12
Donner grollte in der Feme, und Geruch nach Regen schien durch Eilean Creags dicke Steinmauern einzusickern und die Halle zu durchdringen, was den riesigen gewölbten Saal sogar noch feuchter und kälter als gewöhnlich machte. Es war kurz vor Tagesanbruch, und viele von Duncans Männern schliefen noch tief und fest im Binsenstreu auf dem Fußboden.
Das flackernde Licht der wenigen Wandfackeln, die zu dieser frühen Stunde brannten, half Duncan, seinen Weg durch den verdunkelten Saal zu finden. Vorsichtig ging er um seine schlummernden Männer hemm oder stieg über sie hinweg, und steuerte geradewegs auf den Tisch zu, wo Sir Marmaduke saß und in einen Weinkelch starrte.
Ohne ein Wort der Grußes an den englischen Ritter zu verlieren, zog Duncan sich seinen Armsessel heran und setzte sich. Seinen Freund ganz bewusst links liegen lassend, brach er ein Stück Brot ab, aß es und spülte es mit einem tüchtigen Schluck schalen Weins hinab.
»Auch dir einen guten Morgen«, sagte Sir Marmaduke und hob in einer spöttischen Begrüßung seinen Kelch. »Es war noch schlimmer, als ich dir vorausgesagt hatte, nicht wahr?«
Duncan trank einen weiteren Schluck des schalen Weins, der vom Abend zuvor noch auf dem Tisch stand, und wischte sich dann den Mund mit einer Leinenserviette ab. »Das kann man wohl sagen.«
»Möchtest du darüber sprechen?«
»Nein.«
Marmaduke strich mit dem Zeigefinger nachdenklich über den Rand seines reich verzierten Kelchs. »Soll ich mit ihr reden? Vielleicht kann ich dir helfen. Am Morgen eurer Hochzeit hat sie auch auf mich gehört.«
Duncan knallte seinen Weinkelch auf den Tisch. »Durch deine Einmischungen habe ich schon genug gelitten, du verdammter Flegel«, sagte er grantig. »Es ist die abscheulichste Tat, die ich bislang begangen habe, und zu versuchen, sie wieder gutzumachen, würde im Augenblick höchstens noch mehr Verstimmungen bewirken.«
»Verstimmungen, die du verursachst, denn es gibt wohl kaum einen Mann, der noch weniger zungenfertig ist als du. Aber du redest von abscheulichen Taten? Gegen deine sanfte Gattin?« Marmaduke schüttelte den Kopf. »Nein, das kann ich nicht glauben, Duncan.«
»Ich verlange auch gar nicht von dir, dass du mir glaubst, denn ich werde nicht mit dir darüber reden.«
»He, mal langsam.« Marmaduke schnalzte missbilligend mit seiner Zunge. »Du hast keinen Grund, so schroff zu mir zu sein.«
»Ich habe jede Menge Gründe, schroff zu dir zu sein, und du solltest dem Himmel dankbar sein, dass ich deinen englischen Arsch nicht hinausschleife für ein Duell auf Leben oder Tod«, schnaubte Duncan. »Ob es regnet oder nicht, und nicht mit stumpfen Schwertern!«
Marmadukes unverletzte Augenbraue ging in die Höhe. »Darf ich erfahren, was ich mir zu Schulden habe kommen lassen, um dich so gegen mich aufzubringen?«
Duncan bemühte sich, seinen Zorn zu mäßigen. »Ich sagte doch schon, dass ich nicht darüber reden will.«
»Gestern Abend warst du aber nicht so abgeneigt, die Sache mit mir zu besprechen«, gab Marmaduke zurück. »Aber ehrlich gesagt erwarte ich natürlich nicht, dass du meinen Rat befolgt hast.«
»Dein Rat war nicht erforderlich, du alter Gauner. Die Sache hat nichts zu tun mit Cassandra und diesem verdammten Bild von ihr«, fauchte Duncan, während er sich ein weiteres Stück Brot abbrach. »Es ist viel ernster noch als das.«
»Dann war sie also nicht besonders beunruhigt... nachdem sie das Porträt gesehen hatte?«
»Na klar war sie beunruhigt!«, entgegnete Duncan hitzig, ohne sich darum zu kümmern, ob er die Männer weckte, die noch immer in den Binsen schliefen. »Sie war ganz schön gekränkt, kann ich nur sagen!«
Marmaduke blickte ihn seltsam an mit seinem einen Auge. »Du redest dummes Zeug. Gerade eben hast du noch behauptet, das Gemälde hätte nichts zu tun mit deiner schlechten Laune, und nun erzählst du mir, sein Anblick hätte deine Frau sehr mitgenommen.« Er beugte sich über den Tisch und stützte sein Kinn auf seine Hand. »Würde es dir etwas ausmachen, dich ein bisschen klarer auszudrücken?«
Auch Duncan beugte sich vor. »Zum Donnerwetter, Marmaduke, du würdest selbst einem Toten noch ein Geständnis entlocken! Wenn du es unbedingt wissen willst, alles, was du prophezeit hast, ist auch eingetreten. Wie es das ja immer tut.« Duncan hielt inne, um den Engländer mit einem vernichtenden Blick zu fixieren. »Meine Frau war in Tränen aufgelöst, aber es gelang mir, sie zu trösten.«
Marmaduke lehnte sich zurück und verschränkte seine Arme. »Wirklich?«
»Ja.«
»Also hast du meinen Rat befolgt?«
»Nein, das habe ich nicht«, entgegnete Duncan ungeduldig. »Ich habe meine eigenen Methoden benutzt.«
»Und das funktionierte?« Marmaduke klang zweifelnd.
»Zu gut.«
»Zu gut?« Wieder zog Marmaduke seine eine heile Braue hoch. »Wie meinst du das, zu gut?«
Diese ärgerliche Angewohnheit seines Schwagers, ständig seine Worte nachzuplappem, ging Duncan auf die Nerven. »Ich meine, dass ich mit ihr geschlafen habe«, schnarrte Duncan.
Ein schiefes Grinsen erhellte Marmadukes entstellte Züge. »Und das ist der Grund für deine schlechte Laune?«
Duncan stand auf und beugte sich so weit über den Tisch, bis er nur noch Zentimeter von Marmadukes Gesicht entfernt war. »Sie war noch unberührt, du hinterhältiger Hurensohn! Eine Jungfrau!«
Marmadukes Kinnlade klappte herab. »Du meinst, du hast sie gestern Nacht zum ersten Mal genommen?«
»Wäre sie noch Jungfrau, wenn ich vorher schon mit ihr verkehrt hätte, du hohlköpfiger Depp?« Duncan brachte sein Gesicht so nahe an Marmadukes, dass ihre Nasen sich beinahe berührten.
»Aber...«
»Aber du dachtest, mich in ihrem Zimmer einzuschließen, als ich benebelt war vom süßen Wein, und danach ein blutbeflecktes Laken vor meinen Männern herumzuschwenken, würde mich zu der Überzeugung bringen, ich hätte sie besessen!« Duncan packte Marmaduke am Kragen seiner Kotte und zog ihn aus seinem Sessel. »Und die Taktik hat sogar gewirkt! Ich glaubte wirklich, ich hätte sie genommen. Aber gleichwohl unterließ ich es, sie erneut zu nehmen, oder dachte es zumindest, da ich sie ja offensichtlich überhaupt nicht angefasst hatte ... bis gestern Nacht.«
Duncan ließ Marmaduke los und hieb mit der Faust auf die harten Tischplanken. »Herrgott noch mal, Strongbow, deine Einmischung hat mehr Kummer verursacht, als ich je wieder gutmachen könnte!«
Marmaduke strich glättend über seine Kotte und starrte Duncan mit einem Ausdruck der Bestürzung an. »Himmelherrgott, Duncan, du solltest froh sein, eine solch tugendhafte Braut zu haben. Ich bedaure dieses kleine Komplott, mit dem ich euch zusammenbringen wollte, aber du kannst mir glauben, es geschah in guter Absicht. Gib mir dein Schwert, und ich schwöre es dir auf die Reliquie in seinem Griff!«
Duncan ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. »Es tut mir Leid, mein Freund«, sagte er. »Und ich bin auch froh, dass meine Frau noch unberührt war. Die Entdeckung hat mich beinahe verzagen lassen.« Er unterbrach sich und wischte mit einer Hand über sein Gesicht. »Du verstehst es nicht.«
»Nein, das tue ich nicht«, räumte Marmaduke ein und füllte seinen Weinkelch wieder auf. Als das erledigt war, verengte er sein gesundes Auge und fragte Duncan: »Oder hast du sie so grob genommen, dass du sie verletzt hast?«
Hitze stieg in Duncans Nacken bei den Worten seines Schwagers. Er war der Wahrheit näher gekommen, als Duncan zugeben wollte.
Nicht einmal vor seinem allerbesten Freund.
Marmaduke lehnte sich wieder zurück und verschränkte seine Arme. »Aha. In deiner ... nun ja ... Eile hast du sie zu Tode erschrocken und verängstigt, und nun will sie nichts mehr zu tun haben mit deiner... Leidenschaft?«
Duncan presste die Lippen zusammen, bis sie nur noch ein schmaler Strich waren. Wenn die Sache doch nur so einfach wäre. Er hätte nichts dagegen gehabt, seine Tage und Nächte damit zu verbringen, seine Gattin zu umwerben und sie die Geheimnisse und Freuden der körperlichen Liebe zu lehren.
Aber das war leider nicht das Problem.
Seine Frau besaß jetzt schon mehr Leidenschaft als jede andere Frau, die er gekannt hatte.
»Nun?«, beharrte Marmaduke, als Duncan schwieg.
»Nun was?«, knurrte Duncan.
»Soll ich dir Unterricht geben, wie man eine Dame ordentlich hofiert?«
Duncan leerte seinen Kelch auf einen Zug. Nur mit Mühe konnte er das Bedürfnis unterdrücken, den leeren Kelch in den nahen Kamin zu schleudern. »Ich bin kein unbeholfener grüner Junge, und ungehobelt bin ich auch nicht. Ich weiß, wie man eine Dame umwirbt und ...« Er unterbrach sich und beugte sich vor. »Ich brauche keine Anweisungen, wie ich die Leidenschaft meiner Gemahlin entfachen kann. Ich würde meine Seele darauf verwetten, dass sie leidenschaftlicher ist als alle Frauen, die du bisher das Vergnügen hattest, zu erproben.«
Schwer ließ er sich auf seinen Platz zurückfallen und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Nein, das ist nicht das Problem.«
»Lass sehen«, sagte Marmaduke und begann an den Fingern abzuzählen, während er sprach: »Die Dame war also noch unberührt, sie ist von leidenschaftlicher Natur, und sie ist sehr viel schöner, als sie selber glaubt. Bei meiner Ehre, MacKenzie, ich begreife nicht, wo das Problem liegt.« Für einen Moment lang hielt er inne und tippte sich mit dem Zeigefinger an das Kinn. »Es ist mir ein Rätsel. Es sei denn... du hättest dich in sie verliebt?«
»Liebe?«, höhnte Duncan. »Dergleichen ist nur gut für die Erzählungen der Troubadoure in langen, kalten Winternächten. Es ist Lust, was ich für Linnet fühle, und überhaupt nichts anderes.«
»Glaubst du?«
»Aye!«, fauchte Duncan, wütend über die Hitze, die unter dem durchdringenden Blick des Sassenachs in seine Wangen stieg. »Sie bringt mein Blut in Wallung.«
»Und das ist alles?«
»Heiliger Strohsack! Das genügt jawohl! Welcher Mann würde nicht schwach werden beim Anblick eines hübschen Mädchens, nackt und überaus verlockend auf seinem Bett?«
Der englische Ritter trank ein paar kleine Schlucke von seinem Wein, während er Duncan prüfend über den Rand seines Zinnkelches anstarrte.
Duncan wand sich unter der kritischen Betrachtung seines Freundes. Wie schaffte der Kerl es bloß, ihn immer wieder derart aus der Fassung zu bringen?
Seinen Kelch so behutsam absetzend, wie er daraus getrunken hatte, fragte Marmaduke: »Und weckt sie nicht auch deine Gefühle ?«
»Herrgott noch mal!« Duncan sprang auf. Für einen langen Moment starrte er schweigend zu der gewölbten Decke auf. Als er den Blick wieder auf Marmaduke richtete, trug der Schuft ein wissendes Grinsen im Gesicht. »Ich habe keine Gefühle, also wisch dieses Grinsen von deinem hässlichen Gesicht. Es ist ihr Körper, nach dem es mich verlangt. Solche Bedürfnisse sind normal bei einem Mann und haben nichts zu tun mit Liebe.«
Marmadukes Lächeln verblasste. »Und das hast du ihr wohl auch gesagt?«
Duncan zog es vor, sich einer Antwort zu enthalten. Mit einem tiefen, frustrierten Atemzug ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen. Die zutreffenden Worte des Sassenachs hatte ihn so hart getroffen wie ein Schlag.
Aye, die Wahrheit schmerzte.
»So, das ist es also.«
Obwohl es ihn ärgerte, es zuzugeben, suchte Duncan den Blick seines Freunds und nickte.
»Möchtest du darüber reden?«, fragte Marmaduke, und Duncan hörte aufrichtige Besorgnis in seiner Stimme. »Vielleicht würden wir zusammen einen Weg finden, den Schaden, den du angerichtet hast, wenigstens einigermaßen wieder gutzumachen?«
»Du bist ein Träumer, Schwager. Begreifst du nicht, was ich dir sage?« Die Stimme senkend, damit kein anderer ihn hörte, sagte Duncan: »Ich habe ihr ihre Jungfräulichkeit genommen und sie in die Freuden fleischlicher Begierde eingeführt, und dann, als sie mich aus diesen verdammten, verflixten Augen von ihr ansah - ganz weich und schmachtend - wurde ich von Panik ergriffen und sagte, ich wolle nichts anderes, als mich hin und wieder zwischen ihren Schenkeln zu entspannen.«
»Bitte sag mir, dass du diese Worte nicht benutzt hast?«
»Nicht exakt diese, aber ihre Gefühle habe ich trotzdem verletzt.« Duncan presste seine Fingerspitzen gegen seine Schläfen. Allein der Gedanke an die lieblose Art, mit der er sie behandelt hatte, verursachte ihm Kopfschmerzen. »Daraufhin kehrte sie mir den Rücken zu, Strongbow. Ich habe etwas in ihr getötet, verstehst du das?«
»Dann bleibt dir keine andere Wahl, als die Lage zu bereinigen ... ihr klar zu machen, dass es dir nicht ernst gemeint war, was du sagtest. Zeig ihr, dass du etwas für sie empfindest.«
»Aber das tue ich nicht«, widersprach Duncan und glaubte, das Gewicht der kalten, feuchten Luft zu fühlen, wie sie auf seine Brust drückte, sich um seinen Nacken schlang, als wolle sie ihn ersticken, und ihm den Atem raubte. »Ich will in der Tat nichts anderes von ihr, als mich hin und wieder bei ihr zu entspannen. Ich kann ihr nicht sagen, dass ich sie liebe, wenn dem nicht so ist. Es wäre eine Lüge, es zu tun.«
Marmaduke sagte nichts.
»Ich werde sie nicht belügen«, beharrte Duncan.
»Nein, wahrscheinlich nicht«, räumte Marmaduke ein, und der Blick in seinem einen Auges war scharfsinnig und weise. »Aber es gibt andere Dinge, die genauso schändlich sind.«
»Wie was zum Beispiel?«, fragte Duncan, obwohl er wusste, dass er die Antwort nicht gern hören würde.
»Sich selbst zu belügen.«
Nach diesen Worten stand der Engländer auf. Gemächlich trank er einen letzten Schluck von seinem Wein, wischte sich den Mund ab und schlenderte dann, ohne einen Blick zurückzuwerfen, aus der großen Halle.
Duncan starrte ihm nach, mit dem Gefühl, gründlich gemaßregelt worden zu sein. Herrgott noch mal, dieser allwissende Griesgram hätte Priester werden können, so gut verstand er es, Unschuldigen Gewissenbisse einzuflößen.
Aber, gestand Duncan sich schließlich verdrossen ein, er war nicht unschuldig.
Er war ein Schuft.
Schlimmer noch, er war ein Lügner.
Der verabscheuungswürdigste Lügner in den Highlands.
Linnet erwachte von einem dumpfen Schmerz zwischen ihren Schenkeln. Ihre Knie anziehend, rollte sie sich zu einem Ball zusammen, schloss die Augen und versuchte, den pochenden Schmerz durch pure Willenskraft zu verdrängen.
Aber er blieb, und der Schlaf wollte sich nicht wieder einstellen.
Und sie vermochte auch nicht die schwachen Streifen Sonnenlicht zu ignorieren, die durch die Ritzen in den Fensterläden fielen. Es war Morgen ... der Morgen, nachdem sie ihre Jungfräulichkeit verloren hatte, ihr Herz und alle Hoffnung, je die Zuneigung ihres Ehemannes zu gewinnen.
Um nicht dem Bedürfnis nachzugeben, die Decke über ihren Kopf zu ziehen und den neuen Tag zu ignorieren, blickte sie sich rasch im Zimmer um, um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich nicht da war und nicht in irgendeiner dunklen Ecke lauerte und darauf wartete, dass sie erwachte, um seinen Unterricht in den Freuden körperlicher Lust fortsetzen zu können.
Aber der Raum war leer, sie war allein.
Linnet erschauderte und fühlte sich ganz und gar benutzt und hintergangen.
Und sie war auch wütend, denn trotz allem konnte sie nicht bestreiten, dass sie für einen Moment enttäuscht gewesen war, als sie gemerkt hatte, dass er den Raum bereits verlassen hatte.
Mit steifen Gliedern, denn jeder Knochen und Muskel in ihrem Körper schien zu schmerzen, stieg sie aus dem Bett und zog sich an, so schnell sie konnte. Mit etwas Glück konnte sie unbemerkt durch die Halle schlüpfen und den Tag in ihrem Kräutergarten verbringen.
Oder vielleicht sollte sie versuchen, an den Wachen am Tor vorbeizukommen, um ungestört am Seeufer spazieren gehen zu können?
Nichts würde sie mehr erfreuen als ein geruhsamer Spaziergang am Kiesstrand von Loch Duich entlang, wo die hoch aufragenden Burgmauern sie vor neugierigen Augen und lästernden Klatschmäulern verbergen würden.
Aber all ihre Pläne, einen Tag in seligem Alleinsein zu verbringen, lösten sich in Nichts auf, als sie die Schlafzimmertür öffnete, auf den Gang hinaustrat und mit ihm zusammenstieß.
»Herrgott noch mal, Frau!«, rief er, ein großes hölzernes Tablett mit Essen in seinen Händen balancierend. »Kannst du nicht aufpassen, wohin du gehst?«
Linnet schrak zurück, als sie seine finstere Miene sah. »Ich konnte doch nicht ahnen, dass du vor der Tür stehst.«
Er ging an ihr vorbei ins Zimmer und stellte das schwere Tablett auf einen kleinen Tisch neben dem Kamin. »Ich habe dir etwas zum Frühstück heraufgebracht. Hafermehlkuchen und eine Kanne frische Buttermilch.« Dann verschränkte er seine Arme vor der Brust und runzelte die Stirn, als sie an der Tür stehen blieb. »Bist du nicht hungrig?«
»Doch«, gab sie zu und fühlte sich sehr unbehaglich unter seinem Blick. »Aber ich hätte auch unten in der Halle essen können. Es war nicht nötig, mir mein Frühstück zu bringen.«
Er gab einen schroffen Ton von sich, dann zog er einen Stuhl für sie heran. »Das Essen unten in der Halle hätte nicht einmal als Almosen gedient«, erklärte er, während er offensichtlich darauf wartete, dass sie sich setzte. »Außerdem dachte ich ... na ja, du würdest heute Morgen vielleicht lieber allein essen.«
Nicht sicher, was der Anlass für diese zuvorkommende Geste war, ging Linnet durch den Raum. Vielleicht wollte er sie von der Halle fern halten? Sie verstecken, so wie er es mit Robbie tat?
Befürchtete er, seine Männer könnten ihren Ausdruck richtig deuten und erkennen, dass zwischen ihnen etwas nicht in Ordnung war?
Oder, was noch bestürzender wäre, konnte er sehen, was sie heute Morgen bedrückte?
Stand es ihr ins Gesicht geschrieben, dass er ihr das Herz gebrochen hatte? Dass er sie zu den Schwindel erregenden Höhen ihrer Hoffnungen und Träume hinaufgeführt hatte, nur um sie dann wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkrachen zu lassen, ihre geheimsten Sehnsüchte um sie herum verstreut wie Scherben zerbrochenen Tongeschirrs?
Sie vermied es, ihn anzusehen, als sie sich setzte und sich vorsichtig einen Becher Buttermilch einschenkte. »Danke«, sagte sie leise und hielt den Kopf gesenkt, um seinen strengen Blicken zu entgehen. »Das war sehr aufmerksam von dir.«
»Nein«, sagte er, und dann trat er vor und streckte seine Hand nach ihr aus, die er aber sogleich wieder sinken ließ, als genierte es ihn, dass er versuchte, sie zu berühren. »Das war das Mindeste, was ich tun konnte, und ... und es ist noch lange nicht gut genug. Du verdienst viel mehr für das, was du mir gestern Nacht geschenkt hast. Ich hätte dir eine Länge feinsten Stoffes und eine Truhe voller Juwelen bringen sollen. Ich ... es ist... Ach, Herrgott noch mal, Linnet«, stieß er hervor und runzelte wieder die Stirn. »Kannst du nicht sehen, dass ich kein Talent für schöne Worte habe?«
»Ich brauche keine schönen Worte.« Endlich blickte sie auf und war überrascht über die starke Röte, die die Wangen ihres gut aussehenden Mannes färbte. »Kostbare Stoffe und glitzernde Edelsteine bedeuten mir nicht viel.«
Wieder streckte er die Hand nach ihr aus, und diesmal strich er mit dem Handrücken über ihr weiches Haar. Die flüchtige Liebkosung erschreckte sie und brachte ihren Puls zum Rasen.
»Hast du nichts anderes zu tun?«, erkundigte sie sich kühl und hoffte, dass er sie in Ruhe lassen würde, während sie gleichzeitig wünschte, er möge sie erneut berühren.
Tatsächlich wünschte sie sogar, er täte sehr viel mehr, als ihr nur mit der Hand über das Haar zu streichen.
Ein eigenartiger Blick erschien in seinen dunkelblauen Augen. »Aye, du hast Recht, es gibt da etwas Wichtiges, was ich zu erledigen habe«, sagte er und setzte sich, ohne den intensiven Blickkontakt mit ihr zu unterbrechen, auf einen Stuhl ihr gegenüber. »Deshalb bin ich hier.«
»Oh?«
Er nickte, und seine Mundwinkel verzogen sich zu einem verführerischen Lächeln. »Eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit«, betonte er.
»Ich verstehe nicht«, sagte Linnet ausweichend, weil sie nicht sicher war, ob sie noch mehr hören wollte. Sie zwang sich, ihren Blick von ihm abzuwenden, und richtete ihn auf das Essen auf dem Tisch vor ihr.
Um nichts in der Welt durfte sie sich in seinem lockenden Blick verlieren und ihr Herz den Launen des verführerischen Lächelns eines Teufels aussetzen.
Aber schon breitete sich wieder dieses angenehme warme Gefühl in ihren Gliedern aus, sammelte sich in ihrem Bauch und brachte ihr die seltsame Macht, die er über sie besaß, nur allzu deutlich zu Bewusstsein.
Aus Furcht, er könne spüren, was sie fühlte, und bevor sie die Konsequenzen bedenken konnte, sagte sie rasch: »Kann es sein, dass es sich bei dieser >wichtigen Angelegenheit darum handelt, wieder deine körperlichen Bedürfnisse bei mir zu stillen? Wenn ja, werde ich mich entkleiden und unverzüglich meine Beine spreizen ... ich weiß ja, dass es meine Pflicht ist.«
Duncan sprang so schnell auf, dass er die Kanne Buttermilch umstieß. Einen Moment lang starrte er entgeistert auf die cremige Flüssigkeit, die über den Tischrand in die Binsen tropfte, dann, mit einer weit ausholenden Armbewegung, fegte er den irdenen Krug und alles andere, was auf dem Tisch stand, auf den Boden.
Nun sprang auch Linnet auf. Die Arme vor sich ausgestreckt, begann sie vor ihm zurückzuweichen. Aber er holte sie mit zwei schnellen Schritten ein, ergriff sie an den Schultern und zog sie beinahe grob an seine Brust.
»Musst du mich immer ärgern?«, schimpfte er und riss sie nahezu von ihren Füßen. »Ich kam her, um mich zu entschuldigen! Um dich zu entschädigen ...«
»Wofür? Für meine Dienste?«, entgegnete Linnet, ihre Stimme kaum mehr als ein Quieken, denn er hielt sie so fest, dass sich der Halsausschnitt ihres Gewands schmerzhaft fest in ihre Kehle presste. »So wie du für die Dienste einer Wirtshausdirne zahlen würdest?«
»Nein! Du bist meine Frau. Verdreh mir nicht die Worte im Mund. Ich habe dir schon gesagt, dass ich nicht gut mit schönen Worten bin.« Abrupt gab er sie frei, um sich mit beiden Händen durch das Haar zu fahren, aber die Geste ließ ihn mehr verzweifelt als erbost erscheinen. »Du verstehst nicht. Ich wollte dich nicht verletzen. Ich ...«
Mit zitternden Fingern brachte Linnet ihr Gewand in Ordnung. »Du irrst dich. Ich verstehe schon. Ich weiß, dass du mir keinen unnötigen Schmerz zufügen wolltest.«
»Ich meinte nicht diese Art von Schmerz«, entgegnete er. »Und ich glaube, das weißt du auch. Ich wollte sagen, es war nicht meine Absicht, deine Gefühle zu verletzen.«
Linnets Herz zog sich zusammen bei seinem ungeschickten Versuch, sich zu entschuldigen, und angesichts der Aufrichtigkeit, die sie in seinen blauen Augen las. Doch trotz allem wagte sie noch immer nicht, seinen Worten oder Taten allzu viel Bedeutung beizumessen.
Seine wahre Meinung über sie und ihre Ehe hatte er ihr in der Nacht zuvor gesagt.
Sie straffte ihre Schultern und bemühte sich, die angenehmen Empfindungen zu unterdrücken, die seine Nähe in ihr weckte. »Ich dachte, du hättest kein Interesse an Gefühlen?«
Nachdem er sie wieder fest an ihren Schultern gepackt hatte, sagte Duncan: »Ich schätze dich wirklich sehr, Linnet.«
»Das sagtest du schon.« Mit einer Kühnheit, die sie sich selbst nie zugetraut hätte, setzte sie hinzu: »Du schätzt mich, wie ein Mann ein gut geschärftes Schwert oder ein gehorsames, ihm treu ergebenes Ross zu schätzen weiß.«
Duncans Gesicht färbte sich scharlachrot. »Himmelherrgott, Frau, kannst du nicht sehen, dass ich versuche, etwas wieder gutzumachen? Sei vorsichtig und ärgere mich nicht zu sehr. Meine Geduld ist heute bereits auf eine harte Probe gestellt worden.«
Ein lautes Klopfen an der geschlossenen Tür ersparte ihr eine Antwort. Ohne sie weiter zu beachten, durchquerte Duncan den Raum und riss die Tür weit auf. Drei junge Pagen traten ein, ein jeder trug zwei Eimer Wasser.
Ein vierter, der kaum älter war als Robbie, trug einen kleinen hölzernen Stuhl herein.
Zwei Knappen folgten, einer mit einem großen Holzschaff in den ausgestreckten Händen, der andere mit einem Stapel ordentlich gefalteter Leintücher in seinen Armen.
»Ich habe dir ein Bad bereiten lassen«, sagte Duncan schroff. Dann folgte er den Pagen zum Kamin und tauchte seine Hand in einen der Eimer. »Das Wasser ist unten schon erhitzt worden, aber es ist nicht besonders warm. Ich werde noch etwas Holz nachlegen, damit du dich nicht verkühlst.«
Linnet verzichtete darauf, mit einem bitteren Auflachen zu antworten. Das Einzige im Raum, woran sie sich verkühlen konnte, war der kalte Ausdruck in Duncans Gesicht.
Die Arme vor der Brust gefaltet und mit zusammengekniffenen Lippen, beobachtete er schweigend, wie die jungen Diener das Holzschaff mit einem großen Stück Leintuch auslegten, den winzigen Stuhl hineinstellten und auch ihn mit einem Leintuch zudeckten, bevor sie nach Rosen duftendes Wasser in die Wanne gossen.
Als sie fertig waren, entließ er sie mit einem strengen Nicken.
Du liebe Güte, er sah aus, als wäre er aus Stein gemeißelt! Kein Wunder, dass die jungen Pagen aus dem Raum flitzten, als könnten sie es nicht erwarten, wegzukommen, und die älteren Knappen ihnen auf dem Fuße folgten.
Sie hatten die gespannte Atmosphäre, die in der Luft hing, sicherlich gespürt. Sie war so intensiv, dass Linnet ihre Bitterkeit fast auf den Lippen spüren konnte. Die heilige Jungfrau Maria erbarme sich ihrer - selbst die kühle morgendliche Brise, die durch die offenen Fenster kam, war nicht so kalt wie der Gesichtsausdruck ihres Mannes.
Diese verdrießliche Miene hatte zweifelsohne sie bewirkt, mit ihrer ungeschickten Art und losen Zunge.
Denn fairerweise musste sie zugeben, dass er tatsächlich gekommen war, um sich zu entschuldigen und sie zu beschwichtigen.
Bedauern über ihre harten Worte begann sie zu beschleichen, als sie ihn erneut die Temperatur des Badewassers prüfen sah. Sein Lächeln von vorhin war verschwunden, ersetzt von einem grimmigen Gesichtsausdruck, der nichts verriet.
»Ich habe Fergus aufgetragen, die Köchin ein paar Tropfen Rosenöl hineingeben zu lassen. Du magst den Duft, vermute ich?«
»Danke, Mylord«, sagte Linnet. »Ich liebe Rosen.«
Ein Teil des Grimms in Duncans Gesicht verblasste und wich einem Blick, den Linnet nicht genau bestimmen konnte. »Hast du vergessen, dass ich dich gebeten hatte, meinen Namen zu benutzen?«
»Danke, Duncan ... Sir«, sagte sie und war stark versucht, wieder ins Bett zurückzukriechen und die Vorhänge zuzuziehen, um sich vor dem Missfallen zu schützen, das ihn wieder zu durchfluten schien.
»Duncan. Einfach nur Duncan«, sagte er mit ernster Stimme. Dann kam er zu ihr und hob sanft eine Hand voll ihres Haars. »Ich bin kein Ungeheuer, Linnet.«
Nachdem er das Haar wieder aus seinen Fingern hatte gleiten lassen, legte er die Hand unter ihr Kinn. »Ich habe dich gestern Nacht gekränkt, und ich bitte dich hiermit unterwürfigst, meine Entschuldigung zu akzeptieren.«
Linnet schaute in seine blauen Augen, die jetzt nicht mehr dunkel waren und stürmisch, sondern fast die gleiche Farbe hatten wie in der Nacht, als er ihr sanfte, liebevolle Worte zugeflüstert hatte.
Die lebhafte Erinnerung an alles, was er in der Hitze seiner Leidenschaft gesagt und getan hatte, löste einen Wirbel widerstreitender Emotionen in ihr aus.
War es möglich, dass es ihm wirklich Leid tat, ihre Gefühle verletzt zu haben?
Vielleicht, aber sie bezweifelte noch immer, dass er Zuneigung für sie empfand.
Oder zumindest nicht so, wie sie es sich gewünscht hätte.
Sie schluckte, denn ihre Kehle war plötzlich trocken wie kalte Asche. Sie flehte die Engel um Erbarmen an - sie wollte, dass er sie liebte.
Wirklich liebte.
Von ganzem Herzen.
Nicht nur als stets verfügbares Ventil für seine männlichen Bedürfnisse.
Aber war er zu solchen Gefühlen überhaupt fähig? Und würde er auch ihre Gefühle für ihn akzeptieren können?
Oder musste sie lernen, sich mit dem bisschen Zärtlichkeit zufrieden zu geben, das er ihr sicherlich gewähren würde, solange sie in seinen Armen lag?
Würde das genügen?
Linnet unterdrückte einen Seufzer. Es würde nie genug sein. Sie wollte mehr, so viel mehr.
»Nun?«, fragte er und riss sie aus ihren Träumen wieder in die kalte Gegenwart zurück. Als sie nicht sofort antwortete, zog er fragend eine Braue hoch. »Bist du bereit, meine Entschuldigung anzunehmen? Und mich so zu nehmen, wie ich bin?«
Sie zögerte für einen Moment. »Aye«, stimmte sie dann leise zu.
Duncan lächelte hoffnungsvoll und zog ihre Hand zu einem Kuss an seine Lippen. »Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich. Heute Nacht werde ich dich lieben, bis du ganz kraftlos bist vor Leidenschaft und mich anflehst, aufzuhören.«
Ihre Hand noch immer in der seinen, fügte er hinzu: »Und wenn es die ganze Nacht erfordern sollte, ich werde dich entschädigen für die Kränkung, die ich dir gestern zugefügt habe.«
Linnet versteifte sich bei seinen leicht dahingesagten Worten. »Es ist nicht Vergeltung, was ich will. Was ich mir wünsche, lässt sich nicht mit Geld erkaufen, und es ist auch nicht durch körperliche ... Erfüllung zu ersetzen.«
Ein Schatten glitt über Duncans Gesicht, und er schien sich von ihr zurückzuziehen, obwohl er noch immer ihre Hand hielt. »Lass uns nicht sentimental werden, Linnet. Ich schwöre dir bei allem, was mir heilig ist, dass ich bis zum Ende unserer Tage für dich sorgen und dich ehren werde. Ich bitte dich, gib dich damit zufrieden. Romantische Liebe, wie du sie dir wahrscheinlich wünschst, gibt es nicht.«
Dann ließ er ihre Hand los und kniete sich vor den Kamin, um Brennholz nachzulegen. Über seine Schulter fuhr er fort: »Du musst mich so akzeptieren, wie ich bin. Wenn du das nicht kannst, sag es mir bitte ehrlich, dann werde ich diesen Raum verlassen und nie wieder über seine Schwelle treten.«
Nachdem seine Aufgabe erledigt war, richtete er sich wieder auf. »Es ist nicht mein Wunsch, dir Kummer zu bereiten. Ich frage dich noch einmal, wird dir meine Zuneigung genügen?«
Da dies die einzige Option war, die sie hatte, nickte Linnet stumm.
Er belohnte sie für ihre Lüge mit einem seiner beglückenden Lächeln.
Die Art von Lächeln, die nur äußerst selten seine Lippen zierte.
Es wärmte ihr Herz und löste ein Flattern in ihrem Magen aus, trotz der kalten Leere dessen, was er da von ihr verlangte.
Über ihre scheinbare Nachgiebigkeit erfreut, reichte er ihr seine Hand. »Dann komm, ich helfe dir, dich auszuziehen.«
Kaum legte sie ihre Hand in seine, wurde sein Lächeln so sündhaft, dass es ihr den Atem raubte. »Vielleicht sollte ich dir auch beim Baden helfen«, schlug er vor und streichelte ihre Handfläche mit seinem Daumen.
Und jeder dieser kleinen Kreise, die er mit dem Daumen beschrieb, schürte den Widerstand, der sich tief in ihr zusammenbraute.
Offenbar glaubte er, er brauche ihr nur ein Lächeln und ein bisschen Zärtlichkeit zu schenken, und sie würde sich ihm zu Füßen werfen und tun, was ihr befohlen wurde.
»Dein Bad erwartet dich«, bemerkte er mit einem viel sagenden Blick auf das Holzschaff. »Sollten wir dir nicht lieber deine Kleider ausziehen, bevor das Wasser kalt wird?«
Ich bin es, die kalt geworden ist, Mylord Verführ-mich-nicht. Aber Linnet behielt die scharfe Entgegnung für sich. In Wahrheit war sie nicht einmal sicher, dass sie ihm widerstehen konnte. Seine geschickten Finger hatten sie bereits aus ihrem Gewand bugsiert! Aber als er ihr das einzige Kleidungsstück, das ihr geblieben war, ausziehen wollte, ihr dünnes Unterkleid, konnte sie die Worte des Protests, die ihr auf der Zunge lagen, nicht länger unterdrücken.
»Ist dies eine neue Form von derber Unterhaltung, Sir? Mich nackt auszuziehen und mir beim Baden zuzusehen?« Sie umklammerte seine Handgelenke und versuchte vergeblich, seine Hände von ihrem Unterkleid zu lösen. »Habe ich gestern Nacht nicht deutlich genug gesagt, dass ich es vorziehe, unbeobachtet zu sein, wenn ich mich wasche?«
»Himmelherrgott!« So schnell, wie der ärgerliche Fluch die Lippen ihres Mannes verlassen hatte, so schnell befreite er sich aus ihrem Griff und zog ihr das dünne Hemdchen aus. Tatsächlich beraubte er sie ihres dürftigen Schutzes mit einer derartigen Geschwindigkeit, dass sie kaum bemerkte, dass er es ihr über den Kopf gezogen hatte, bis sie, mit nichts anderem als ihrer Haut bekleidet, vor ihm stand.
Und wie jedes M al zuvor war es auch jetzt wieder ein wunderbares Gefühl. Berauschend, potent und sehr viel mächtiger als der Anflug von Rebellion, der irgendwo in ihr noch immer glühte.
Dann legte er seine Hände auf ihre Schultern und begann mit einer langsamen und zärtlichen Erforschung ihres Körpers. Fast ohne sie zu berühren, ließ er seine Hände an ihren Seiten hinabgleiten und dann wieder hinauf, legte seine Hände hinter sie und strich sanft über ihren Rücken, um schließlich beide Hände um ihren wohl geformten Po zu schließen. Mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung schob er seine Hände zwischen ihre Schenkel und liebkoste sie auch dort.
Die Macht seiner Berührung ließ ihre intimste Stelle pulsieren vor Verlangen, und ihr Herz vergaß den letzten Rest des Widerstands, den sie ihm eigentlich hatte bieten wollen.
Unfähig, ihm auch nur eine Sekunde länger zu widerstehen, überließ sie sich den Empfindungen, die er in ihr weckte. Als spürte er den genauen Augenblick ihrer Kapitulation, zog er sie an sich, und freudig schlang sie ihre Arme um seinen Hals.
Es war schöner, als mit Worten zu beschreiben war, einfach nur in seinen Armen zu liegen und seinem Herz nahe zu sein.
Einem Herz, das sie zu gewinnen trachtete.
Trotz ihrer angeblichen Akzeptanz eines gemeinsamen Lebens zu seinen lieblosen Bedingungen.
»Bei allen Heiligen, du verlockst mich«, murmelte er an ihrem Haar, als er sie in seine Arme nahm und aufhob. Sanft ließ er sie in das angenehm warme Wasser der Badewanne herab. »Noch nie zuvor in meinem Leben habe ich eine Frau so sehr begehrt.«
Ohne seinen Blick von ihr zu wenden, ließ er sich neben der Wanne auf den Knien nieder. Sanft nahm er ihr Gesicht zwischen seine großen Hände, beugte sich zu ihr vor und strich mit seinen Lippen zärtlich über ihre.
Eingelullt vom Zauber seiner Küsse und der tröstenden Wärme ihres Bads, fühlte Linnet ihren Widerstand dahinschmelzen und ihre Glieder flüssig wurden wie das parfümierte Wasser. Sie seufzte, und ihr Atem vermischte sich mit seinem... eine berauschende Empfindung, die eine pulsierende Hitze zwischen ihren Schenkeln auslöste und sie mit einem intensiven Gefühl der Wärme durchströmte. Sie öffnete ihre Lippen, in einer stummen Aufforderung an ihn, den Kuss zu vertiefen.
Duncan erfüllte ihren Wunsch und presste seinen Mund zu einem leidenschaftlichen Kuss auf ihren, nahm ihn mit seinen Lippen und mit seiner Zunge glutvoll in Besitz. Als er seine Hände ihre Schultern hinuntergleiten ließ, um ihre Brüste zu umfassen, konnte sie nichts anderes mehr tun, als dem fiebrigen Verlangen nachzugeben, das sich in ihr aufbaute.
Eine winzige innere Stimme schalt sie eine liebestolle Närrin. Eine wollüstige Person, die bereit war, ihren Stolz einzutauschen gegen die sinnliche Berührung eines Mannes, das Gefühl seiner Lippen auf den ihren, seiner Hände, die sich mit aufreizender Langsamkeit über ihre Brüste bewegten, und die überwältigende Erfüllung, die sie gestern Nacht bei ihm gefunden hatte.
Ein Schauer, diesmal alles andere als angenehm, lief über ihren Rücken. Ja, sie war wahrlich tiefer gesunken als die billigste Wirtshausdirne.
Hatte ihre Moral geopfert für die wonnevolle Erregung einigerweniger Momente in den Armen eines Mannes, der ihr klipp und klar gesagt hatte, dass er sie niemals lieben würde.
»Duncan, warte«, bat sie, als er den Kuss unterbrach, um mit den Lippen die sanfte Biegung ihres Nackens zu liebkosen. »Bitte, ich kann es doch nicht.«
»Psst«, murmelte er beschwichtigend, »natürlich kannst du es.« Sanft legte er zwei Finger an ihre Lippen und brachte sie zum Schweigen. »Du brauchst nur zu fühlen. Lass mich dich verwöhnen, dir zeigen, wie sehr ich dich begehre, und dich lieben, bis du von unseren Umarmungen vollkommen ermattet bist und um Gnade flehst.«
»Aber du ...«
»Ich habe dir gesagt, dass wir nicht von Liebe sprechen werden«, sagte er, als hätte er erraten, was sie dachte. Abrupt richtete er sich auf, streifte seine Kotte über seinen Kopf und ließ sie auf den Boden fallen. Dann bückte er sich, um seine Schuhe auszuziehen.
»Tu es nicht«, flehte sie ihn an. Vergeblich versuchte sie, ihren Blick von seiner nackten Brust abzuwenden, obwohl der Anblick seiner ausgeprägten Muskeln dort ihr Herz zum Hämmern brachte. »Es ist nicht richtig«, wisperte sie rau. »Du liebst mich nicht.«
»Schweig, Süße«, protestierte Duncan und streifte bereits seine Strümpfe über seine kräftigen Schenkel, während er noch mit ihr sprach. Mit dem Fuß schob er sie aus dem Weg und wandte sich, die Hände in die Hüften gestützt und voll erregt, zu Linnet um. »Ich begehre dich und verspüre ein fast schmerzhaftes Verlangen nach dir.«
Linnets Herz verkrampfte sich bei seihen Worten, ihr Stolz drängte sie, wegzusehen oder zumindest ihre Augen zu schließen, aber sie konnte weder das eine noch das andere tun.
Das heiße Pulsieren tief in ihrem Innersten ließ sich nicht mehr ignorieren. Dieser verräterische Teil von ihr bat, nein, drängte sie, all ihre Bedenken aufzugeben und sich den fast unerträglich süßen, sinnlichen Empfindungen zu überlassen, die er in ihr wecken konnte, wie sie wusste.
Als spürte er das Nachlassen ihres Widerstands, huschte ein verführerisches Lächeln über seine Lippen, und er griff nach ihrer Hand. Ein merkwürdiger Ton, ein raues, beinahe animalisches Stöhnen, entrang sich Linnets Kehle, als seine starken, warmen Finger sich um ihre schlossen.
Ohne den Blick von ihr zu wenden, zog er ihre Hand an seinen flachen Bauch. Dort hielt er sie fest, und einen quälend langen Augenblick ruhten ihre gespreizten Finger auf seiner glühend heißen Haut.
Dann schob er ihre Hand langsam ein wenig tiefer.
Ihr Blut raste, jede Faser ihres Körpers prickelte vor Erregung, als er ihre Hand sanft über das dichte schwarze Haar an seinem Unterleib bewegte.
Mit einem Aufstöhnen, das wild genug klang, um von einem Tier zu stammen und nicht von einem Menschen, zog Dunean ihre Hand über den Beweis seiner Begierde und schloss ihre Finger um den heißen, harten Schaft.
Das Gefühl seiner Hitze, seiner stolzen Kraft, die hart wie Stahl zu sein schien und dennoch glatt wie Seide unter ihren Fingern, entfachte tausend kleine Feuer in ihr, raubte ihr den Atem und zerstreute ihre Zweifel und Bedenken.
Ließ sie ihren Widerstand gegen diese ... diese lieblose körperliche Vereinigung vergessen.
Und ihren Stolz.
Sie seufzte, und ihre Finger begannen sich wie von selbst über seine intimste Körperstelle zu bewegen. Er musste eine Art Zauberer sein, denn es war doch gewiss keine kleine Leistung, ihre Zweifel zu verdrängen und sie in einen Strudel solch hemmungsloser Sehnsüchte zu stürzen, dass sie vor Verlangen zu vergehen glaubte.
Ja, die Liebkosung ihres Mannes, sein Kuss, ihn zu berühren, ja, selbst ein Blick von ihm waren eine machtvollere Mischung als der stärkste Met.
Berauschender als der süßeste aller Weine.
Als hätte sie die gleiche Wirkung auf ihn, verdunkelten sich seine Augen und glühten nahezu vor Leidenschaft. Leise ermutigende Worte flüsternd, öffnete er sanft ihre Finger, beugte sich dann vor und legte ihre Hände um seinen Nacken.
Linnet hielt sich an ihm fest, als er seine Arme unter ihren Rücken und ihre Knie legte und sie aus der Wanne hob. Wasser rann in kleinen Bächen über ihren Körper, und sie fröstelte ein wenig im frischen Seewind, der durch die offenen Fenster kam, aber das kümmerte sie nicht ... sie nahm nichts anderes mehr wahr als das herrliche Gefühl, in den starken Armen ihres Ehemanns zu liegen.
Er trug sie zum Bett, doch schon nach drei Schritten durch den Raum hielt er inne, um ihre Lippen zu einem weiteren leidenschaftlichen Kuss in Besitz zu nehmen. Linnet schmiegte sich an ihn, vergrub die Hände in seinem dichten Haar und war außerstande, etwas anderes zu tun, als der Glut ihres eigenen drängenden Verlangens nachzugeben.
Dann, als sie schon gerade glaubte, vor Lust und Wonne zu vergehen, durchbrach ein lautes Klopfen an der Tür den Nebel ihrer Leidenschaft.
»Verdammt!«, fluchte Duncan und warf einen aufgebrachten Blick zur Tür.
Linnet, die noch immer in seinen Armen lag, verbarg ihr Gesicht an seinem Nacken und biss sich auf die Unterlippe, um den lustvollen Seufzer zu unterdrücken, den sie beinahe ausgestoßen hätte.
»Psst«, wisperte Duncan in ihr feuchtes Haar.
Aber das Klopfen ertönte von neuem, unermüdlich und beharrlich. »Mylady? Seid Ihr da?«, rief eine junge Stimme zwischen dem aufdringlichen Klopfen.
»Verdammt«, wiederholte Duncan und stellte Linnet auf die Beine.
Er holte ein großes Badetuch von einem Stuhl, und sie hüllte sich dankbar darin ein, als er es ihr zuwarf.
Mit angehaltenem Atem beobachtete sie, wie Duncan wütend den Raum durchquerte und die Tür aufriss.
Sein nackter Körper versperrte ihr die Sicht auf das unglückselige Geschöpf, das es gewagt hatte, sie zu suchen, aber sie hörte ein scharfes Einatmen, und dann stammelte eine junge Stimme: »Guten ... Morgen, Sir.«
»Und gut war er auch bis jetzt«, versetzte Duncan knapp und verschränkte seine Arme. »Was führt dich zu dieser frühen Stunde in die Gemächer meiner Frau?«
»Ich ... ich wusste nicht, dass Ihr hier seid, Sir.« Der Junge trat nervös von einem Fuß auf den anderen, und Linnet konnte ihn für einen kurzen Moment sehen. Obwohl seine Wangen ungewöhnlich stark gerötet waren, erkannte sie ihn als den jüngsten Knappen ihres Mannes. »Es war Fergus, der mich hergeschickt hat. Er bat mich, Lady Linnet zu holen.«
»Fergus?« Duncan warf Linnet einen fragenden Blick zu. »Und was, bitte, will Fergus von ihr, was nicht warten könnte, bis meine Frau ihr Bad beendet hat und von selbst hinunterkommt?«
Der Knappe schluckte geräuschvoll und versuchte es dann zu erklären. »Er möchte sie um ihren Segen bitten, Mylord.«
»Ihren Segen?«
»Aye, Sir«, bestätigte der junge Mann. »Ich ... ich glaube, er möchte Lady Linnets Dienerin heiraten.«
»Heiraten?«, fragte Duncan in ungläubigem Ton. »Du meinst die frühere Amme meiner Frau? Diese Elspeth?«
»Aye, sie ist es, Sir.«
»Dann sag Fergus, dass meine Frau und ich ihn und seine Zukünftige in einer Stunde in meinem früheren Arbeitszimmer erwarten«, befahl Duncan. »Und nun verschwinde wieder und stör uns nicht mehr«, fügte er noch rasch hinzu, während er die Tür schon schloss.
Dann wandte er sich um und lehnte sich mit dem Rücken gegen die massive Eichentür. »Hast du das gehört?«, fragte er und schüttelte den Kopf. »Fergus möchte heiraten? Der alte Bock! Er wollte nie etwas mit Frauen zu tun haben, außer bei seinen seltenen Ausflügen ins Dorf, um seine ... ähm ... Bedürfnisse zu stillen.«
Linnet zog das große Leintuch noch ein wenig fester um ihren Körper. »Mir ist schon aufgefallen, dass sie einander sehr zu mögen scheinen. Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht bin.«
»Aber heiraten? Als Nächstes wird er noch behaupten, er sei verliebt.«
»Möglicherweise ist er das ja auch«, entgegnete Linnet. »Vielleicht haben sie sich beide verliebt.«
»Bah!« Duncan schnaubte verächtlich. »So etwas gibt es nicht. Und sollten sie das denken, sind sie beide alte Narren.«
Linnet zuckte mit den Schultern. »Wie Ihr meint, Mylord.«
Aber in Wahrheit hätte sie nicht weniger mit ihm übereinstimmen können.