.

“Meine Großmutter hat sie mir gegeben, als ich noch ein Kind war, damit ich den Kupferpenny am Hals tragen konnte”, sagte sie. “Ich habe die Kette mit dem Penny Tag und Nacht angehabt, bis sie kaputtgegangen ist. Es war nie genug Geld da, um sie reparieren zu lassen, aber …” Marnie nahm die Kette aus der Schachtel und ließ sie am Finger herunterhängen. “Sie ist ja wieder ganz.”

“Sie muss sie wohl zur Reparatur gebracht haben, nachdem du verschwunden warst. Wahrscheinlich dachte sie da noch, du kommst zurück.”

Sie öffnete den Haken, zog den angeschlagenen Kupferpenny aus der Tasche ihrer Shorts und zog die Kette durch den Ring. “Sie hat geglaubt, der Penny würde mich beschützen, und zuerst habe ich ihn eigentlich hauptsächlich getragen, um ihr einen Gefallen zu tun. Kannst du sie mir bitte anlegen?”, fragte sie und reichte ihm die Kette.

Als er den Verschluss an ihrem Hals befestigte, wurde ihm klar, dass dies der Grund war, warum sie blieb. Seine Versprechen, sie zu entlasten, schienen ihr nichts zu bedeuteten. Sie überzeugten sie nicht. Doch dies hier schien ihr wichtig. Sie würde nicht gehen, bevor sie ihre Großmuter gefunden hätte. Und für Andrew war es wichtig, dass sie hierblieb. Seine ganze Tarnung würde ohne sie im hohen Bogen auffliegen – vielleicht geschah das ohnehin. Er hatte seit der ersten Erpresserdrohung keine weitere erhalten, aber ein Gefühl sagte ihm, dass dies sicher bald der Fall sein würde. Die Zeit lief ihm davon.

Darauf sollte er sich konzentrieren, statt die zarte Linie ihres Halses zu bewundern – und sich daran zu erinnern, wie er diese Kurve manchmal stundenlang betrachtet hatte, während sie in Long Island nackt in ihrem abgedunkelten Zimmer schlief. Doch solche Gedanken waren jetzt wirklich völlig unpassend, und auch später dürfte er sie nicht zulassen. Er hatte ihr versprochen, dass er sich ihr nicht in dieser Weise nähern würde, und sich selbst gleichzeitig verboten, jemals wieder daran zu denken.

Sie war so verdammt jung.

“Warum lässt du dir das denn von ihr gefallen, Reb?”

“Was gefallen?” Der Schweiß rann Rebecca über die Braue, während sie auf dem Crosstrainer in die Pedalen trat und Bret Fairmont dabei so weit wie möglich zu ignorieren versuchte. Sie griff nach dem Handtuch, wischte sich die Stirn trocken und wünschte, sie hätte mehr angezogen als nur ihren Sport-BH und die Radlershorts. Es störte sie, wenn sie daran dachte, dass er die Fettpolster an ihrer Hüfte sehen konnte, die von dem engen Bündchen der Shorts noch betont wurden.

Er war ein Mistkerl, selbst wenn er versuchte, nett zu ihr zu sein. Von ihrem Leben hatte er überhaupt keine Ahnung – er würde es auch nie begreifen, und wahrscheinlich interessierte es ihn gar nicht genug, um sich darüber weiter Gedanken zu machen. Er war eben ein Mistkerl.

“Warum lässt du es zu, dass sie ihren Frust an dir abreagiert?”, fragte er. “Sag ihr doch einfach, sie soll dich in Ruhe lassen.”

Genauso wie du ihr sagst, sie soll dich in Ruhe lassen?, dachte sie.

Er stand an der Tür des Fitnessraums, während Rebecca auf dem Crosstrainer marschierte, von dem aus sie das Fenster zur Terrasse im Blick hatte. Sie konnte ihn aus dem Augenwinkel beobachten, sah seine anmaßende Haltung und seine natürliche Eleganz, die er selbst in seinem einfachen Pullunder und den Badehosen ausstrahlte. Doch sie bevorzugte die Aussicht vor dem Fenster, wo sich ein schwarzes Nichts auftat, bis auf die Lichter auf der Veranda.

Bret kitzelte definitiv ihre schlechtesten Seiten aus ihr heraus. Sie war von strengen Eltern erzogen worden, die ihr beigebracht hatten, immer höflich zu bleiben, aber irgendwie, wenn sie mit ihm allein war, schaffte er es jedes Mal, sie zu heftigen Reaktionen zu provozieren. Wenn sie sich jetzt nur überwinden könnte, ihm zu sagen, dass er sie in Ruhe lassen sollte. Sie würde in einer Minute zu einem anderen Trainingsgerät überwechseln, auf dem sie ihm und seinem zweideutigen Grinsen frontal gegenübersäße.

Manche Leute konnten aufdringlich sein, indem sie sich nur in Sichtweite aufhielten. So ging es ihr bei ihm. Er nahm sich … Freiheiten heraus.

Er würde sich über diese Formulierung sicher amüsieren. Freiheiten herausnehmen.

Mistkerl.

“Willst du etwas Wasser trinken?” Er ging zum Wasserkühler hinüber und goss sich selbst einen Becher ein. “Du wirst noch dehydrieren, so wie du schwitzt.”

“Ich will ja schwitzen”, murmelte sie. “Wasser ist schwer.”

Erneut wischte sie sich mit dem Handtuch über das Gesicht, den Hals und diesmal auch ihr Dekolleté. Lass ihn doch gucken. Soll er doch beim Anblick dieses üppigen Körpers geil werden. Sie hätte bei diesem Gedanken glatt einen Lachanfall bekommen können, nur dass er tatsächlich einmal auf sie geil gewesen war. Er hatte sein Ziel intensiv verfolgt. Vielleicht stand er ja nur auf Frauen, die völlig anders waren als seine Mutter. Manche Männer hatten solch einen Tick.

Er trank das Wasser aus und zerdrückte den Becher. “Du musst dich besser behaupten, Reb.”

Er lehnte an einer Spiegelwand, in deren Reflexion seine Größe und Schlankheit noch mehr zur Geltung zu kommen schienen. Er war für ihren Geschmack vielleicht sogar ein bisschen zu schlank, aber die breiten Schultern sorgten dafür, dass er nicht dünn aussah. Sein Oberkörper besaß eine sehr ansehnliche klassische Dreiecksform.

Natürlich bewirkten die Spiegel bei ihr genau das Gegenteil. Sie konnte jeden Makel deutlich sehen – ihre Rettungsringe, das Doppelkinn, und nun glänzte alles vom Schweißfilm. Igitt.

Es erforderte Mut, doch sie holte sich ein frisches Handtuch aus dem Schrank, den sie ständig auffüllte, und ging zum Trainer hinüber, der sich neben dem Wasserkühler befand.

“Lass mich mal durch, bitte”, sagte sie und wartete darauf, dass er ihr Platz machte. Ihr Herz pochte so stark, dass sie den Puls in ihrer Halsschlagader spüren konnte.

Er grinste süffisant und herausfordernd. “Das ist nicht besonders nachdrücklich.”

Langsam kam er auf sie zu. Sie hatte vorgehabt, sich nicht aufhalten zu lassen, doch das änderte sich, als er ihr so nahe kam. Sie atmete immer noch heftig von der letzten Übung und spürte, wie die Hitze von ihrem Körper ausstrahlte. Er musste es ebenfalls merken. Sie glühte förmlich.

Rebecca ging einen halben Schritt zurück.

“Du solltest es nicht zulassen, dass dich irgendjemand herumschubst”, sagte er.

Er streckte die Hand aus und berührte ihren Mund, strich über ihre Unterlippe. Aus irgendeinem Grund rührte sie sich nicht von der Stelle, als er mit dem Daumen über die vollen Lippen fuhr. Die unwillkommene zärtliche Geste löste etwas tief in ihrem Bauch aus.

“Habe ich dir schon gesagt, wie sehr mir deine Lippen gefallen?”

“Wahrscheinlich.”

Er lächelte. “Wenn du dich besser behaupten könntest, würdest du nicht zulassen, dass ich so was hier tue … dich küsse, wenn du gar nicht geküsst werden willst.”

Sie hob den Arm, um seine Hand wegzuschieben, aber er umfasste ihr Handgelenk und zog sie näher an sich heran. “Dich küsse, bis dir Hören und Sehen vergeht”, sagte er und drückte ihr seinen Mund auf die Lippen.

Rebecca wurde so weit von ihm nach hinten gedrückt, dass sie fast den Halt verloren hätte. Sie wedelte mit den Armen und griff ihm ins Haar. Eigentlich hatte sie vorgehabt, ihn von sich wegzuschieben, doch sein Aufstöhnen zeigte ihr, dass sie ihn damit ermutigte. Und dann, plötzlich, ermutigte sie ihn tatsächlich.

Sie umfasste seinen Kopf und erwiderte den Kuss. Auch sie stöhnte auf und berührte ihn mit der anderen Hand. Seinen Rücken, die Hüfte, sein Hinterteil. Sie presste seine Pobacke, und er drängte sich in seiner Erregung heftig gegen sie. Er stieß seine Hüften gegen ihre, rieb und wand sich an ihr, und mit jeder Bewegung wurde sein Schwanz härter.

Danach geriet alles irgendwie aus den Fugen, wurde wilder, und es war völlig klar, wohin es führen würde. Er zerrte an ihren Radlershorts, und sie versuchte ihm dabei zu helfen. Nichts anderes war mehr wichtig, außer diese störenden Hosen loszuwerden, und als es endlich gelungen war, drängte er sie gegen die Wand und drang in sie ein.

Zwei harte Stöße, und sie bettelte nach mehr. Sie schlang die Arme und Beine um ihn und wollte sich mit ihm bewegen. Doch er konnte sie nicht halten, und sie rutschten an der Wand herunter und landeten mit einem Knall auf dem Holzboden. Zum Glück hatte sie ein paar Polster.

“Hmm, Reb, ich liebe es, dich herumzuschubsen”, sagte er, schob sie auf den Rücken und drang erneut in sie ein.

“Au!” Ihr Rückgrat wurde schmerzhaft auf den Boden gedrückt, als er sie vor- und zurückstieß. “So geht das nicht.”

Er hörte schnell auf und zog sie auf die Knie. “Ich habe eine gute Idee”, sagte er und schob sie über die nächstgelegene Trainingsbank. Bevor sie sich richtig festhalten konnte, war er schon wieder in ihr und stieß von hinten wild zu, immer wieder.

“Oh, Darling, ich ficke dich so gern”, schnaufte er. “Warum haben wir überhaupt aufgehört damit?”

Das hatte er kaum ausgesprochen, als er in lustvolle Zuckungen verfiel. Sie klammerte sich an die Bank und rang in seiner heftigen, leidenschaftlichen Umarmung um Atem. Er schien glücklich zu sein, aber sie war nicht zufriedengestellt. Das gelang ihm nie.

Hinterher gab es keine Zärtlichkeiten. Bret besaß gerade noch genug Ritterlichkeit, um ihr von der Trainingsbank zu helfen, aber das war es auch schon. Er bückte sich, um seine Badeshorts wieder hochzuziehen. Rebecca steckte immer noch mit einem Bein in ihren Hosen, konnte sich aber nicht so schnell wiederherstellen. Immerhin war sie schweißnass und musste sich mit dem Spandexmaterial abmühen.

Als sie aufsah, war er wieder vollkommen angekleidet. Man hätte nie auf die Idee kommen können, dass er gerade wie ein Karnickel gerammelt hatte. Er war ja kaum verschwitzt. Bei dem Anblick musste sie ihn noch mehr hassen. Das und die Tatsache, dass er zusah, wie sie mit diesen verdammten Radlershorts kämpfte.

Sie hätte ihm ja den Rücken zugewandt, aber der Anblick war nicht besser. Sie hasste diese widerlichen Spiegel. Das war ein grausamer Scherz der Fitnessindustrie, damit bewirkten sie, dass man sich bei seinem Anblick immer weiter selbst kasteite und die Geräte ständig benutzte. Julia gefielen sie wahrscheinlich, dieser dünnen Hexe. Dieser dünnen alten Hexe. Sie machte immer ein Geheimnis aus ihrem Alter, musste aber zumindest schon fünfzig sein.

“Lass dich nicht von meiner Mutter damit nerven, dass du fett bist”, sagte er, “das geht sie gar nichts an.”

“Ach so, dann meinst du also auch, dass ich fett bin?”

Er zuckte die Schultern. “Das habe ich nicht behauptet. Ein paar Pfunde könntest du schon abnehmen. Wer könnte das nicht?”

“Du zum Beispiel.” Sie musterte ihn und schnaufte. “Du bist zu dünn.”

“Hey, ich bin in großartiger Form. Ich kann es dir zeigen.”

Er ging zu einem breiten Schultertrimmgerät, setzte sich und zog an den Griffen über ihm, konnte die Gewichte aber kaum bewegen. Rebecca lachte höhnisch. “An dem Gerät war ich vorhin, das ist das Gewicht, das ich für mich eingestellt habe.”

“Ich brauche keine Scheißmaschine”, rief er und stand von dem Gerät auf. Dann ließ er sich auf den Boden fallen und nahm die Liegestützposition ein, begann mit der klassischen Übung auf beiden Armen und wechselte dann auf einen über. Sie musste zugeben, dass er das gut machte. Damit konnte sie nicht konkurrieren.

Aber während sie ihm zusah, stellte sie fest, dass er gar nicht darauf geachtet hatte, wo er seine Vorführung stattfinden ließ. Er vollführte seine Macker-Liegestützen direkt unter dem Ständer mit den Hanteln.

“Du bist hier der Mann, Bret”, sagte sie.

“Da hast du verdammt recht.”

Der Schweiß brach ihm aus, und man merkte, dass es jetzt langsam anstrengend für ihn wurde, als sie zu ihm lief und auf ihn hinuntersah. Sie ging um ihn herum, als wollte sie ihn aus einer besseren Position bewundern, und dann, ganz unauffällig, hob sie den Arm und stieß gegen den Halteständer, gerade genug, dass die kleinste Hantel herunterrutschte und auf seinem Kopf landete.

Kawumm. Sie zuckte bei dem Geräusch zusammen.

Bret fiel mit dem Gesicht zuerst auf den Holzboden. Er stöhnte auf und wurde ohnmächtig. Es war seine zwanzigste Liegestütze gewesen. Hoffentlich hatte sie ihn nicht umgebracht.

Leise wandte sie sich an den bewegungslos am Boden Liegenden. “War das nachdrücklich genug, Bret?”