15
Ein beharrliches und ausgesprochen störendes Geräusch riss Duncan aus seinem dringend benötigten Schlaf. Entschlossen, dieses infernalische Geräusch zu ignorieren, streckte er einen Arm aus, um Linnet an sich zu ziehen, doch seine Hand berührte nur einen Strohsack statt der schlummernden Gestalt seiner Gemahlin.
»Was zum ...«, begann er, um dann aber gleich darauf erschrocken aufzuspringen, als er merkte, wo er war und sich erinnerte, warum.
Genauso schnell wurde der Ursprung des lauten Polterns offensichtlich, als zwei seiner Männer am Fuß der Turmtreppe in Sicht kamen. Sie trugen einen reglosen MacKenzie in den Armen.
Einen blutüberströmten MacKenzie, aus dessen Hals ein Pfeilschaft ragte!
»Gott stehe uns bei!«, schrie Duncan, während er sich mit fliegenden Fingern sein Schwertgehenk umschnallte. »Fergus! Weck die Männer! Wir werden angegriffen!«
»Cuidich’ N‘ Righ! Rettet den König!«, brüllte Fergus statt einer Antwort und rappelte sich so hastig auf, wie seine alten Beine es ihm erlaubten. Ohne sich lange mit Fragen aufzuhalten, begann er in der Halle herumzulaufen und stieß seinen Stiefel allen Männern in die Rippen, die bisher noch nicht erwacht waren.
»Bringt eure Ärsche hoch!«, schrie er und schwenkte wild seinen Knüppel über seinem grauen Kopf. »Hört auf, euch herumzulümmeln wie törichte junge Burschen, die mit den Füßen in einem Haufen Mist feststecken!«
»Bemannt die Zinnen!«, donnerte Duncan und rannte auf die beiden Clanangehörigen zu, die den Verletzten trugen. Als er sie erreicht hatte, fegte er den nächststehenden Tisch mit einer Armbewegung leer.
Kaum hatten die anderen Iain, das verwundete Clanmitglied, vorsichtig auf den Tisch gelegt, beugte Duncan sich auch schon über ihn. Er hatte ihm gut Zureden und ihn trösten wollen, aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, als er genauer hinsah und Iains blutleeres Gesicht und die unnatürliche Starre seines mächtigen Brustkastens bemerkte.
Obwohl er wusste, was er sehen würde, hob Duncan behutsam Iains Lider an. Tote Augen starrten zu ihm auf, deren leerer Blick ihm Entsetzen einflößte, ihn mit wildem Zorn erfüllte und ihm die Gefahr, die draußen vor Eilean Creags dicken Mauern lauerte, noch klarer zu Bewusstsein brachte als alles andere.
Eine Gefahr, die keinen Einzug in die Burg nehmen durfte.
Ein Feind, der bald Duncans Zorn und Rache spüren und den Tag bereuen würde, an dem er es gewagt hatte, die Festung der MacKenzies zu belagern.
»Beim Blut Christi!«, zischte Duncan, der nicht nur an Iains sinnlos vergeudetes Leben dachte, sondern auch an die junge Frau und die vier kleinen Kinder, die ohne Ehemann und Vater zurückblieben.
Mit grimmig zusammengekniffenen Lippen schloss Duncan behutsam Iains Augenlider und bedeckte sein wachsbleiches Gesicht mit einer Leinenserviette. Dann schloss auch er für einen Moment die Augen und schüttelte den Kopf, um sich von dem glühenden Zorn zu befreien, der ihn zu verzehren drohte.
Nach einem Moment öffnete er die Augen wieder und blickte sich in der Halle nach seinem ersten Knappen um. Der Junge stand etwa zwanzig Schritte von ihm entfernt und stopfte alle möglichen Arten von Waffen in seinen Gürtel und in seine Stiefel. »Lachlan«, rief ihm Duncan zu, »komm her zu mir!«
Er kam augenblicklich, sprang auf dem Weg über einen Tisch und stieß eine Bank um, bevor er auf der glitschigen Binsenstreu zum Halten kam. »Aye, Sir?«, fragte er, nach Atem ringend.
Duncan legte eine Hand auf die Schulter des Jungen. »Beruhige dich, mein Sohn. Wie willst du richtig zielen können mit deiner Armbrust, wenn deine Brust sich bei jedem deiner Atemzüge hebt und senkt?«
Der junge Mann errötete, aber er nickte zustimmend. »Was kann ich für Euch tun, Mylord?«
»Sag der Köchin, sie soll Schweineschmalz zum Kochen bringen, und die Küchenjungen sollen Abfall zusammensuchen, so viel sie finden können«, befahl er, und seine Stimme klang nun wieder ruhig, trotz des wilden Zorns, der ihn nach wie vor beherrschte. »Sag den Pagen, sie sollen Eimer aus den Abfallgruben füllen und sie dann so schnell wie möglich auf die Zinnen bringen.« Duncan hielt inne und verstärkte den Druck seiner Hand auf Lachlans Schulter. »Aber nicht, bevor du ein paarmal tief durchgeatmet hast, mein Junge.«
Lachlan nickte stumm. Seine Wangen waren noch immer stark gerötet, aber Duncan vermutete, dass es mehr aus Nervosität wegen des ersten richtigen Kampfes war, den der Junge sah, als aus Verlegenheit über die Zurechtweisung.
Die Hände in die Hüften gestützt, sah Duncan dem Knappen nach, als er auf den Gang zueilte, der zur Küche führte. Aus einem plötzlichen Impuls heraus hielt Duncan ihn mit einem lauten Ausruf auf, bevor er auf dem dunklen Gang verschwand.
Der Junge fuhr so schnell herum, dass er fast mit zwei stämmigen Kriegern zusammenstieß, die an ihm vorbeistürmten. »Aye, Sir?«, rief er und schwenkte wild die Arme, um das Gleichgewicht zurückzugewinnen.
»Mach dir keine Sorgen, Junge«, schallte Duncans tiefe Stimme durch die Halle. »Wer auch immer versuchen sollte, diese Mauern zu durchbrechen, wird die Klingen unserer Schwerter zu spüren bekommen ... oder an dem Dreck ersticken, den wir über ihm ausleeren werden!«
Stürmischer Beifall brandete auf bei Duncans Worten. Lachlans Gesicht wurde noch einen Ton röter, aber er verbeugte sich tief vor Duncan, bevor er sich endgültig abwandte und zu seiner Aufgabe davonjagte, und seine Schritte waren jetzt eindeutig beschwingter.
Zufrieden wartete Duncan, bis Lachlan in dem düsteren Küchengang verschwunden war, und erst dann gestattete er sich, seiner eigenen Anspannung mit einer grimmigen Grimasse Ausdruck zu verleihen.
Wieder sprang er auf einen Tisch, und diesmal schlug er laut zwei Zinnkrüge gegeneinander, um die Aufmerksamkeit seiner Männer zu gewinnen. »Hört auf zu schwadronieren, Leute, und nehmt eure Positionen ein!«, brüllte er und warf die Krüge weg, als das Geschrei verstummte und alle Augen sich in seine Richtung wandten. »Wir werden bald genügend heißes Fett und Unrat haben, um die Schufte darin zu ertränken! Und nun macht euch auf die Socken, und möge Gott auf unserer Seite sein!«
Die Worte hatten kaum seinen Mund verlassen, als wütende Schreie laut wurden und das Klirren von Stahl auf Stahl sie von oben erreichte.
Es war ein solch ohrenbetäubender Lärm, dass Duncan, hätte er es nicht besser gewusst, geschworen hätte, es sei am anderen Ende der Halle bereits zum Kampf gekommen. Er warf einen raschen Blick in alle dunklen Ecken, bevor er vom Tisch herabsprang.
Obwohl es für einen Feind praktisch unmöglich wäre, sich Zutritt zu dem geschützten Burgsaal zu verschaffen, war Duncan doch ungemein erleichtert, als er nichts anderes sah als seine eigenen Männer, die hin und her liefen, sich bewaffneten oder zu ihren Posten hasteten.
Nein, das laute Kampfgetümmel, das durch Eilean Creags gewaltige Halle schallte, kam von oben, nicht von drinnen.
Es fand ein Kampf statt auf den Zinnen.
Auf den Zinnen!
Bei der Erkenntnis wurde Duncan von einer grauenvollen Kälte ergriffen, die sein Blut gefrieren ließ und sich wie eine eisige Hand um seinen Nacken legte. Es war Angst, kalte, untrügliche Angst, die aus den tiefsten Abgründen der Hölle ihre Finger nach ihm ausstreckte.
Und wenn er sich nicht bald aus ihrem Würgegriff befreite, würde sie ihm die Luft abschnüren und ihm das Leben nehmen.
Der Himmel stehe ihnen bei, falls die Angreifer die Mauern überwunden hatten! Sie hatten Sturmleitern und stellten vielleicht in diesem Augenblick schon eine vor Linnets Fenster. Versuchten womöglich schon, ihr Zimmer zu erreichen und alles zu vernichten, was ihm lieb und teuer war.
Mit erschreckender Klarheit kehrten die Bilder zurück, die ihm keine Ruhe mehr gelassen hatten, seit er von Kenneths Angriff auf die Pächter erfahren hatte.
Nur waren sie diesmal tausendfach beängstigender.
»Alex! Malcolm!«, brüllte er, um zwei seiner stämmigsten Männer aufzuhalten, bevor sie die Turmtreppe hinaufeilen konnten. »Geht sofort zum Zimmer meiner Gemahlin. Sorgt dafür, dass ihre Fensterläden geschlossen und verriegelt sind. Tötet jeden, der es wagen sollte, zu versuchen, einzudringen. Und sagt dem jungen Thomas, er solle auf seinem Posten vor der Tür bleiben und sie mit seinem Leben schützen.«
Beide Männer nickten und rannten dann zu der Wendeltreppe, die zu dem Turmzimmer führte, das Duncan mit seiner Frau bewohnte. Duncan ballte ganz unbewusst die Fäuste, als er sie die Treppe hinaufstürzen sah, immer zwei Stufen auf einmal nehmend.
Höllenfeuer und Verdammnis, aber am liebsten wäre er ihnen hinterhergelaufen; es war seine Aufgabe, für die Sicherheit seiner Frau zu sorgen.
Und des Jungen, um den er sich nicht weniger sorgte als um Linnet.
Duncan sah nichts anderes als ihre geliebten Gesichter, als er sich einen Weg durch die überfüllte Halle bahnte. Er ging geradewegs zur Turmtreppe und stieß jeden, der das Pech hatte, seinen Weg zu kreuzen, grob beiseite.
Aber sein Pflichtbewusstsein ließ ihn auf der fünften Stufe innehalten.
Herrgott noch mal, was war bloß über ihn gekommen? Er war der Burgherr, und als solcher war es seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, die Sicherheit seiner Clanangehörigen zu garantieren.
Seines gesamten Clans.
Jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes unter seinem Dach.
Und was machte er? Er lief davon zu seiner Frau, vergaß seine Verantwortung und stellte sich blind für seine Verpflichtungen als Oberhaupt des Clans!
Duncan schöpfte tief Atem, um sich zu beruhigen, und fuhr sich mit den Händen durch sein verschwitztes Haar. Nie hätte er gedacht, dass bloße Lust, simples körperliches Verlangen oder vielleicht sogar ein bisschen Zuneigung ihn zu einer solch unbedachten Handlungsweise treiben könnten.
Die Wahrheit war, dass er, nur wenn er seine Männer selbst befehligte und Seite an Seite mit ihnen kämpfte, die Sicherheit all derer garantieren konnte, die innerhalb der Burg lebten.
Einschließlich Linnets und Robbies.
Sich seiner Verantwortung wieder bewusst, warf er einen letzten Blick in den dunklen Gang der Turmtreppe. Er konnte noch immer Alecs und Malcolms eilige Schritte hören. Beide würden seine Frau und das Kind mit ihrem letzten Atemzug beschützen, falls es nötig war.
Wie auch er es tun würde ... von den Zinnen aus.
Bei seinen Männern.
Sein Entschluss war gefasst, und so wandte er sich wieder zum großen Burgsaal um. Die Hände in die Hüften gestützt, betrachtete er kopfschüttelnd das Chaos, das sich um ihn herum entfaltete.
Aber Gott sei Dank war es ein geordnetes Chaos.
Fergus rannte noch immer seinen Knüppel schwingend herum und schnauzte Duncans Männer an, brüllte Befehle und tat sein Bestes, um sie in Bewegung zu bringen.
Nicht, dass ein einziger unter ihnen ein Faulpelz genannt werden könnte.
Ganz im Gegenteil sogar.
Bis auf den letzten Mann waren sie aufgestanden und hatten sich bewaffnet. Mit Stolz bemerkte Duncan, dass sogar seine jüngsten Knappen beherzigt hatten, was man sie gelehrt hatte, und ihre Schwertgehenke abgelegt hatten. Ihre nackten Schwerter glitzerten an ihren Seiten, ungeschützt und kampfbereit, mit nichts anderem als einem schlichten Ring an ihren Gürteln befestigt.
Keiner würde von einer unhandlichen Schwertscheide behindert werden, die leer an seiner Seite baumelte.
Und keiner würde fallen ohne Kampf.
Seine Männer wurden als kühne, tapfere Krieger gefürchtet. Sie zählten zu einigen der erbittertsten, die es in den Highlands je gegeben hatte.
Wer immer leichtsinnig genug war, Eilean Creag zu attackieren, würde einen hohen Preis für seine Tollkühnheit bezahlen.
Stolz beobachtete Duncan, wie seine besten Bogenschützen zur Treppe rannten, um die Zinnen zu besetzen. Andere, nicht weniger geschickte, eilten zu unbemannten Schießscharten in den Mauern, während jene, die bereits an ihren Plätzen waren, ihre Bögen hoben und mit tödlicher Genauigkeit durch die tief in den Stein gehauenen Öffnungen in der Mauer zielten.
Duncans Hand glitt zu dem lederbezogenen Griff seines Schwerts an seiner Seite. Eine zuverlässige Waffe, leicht und ausgewogen, mit einer zweischneidigen Klinge, die scharf genug war, den Arm eines Mannes abzutrennen, ohne auch nur einen Kratzer abzubekommen, wenn sie richtig geführt wurde.
Und Duncan wusste sie sehr gut zu führen.
Besser als die meisten.
Seine Hand schloss sich noch fester um den Ledergriff. Er war weich und glatt, erwärmte sich unter seiner Berührung und begrüßte sie beinahe ebenso verführerisch, wie eine Frau die Zärtlichkeiten ihres Liebhabers empfangen würde.
Duncans Lippen verzogen sich zur bitteren Karikatur eines Lächelns. Seine Absichten waren nicht die eines Liebhabers. Er hatte etwas Ernsteres vor.
Etwas tödlich Ernstes, das schnell und gnadenlos vollstreckt werden würde.
Mit der beeindruckenden Willenskraft, die er sich in Jahren des Kampfs erworben hatte, verbannte Duncan alles andere aus seinem Kopf. Alles, außer seine Leute zu beschützen und den Feind von seinen Burgmauern zu vertreiben. Rasch stieg er die wenigen Stufen hinab, die er schon hinaufgestiegen war, und eilte dann mit großen Schritten zu der Treppe auf der anderen Seite des Saals, um sich zu seinen Männern auf den Zinnen zu gesellen.
Bevor er jedoch die Treppe hinaufsteigen konnte, kam Sir Marmaduke von oben hinabgeeilt. Keuchend, das Gesicht glänzend vor Schweiß, kam der Sassenach unter dem bogenförmigen Eingang zur Halle zu einem abrupten Halt.
Duncan ließ seinem Freund keine Zeit, Atem zu schöpfen. »Wer?«, war alles, was er fragte, obwohl er es tief in seinem Innersten bereits zu wissen glaubte. Es konnte niemand anderer sein. Dennoch wiederholte er das Wort: »Wer?«
»Kenneth, der verfluchte Hurensohn«, keuchte Marmaduke und fuhr sich mit dem Arm über seine schweißbedeckte Stirn. »Im Schutz der Dunkelheit haben sie ihre Galeere außer Schussweite verankert und Ein-Mann-Boote benutzt, um unbemerkt ans Ufer zu gelangen. Es sieht so aus, als versuchten sie, sich unter den Burgmauern hindurchzugraben.«
»Und unsere Abwehr?«
»Wir sind vorbereitet«, berichtete Sir Marmaduke, noch immer heftig keuchend. »Wir haben ein Sperrfeuer von Pfeilen auf sie losgelassen, aber sie benutzen ihre Boote wie Schilde und halten sie über die Pioniere, während sie auf unsere Mauern einhacken.«
»Und brennende Pfeile?«, fragte Duncan und trat beiseite, als zwei Wäscherinnen vorbeeilten, die Körbe mit Leintüchern dabeihatten und offenbar gekommen waren, um Iains Leiche zu versorgen.
»Es würde sich nicht lohnen, die Pfeile anzuzünden. Sie haben die Coracles mit nassen Tierhäuten bedeckt. Ich habe ein paar von ihnen angezündet, bevor sie die Häute darüber werfen konnten«, prahlte Marmaduke, und seine schiefen Lippen verzogen sich zu einem bösen Grinsen. »Aber ich habe es nicht mit brennenden Pfeilen getan.«
Duncan zog fragend eine Braue hoch, als ihm plötzlich ein Verdacht kam. »Nun sag schon, was hast du denn dazu benutzt?«
Marmaduke legte eine große Hand auf Duncans Schulter. »Etwas sehr viel Besseres, mein Freund«, sagte er, und seine Stimme war weich wie Samt und triefte nahezu vor Selbstzufriedenheit. »Etwas, das wir schon vor langer Zeit in die Hölle hätten schicken sollen.«
»Das hast du nicht getan«, sagte Duncan, doch der Ausdruck der Befriedigung auf Marmadukes entstellten Zügen bestätigte seinen Verdacht.
»Und ob ich das getan habe«, bestätigte Marmaduke mit einem vergnügten Zwinkern in seinem gesunden Auge. »Und nun lass uns Zusehen, dass wir ihren niederträchtigen Liebhaber und seine Bande nichtsnutziger Kasper auf ihren verdammten Weg schicken, ihr zu folgen. Wenn ich mich recht entsinne, konnte sie sehr böse werden, wenn man sie zu lange warten ließ.«
»Aye«, stimmte Dunean zu, und ein Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. »Es ist eine Reise, die in der Tat seit langem überfällig ist.«
Marmaduke lachte herzhaft und klopfte Duncan auf die Schulter, und dann begannen beide Männer den Aufstieg über die Wendeltreppe zu den Zinnen. »Haben sie das Torhaus schon erobert?«, wollte Duncan wissen, als sie die steinernen Stufen hinaufeilten.
»Nein. Unsere Wachen lassen einen ununterbrochenen Hagel aus Pfeilen und Steinen auf sie hemiederregnen; sie werden sich weder an das Torhaus noch an den Damm herantrauen.«
»Wie viele Leitern hast du gesehen?«
»Nur ein paar - und sie stellen sie nicht dort auf, wo sie ihnen am meisten nutzen würden«, sagte Marmaduke. Erstaunen klang in seiner Stimme mit. »Bisher haben sie noch keinen Versuch unternommen, Lady Linnets Fenster zu erreichen, und ich bin sicher, dass Kenneth weiß, dass es ihr Zimmer ist.«
»Aber sie versuchen, unsere Mauern zu unterhöhlen?« Duncan runzelte die Stirn. Irgendetwas stimmte nicht. »Kenneth weiß, dass diese Burg nicht erobert werden kann. Sie ist auf soliden Fels gebaut. Es ist also vollkommen sinnlos, was er da versucht.« Er verhielt mit einem Mal den Schritt und drehte sich zu seinem Schwager um. »Oder er will uns damit ablenken. Aber warum?«
Der Sassenach rieb sich das Kinn. »Hmmm ...«
»>Hmmm< ist keine Antwort.«
Marmaduke begann sich mit dem Zeigefinger ans Gesicht zu tippen. Schließlich sagte er: »Iain ist gefallen.«
War der Sassenach verrückt geworden? Hitze schoss in Duncans Wangen, und sein Puls begann wie wild zu pochen. »Das weiß ich«, fauchte er. »Sein Körper ist noch nicht mal kalt, möge seine Seele in Frieden ruhen. So, und jetzt denk gefälligst einmal nach und sag mir nicht, was ich schon weiß.«
»Iain war einer unserer besten Bogenschützen.«
Jetzt wurde Duncan wirklich wütend. »Und?«
Marmaduke schöpfte tief Luft, bevor er antwortete. »Ich würde beim Grab meiner geliebten Arabella schwören, dass sie Iain ganz bewusst erschossen haben. Kenneth hatte seine Augen mit der Hand beschattet und sich die Männer auf dem Wehrgang eine Zeit lang sehr genau angesehen. Und dann sagte er etwas zu dem Armbrustschützen neben ihm. Darauf zielte der Mann, und Iain fiel.«
Duncan überlegte kurz. Es ergab für ihn keinen Sinn. »Vielleicht hatte Kenneth Streit mit Iain? Ich weiß von nichts, was zwischen ihnen vorgefallen sein könnte, aber ich kann mir keinen anderen Grund vorstellen, warum er ausgerechnet Iains Tod befohlen haben sollte.«
»Auch Red James wurde angegriffen.« ·
»Red James?« Duncan fixierte Marmaduke mit einem durchdringenden Blick. »Sag bloß nicht, er ist auch tot?«
»Nein, er lebt. Der Kerl ist stärker als zehn Ochsen.« Marmaduke warf einen raschen Blick die Treppe hinauf, bevor er fortfuhr. »Einer dieser verdammten Mistkerle kletterte eine Sturmleiter hinauf und schlitzte ihm den rechten Arm auf. Die Wunde reicht bis auf den Knochen.«
Wut erfasste Duncan. Red James war einer seiner besten Kämpfer. »Mist, verdammter«, fluchte er. »Glaubst du, er wird den Arm vielleicht nicht wieder benutzen können?«
»Ein solch harter Brocken wie Red James?« Marmaduke zog seine Braue hoch. »Es würde mehr als eine Schnittwunde erfordern, so tief sie auch sein mag, um Red James aufzuhalten. Er hat bloß einen Augenblick geblinzelt, dann warf er seine Armbrust weg, zog sein Schwert und stieß es diesem räudigen Hurensohn direkt ins Herz. Und dann schickte er seinen stinkenden Kadaver und seine Leiter zu seinen Kumpanen, die dort unten an der Mauer buddelten.«
Plötzlich steigerte sich der Lärm auf dem Wehrgang. Das Geräusch rennender Füße und das wütende Klirren von Stahl gegen Stahl warnte Duncan und Marmaduke, dass der Kampf dort oben heftiger geworden war. Schreie waren über den allgemeinen Lärm zu hören.
Gebrüll und laute Schreie.
Schmerzensschreie.
Schreie, wie sie ein Mann nur ausstößt, wenn eine scharfe Klinge ihn durchbohrt.
Tief, treffsicher und tödlich.
»Komm, Engländer«, knurrte Duncan und riss sein Schwert aus seinem Ring. »Wir trödeln hier schon viel zu lange.«
Wutentbrannt stürmte er die Treppe hinauf, dicht gefolgt von seinem Schwager. Hinter sich hörte Duncan das Zischen kalten Stahls, als auch Marmaduke sein mächtiges Breitschwert zog.
Am Kopf der Treppe schloss Marmadukes Hand sich um Duncans Ellbogen und hinderte ihn daran, auf die Zinnen hinauszustürzen. »Hugh wurde übrigens auch getroffen«, sagte er, seine Stimme über den ohrenbetäubenden Lärm erhebend.
Duncan fluchte. »Der Himmel stehe uns bei. Ist er tot?«
»Nein, nur verwundet. Der Pfeil durchbohrte sauber seine Schulter.«
»Verdammt«, fluchte Duncan erneut. »Wir haben keinen besseren Bogenschützen als Hugh.«
Marmaduke nickte. »Richtig, und es ist seine rechte Schulter, die verletzt ist - genau wie bei Red James.«
Der nagende, schwer zu greifende Verdacht, der die ganze Zeit in Duncans Unterbewusstsein geschwelt hatte, flackerte auf und nahm Form an. »Iain, Red James und dann auch Hugh«, sagte er und spürte, wie sein Magen sich vor Wut verkrampfte. »Diese Hurensöhne bringen mit voller Absicht unsere besten Männer um!«
»So scheint es jedenfalls.«
»Dann lass uns die Gefälligkeit erwidern.«
»Mit dem größten Vergnügen, mein Freund«, sagte Marmaduke und hob sein Schwert.
»Cuidich’ N’ Righl«, schrie Duncan und schwenkte seine eigene Klinge. Dann trat er auf den Wehrgang hinaus und ins komplette Chaos.
In ihrem Turmzimmer lief Linnet auf und ab wie ein gefangenes Tier. »Das kann nicht euer Ernst sein, mich hier einzusperren«, fuhr sie die beiden stämmigen Krieger an, die den einzigen Ausgang des Raums blockierten. Mit grimmigen Gesichtern standen sie vor der verschlossenen Tür, ihre muskulösen Arme drohend vor der Brust verschränkt. »Es wird Verletzte, vielleicht sogar Tote geben! Mein Mann würde mich unten in der Halle wollen, damit ich mich um seine Männer kümmere.«
»Es war der Herr selbst, der sagte, Ihr dürftet dieses Zimmer nicht verlassen, Mylady«, erklärte der größere der beiden, Malcolm, mit so ruhiger, zuvorkommender Stimme, dass Linnet ihm am liebsten etwas an den Kopf geworfen hätte.
»Bitte, Mylady, Ihr müsst Euch beruhigen«, versuchte Alec, der andere, sie zu beschwichtigen. »Wir dürfen den Anweisungen des Schwarzen Hirschen nicht zuwiderhandeln. Es ist zu Eurem eigenen Besten.«
Linnet reagierte ungehalten. Wütend warf sie einen Blick auf Elspeth, die am Feuer saß und den schlafenden Robbie an ihrer umfangreichen Taille hielt. Mauger, der betagte Hund des Jungen, schlief auch, er hatte sich auf dem Fußboden zu Elspeths Füßen zusammengerollt.
An der Art, wie Elspeth es vermied, sie anzusehen, war deutlich zu erkennen, dass ihre einstige Amme auf Seiten der beiden Riesen stand, die Duncan hergeschickt hatte, um Linnet von ihren Pflichten abzuhalten.
»Es ist gut und schön, Elspeth und Robbie hinter verschlossenen und bewachten Türen in Sicherheit zu wissen, aber ich bin die Herrin dieser Burg, und es ist meine Aufgabe, die Verletzten zu versorgen.« Sie hielt inne, und ihre nächsten Worte waren an Elspeth gerichtet »Dein Verlobter steckt wahrscheinlich auch mitten im Kampfgetümmel. Möchtest du nicht, dass ich zur Stelle bin, um mich um ihn zu kümmern, falls er verwundet werden sollte?«
»Ich bin nur eine einfache Bedienstete«, erwiderte Elspeth, und die bescheidenen Worte wollten so gar nicht zu ihrem gewohnten selbstsicheren Auftreten passen. »Es ziemt sich nicht für mich, die Entscheidungen unseres Burgherrn anzuzweifeln.«
Der Verzweiflung nahe und angespornt durch eine Reihe dumpfer Einschläge, als Pfeile sich in die geschlossenen Fensterläden bohrten, hastete Linnet durch den Raum und holte ihre Kräutertasche.
Den Tränen nahe, hielt sie sie den sturen Wachen vor die Nasen. »In dieser Tasche ist alles, was benötigt würde, falls meinem Gemahl oder einem seiner Männer etwas zustoßen sollte.« Sie hielt inne und blinzelte, um ihre Tränen zu verdrängen. »Und ihr würdet mich daran hindern, ihnen beizustehen.«
Die Männer schwiegen, und obgleich sie ihr durch ein Nicken zu verstehen gaben, dass sie sie verstanden hatten, rührten sie sich nicht.
»Kümmert es euch nicht, ob einer eurer Kameraden stirbt, nur weil er nicht richtig versorgt wird?«, beharrte sie, die Kräutertasche fest an ihre Brust gedrückt.
Der Blick, den sie wechselten, verriet ihr mehr als Worte.
»Wer?«, fragte sie scharf, ließ die Kräutertasche fallen und griff mit zitternden Händen nach der Kotte des Mannes, der sich Malcolm nannte. »Wer ist...« Sie brach ab, als Panik sie zu erfassen drohte. »Doch nicht etwa mein Mann?«
Malcolm schluckte und sah Alex von der Seite an.
»Ihr werdet es mir sagen!«, schrie sie, an Malcolms Hemd zerrend. »Ich befehle es euch!«
»Sir Duncan ist nichts geschehen, Mylady«, sagte Alec schließlich. »Es war Iain. Ein Pfeil hat ihn in den Hals getroffen. Nichts hätte ihn mehr retten können.«
»Es wird noch andere Verletzte geben, und es ist ihr gutes Recht, dass ich mich um sie kümmere«, sagte Linnet und ließ den Krieger los. Sie trat zurück und straffte ihre Schultern, in ihrer Entschlossenheit bestärkt durch diese schlechten Neuigkeiten. »Vielleicht sogar mein Mann.«
»Um den Herrn braucht Ihr Euch nicht zu sorgen«, versuchte Alec, der gesprächigere der beiden, sie zu beruhigen. »Einen tüchtigeren Kämpfer hat es nie gegeben. Ich habe ihn mit einem einzigen Streich seines Breitschwerts einen Mann in der Mitte spalten sehen.«
»Und wenn er es nicht führen kann? Wenn er durch einen Pfeil verletzt wird?«
»Würde er weiterkämpfen. Euer Gatte ist ein bravouröser Gegner, Mylady«, sagte Malcolm, sein Schweigen brechend. »Er fürchtet nichts und niemanden und würde den Teufel selbst zum Kampf herausfordern, wenn es nötig wäre.«
»Ich kann auch kämpfen«, ließ Robbie sich vernehmen, der plötzlich wach geworden war. Er befreite sich aus Elspeths Armen und schwenkte stolz sein hölzernes Spielzeugschwert. »Ich werde Onkel Kenneth bis zum Tod bekämpfen.«
»Das wirst du, ganz bestimmt«, versicherte ihm Elspeth und erhob sich schwerfällig aus ihrem Sessel, um Robbie, samt Spielzeugschwert und allem anderen, in ihre stämmigen Arme zu schließen. »Du wirst eines Tages ein großartiger und edler Krieger sein. Eines Tages«, bekräftigte sie und nahm den Jungen auf den Schoß, als sie wieder ihren Platz in dem bequemen Sessel einnahm. »Aber zuerst musst du noch ein bisschen erwachsener werden.«
»Nun, ich bin erwachsen«, erklärte Linnet kühl. »Und ich kann auch kämpfen. Meine Brüder haben es mich gelehrt.«
Während Elspeth schockiert nach Luft schnappte, zog
Linnet trotzig ihre Röcke hoch, um den Männern den eindrucksvollen Dolch zu zeigen, der in ihrem Stiefel steckte. »Er hat eine scharfe Klinge, und ich verstehe sehr gut damit umzugehen.« Sie hielt inne und funkelte Alec und Malcolm böse an, als sie den Rocksaum wieder fallen ließ. »Zwingt mich also nicht dazu, es euch zu zeigen.«
»Du gehst zu weit, Linnet«, sagte Elspeth tadelnd. »Hast du schon vergessen, was man sich über Sir Duncans Tapferkeit erzählt? Er braucht deine Hilfe nicht, um seine Feinde in die Flucht zu schlagen. Und was die Verwundeten betrifft, falls es überhaupt welche geben sollte, wird Fergus schon dafür gesorgt haben, dass sich jemand um sie kümmert.«
Linnet warf ihrer einstigen Amme einen aufgebrachten Blick zu und nahm ihre unruhige Wanderung durch das Zimmer wieder auf. Aber nach drei Runden blieb sie mitten im Zimmer stehen. »Hört denn niemand von euch die Schreie draußen?«, rief sie händeringend. »Seid ihr alle taub?« Außer sich vor Angst und Wut, richtete sie den Blick zuerst auf Elspeth, dann auf die beiden Männer. »Ich ertrage das nicht, hört ihr? Wie könnt ihr von mir verlangen, hier herumzustehen und nichts zu tun?«
Mauger erhob sich bei ihrem Ausbruch. Als sei er sich nicht sicher, wie er empfangen werden würde, schlich er, mit gesenktem Kopf und den zottigen Schwanz zwischen den Hinterbeinen, zu Linnet. Leise winselnd stieß er sie mit seiner feuchten Nase an und drängte sich an ihre Beine.
»Mauger«, hauchte Linnet, und selbst dieses eine Wort war fast zu viel für ihre beinah schmerzhaft enge Kehle. Der Hund blickte zu ihr auf, seine braunen Augen verrieten Sorge und Verehrung. Ohne seinen Blick von ihr zu lösen, stieß er ein weiteres jämmerliches Winseln aus und leckte ihr liebevoll die Hände.
Diese Zurschaustellung seiner Ergebenheit zerriss den seidenen Faden, an dem Linnets Beherrschung hing. Mit einem leisen Aufschrei sank sie auf die Knie, schlang die Arme um den alten Hund und barg ihr Gesicht an seiner Schulter. »Oh, Mau-ger, warum hören sie nicht auf mich?«, murmelte sie an der tröstlichen Wärme seines rauen Fells. »Es ist wichtig ... schrecklich wichtig ...«
Während sie den Hund so fest umklammerte, als könne nur er verstehen, hielt sie die Augen fest geschlossen und zwang sich, ihre Tränen zu verdrängen. Selbst als Elspeth sanft eine Hand auf ihren Hinterkopf legte, hielt sie ihre Wange an das Fell des Hundes gepresst, hielt ihn fest umfangen und labte sich an dem Trost, den er ihr so liebevoll antrug.
Wenn doch nur die grauenhaften Geräusche, die von den Zinnen kamen, durch irgendetwas übertönt würden!
Und dann wurden sie es.
Durch etwas noch unendlich viel Beängstigenderes.
Sir Marmadukes Stimme, laut und barsch, die dem jungen Thomas befahl, die Tür zu entriegeln.
Linnet sprang erschrocken auf, blieb aber, wo sie war, und stand wie erstarrt, während Alec die schweren Riegel an der Innenseite der Tür entfernte, die von beiden Seiten gegen Eindringlinge gesichert worden war.
Ein unnatürliches Schweigen legte sich über den Raum, als die Tür knarrend aufschwang und den Blick auf den hoch gewachsenen Engländer freigab. Seine beeindruckende Gestalt füllte den gesamten Eingang aus, aber es war der grimmige Ausdruck auf seinem Gesicht, der panische Angst in Linnet weckte.
Das und das Mitleid, das sie in seinem gesunden Auge sah.
»Nein!«, rief sie, und ihr war, als würde ihr der Boden unter ihren Füßen weggezogen. »Mein Mann? Ist er .. .«Sie brach ab, außerstande, ihre Befürchtungen in Worte zu fassen.
Sir Marmaduke schüttelte den Kopf und strich sich mit einem Arm über seine schmutzige Stirn. »Es tut mir Leid, Mylady, aber ich muss Euch zu Eurem Gatten bringen. Er lebt, aber ich fürchte, nicht viel länger, wenn seine Wunden nicht behandelt werden.« Er hielt inne. »Der Narr weigert sich, die Zinnen zu verlassen.«
Nein! Er darf nicht sterben! Linnet wusste nicht, ob sie die Worte schrie, oder ob sie nur in ihrem Kopf erklangen. Sie hätte es nicht sagen können, weil der Boden unter ihren Füßen plötzlich schwankte und das Zimmer sich um sie zu drehen schien.
Immer schneller, in einem Schwindel erregenden Wirbel aus Farben und verschwommenen Gesichtern, die sich um sie scharten und sie anstarrten.
Er darf nicht sterben!
Der starke Arm des englischen Ritters legte sich um ihre Schultern und stützte sie, und jemand ... Elspeth? ... drückte ihr die Kräutertasche in die Hand und legte ihr den arisaid ihrer verstorbenen Mutter um die Schultern.
Und irgendwo hinter ihr begann ein Kind zu weinen.
»Gott sei mit Euch«, sagte einer der beiden Wachen, aber sie hätte nicht sagen können, welcher.
Dann geleitete Marmaduke sie aus dem Raum und zog sie zu den Treppen, die zu den Zinnen hinaufführten. »Die Wunden sind nicht so schlimm, Mylady, habt keine Furcht«, versuchte er sie zu trösten. »Es ist nur so, dass er nicht aufhören will, zu kämpfen, und durch seine Bewegungen zu viel Blut verliert. Ihr müsst ihn überreden, die Zinnen zu verlassen. Auf Euch wird er hören.«
Er darf nicht sterben!
Auf halbem Weg nach oben gaben Linnets Knie nach. Bevor sie jedoch auf den Steinstufen zusammensinken konnte, fing Sir Marmaduke sie auf und hob sie mühelos auf seine Arme.
»Er wird nicht sterben«, versicherte er ihr, »und ich werde nicht zulassen, dass Euch ein Leid geschieht. Habt keine Angst.«
Linnet presste die Lippen zusammen, umklammerte ihre Kräutertasche und sagte nichts.
»Es wird alles gut werden«, versprach er, als sie um eine weitere Kurve in der Treppe bogen.
Er darf nicht sterben!
»Wir sind gleich da.« Marmaduke hielt vor der Tür, die auf den Wehrgang führte. »Mylady, habt Ihr mir zugehört? Habt Ihr auch nur ein einziges Wort gehört, was ich gesagt habe?«, fragte er, als er mit dem Fuß die Tür aufstieß.
»Aye«, wisperte Linnet rau.
Aber sie bezog sich nicht auf seine gut gemeinten Worte, mit denen er sie zu trösten versuchte.
Nein, möge die heilige Margaret ihr beistehen, sie hörte nichts als die Worte in ihrem eigenen Kopf.
Immer und immer wieder.
Er darf nicht sterben!
Sie würde es schlicht und einfach nicht erlauben.