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Eine trinkfeste Frage des guten Geschmacks
«Halte-là! … Attention! … F---e!»
Der junge Mann im grauen Anzug schlug sich durch den Pulk der protestierenden Gepäckträger und schwang sich behende aufs Trittbrett des Bremserhäuschens, als der Expreß ParisEvreux dampfend die Gare des Invalides verließ. Der Zugführer, auf ein Trinkgeld spekulierend, zog ihn geschickt aus dem Gewühl empor.
«Ein Glück, daß Monsieur so flink sind», bemerkte er. «Sind Monsieur in Eile?»
«Ziemlich. Danke. Komm ich durch diesen Gang nach vorn?»
«Selbstverständlich. Die premières befinden sich zwei Wagen weiter, vor dem Gepäckwagen.»
Der junge Mann entlohnte seinen Retter, wischte sich den Schweiß von der Stirn und begab sich nach vorn. Als er an dem aufgetürmten Gepäck vorbeikam, stach ihm etwas ins Auge, und er blieb kurz stehen, um es sich genauer anzusehen. Es war ein fast neuer Koffer aus teuer aussehendem Leder mit der auffällig angebrachten Inschrift:
LORD PETER WIMSEY
Hôtel Saumon d’Or
Verneuil-sur-Eure.
Seine Reiseroute war mit den folgenden Angaben dokumentiert:
LONDON – PARIS
(Waterloo) (Gare
St. Lazare)
via Southampton-Havre
PARIS – VERNEUIL
(Chemin de Fer de l’Ouest)
Der junge Mann stieß einen leisen Pfiff aus und setzte sich auf
eine Reisekiste, um die Sache zu durchdenken.
Irgendwo war eine undichte Stelle gewesen, und sie waren ihm auf den Fersen. Es machte ihnen auch nichts aus, wer das alles wußte. Es gab Hunderte von Leuten in London und Paris, die den Namen Wimsey kannten, die Polizei beider Länder gar nicht mitgerechnet. Außer daß er einem der ältesten Herzogshäuser Englands entstammte, hatte Lord Peter sich auch noch einen Namen als Detektiv gemacht. Ein Gepäckschildchen wie dieses war kostenlose Reklame.
Aber das Erstaunliche war, daß die Verfolger sich nicht einmal die Mühe machten, sich vor dem Verfolgten zu verbergen. Das sprach dafür, daß sie sich ihrer Sache sehr sicher waren. Daß es ihm noch gelungen war, aufs Bremserhäuschen aufzuspringen, war natürlich purer Zufall, aber andernfalls hätte er den Koffer auch auf dem Bahnsteig oder sonst irgendwo sehen können.
Zufall? Es wollte ihm so vorkommen – nicht zum erstenmal, aber jetzt mit aller Deutlichkeit und über jeden Zweifel erhaben –, als ob sein Hiersein für die andern nicht nur Zufall, sondern geradezu ein Unfall wäre. Diese Serie unglaublicher Behinderungen, die ihn zwischen London und der Gare des Invalides aufgehalten hatten, präsentierte sich ihm jetzt wie arrangiert. Zum Beispiel die lächerliche Anschuldigung, mit der diese Frau ihn am Piccadilly überfallen hatte, und daraufhin die langwierige Vernehmung bei der Polizei in der Marlborough Street, bis man ihn endlich wieder auf freien Fuß gesetzt hatte. Es war ja so leicht, einen Mann mit Hilfe fingierter Vorwürfe so lange festhalten zu lassen, bis ein wichtiger Plan gereift war. Dann die Toilettentür am Waterloo-Bahnhof, deren Schloß so albern hinter ihm zugeschnappt war. Als sportlicher Mensch war er über die Trennwand gestiegen, nur um festzustellen, daß der Toilettenwärter ebenfalls auf wundersame Weise verschwunden war. Und war es dann in Paris etwa Zufall gewesen, daß er ausgerechnet einen schwerhörigen Taxifahrer erwischte, der die Zielangabe «Quai d’Orleans» als «Gare de Lyon» mißverstand und erst einmal drei Kilometer weit in die falsche Richtung fuhr, bis die Proteste seines Fahrgastes endlich zu ihm durchdrangen? Sie waren schon schlau, seine Verfolger, und sehr umsichtig. Sie besaßen genaueste Informationen. Sie konnten ihn nach Belieben aufhalten, ohne dabei offen in Erscheinung zu treten. Sie wußten, daß sie nur die Zeit für sich arbeiten zu lassen brauchten, dann benötigten sie keinen weiteren Verbündeten mehr.
Wußten sie vielleicht auch jetzt, daß er im Zug war? Wenn nicht, hatte er noch immer einen Vorteil in der Hand, denn dann reisten sie in falscher Sicherheit, weil sie ihn tobend vor hilfloser Wut in der Gare des Invalides wähnten. Er beschloß, vorsichtig auf Kundschaft zu gehen.
Dazu gehörte, daß er als erstes seinen grauen Anzug gegen einen anderen in unauffälligem Marineblau vertauschte, den er in seiner kleinen schwarzen Tasche bei sich hatte. Das besorgte er in aller Stille auf der Toilette, dann setzte er noch statt des grauen Filzhuts eine große Reisemütze auf, die er schön tief ins Gesicht ziehen konnte. Es bereitete so gut wie keine Schwierigkeiten, den Mann zu finden, den er suchte. Er entdeckte ihn auf einem Eckplatz in einem Abteil der ersten Klasse, in Fahrtrichtung sitzend, so daß er selbst sich ungesehen von hinten nähern konnte. Im Gepäcknetz lag ein schönes Reisenecessaire mit den Initialen P.D.B.W. Wimseys schmales, spitzes Gesicht, die glatten gelben Haare und die anmaßend gesenkten Augenlider waren dem jungen Mann bestens vertraut. Er lächelte ein wenig grimmig.
«Er fühlt sich sicher», dachte er, «und hat bedauerlicherweise den Fehler gemacht, den Feind zu unterschätzen. Gut! Somit werde ich mich in eine seconde zurückziehen und die Augen offenhalten. Der nächste Akt dieser Komödie wird sich schätzungsweise in Dreux abspielen.»
Beim Chemin de Fer de l’Ouest gilt es als die Regel, daß alle Züge von Paris nach Evreux, ob mit der Bezeichnung «Grande Vitesse» oder (wie Lord Peter es nannte) «Grande Paresse», einen endlos langen Aufenthalt in Dreux haben. Der junge Mann (jetzt in Marineblau) wartete ab, bis er sein Opfer in den Erfrischungsraum verschwinden sah, dann verließ er unauffällig den Bahnhof. Eine Viertelstunde später war er wieder da – diesmal in einem schweren Chauffeurmantel mit Helm und Brille und am Steuer eines schnellen gemieteten Peugeot. Unbemerkt betrat er den Bahnsteig und bezog Posten hinter der Wand der lampisterie, von wo er den Zug und den Eingang zum Erfrischungsraum im Auge behalten konnte. Nach fünfzehn Minuten wurde seine Geduld durch den Anblick seines Opfers belohnt, das mit dem Reisenecessaire in der Hand wieder den Zug bestieg. Die Dienstmänner schlugen die Türen zu und schrien:
«Nächste Station Verneuil!» Die Lokomotive ächzte und stöhnte; die lange Reihe graugrüner Wagen ruckte langsam an. Der Autofahrer seufzte zufrieden, eilte durch die Sperre hinaus und ließ den Motor seines Wagens anspringen. Er wußte, daß er gute hundertdreißig Stundenkilometer unter der Haube hatte, und in Frankreich gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung. Mon Souci, der Sitz des Comte de Rueil, jenes exzentrischen, einsiedlerischen Genies, liegt drei Kilometer außerhalb von Verneuil. Es ist ein tristes, halbverfallenes Schloß, das einsam und verlassen am Ende einer verwahrlosten Kiefernallee sein Dasein fristet, umgeben von der jammervollen Atmosphäre einer Aristokratie ohne Gefolgschaft. Die steinernen Nymphen stehen gebeugt und grün über ihren ausgetrockneten, verwitterten Bassins. Hin und wieder zieht ein Bauer mit einer knarrenden Holzfuhre über schlecht gepflegte Waldschneisen. Den ganzen Tag herrscht Sonnenuntergangsstimmung. Das Balkenwerk ist trocken und rissig, weil ihm der Anstrich fehlt. Durch die Jalousien sieht man in den steifen Salon mit seinen schönen, ausgebleichten Möbeln. Selbst die letzte der einstmals hier wohnenden uneleganten, unansehnlichen Frauen mit ihren übermäßig ausgeprägten Familienzügen und ihren langen weißen Handschuhen hat Mon Souci inzwischen verlassen. Aber im hinteren Teil des Schlosses raucht unablässig ein Schornstein. Es ist die Heizung des Laboratoriums, des einzig Lebendigen und Modernen hier inmitten des Alten und Sterbenden; es ist der einzige Ort, der geliebt und gehegt, verhätschelt und verwöhnt und dem alle Sorgfalt zuteil wird, mit der die Grafen einer leichtlebigeren Zeit ihre Ställe und Zwinger, Gemäldegalerie und Ballsaal bedachten. Und im kühlen Keller darunter liegen Reihen über Reihen staubiger Flaschen, eine wie die andere ein gläserner Zaubersarg, in dem das Dornröschen der Weinberge im Schlaf zu immer betörenderer Schönheit heranreift.
Als der Peugeot auf dem Hof ausrollte, stellte sein Fahrer mit einiger Überraschung fest, daß er nicht der einzige Besucher des Grafen war. Ein riesenhafter Super-Renault, viel Haube und kaum Rumpf, wie eine Merveilleuse des Directoire, war so großspurig vor den Eingang gesetzt worden, als sollte er jeglichen Neuankömmling erst einmal in Verlegenheit bringen. Seine glitzernden Türbleche zierte ein Wappen, und im Augenblick schleppte der ältliche Diener des Comte sich mit dem Gewicht zweier prächtiger Koffer ab, die in meilenweit sichtbaren silbernen Lettern die Aufschrift LORD PETER WIMSEY trugen.
Der Peugeotfahrer betrachtete das Schauspiel mit Erstaunen und grinste hämisch. «Lord Peter scheint ja in diesem Land ziemlich allgegenwärtig zu sein», bemerkte er bei sich. Dann nahm er Füller und Papier aus seiner Tasche und schrieb ein Briefchen. Bis die Koffer ins Haus getragen waren und der Renault sich schnurrend in Richtung Nebengebäude entfernt hatte, war auch der Brief fertig und in einen an den Comte de Rueil adressierten Umschlag gesteckt. «Wer andern eine Grube gräbt», sagte der junge Mann, und damit ging er die Treppe hinauf und übergab dem Diener an der Tür den Umschlag.
«Ich habe hier ein Empfehlungsschreiben an den Comte de Rueil», sagte er. «Hätten Sie vielleicht die Güte, es zu ihm zu bringen? Mein Name ist Bredon – Death Bredon.»
Der Diener verneigte sich und bat ihn herein.
«Wenn Monsieur die Freundlichkeit besäßen, einen Augenblick in der Halle Platz zu nehmen. Monsieur le Comte ist noch mit einem andern Herrn beschäftigt, aber ich werde ihn unverzüglich von Monsieurs Ankunft in Kenntnis setzen.»
Der junge Mann nahm Platz und wartete. Durch die Fenster der Halle blickte man auf die Zufahrt hinaus, und es dauerte nicht lange, bis der Schlaf des Schlosses vom Hupen eines dritten Autos gestört wurde. Ein Bahnhofstaxi kam lärmend die Allee herauf. Der Mann aus dem Erste-Klasse-Abteil und das Gepäck mit den Initialen P.D.B.W. wurden vor der Tür abgesetzt. Lord Peter Wimsey entließ den Chauffeur und läutete.
«So», sagte Mr. Bredon. «Nun kann der Spaß beginnen.» Mit diesen Worten zog er sich so tief wie möglich in den Schatten einer großen armoire normande zurück.
«Guten Abend», sagte der Neuankömmling in bewundernswertem Französisch zu dem Diener. «Ich bin Lord Peter Wimsey und komme auf Einladung des Comte de Rueil. Ist Monsieur le Comte zu Hause?»
«Milord Peter Wimsey? Verzeihung, Monsieur, aber das verstehe ich nicht. Milord de Wimsey ist schon da und befindet sich im Augenblick bei Monsieur le Comte.»
«Sie sehen mich erstaunt», erwiderte der andere völlig ungerührt, «denn sicherlich hat niemand anderer als ich ein Recht auf diesen Namen. Mir scheint, da hat eine Person von mehr Schlauheit als Ehrlichkeit die raffinierte Idee gehabt, sich für mich auszugeben.»
Der Diener war sichtlich ratlos.
«Vielleicht», schlug er vor, «könnte Monsieur mir seine papiers d’identité zeigen?»
«Es ist zwar etwas ungewöhnlich, sich an der Tür auszuweisen, wenn man jemandem einen Privatbesuch abstattet», antwortete Seine Lordschaft mit unerschütterlichem Gleichmut, «aber ich erhebe nicht den mindesten Einspruch. Hier ist mein Paß, hier mein permis de séjour, das mir in Paris ausgestellt wurde, hier meine Visitenkarte, und hier ist etliche Korrespondenz, gerichtet an meine verschiedenen Adressen im Hotel Meurice in Paris, an meine Londoner Wohnung am Piccadilly, an den Marlborough Club in London und an das Haus meines Bruders in King’s Denver. Ist das wohl ausreichend?»
Der Diener sah die vorgelegten Dokumente sorgfältig durch und schien vor allem von dem permis de séjours beeindruckt zu sein.
«Da scheint ein Fehler vorzuliegen», murmelte er skeptisch.
«Wenn Monsieur mir folgen wollen, werde ich Monsieur le Comte verständigen.» Sie verschwanden durch die Flügeltür am hinteren Ende der Halle, und Bredon blieb allein zurück.
«Heute wimmelt’s hier nur so von Richmonds», bemerkte er, «und einer ist skrupelloser als der andere. Der Fall erfordert offensichtlich besonders kluges Vorgehen.»
Nach etwa zehn Minuten, in denen es vermutlich in der gräflichen Bibliothek besonders aufregend zugegangen war, kam der Diener wieder, diesmal auf der Suche nach ihm.
«Monsieur le Comte läßt sich Ihnen empfehlen, und würden Monsieur mir bitte hierher folgen?»
Bredon betrat den Raum mit keckem Schritt. Er hatte sich zum Herrn der Lage gemacht. Der Comte, ein magerer älterer Mann mit fleckigen Fingern vom Umgang mit Chemikalien, saß mit kummervoller Miene an seinem Schreibtisch. In zwei Sesseln saßen die beiden Wimseys. Bredon sah, daß der Wimsey, den er im Zug gesehen (und den er im Geiste Peter I getauft) hatte, sein unerschütterliches Lächeln beibehalten hatte, während Peter II (der mit dem Renault) das vor Empörung gerötete Gesicht eines gekränkten englischen Gentleman zur Schau stellte. Die beiden Herren sahen sich oberflächlich ähnlich – beide blond, hager, mit langen Nasen und unscheinbaren, unbeweglichen Gesichtern, wie sie in einer Versammlung wohlgeborener Angelsachsen vorzuherrschen pflegen.
«Mr. Bredon», sagte der Comte, «es ist mir eine große Freude, Ihre Bekanntschaft zu machen, und ich bedaure, daß ich Sie als erstes um einen Dienst bitten muß, der ebenso einzigartig wie wichtig ist. Sie haben mir ein Empfehlungsschreiben von Ihrem Vetter, Lord Peter Wimsey, vorgelegt. Würden Sie nun wohl so freundlich sein und mir sagen, welcher dieser beiden Herren Lord Peter Wimsey ist?»
Bredon ließ seinen Blick langsam von einem Prätendenten zum andern wandern und überlegte dabei, welche Antwort seinen Zwecken am dienlichsten sein könnte. Zumindest einer der in diesem Raum anwesenden Männern besaß beachtliches intellektuelles Format und war darin geübt, falsches Spiel zu durchschauen.
«Nun?» meinte Peter II. «Wollen Sie mich nicht endlich beglaubigen, Bredon?»
Peter I entnahm einem silbernen Etui eine Zigarette. «Ihr Komplize scheint in seiner Rolle nicht sehr sattelfest zu sein», bemerkte er mit einem gelassenen Lächeln, das Peter II galt.
«Monsieur le Comte», sagte Bredon, «ich bedaure außerordentlich, Ihnen in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen zu können. Meine Bekanntschaft mit meinem Vetter beschränkt sich, wie die Ihre, auf Korrespondenzen zu einem Thema gemeinsamen Interesses. Mein Beruf», fügte er hinzu, «hat mich bei meiner Familie unbeliebt gemacht.»
Von irgendwoher ertönte ein leiser Seufzer der Erleichterung. Der falsche Wimsey – welcher auch immer – hatte noch eine Gnadenfrist. Bredon lächelte.
«Ein hervorragender Schachzug, Mr. Bredon», sagte Peter I, «aber das dürfte kaum erklären – gestatten Sie.» Er nahm den Brief aus der widerstrebenden Hand des Comte. «Es dürfte kaum die Tatsache erklären, daß die Tinte auf diesem vor drei Wochen datierten Empfehlungsschreiben jetzt noch nicht einmal ganz trocken ist – obschon ich Ihnen zu der sehr gekonnten Nachahmung meiner Handschrift gratulieren muß.»
«Wenn Sie meine Handschrift zu fälschen imstande sind», sagte Peter II, «so wird Mr. Bredon dies wohl auch können.» Er las den Brief über die Schulter seines Doubles hinweg laut vor.
«‹Monsieur le Comte – ich habe die Ehre, Ihnen meinen Freund und Vetter, Mr. Death Bredon, vorzustellen, der meines Wissens im Laufe des nächsten Monats Ihren Teil Frankreichs bereisen wird. Es liegt ihm sehr viel daran, Ihre interessante Bibliothek zu sehen. Obschon er von Beruf Journalist ist, versteht er etwas von Büchern.› Es freut mich, auf diese Weise zum erstenmal zu erfahren, daß ich einen solchen Vetter habe. Ein Reportertrick, vermute ich, Monsieur le Comte. In Fleet Street scheint man mit den Namen in unserer Familie bestens vertraut zu sein. Vielleicht ist man dort ebenso vertraut mit dem Zweck meines Besuches auf Mon Souci?»
«Wenn Sie», sagte Bredon kühn, «den Erwerb der de-RueilFormel zur Herstellung von Giftgas durch die britische Regierung meinen, kann ich nur für mich selbst antworten, wobei die übrige Fleet Street möglicherweise weniger vollständig informiert ist.» Er wägte seine Worte jetzt sorgfältiger, gewarnt durch den Ausrutscher. Der scharfe Blick und der detektivische Spürsinn von Peter I machten ihm weit mehr Sorgen als die scharfe Zunge von Peter II.
Der Comte stieß einen Ruf der Bestürzung aus.
«Meine Herren», sagte er, «eines liegt hier klar auf der Hand – nämlich daß es irgendwo ein schreckliches Loch in der Geheimhaltung gegeben hat. Ich weiß nicht, welcher von Ihnen der Lord Peter Wimsey ist, dem ich die Formel anvertrauen könnte. Sie sind beide mit Papieren zu Ihrer Identität ausgestattet. Sie scheinen beide in der Angelegenheit bestens informiert zu sein. Ihrer beider Handschrift stimmen mit den Briefen überein, die ich zu früherer Gelegenheit von Lord Peter erhalten habe, und Sie haben mir beide die vereinbarte Summe in Noten der Bank von England angeboten. Obendrein erscheint dieser dritte Herr, ausgestattet mit den gleichen handschriftlichen Fähigkeiten, einem von verdächtigen Umständen umgebenen Empfehlungsschreiben und einem Grad von Informiertheit über diese Angelegenheit, die mich erschreckt. Ich sehe nur eine Lösung: Sie müssen alle hier in meinem Château bleiben, während ich um eine Aufklärung dieses Rätsels nach England schicke. Bei dem echten Lord Peter möchte ich mich dafür entschuldigen und ihm versichern, daß ich mich bemühen werde, seinen Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu gestalten. Sind Sie mit dieser Regelung einverstanden? Ja? Das freut mich zu hören. Mein Personal wird Sie in Ihre Zimmer führen, und um halb acht erwarte ich Sie zum Abendessen.»
«Es ist ein schöner Gedanke», sagte Mr. Bredon, während er sein Glas befühlte und es sich mit der Miene des Kenners unter die Nase hielt, «daß derjenige von den beiden Herren, der den Namen, den er sich zu eigen macht, rechtmäßig führt, heute abend eines wahrhaft olympischen Genusses gewiß sein darf.»
Er hatte seine Frechheit wiedergefunden und forderte nun die Gesellschaft nonchalant heraus. «Ihr Keller, Monsieur le Comte, ist unter Männern, die mit einem Gaumen gesegnet sind, so berühmt wie Ihre Talente unter den Wissenschaftlern. Mehr könnte man mit allen Worten dieser Welt nicht sagen.»
Die beiden Lord Peters murmelten Zustimmung.
«Ihr Lob», erwiderte der Comte, «freut mich um so mehr, als es mich auf die Idee zu einer Probe bringt, die es uns mit Ihrer freundlichen Mithilfe sehr erleichtern wird, zu entscheiden, wer von Ihnen, meine Herren, der wirkliche Lord Peter und wer sein talentierter Imitator ist. Ist es nicht allgemein bekannt, daß Lord Peters Gaumen für Weine in ganz Europa unerreicht ist?»
«Sie schmeicheln mir, Monsieur le Comte», sagte Peter II bescheiden.
«Ich würde nicht sagen unerreicht», fiel Peter I wie in einem eingeübten Duett ein. «Nennen wir ihn leidlich, das gibt weniger Anlaß zu Mißverständnissen und so weiter.»
«Eure Lordschaft tun sich selbst unrecht», erklärte Bredon, mit unparteiischer Ehrerbietung an beide Herren gewandt. «Die Wette, die Sie gegen Mr. Frederick Arbuthnot im Egotist Club gewannen, als er Sie herausforderte, mit verbundenen Augen die Jahrgänge von siebzehn Weinen zu nennen, hat im Evening Wire die gebührende Würdigung erfahren.»
«An diesem Abend war ich nur besonders gut in Form», sagte Peter I.
«Blankes Glück», lachte Peter II.
«Die Probe, die ich vorschlage, meine Herren, sieht Ähnliches vor», fuhr der Comte fort, «wenn es auch nicht gleich so eine Strapaze werden soll. Das heutige Abendessen hat sechs Gänge. Zu jedem Gang werden wir einen anderen Wein trinken, den mein Butler mit verdecktem Etikett hereinbringen wird. Sie werden mir der Reihe nach Ihr Urteil darüber abgeben. Auf diese Weise werden wir vielleicht zu einem Ergebnis kommen, denn selbst der genialste Hochstapler – wovon ich heute abend vermutlich mindestens zwei am Tisch sitzen habe – könnte kaum einen Weinkenner vortäuschen. Wenn ein allzu gewagtes Durcheinander verschiedener Weine zu einem vorübergehenden Unwohlbefinden am nächsten Morgen führen sollte, so werden Sie dies sicherlich im Dienste der Wahrheit ausnahmsweise einmal gern auf sich nehmen.» Die beiden Wimseys verneigten sich.
«In vino veritas», meinte Mr. Bredon lachend. Er zumindest fühlte sich der Herausforderung gewachsen und sah einige Möglichkeiten auf sich zukommen.
«Da der Zufall und mein Butler Sie an meine rechte Seite plaziert haben, Monsieur», fuhr der Comte, an Peter I gewandt, fort, «bitte ich Sie, den Anfang zu machen, indem Sie mir so genau wie möglich den Wein beschreiben, den Sie soeben getrunken haben.»
«Da braucht man nun wirklich nicht lange zu raten», entgegnete der andere lächelnd. «Ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß dies ein sehr angenehmer und wohlgereifter Chablis Moutonne ist; und da zehn Jahre ein ausgezeichnetes Alter für einen Chablis sind – für einen echten Chablis –, plädiere ich für 1916 als den vielleicht besten Weinjahrgang des Krieges in dieser Gegend.»
«Haben Sie dieser Meinung etwas hinzuzufügen, Monsieur?» begehrte der Comte in ehrerbietigem Ton von Peter II zu wissen.
«Ich möchte, was den Jahrgang angeht, nicht dogmatisch erscheinen», sagte der Angesprochene mit kritischer Miene, «aber wenn ich mich festlegen sollte, nun, dann würde ich 1915 sagen, ganz entschieden 1915.»
Der Comte verneigte sich und wandte sich an Bredon.
«Vielleicht möchten auch Sie, Monsieur, eine Meinung äußern», sagte er mit der ausgesuchten Höflichkeit, die oft dem Unbeschlagenen in der Gesellschaft von Fachleuten entgegengebracht wird.
«Ich möchte hier lieber keine Maßstäbe setzen, denen ich hinterher nicht gewachsen bin», antwortete Bredon ein wenig boshaft. «Ich weiß, daß es ein 1915 er ist, weil ich nämlich das Etikett gesehen habe.»
Peter II machte ein leicht betretenes Gesicht.
«Dann werden wir die Angelegenheit künftig besser arrangieren», sagte der Comte. «Entschuldigen Sie mich.» Er entfernte sich, um ein paar Minuten mit seinem Butler zu konferieren, der kurz darauf kam, um die Austern abzutragen und die Suppe zu servieren.
Der nächste Kandidat zur Begutachtung erschien bis zum Hals in Damast gehüllt.
«Nun ist die Reihe an Ihnen, als erster Ihr Urteil abzugeben», sagte der Comte zu Peter II. «Gestatten Sie, daß ich Ihnen zuvor eine Olive anbiete, um den Geschmack zu neutralisieren. Nur nichts übereilen, ich bitte Sie. Auch zu den höchsten politischen Zwecken sollte man einen guten Wein nicht ohne Respekt behandeln.»
Die Zurechtweisung war nicht unnötig, denn nach dem ersten Schlückchen hatte Peter II einen kräftigen Zug von dem edlen, schweren Weißwein genommen. Unter dem spöttischen Blick von Peter I welkte er sichtlich dahin.
«Es ist – es ist ein Sauterne», begann er und unterbrach sich. Bredons Lächeln gab ihm aber neuen Mut, und so sagte er jetzt mit mehr Selbstsicherheit: «Château Iquem, 1911 – die Königin der Weißweine, Sir, wie mal irgendwer gesagt hat.» Damit leerte er trotzig sein Glas.
Das Gesicht des Comte sprach Bände, als er langsam seinen faszinierten Blick von Peter II ab – und Peter I zuwandte.
«Wenn sich schon jemand für mich ausgibt», murmelte letzterer sanft, «wäre es schmeichelhafter für mich gewesen, wenn diesen Versuch jemand unternommen hätte, für den ein Weißwein nicht wie jeder andere ist. Also, Sir, dieser bewundernswerte Jahrgang ist natürlich ein Montrachet – äh – Augenblick –» er ließ den Wein genießerisch auf der Zunge umgehen – «1911. Und es ist ein vorzüglicher Wein, obgleich ich bei allem Respekt vor Ihnen, Monsieur le Comte, finde, daß er vielleicht ein wenig zu süß ist, um seinen augenblicklichen Platz im Menü einzunehmen. Gewiß ist zu diesem ausgezeichneten consommé marmite ein lieblicherer Wein nicht ganz fehl am Platz, aber nach meiner bescheidenen Ansicht wäre er bei den confitures noch besser zur Geltung gekommen.»
«Bitte», sagte Bredon unschuldig, «da sieht man wieder, wie man sich irren kann. Hätte ich nicht den Vorteil, Lord Peters Expertenmeinung gehört zu haben – denn gewiß hat niemand, der einen Montrachet mit einem Sauterne verwechselt, Anrecht auf den Namen Wimsey –, so hätte ich diesen Wein nicht für einen Montrachet-Aîné gehalten, sondern für einen ChevalierMontrachet aus demselben Jahr, der ein wenig süßer ist. Aber zweifellos erscheint er einem, wie Eure Lordschaft sagen, dadurch, daß wir ihn zu dieser Suppe trinken, etwas süßer, als er in Wirklichkeit ist.»
Der Comte sah ihn scharf an, sagte aber nichts dazu.
«Nehmen Sie noch eine Olive», sagte Peter I freundlich. «Man kann einen Wein nicht beurteilen, wenn man noch einen andern Geschmack im Mund hat.»
«Heißen Dank», sagte Bredon. «Dabei fällt mir ein –» und damit gab er eine ziemlich witzlose Geschichte über Oliven zum besten, die sich über die Suppe hinzog und die Pause bis zum Auftragen einer ausgezeichnet zubereiteten Seezunge überbrückte.
Der Blick des Comte folgte ziemlich nachdenklich der hellbernsteingelben Flüssigkeit, die jetzt in die Gläser perlte. Bredon hob das seine auf die bewährte Weise unter seine Nase, und eine leichte Röte huschte über sein Gesicht. Nach dem ersten Schlückchen wandte er sich aufgeregt an seinen Gastgeber.
«Mein Gott, Sir–» begann er.
Die mahnend erhobene Hand ließ ihn verstummen.
Peter I nippte, sog die Luft ein, nippte erneut, und seine Stirn umwölkte sich. Peter II hatte inzwischen offenbar alle Ansprüche aufgegeben. Er trank durstig, strahlte und schien die Wirklichkeit vergessen zu haben.
«Eh bien, monsieur?» fragte der Comte liebenswürdig.
«Es ist mit Bestimmtheit ein Rheinwein», sagte Peter I, «und zwar der edelste, den ich je gekostet habe, aber ich muß gestehen, daß ich ihn im Augenblick nicht ganz plazieren kann.»
«Nein?» sagte Bredon. Seine Stimme war jetzt wie Bohnenblütenhonig, süß und harsch zugleich. «Und der andere Herr auch nicht? Dabei könnte ich diesen Wein auf ein paar Meilen genau lokalisieren, obschon ich sagen muß, daß ich ihn in dieser Zeit nicht in einem französischen Keller zu finden erwartet hätte. Es ist, wie Eure Lordschaft sagen, ein Rheinwein, und zwar ein Johannisberger. Nicht der plebejische Vetter, sondern der echte Schloß Johannisberger von den schloßeigenen Weinbergen. Er muß Eurer Lordschaft – sehr zu Ihrem Schaden – während des Krieges entgangen sein. Mein Vater hat noch ein paar Flaschen aufgelegt, bevor er starb, aber anscheinend waren die herzoglichen Keller in Denver nicht so gut ausgestattet.»
«Diesem Mißstand soll schnellstens abgeholfen werden», sagte der übriggebliebene Peter entschlossen.
Das poulet wurde serviert, begleitet von einem Streitgespräch über den Lafitte, den Seine Lordschaft auf 1878 datierte, während Bredon auf der Ansicht beharrte, er sei ein Restbestand des glorreichen 75 er Jahrgangs, ein wenig überreif, aber sowohl seinem hohen Alter als auch seinem edlen Stammbaum zur Ehre gereichend.
Beim Clos-Vougeôt bestand hingegen völlige Einigkeit; nach einer ersten vorsichtigen Datierung auf das Jahr 1915 erklärte Peter I ihn schließlich zu einem Vertreter des ebenso herrlichen, wenn auch ein wenig leichteren Jahrgangs 1911. Unter allgemeinem Applaus wurde das pré-salé abgetragen und das Dessert serviert.
«Ist es eigentlich nötig», meinte Peter I mit einem sanften Lächeln in Richtung Peter II – der jetzt nur noch selig vor sich hin lallte: «Verdammt guter Wein, verdammt gutes Essen, verdammt schöner Abend» – «ist es wirklich nötig, diese Farce in die Länge zu ziehen?»
«Eure Lordschaft werden sich doch der weiteren Diskussion gewiß nicht entziehen wollen?» erwiderte der Comte.
«Die Sache ist doch wohl hinreichend geklärt.»
«Aber einem Gespräch über Wein wird sicher niemand aus dem Weg gehen», meinte Bredon, «am wenigsten so ein großer Kenner wie Eure Lordschaft.»
«Bei diesem Wein doch», sagte der andere. «Ehrlich gesagt, ich kann nicht viel damit anfangen. Er ist süß und beißend, zwei Eigenschaften, die ihn in den Augen – vielmehr im Mund – des Kenners abqualifizieren. Hatte Ihr verehrter Herr Vater diesen Wein vielleicht auch im Keller, Mr. Bredon?» Bredon schüttelte den Kopf.
«Nein», sagte er, «nein. Echter kaiserlicher Tokayer ist für einen Schreiberling leider unerschwinglich. Aber ich gebe Ihnen recht, daß er sehr überbewertet wird – mit allem schuldigen Respekt vor Ihnen selbst, Monsieur le Comte.»
«In diesem Falle», sagte der Comte, «werden wir gleich zum Likör übergehen. Ich gestehe, daß ich die beiden Herren mit einem örtlichen Produkt verblüffen wollte, doch da der eine Bewerber offenbar die Waffen gestreckt hat, soll es Cognac sein – das einzige, was eine gute Weinfolge gebührend abschließt.»
Unter leicht verlegenem Schweigen wurden die großen, runden Schwenker auf den Tisch gestellt und die wenigen kostbaren Tropfen vorsichtig eingeschenkt und in eine leichte Drehbewegung versetzt, um das Bouquet freizusetzen.
«Das», sagte Peter I, nun wieder ganz liebenswürdig, «ist wahrhaftig ein wunderbarer alter französischer Cognac. Schätzungsweise ein halbes Jahrhundert alt.»
«Eure Lordschaft lassen in diesem Lob die Begeisterung missen», versetzte Bredon. «Das ist der Cognac – der Cognac aller Cognacs –, der herrliche, unvergleichliche, echte Napoleon. Man sollte ihn als den Kaiser ehren, der er ist.»
Er erhob sich, seine Serviette in der Hand.
«Sir», sagte der Comte, an ihn gewandt, «ich habe zu meiner Rechten einen bewundernswerten Weinkenner sitzen, aber Sie sind einzigartig.» Er winkte stumm dem Butler, der die leeren Flaschen feierlich an den Tisch brachte und enthüllte, vom bescheidenen Chablis bis zum stattlichen Napoleon mit dem in die Flasche geblasenen kaiserlichen Siegel. «Jedesmal haben Sie Lage und Jahrgang richtig bestimmt. Es gibt sicher kein halbes Dutzend Männer mit einem Gaumen wie dem Ihren auf der ganzen Welt, und ich dachte bisher, nur einer davon sei Engländer. Wollen Sie uns jetzt nicht mit Ihrem richtigen Namen beehren?»
«Sein Name spielt überhaupt keine Rolle», sagte Peter I. Er war aufgestanden. «Hände hoch, alle! Comte, die Formel!»
Bredon, der in der einen Hand noch immer die Serviette hielt, riß ruckartig die Hände hoch. Die weißen Falten spien Feuer, und das Geschoß traf den Revolver des andern genau zwischen Lauf und Abzug, wobei sich sehr zum Schaden des gläsernen Kerzenhalters der Schuß löste. Peter I schüttelte seine gelähmte Hand und fluchte.
Bredon hielt die Pistole auf ihn gerichtet, ohne dabei Peter II aus den wachsamen Augen zu lassen, dessen rosarote Visionen sich durch den Knall in nichts aufgelöst hatten und nach und nach seiner früheren Aggressivität Platz machten.
«Da die Abendgesellschaft einen etwas lebhaften Verlauf zu nehmen scheint», meinte Bredon, «wären Sie vielleicht so liebenswürdig, Comte, diese beiden Herren auf weitere Schußwaffen zu untersuchen. Danke. So, und nun könnten wir uns eigentlich alle wieder hinsetzen und die Flasche kreisen lassen.»
«Sie – Sie sind –» knurrte Peter I.
«Oh, mein Name ist wirklich Bredon», entgegnete der andere gutgelaunt. «Ich habe etwas gegen Pseudonyme. Sie sind so etwas wie die Kleider eines andern, wissen Sie – wollen nie so recht passen. Peter Death Bredon Wimsey – ein bißchen lang und so, aber ganz praktisch, wenn man ihn in Raten benutzt. Auch ich habe einen Paß und alle diese Sachen, aber da deren Reputation hier gewissermaßen etwas lädiert war, habe ich sie nicht vorgewiesen. Für die Formel gebe ich Ihnen, glaube ich, besser einen persönlichen Scheck von mir – mit Noten der Bank von England scheint hier jeder um sich werfen zu können. In meinen Augen ist diese ganze Geheimdiplomatie sowieso ein Fehler, aber das ist Sache des Kriegsministeriums. Ich nehme an, wir haben alle die gleichen Beglaubigungsschreiben bei uns. Eben, dachte ich mir doch. Da scheint sich irgendein schlaues Kerlchen sehr erfolgreich auf zwei Märkten gleichzeitig verkauft zu haben. Aber Sie beide müssen ja wirklich aufregende Zeiten hinter sich haben – jeder in dem Glauben, der andere sei ich.»
«Mylord», sagte der Comte traurig, «diese beiden Männer sind oder waren vermutlich Engländer. Es liegt mir nichts daran, zu wissen, welche Regierungen ihren Verrat gekauft haben. Aber wo sie stehen, da stehe leider, leider auch ich. Gegenüber unserer käuflichen, korrupten Republik empfinde ich als Royalist keinerlei Treueverpflichtung, aber es nagt an meinem Herzen, daß ich mich von meiner Armut dazu habe hinreißen lassen, mein Heimatland an England zu verkaufen. Fahren Sie zu Ihrem Kriegsministerium zurück und berichten Sie, daß ich Ihnen die Formel nicht gebe. Sollte es zwischen unseren Ländern – was Gott verhüte! – zu einem Krieg kommen, so werden Sie mich auf der Seite Frankreichs finden. Das ist mein letztes Wort, Mylord.»
Wimsey verneigte sich.
«Sir», sagte er, «meine Mission ist allem Anschein nach fehlgeschlagen. Darüber freue ich mich. Dieses Geschäft mit der Vernichtung ist ja doch ein schmutziges Geschäft. Schließen wir die Tür hinter diesen beiden Herren, die weder Fisch noch Fleisch sind, und trinken wir den Cognac in der Bibliothek zu Ende.»