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»Sie weigert sich, hinunterzukommen, Sir.« Lachlan trat vor den Stufen zur Kapelle zu Duncan und blickte seinen Herrn beunruhigt an.

Duncan strich sich mit der Hand durchs Haar und schaute dann zum grauem Morgenhimmel auf. Es war kein guter Tag für eine Hochzeit. Ein kalter Wind wehte von Norden, und die Unheil verkündenden Wolken in der Ferne schienen darauf hinzudeuten, dass der leichte Nieselregen, der seit dem Morgengrauen fiel, sich schon bald in einen ausgewachsenen Platzregen verwandeln würde.

Nein, es war kein guter Tag, um eine Ehe zu beginnen.

Und nun, zusätzlich zu ihrer Unfähigkeit, ihn Robbies wegen zu beruhigen, wie er gehofft hatte, wollte seine Braut ihn auch noch vor seinen Männern demütigen!

Mit ihren besten Plaids und Harnischen bekleidet, standen die Angehörigen seines Clans und seine Ritter in einem Halbkreis vor den Burgstufen und warteten darauf, ihre neue Herrin an seine Seite zu geleiten. Andere bildeten eine lange Reihe, die sich von der Burg bis zu dem kleinen Oratorium erstreckte, vor dem er stand.

Sie alle warteten schon seit Tagesanbruch.

Duncan blickte sich über die Schulter nach dem Priester um. Der fromme Mann stand gelassen da, die Hände vor der Brust gefaltet, und seine ganze Haltung strahlte Duldsamkeit und Langmut aus. Hinter ihm, in der Kapelle, vermochten selbst Dutzende von Kerzen nichts dazu beizutragen, die Düsterkeit des grauen Morgens zu vertreiben.

Und die Blumensträuße, die Fruchtbarkeit und Freude symbolisieren sollten, unterstrichen höchstens noch die Parodie, die im Begriff war, stattzufinden.

Nur die Nähe des Priesters hielt Duncan davon ab, einen ganzen Schwall gotteslästerlicher Flüche auszustoßen.

»Ist sie angekleidet?«, fragte er schließlich seinen Knappen.

»Aye, Mylord.«

Duncan wandte sich zu Sir Marmaduke. Der so furchtbar entstellte englische Ritter lehnte am Torbogen der Kapelle und sah aus, als sei er ungemein belustigt über die unerwartete Wendung der Ereignisse dieses Morgens.

»Hör auf zu grinsen wie ein dusseliges Frauenzimmer!«, fuhr Duncan ihn an. »Ich finde es überhaupt nicht komisch, dass das Mädel jetzt den Dickkopf spielt.«

Marmaduke lächelte, so gut das mit seinen vernarbten Zügen möglich war. »Lass nicht deine Wut an mir aus, Duncan. Vielleicht solltest du dich einmal fragen, was du ihr getan hast, dass sie es vorzieht, heute Morgen nicht ihr Zimmer zu verlassen.«

»Was ich ihr getan habe?« Duncan machte ein verdrießliches Gesicht. »Gar nichts habe ich ihr getan. Ich habe sie nur vor dem Trunkenbold ihres Vaters in Sicherheit gebracht und ihr eine Truhe feinerer Kleider gegeben, als sie in ihrem ganzen Leben vermutlich je gesehen und schon gar nicht erst besessen hat.«

»Was ist denn dann gestern in deinem Arbeitszimmer vorgefallen, was sie veranlasste, in den Saal hinunterzustürzen, als hätte sie ein Gespenst gesehen?«

Duncan vergaß die Anwesenheit des Priesters und fluchte.

Marmaduke ging zu Duncan und klopfte ihm auf die Schulter. »Da hast du die Antwort, mein Freund. Was immer du zu ihr gesagt hast, hat ihr offensichtlich nicht gefallen. Ich habe dir immer schon gesagt, du solltest bei den Damen mit ein bisschen mehr Raffinesse vorgehen.«

»Ich habe nichts getan, was sie verärgern könnte«, beharrte Duncan und schaute zu dem Turmfenster auf, hinter dem Linnets Gemächer lagen. »Ich habe ihr nur gesagt, dass hier nur sehr wenig von ihr erwartet werden würde.«

»Und wie hast du dich ausgedrückt?«, beharrte Marmaduke.

Duncan schnaubte. »Herrgott noch mal, du hartnäckiger Esel, ich habe ihr nur gesagt, ich gedächte nichts anderes von ihr zu verlangen als die Nutzung ihrer Gabe, und sie müsse sich um Robbie kümmern.«

Marmaduke pfiff durch die Zähne, dann schüttelte er den Kopf. »Das ist ja noch schlimmer, als ich befürchtet hatte. Wie ist es nur möglich, dass ein Mann, der so viel Zeit mit dem alten Robert Bruce verbracht hat, bei einer Frau derartige Böcke schießen kann?«

Etwas, das verdächtig nach unterdrücktem Lachen klang, kam aus Lachlans Richtung und setzte sich durch die Reihen seiner Männer fort, was ihnen einen aufgebrachten Blick von Duncan eintrug.

Gütiger Himmel, nun lachten ihn die Kerle auch noch aus!

»Wenn du dich für solch einen Charmeur hältst, Sassenach, warum gehst du dann nicht selbst hinauf zu ihr und bringst sie ’ her?«

»Es wird mir ein Vergnügen sein.« Nach einer eher spöttischen Verbeugung machte Marmaduke sich auf den Weg zur Burg. Nach zehn Schritten blieb er jedoch wieder stehen und blickte sich noch einmal um. »Vielleicht gebe ich dir irgendwann mal Unterricht, wie man mit einer Dame umgeht.«

Zu Duncans Erstaunen kam Marmaduke kurze Zeit darauf schon wieder aus der Burg, gefolgt von seiner Braut und ihrer Dienerin. Sofort ließen seine Pagen ihre Trompeten erschallen, seine Ritter schlossen sich dem Trio an, als es den Burghof überquerte, und alle klatschten, als ob sie im Begriff wären, an einer echten Hochzeit teilzunehmen statt an einer bloßen Farce.

Je näher sie der Kapelle kamen, desto mehr begann Duncan seine Entscheidung zu bereuen, die kleine MacDonnell zur Frau zu nehmen. Aye, es wäre wirklich besser gewesen, sie zu

entführen, sie zu zwingen, seine Zweifel über Robbie zu beseitigen, und sie dann nach Dundonnell zurückzuschicken. Stattdessen würde er sich nun mit einer zweiten Ehefrau belasten, die er im Grunde gar nicht haben wollte.

Es war nur ein geringer Trost für ihn, dass sie den Anschein erweckte, als wäre sie genauso unglücklich über die Situation.

Alle anderen Anwesenden hingegen schienen fest entschlossen, sich heute komplett zum Narren zu machen.

Seine Männer tollten herum wie eine Horde dummer Weiber. Sie brüllten raue Scherze, klatschten und führten sich so auf, als wären sie alle miteinander Schwachköpfe. Selbst die alte Dienerin seiner Braut strahlte und errötete über die derben Scherze seiner Männer, als wäre sie ein junges Mädchen und keine reife Frau, die ihre besten Jahre schon seit geraumer Zeit hinter sich hatte.

»Sie sieht bezaubernd aus, nicht wahr, Mylord?«, bemerkte Lachlan, als Marmaduke die beiden Damen näherführte.

Duncan schwieg. Er wollte nicht einmal vor sich selbst zugeben, dass die kleine MacDonnell tatsächlich eine ausgesprochen hübsche Braut abgab.

Sie trug eine Tunika aus schwerer blauer Seide, die an der Taille von einem reich bestickten goldenen Gürtel zusammengehalten wurde. Ein bodenlanger Umhang im gleichen Blau schützte sie vor dem Regen, und ein mit Edelsteinen besetzter Reif hielt ihren langen goldenen Schleier an seinem Platz. Ihr Haar, das sie heute offen trug, fiel ihr von unter ihrem Schleier in schimmernden bronzefarbenen Wellen bis zur Taille.

Duncan fluchte im Stillen und ärgerte sich über sich selbst, weil er sich, und wenn auch nur für eine Sekunde, die Frage gestellt hatte, wie es sich anfühlen würde, mit seinen Händen durch dieses Haar zu fahren.

Es war wie gesponnenes Gold!

Er hätte nie gedacht, dass sie solch wundervolles Haar besitzen könnte. Es war so schön, dass es selbst einen Heiligen in Versuchung führen würde!

Verdammt, da würde jemand ihm etwas erklären müssen! Man hatte ihm versichert, das Mädchen sei völlig unscheinbar, reizlos wie die Hinterbacken einer Sau.

Er wollte keine gut aussehende Ehefrau.

Nie wieder.

Nicht nach Cassandra und all dem Leid, das sie ihm mit ihrer Bosheit zugefügt hatte.

Nein, er wollte wirklich und wahrhaftig keine schöne Frau, aber es sah ganz so aus, als habe er trotz seiner gegenteiligen Wünsche doch eine bekommen.

Duncan zwang sich, dieses wundervolle Haar zu ignorieren, das über offensichtlich volle Brüste fiel, die ihm der schlecht sitzenden Kleider wegen, die sie während der Reise getragen hatte, bisher nur noch nicht richtig aufgefallen waren. Mit einer, wie er hoffte, finsteren Miene blickte er ihr entgegen, als Marmaduke sie die Stufen zur Kapelle hinaufführte.

Er würde sich einfach dazu zwingen, sie so zu sehen, wie sie ihm am Tag zuvor erschienen war: reizlos, unscheinbar und in zerlumpten Kleidern.

Aye, auf dieses Bild würde er sich konzentrieren und alles tun, um nicht ihr Haar zu sehen. Ja, er würde sogar darauf bestehen, dass sie ihre rotgoldenen Locken geflochten, aufgesteckt und immerzu verborgen unter einem Schleier trug.

Was ihre Brüste anging... würde er einfach so tun, als wären sie nicht da.

Er hoffte nur, dass seine Männer nicht auf einer Hochzeitsnacht-Zeremonie bestanden. Sie wussten schließlich alle, aus welchen Gründen er das Mädchen heiratete. Das Thema war in letzter Zeit sehr oft besprochen worden. Falls sie dennoch beschließen sollten, diese Gründe zu vergessen, und von ihm erwarteten, die Rolle des eifrigen, verliebten Bräutigams zu spielen, würde er höchstpersönlich jeden einzelnen von ihnen zum Duell auffordern und sie frohgemut in Stücke hacken!

»Es wird Zeit, Mylord.« Marmaduke schob seine Braut zu ihm. »Möchtet Ihr Eure Dame nicht die Stufen zur Kapelle hinaufbegleiten?«

Duncan warf ihm einen verdrießlichen Blick zu und gab sich keine Mühe, sein Missfallen zu verbergen. Der einzige Ort, wohin er Linnet MacDonnell gern begleitet hätte, war zurück zu der schäbigen Burg ihres Erzeugers. Stattdessen bot er ihr jedoch seinen Arm und bezog eine gewisse Genugtuung aus dem bangen Blick, den er in ihren großen braunen Augen sah.

Wenn sie ihn fürchtete, würde sie seine Abwesenheit in ihrem Bett ganz sicher nicht bedauern.

Leider hatte er jedoch mehr gesehen als nur den Ausdruck ihrer Augen. Er hatte auch bemerkt, dass sie golden gesprenkelt waren und vermutlich ganz bezaubernd aussähen, wenn sie nicht getrübt wären von Resignation, sondern erhellt von einem Lächeln.

Dann drängten seine Männer vor und ließen ihm keine andere Wahl, als seine unerwünschte Braut die wenigen Steinstufen hinaufzuführen, zu dem Priester, der vor der offenen Tür der Kapelle wartete.

Als wüsste der fromme Mann, dass Duncan die Flucht ergreifen würde, falls sich ihm die kleinste Chance dazu bot, begann er sofort mit der Zeremonie, die die kleine MacDonnell für immer an Duncan binden würde, für den Rest seines Lebens, sofern dies Gottes Wille war.

Schiere Neugier, mehr nicht, ließ Duncan während des Eröffnungsgebets einen verstohlenen Blick auf seine Braut werfen. Dichte schwarze Wimpern ruhten auf ihren Wangen ... Wangen, die, sofern dies überhaupt möglich war, sogar noch blasser geworden waren, seit der Priester seinen frommen Monolog begonnen hatte.

Ihre Lippen bewegten sich in einem stummen Gebet, und Duncan konnte nicht verhindern, zu bemerken, wie voll und schön geschwungen diese Lippen waren. Lippen, die so weich und üppig waren, dass er in früheren Jahren keinen Augenblick gezögert hätte, in einem leidenschaftlichen Kuss Besitz von ihnen zu ergreifen.

Bevor er derart törichten Impulsen abgeschworen hatte.

Ungeweinte Tränen glitzerten in ihren dichten Wimpern, und als er sah, wie eine dieser Tränen sich löste und über ihre Wange rann, verkrampfte sich sein Magen noch mehr, und der verdammte Muskel an seinem Kinn begann wieder zu zucken.

Herrgott noch mal, die Aussicht, ihn zu heiraten, konnte doch wohl nicht derart unerträglich sein?

Schließlich war er es, der den schlechteren Handel dabei machte, und nicht sie. Sie konnte dabei nur gewinnen.

Die Art, wie sie ihre Hände faltete, so fest, dass ihre Knöchel weiß hervorträten, verriet ihm allerdings, dass der Gedanke, seine Frau zu werden, sie tatsächlich sehr beängstigte.

Duncan unterdrückte einen Fluch. Er war kein Ungeheuer, und gestern Nacht hatte er schließlich versucht, sie zu beruhigen. Es war nicht seine Schuld, dass sie aus seinem Arbeitszimmer gestürzt war und ihm keine Gelegenheit gegeben hatte, es zu tun.

Es gab viele Frauen, die sich ihm freudig zu Füßen geworfen hätten. Oder zumindest früher doch, bevor Cassandras Perfidie sein Leben ruiniert hatte. Und in den Jahren, in denen er an der Seite des Königs gekämpft hatte, hatte es während ihrer Streifzüge durch das Land nicht eine einzige Nacht gegeben, in der er gezwungen gewesen wäre, allein zu schlafen... wenn er es nicht wollte.

Seine Erfolge im Bett waren beinahe ebenso legendär gewesen wie die seines Königs.

Die kleine MacDonnell konnte froh sein, seine Frau zu werden.

Obwohl er selbstverständlich nicht die Absicht hatte, die Ehe mit ihr zu vollziehen.

Während der Priester weiterleierte, fiel Duncans Blick auf Linnets Brüste. Sie hoben und senkten sich bei ihren Atemzügen, und nur ein Blinder hätte die verführerischen Kurven unter der schweren Seide ihres Gewandes nicht bemerkt.

Jemand räusperte sich vernehmlich, und das und ein leichter Stoß in seine Rippen bewirkten, dass Duncan seine Aufmerksamkeit wieder der Zeremonie zuwandte. Du liebe Güte, sie war schon fast vorbei! Es war ihm kaum bewusst gewesen, dass er seine Gelübde gesprochen hatte, und er erinnerte sich nur vage an den Segen und das Austauschen der Ringe.

Aber dort stand der Priester, reichte ihm ein Pergament und wartete geduldig, dass Duncan die ihm angebotene Feder nahm und seine Seele mit seiner Unterschrift verkaufte.

Als würde seine Hand von einer unsichtbaren Kraft gelenkt, kritzelte er seinen Namen unter das Dokument und reichte seiner Braut den Federkiel. Sie tat das Gleiche, und dann, bevor Duncan merkte, was geschah, wurden sie in die Kapelle geführt, zur Messe und zur Kommunion.

Es war vorbei.

Ein paar Worte, eine Unterschrift, ein paar gemurmelte gute Wünsche, die er ohnehin fast nicht zur Kenntnis nahm, und er war wieder verheiratet. Gebunden, oder zumindest doch dem Namen nach, an eine neue Ehefrau, die ihn aus großen braunen Augen ansah, als sei er drauf und dran, sie in die tiefste Hölle mitzunehmen.

Und womöglich war es ja auch so, musste er sich bitter eingestehen.

Aber aus irgendeinem Grund verspürte er ein unleugbares Bedürfnis, ihr zu beweisen, dass er nicht der Teufel war, für den sie ihn anscheinend hielt. Einen flüchtigen Moment lang wünschte Duncan, in ihren goldgesprenkelten Augen Freude anstatt Furcht vor ihm zu sehen.

Es war gut, dass er Gemächer für sie ausgesucht hatte, die so weit wie möglich von seinen eigenen entfernt lagen. Jeder in sei-nem Haushalt wusste, dass er nichts von ihr wollte. Allein schon sein Stolz würde ihn davon abhalten, den großen Saal zu der Treppe zu durchqueren, die zu ihren Zimmern führte.

Falls seine Männer glaubten, er habe es sich anders überlegt und würde ihr nun doch nachjagen wie ein brünstiger Hirsch, so konnten sie sich auf eine herbe Enttäuschung gefasst machen. Sollen sie sich doch zum Narren machen, dachte er, als sie seine Braut umringten, so bald sie einen Fuß vor die Kapelle setzten. Sie waren es, nicht er, die behaupteten, es würde Zeit für ihn, die Liebe einer tugendhaften Frau zu suchen.

Aye, sollten sie sich doch zum Narren machen, so viel sie wollten.

Nur Sir Marmaduke besaß den Anstand, neben ihm zu bleiben. Leider konnte Duncan sich jedoch nicht des Verdachts erwehren, dass der Engländer nur in seiner Nähe blieb, um ihn an einer Flucht zu hindern. Wenn er bedachte, wie Marmaduke in ihrer Gegenwart den Kavalier spielte und sich galanter zeigte als ein formvollendeter französischer Höfling, hegte Duncan nicht den geringsten Zweifel daran, dass Marmaduke sich selbst zu Lady Linnets Beschützer ernannt hatte.

Nicht, dass sie etwa einen benötigt hätte.

Obgleich sie während der Trauungszeremonie bedrückt und unglücklich gewirkt hatte, bewies seine frisch gebackene Ehefrau, dass sie ihren eigenen Kopf besaß. Und wie viel Courage in ihr steckte, hatte sie gestern Abend in seinem Arbeitszimmer schon bewiesen.

Er wandte sich um und fixierte seinen Freund mit einem eindringlichen Blick. »Was hast du zu ihr gesagt, um sie hierherzukriegen?«

Sir Marmaduke verschränkte die Arme und war so geschmacklos, eine ausgesprochen selbstzufriedene Miene aufzusetzen.

»Nun?«

»Nur das, wovon ich glaubte, dass die Dame es hören wollte.«

Duncan widerstand der Versuchung, den Engländer zu erdrosseln. »Und wärst du vielleicht so freundlich, mich darüber aufzuklären, was das war?«

»Ich habe ihr nur versichert, es sei dir nicht allzu ernst gewesen mit dem, was du ihr gestern Abend sagtest, und du hättest es nur aus Rücksicht auf ihre Unerfahrenheit gesagt und um sie nicht unnötigerweise zu erschrecken.«

Das jähe Läuten der Kirchenglocken und die ebenso lauten Jubelrufe der Mitglieder seines Clans übertönten Duncans wüsten Fluch. Er runzelte die Stirn, als er sah, wie seine Männer sich buchstäblich überschlugen in ihrer Hast, die Aufmerksamkeit seiner Gemahlin zu erringen.

Der Himmel stehe ihnen allen bei - hatten sie den Verrat und die Intrigen schon vergessen, die Eilean Creag vergiftet hatten, als das letzte Mal eine Lady MacKenzie auf der Burg gelebt hatte?

Duncan hielt sich ganz bewusst zurück, als er die lärmende Menge der Feiernden auf den großen Saal zustreben sah, seine frisch gebackene Frau in ihrer aller Mitte. Sollten sie sich doch ruhig zum Narren machen und sich sinnlos besaufen bei dem Hochzeitsfest. Er jedenfalls hatte keine Lust zu feiern.

Er hatte nur um das MacDonnell-Mädchen angehalten, weil sie die siebte Tochter einer siebten Tochter war und daher über die Gabe der Hellseherei verfügte. Alles, was er wollte, war, diese Gabe zu benutzen.

Das und nichts anderes, wie er ihr klar und deutlich zu verstehen gegeben hatte.

Es interessierte ihn nicht, was für Märchen Marmaduke ihr aufgetischt haben mochte. Sie brauchte ihm nur die Antwort zu geben, die er von ihr wollte, ihn vor möglichen Gefahren für seinen Clan zu warnen und sich um Robbie zu kümmern, dann würde er sie in Ruhe lassen.

Es würde nicht schwer sein, ihr in einer so großen Burg wie Eilean Creag aus dem Weg zu gehen.

Warum hatte er dann so ein bohrendes Gefühl im Magen?

Mit verdrießlichem Gesicht, damit nur ja keiner dachte, er sei irgendetwas anderes als verstimmt, blickte Duncan über den Burghof und beobachtete die gut gelaunten Hochzeitsgäste, die nach und nach in seinen Burgsaal strömten.

»Bist du bereit, dich den Feiernden anzuschließen?« Sir Marmaduke legte eine Hand auf Duncans Schulter und schob ihn zu den Kappellenstufen. »Eine Hochzeitsfeier ohne Bräutigam ist keine Hochzeitsfeier.«

»Aye«, stimmte Duncan düster zu. »Ich schätze, ich werde mich wohl nicht heimlich verdrücken können, was?«

Als sie den Burghof überquerten, wurde ihm der Grund für seine schlechte Laune mit jedem Schritt noch klarer. Es war seine Angst, dass Linnet MacDonnell sich als mehr erweisen könnte, als er erwartet hatte.

Sehr viel mehr.

Und das war ein Gedanke, der ihm nicht behagte.

 

»Aus dem Weg, macht Platz für die Lady!«, schrie Lachlan und bahnte sich einen Weg durch das Gewirr der Feiernden, die den Eingang zum großen Saal blockierten. Drinnen versuchte er, Linnet weiterzuziehen, aber sie hinderte ihn daran, indem sie ihre Absätze in die Binsen bohrte, die auf dem Fußboden ausgestreut waren.

»Ist irgendetwas nicht in Ordnung, Mylady?«

»Da ist etwas, was ich wissen möchte.« Linnet hob die Stimme, um sich über den Lärm im Saal verständlich zu machen. »Ich habe Robbie weder in der Menge noch in der Kapelle gesehen.«

»Nein, das konntet Ihr auch nicht«, sagte der Knappe, auch er jetzt mit erhobener Stimme.

»Warum nicht? Er hätte doch dabei sein müssen ...«

Lachlan ergriff plötzlich ihren Arm und zog sie beiseite, als zwei miteinander ringende Highlander an ihnen vorbeitorkelten. »Hier ist nicht der beste Platz zum Stehen, Mylady. Bitte erlaubt mir, Euch von der Tür wegzubringen, dann erkläre ich Euch das mit Robbie.«

Ohne weitere Erklärung führte der Knappe sie zu dem erhöhten Podium am fernen Ende der großen Halle. Obgleich er am Abend zuvor schon gut besetzt gewesen war, schien er nun förmlich zum Bersten voll mit Feiernden. Linnet hatte noch nie etwas gesehen, was sich mit einer derart gut vorbereiteten, üppigen Feier wie dieser hier vergleichen konnte.

Jemand hatte sogar die Binsen auf dem Boden mit duftendem Mädesüß, Rosenblüten und Thymian bestreut. Es war ein großartiges Schauspiel, das die Feste ihres Vaters in Dundonnell im Vergleich dazu geradezu armselig erscheinen ließ.

Ein Dutzend Trompeter oben auf der Spielmannsempore wetteiferten mit dem fröhlichen Geschrei und Gelächter, das den riesigen Saal erfüllte, und drei fahrende Sänger schlenderten zwischen den Feiernden umher und sangen aus vollem Hals zweideutige Lieder.

Körbe mit Brot und Silberkrüge mit Bier und Wein standen bereits auf den langen Tischen bereit, während ein endloser Strom von Bediensteten Platten mit allen möglichen Köstlichkeiten, die man sich nur vorstellen konnte, aus der Küche hereinschleppten.

Aber Linnet ließ sich von der Pracht und all diesen verlockenden Gerichten nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Als sie das Podium erreichten und Lachlan einen reich geschnitzten Eichenstuhl für sie heranzog, blieb sie eigensinnig stehen.

»Wo ist Robbie?«

»Im Bett, Mylady«, antwortete der Knappe. »Er ist krank.«

»Was quält ihn?«, fragte sie. »Wisst Ihr das?«

»Aye, sein Magen. Die Köchin hat ihm anscheinend erlaubt, zu viele Puddingtörtchen zu essen.«

»Dann gehe ich zu ihm«, entschied Linnet und trat vom Tisch zurück.

Ihr Vorhaben schien Lachlan nervös zu machen, denn er warf einen raschen Blick durch den Saal zur Eingangstür, durch die sie gerade gekommen waren. »Sir Duncan wird nicht erfreut sein, wenn Ihr nicht an Eurem Platz sitzt, wenn er den Saal betritt.«

»Und ich könnte nicht einen einzigen Bissen essen, wenn ich nicht vorher nach dem Jungen sehe. Wisst Ihr, ob Euer Herr jemanden hinaufgeschickt hat, damit er sich um Robbie kümmert?«

»Die Köchin hat vor einer Weile eine der Wäscherinnen zu ihm geschickt, aber Sir Duncan weiß vermutlich gar nicht, dass der Junge krank ist.« Wieder blickte Lachlan ängstlich zu der fernen Tür. »Er ist schnell verstimmt, also sollten wir versuchen, ihn Robbies wegen nicht zu sehr zu belästigen.«

»Belästigen Linnet bedachte den Knappen mit einem scharfen Blick, und das Selbstmitleid, das sie vorhin in der Kapelle übermannt hatte, wurde nun verdrängt von Ärger. »Ich würde sagen, es ist der Junge, der sich belästigt fühlen muss, wenn er Bauchschmerzen hat.«

Lachlan nickte, sagte aber nichts.

»Dürfte ich Euch um einen Gefallen bitten?«

»Ihr braucht es nur zu sagen.« Er verbeugte sich vor ihr. »Ich stehe Euch jederzeit zu Diensten.«

»Erinnert Ihr Euch, wo mein Zimmer ist?«

»Selbstverständlich, Mylady.«

»Dann holt doch bitte meine Ledertasche. Und wenn Ihr zurückkommt, wäre es schön, wenn Ihr mich in die Küche begleiten würdet.« Angesichts des verwunderten Blicks des Knappen erklärte sie: »In dem Beutel sind meine Heilkräuter. Ich möchte einen Pfefferminztee für Robbie aufbrühen. Er wird seine Bauchschmerzen ein wenig lindem.«

Lachlan nickte, aber ein Ausdruck des Unbehagens huschte über seine jungenhaften Züge, und er machte keine Anstalten, zu gehen.

»Ist meine Bitte Euch zu kompliziert?«

»Nein.« Der junge Mann errötete. »Es ist nur so, dass mein Herr Eure Präsenz am Podium erwarten wird.«

»Dann beeilt Euch mit Eurem Botengang, damit ich keinen Grund habe, lange fortzubleiben.« Linnet sah den Knappen mit hochgezogener Augenbraue an und staunte über ihre eigene Courage. »Je eher Robbie seinen Tee bekommt, desto eher können er und ich unsere Plätze an der Tafel Eures Herrn einnehmen.«

Lachlans Mund klappte auf, seine Augen wurden rund, aber nach einer weiteren Verbeugung beeilte er sich, ihrer Bitte nachzukommen.

Kurze Zeit später, nachdem er mit ihrer Kräutertasche zurückgekommen war und sie in die Küche begleitet hatte, machte Linnet sich mit einem dampfenden Becher Pfefferminztee auf den langen Weg zu Robbies düsterem Turmzimmer. Lachlan, der ihr schweigend folgte, erhellte ihr den Weg mit einer Fackel.

Da Linnet es vorzog, mit dem Jungen allein zu sein, schloss sie die Tür, sobald sie den Raum betreten hatte, und ließ den Knappen draußen warten. Robbie schlummerte friedlich, und so nahm sie sich einen Augenblick Zeit, um sich das Zimmer des Knaben anzusehen. Sie empfand es als mindestens genauso karg und ohne Wärme wie das Arbeitszimmer ihres frisch angetrauten Ehemanns. Vielleicht sogar noch mehr, da hier nicht einmal Gobelins die Wände schmückten.

Nur die bestickten Bettvorhänge verliehen dem öden Raum ein wenig Farbe. Ein hölzerner Kinderstuhl stand vor dem Kamin und ein kleiner Tisch aus dunkler Eiche neben Robbies Bett. Ein Strauß halb verwelkter Feldblumen lag auf dem Tisch, und der alte Hund schlief zusammengerollt am Fußende von Robbies Bett.

Wie bei ihrem ersten Besuch öffnete der Hund ein Auge, sah sie flüchtig an und schlief dann leise schnaufend weiter. Froh, dass das riesige Tier keine Bedrohung für sie darstellte, durchquerte Linnet rasch den Raum und blieb neben dem schlafenden Jungen stehen.

Ihrem Stiefsohn.

Ein Kind, das von seinem Vater offenbar genauso abgelehnt wurde wie sie von ihrem ... wenn auch aus völlig anderen Gründen. Das Herz tat ihr weh angesichts der trostlosen Situation des Kleinen. Sie konnte gar nicht anders, als ihre Hand nach dem Jungen auszustrecken und ihm zärtlich übers Haar zu streichen.

Augenblicklich drehte er sich auf den Rücken und öffnete die Augen, und Linnet stockte der Atem, als sie sah, dass der Junge exakt die gleichen dunkelblauen Augen wie sein Vater hatte. Bis auf den kleinen Unterschied, dass die Augen ihres Mannes stets einen solch finsteren Ausdruck hatten, dass sie sie anfänglich für schwarz gehalten hatte.

Linnet atmete leise seufzend wieder aus und lächelte den Jungen freundlich an. Sie war noch nicht in der Lage, etwas zu ihm zu sagen, konnte ihn nur anstarren und über die makellose Schönheit dieses kindlichen Gesichts staunen. Tatsächlich sah Robbie MacKenzie ihrem Mann so täuschend ähnlich, dass es ihr eine Gänsehaut verursachte.

Wie konnte der Mann bezweifeln, dass dieser Junge sein eigenes Fleisch und Blut war? Es war unmöglich, nicht die Ähnlichkeit zu sehen.

Robbie war wie eine Miniaturausgabe seines gut aussehenden Vaters. Aber während die Schönheit des Vaters von Grimm und Misstrauen geschmälert wurde, sah der Sohn fast wie ein Engel aus.

Vertrauensvoll, gut und unschuldig.

Ein überwältigendes Mitgefühl erfasste Linnet und erfüllte sie mit Wärme und dem grimmigen Bedürfnis, das Kind vor allem Unheil zu beschützen.

Und vor Kummer. Insbesondere vor Kummer.

Plötzlich war sie sehr froh, nach Eilean Creag gekommen zu sein. Egal, was Duncan MacKenzie von ihr dachte ... ob er sie zu reizlos für sein Bett fand oder nicht, sein Kind brauchte sie, und sie würde ihr Bestes tun, dafür zu sorgen, dass Robbie die Liebe und das Glück zuteil wurden, die er verdiente.

Während sie auf ihn herabblickte - den Tränen nahe, so überwältigt von Gefühl war sie -, richtete sich der Junge auf seine Ellbogen auf. »Bist du meine neue Mutter?«, fragte er. »Die Köchin sagte, dass du kommen würdest.«

»Ja, Robbie, ich denke, das bin ich wohl. Dein Vater und ich haben heute Morgen geheiratet.« Linnet setzte sich auf die Bettkante. »Möchtest du mich denn als neue Mutter haben?«

Er betrachtete sie einen Moment lang ernst, bevor er antwortete. »Aye, sehr gern. Du hast das schönste Haar, das ich je gesehen habe.«

Linnets Herz schwoll, und Tränen brannten hinter ihren Lidern. Außer ihren Brüdern hatte ihr niemand je ein Kompliment gemacht, und selbst die ihrer Brüder waren dünn gesät gewesen. Sie wusste nicht, was sie Robbie sagen sollte, und selbst wenn sie es gewusst hätte, bezweifelte sie, dass sie bei dem Klumpen, der in ihrer Kehle saß, auch nur ein Wort herausgebracht hätte.

Robbie blickte auf den Tisch und runzelte die Stirn. »Ich hatte Blumen für dich gepflückt, aber dann wurde ich krank, bevor ich sie dir geben konnte. Es tut mir Leid, dass sie jetzt nicht mehr schön sind.« Er nahm den verwelkten Strauß und legte ihn auf ihren Schoß.

»Aber nein, Robbie, das sind doch wirklich hübsche Blumen. Die schönsten, die ich je gesehen habe.« Linnets Stimme zitterte, als sie den Strauß aufhob, um ihn bewundernd zu betrachten. Sie merkte, dass ihre Tränen mittlerweile ungehindert über ihre Wangen liefen. Es war der erste Blumenstrauß, den sie je bekommen hatte.

»Du weinst ja«, sagte er mit einem besorgten Blick in seinen blauen Augen. »Habe ich etwas falsch gemacht?«

Linnet lächelte und strich mit dem Handrücken sanft über seine Wange. »Nein, Kind, du hast überhaupt nichts falsch gemacht. Es ist nur, weil ich so glücklich bin. Du bist ein sehr galanter junger Mann, und ich danke dir für die Blumen.«

»Du wirst nicht wieder fortgehen, nicht?«, fragte er, die Stirn noch immer kraus vor Sorge.

Linnets Herz zog sich zusammen. »Nein, ich werde niemals wieder fortgehen. Ich bleibe für immer bei dir«, versprach sie feierlich. Ohne ihren Blick von ihm zu wenden, griff sie nach dem Becher Pfefferminztee, den sie auf den kleinen Tisch am Bett gestellt hatte. »Ich habe dir etwas mitgebracht, damit dein Bauchweh besser wird.«

Später, als Linnet hinter Lachlan die Treppe hinunterging, Robbies kleine Hand in ihrer, ging ihr immer wieder die jüngste Warnung des Knappen vor der leichten Reizbarkeit ihres Ehemannes durch den Sinn. »Sir Duncan wird es nicht gutheißen, wenn Ihr Robbie an seine Tafel bringt«, hatte er sie so leise, dass der Junge es nicht mitbekam, gewarnt. »Er kann sehr Furcht erregend sein, wenn man ihn aufregt«, hatte er noch hinzugefügt, bevor sie den Abstieg zum Burgsaal begonnen hatten.

»Gibt es irgendwas, was ihn nicht aufregt?«, hatte Linnet entgegnet und gehofft, dass ihr nicht anzumerken war, wie sehr sie sich davor fürchtete, ihren Ehemann zu verärgern. Aber ihre eigene Furcht war belanglos, verglichen mit den Bedürfnissen des Jungen, der so vertrauensvoll seine Hand in ihre legte. Ihm zuliebe blieb ihr keine andere Wahl, als couragiert zu sein.

»Ich hoffe, Ihr habt Euch das gut überlegt, Mylady«, sagte der Knappe und blieb so abrupt am Fuß der Treppe stehen, dass Linnet fast mit ihm zusammenstieß.

»Das habe ich, Lachlan, keine Sorge«, erwiderte sie und ließ es überzeugter klingen, als sie war.

Ihre Finger verkrampften sich um den Strauß welker Feldblumen, den sie in ihrer freien Hand hielt. Aye, sie hatte ihre Handlungsweise gut durchdacht und wusste, was sie tat.

Leider wusste sie aber auch, dass sie drauf und dran war, den Zorn des Teufels zu erregen.