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Der phantastische Greuel mit der Katze im
Sack
Die große Straße nach Norden wand sich als ein flaches, stahlgraues Band durch die Landschaft. Auf ihr flitzten, mit Sonne und Wind im Rücken, zwei schwarze Pünktchen dahin. Der Bauernknecht mit seinem Heuwagen sah in ihnen nur wieder «zwei von diesen vermaledeiten Motorradfahrern», die da kurz hintereinander an ihm vorbeidonnerten. Ein Stückchen weiter mußte ein Familienvater, der seinen Zweisitzer behutsam durch die Gegend lenkte, wehmütig lächeln ob des scharfen Knatterns der Norton mit ihren obengesteuerten Ventilen, gefolgt vom katzenhaft hohen Kreischen eines zornigen Scott FlyingSquirrel. In seinen Junggesellentagen hatte auch er an dieser immerwährenden Fehde teilgehabt. Mit einem bedauernden Seufzer sah er den beiden Rennmaschinen nach, wie sie, rasch kleiner werdend, in Richtung Norden entschwanden.
An der ekligen und unerwarteten S-Kurve über die Brücke oberhalb von Hatfield drehte der Norton-Fahrer sich hochgemut nach seinem Verfolger um und winkte trotzig zurück. In dieser Sekunde tauchte vor ihm auf der Brücke ein riesiges Ungetüm in Gestalt eines vollbesetzten Omnibusses auf. Im letzten Moment umkurvte er schlingernd das Hindernis, und die Scott konnte mit einem tollkühnen Zickzackmanöver, bei dem der linke und rechte Fußraster abwechselnd den Asphalt streiften, ein paar triumphale Meter aufholen. Die Norton machte mit Vollgas einen Satz nach vorn. Eine Gruppe Kinder rannte, von Panik erfaßt, plötzlich kopflos über die Straße. Die Scott schlängelte sich wild schleudernd zwischen ihnen hindurch. Dann war die Straße wieder frei, und die Jagd begann von vorn.
Es ist nicht bekannt, warum Automobilisten, die so gern das Glück der freien Straße besingen, an jedem Wochenende soviel Benzin verfahren, um sich mühsam nach Southend, Brighton und Margate zu quälen, einer im Auspuffgestank des andern, eine Hand an der Hupe, einen Fuß auf dem Bremspedal, mit fast aus den Höhlen quellenden Augen ängstlich nach Polizisten spähend und jederzeit mit unübersichtlichen Kurven, Kuppen und selbstmörderischen Kreuzungen rechnend. In stummer Verbissenheit fahren sie dahin und hassen einander. Sie kommen mit zerfetzten Nerven an und kämpfen um Parkplätze. Dann fahren sie zurück, geblendet von den Scheinwerfern der Neuankömmlinge, die sie noch mehr hassen als ihresgleichen. Und gleichzeitig windet sich die große Straße nach Norden als ein flaches, stahlgraues Band dahin – einer Rennbahn gleich, ohne Hindernisse, Hecken, Straßeneinmündungen und Verkehr. Gewiß, sie führt nirgendwohin im besonderen; aber schließlich ist doch ein Wirtshaus so ziemlich wie das andere.
Die Straße jagte unter ihnen zurück, Meile um Meile. Die scharfe Rechtskurve bei Baidock und die unübersichtlichen Ecken in Biggleswade mit ihrem Schilderwald zwangen zu einer vorübergehenden Tempoverminderung, aber sie brachten den Verfolger nicht näher. Mit Vollgas, brüllender Hupe und donnerndem Auspuff ging es durch Tempsford, dann kreischend wie ein Orkan am Posten des Royal Automobile Club vorbei, wo die Straße von Bedford einmündet. Der NortonFahrer warf erneut einen Blick nach hinten; der Scott-Ritter drückte von neuem wütend auf die Hupe. Flach wie ein Schachbrett drehten sich die von Gräben durchzogenen Felder um den Horizont.
Der Konstabler von Eaton Socon war durchaus kein eingefleischter Motorfeind. Er war sogar eben erst von seinem Fahrrad gestiegen, um dem Mann von der Automobile Association, der an der Kreuzung Dienst tat, guten Tag zu sagen. Aber er war gerecht und gottesfürchtig. Der Anblick zweier Irrer, die da mit siebzig Meilen pro Stunde in seinen Bezirk gerast kamen, war mehr, als man von ihm zu dulden erwarten konnte – zumal gerade in diesem Augenblick der örtliche Friedensrichter in einem Einspänner vorbeifuhr. Also trat er mitten auf die Straße und breitete gebieterisch die Arme aus. Der Norton-Fahrer hielt Umschau, sah die Straße jenseits des Hindernisses von dem Einspänner und einer Zugmaschine blockiert und schickte sich in das Unvermeidliche. Er warf den Gashebel zurück, trat auf die quietschenden Bremsen und kam rutschend zum Stehen. Die Scott hatte genug Vorwarnzeit gehabt und näherte sich sittsam und leise wie ein schnurrendes Kätzchen.
«Also», sagte der Konstabler in tadelndem Ton, «wissen Sie wirklich nichts Besseres als hier mit hundert Sachen in den Ort einzufahren? Sie sind doch hier nicht auf der Rennbahn, wie? So was hab ich also mein Lebtag noch nicht gesehen. Ihre Namen und Papiere, wenn’s gefällig ist. Sie können bezeugen, Mr. Nadgett, daß die beiden über achtzig gefahren sind.»
Der A. A.-Mann warf rasch einen Blick auf die beiden Lenkstangen, um sich zu vergewissern, daß die schwarzen Schafe nicht von seiner Herde waren, und sagte im Ton unparteiischer Genauigkeit: «Etwa sechsundsechzigeinhalb Meilen, würde ich sagen, wenn ich vor Gericht danach gefragt würde.»
«Hör mal, du Komiker», wandte der Scott-Fahrer sich entrüstet an den Norton-Fahrer, «kannst du mir in drei Teufels Namen mal sagen, warum du nicht angehalten hast, wie du mich hast hupen hören? Dreißig Meilen bin ich dir mit deiner blöden Tasche nachgefahren. Kannst du dich nicht selber um dein verdammtes Gepäck kümmern?»
Er zeigte auf eine kleine, kompakte Reisetasche, die mit Schnur an seinem Gepäckträger festgebunden war.
«Das da?» versetzte der Norton-Fahrer verächtlich. «Die gehört mir nicht. Hab sie noch nie im Leben gesehen.»
Dieses unverfrorene Leugnen verschlug dem Scott-Fahrer zunächst einmal die Sprache.
«Das ist ja wohl –» stieß er hervor. «Du Vollidiot, ich hab sie doch bei dir runterfallen sehen, kurz hinter Hatfield. Ich hab gerufen und gehupt wie verrückt. Aber anscheinend macht dein obengesteuertes Ding da so einen Krach, daß du nichts anderes mehr hörst. Ich mache mir extra die Mühe, deinen Krempel aufzuheben und dir damit nachzufahren, und dir fällt nichts Gescheiteres ein, als loszurasen wie ein Irrer und mich in eine Polizeifalle zu locken. Das ist der Dank, das hat man davon, wenn man Verrückten auf der Straße einen Gefallen tun will.»
«Das tut alles nichts zur Sache», sagte der Polizist. «Bitte Ihren Führerschein, Sir.»
«Hier», sagte der Scott-Fahrer wütend, indem er seine Brieftasche herausriß. «Mein Name ist Walters, und das war das letzte Mal, daß ich versucht habe, jemandem einen Gefallen zu tun, darauf können Sie Gift nehmen.»
«Walters», wiederholte der Konstabler, während er die Angaben gewissenhaft in sein Notizbuch eintrug, «und Simpkins. Sie werden zu gegebener Zeit Ihre Vorladungen bekommen. Dürfte ungefähr in einer Woche sein, Montag oder so, könnte ich mir denken.»
«Wieder zwei Pfund zum Teufel», knurrte Simpkins, mit dem Gaszug spielend. «Aber da kann man wohl nichts machen.»
«Zwei Pfund?» schnaubte der Konstabler. «Sie haben Vorstellungen! Rücksichtslose Raserei und Gefährdung der Allgemeinheit war das hier. Sie können von Glück reden, wenn Sie jeder mit fünf Pfund davonkommen.»
«Ach, zum Teufel!» erwiderte der andere, wobei er wütend auf den Kickstarter trat. Brüllend erwachte der Motor, aber Mr. Walters schwenkte geschickt seine Maschine der Norton in den Weg.
«Von wegen!» sagte er gehässig. «Du nimmst gefälligst deine schmierige Tasche mit, verstanden? Ich hab nämlich gesehen, wie sie dir runtergefallen ist.»
«Bitte keine Kraftausdrücke», begann der Konstabler, als ihm plötzlich auffiel, wie der A. A.-Mann die Tasche ganz merkwürdig anschaute und ihm Zeichen machte.
«Hoppla», sagte er. «Was ist denn mit dieser – sagten Sie ‹schmierige Tasche›? Sie, diese Tasche möchte ich mir gern mal ansehen, Sir, wenn Sie nichts dagegen haben.»
«Mich geht sie ja nichts an», sagte Mr. Walters, indem er ihm die Tasche reichte. «Ich hab sie runterfallen sehen und –» Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken, und sein Blick richtete sich starr auf eine Ecke der Tasche, wo etwas Feuchtes, Schreckliches, dunkel heraussickerte.
«Ist Ihnen die Ecke da aufgefallen, als Sie die Tasche aufhoben?» fragte der Konstabler. Er tupfte vorsichtig auf die Ecke und besah sich seinen Finger.
«Ich weiß nicht – nein – nicht besonders», stammelte Walters.
«Mir ist überhaupt nichts aufgefallen. Ich – ich denke, daß sie aufgeplatzt ist, als sie auf die Straße fiel.»
Der Konstabler zog stumm die geplatzte Naht auseinander, dann drehte er sich hastig um und scheuchte ein paar junge Frauen fort, die neugierig stehengeblieben waren. Der A. A.Mann sah jetzt näher hin und zuckte unter einem Anfall von Übelkeit zurück.
«O Gott!» stöhnte er. «Es ist lockig – von einer Frau.»
«Ich habe nichts damit zu tun!» kreischte Simpkins. «Ich schwöre beim Himmel, das Ding gehört mir nicht. Dieser Kerl will mir das nur anhängen.»
«Ich?» keuchte Walters. «Ich? Jetzt hör mal, du Dreckskerl, du Mörder, ich sag dir, ich hab’s von deinem Gepäckträger runterfallen sehen. Kein Wunder, daß du abgehauen bist, wie du mich hast kommen sehen. Verhaften Sie ihn, Konstabler. Sperren Sie ihn ein –»
«Hallo, Konstabler!» sagte eine Stimme hinter ihnen. «Was gibt’s hier so Aufregendes? Sie haben nicht zufällig einen Motorradfahrer mit einer kleinen Reisetasche auf dem Gepäckträger vorbeifahren sehen, wie?»
Ein großer offener Wagen mit unglaublich langer Motorhaube war lautlos wie ein Schatten herangefahren. Die ganze aufgeregte Gesellschaft drehte sich nach dem Fahrer um.
«Ist sie das vielleicht, Sir?»
Der Autofahrer nahm seine Schutzbrille ab, und darunter kamen eine lange, schmale Nase und ein Paar ziemlich zynisch dreinblickender grauer Augen zum Vorschein.
«Sieht fast so –» begann er, da fiel sein Blick auf den grausigen Inhalt, der aus einer Ecke herausschaute. «Um Gottes willen», entfuhr es ihm. «Was ist denn das?»
«Das möchten wir auch gern wissen, Sir», sagte der Konstabler grimmig.
«Hm», machte der Autofahrer, «ich scheine mir einen ungemein günstigen Moment ausgesucht zu haben, um mich nach meiner Tasche zu erkundigen. Wie taktlos. Jetzt zu sagen, daß es nicht meine ist, wäre leicht, allerdings nicht sehr überzeugend. Sie gehört mir natürlich wirklich nicht, und ich darf sagen, wenn sie mir gehörte, hätte ich es sicher nicht eilig gehabt, ihr nachzufahren.»
Der Konstabler kratzte sich am Kopf.
«Diese beiden Herren –» begann er.
Beide Motorradfahrer begannen gleichzeitig, temperamentvoll ihre Zuständigkeit zu bestreiten. Inzwischen hatte sich ein kleiner Menschenauflauf gebildet, den der A. A.-Mann hilfsbereit zu zerstreuen versuchte.
«Sie müssen alle mit mir aufs Revier kommen», erklärte der geplagte Konstabler. «Wir können hier nicht herumstehen und den Verkehr aufhalten. Und bitte keine Tricks. Sie beide werden Ihre Motorräder schieben, und ich fahre bei Ihnen im Wagen mit, Sir.»
«Und wenn ich nun Gas gebe und Sie entführe?» entgegnete der Autofahrer grinsend. «Was machen Sie dann? He, Sie», wandte er sich an den A. A.-Mann, «werden Sie mit so einem Ding fertig?»
«Darauf können Sie sich verlassen», antwortete der Straßenwachtmann, wobei sein Blick verliebt über den langen, geschwungenen Auspuff und das schnittige Profil des Wagens glitt.
«Schön. Dann steigen Sie ein. Sie, Konstabler, können mit den andern zu Fuß laufen und ein Auge auf sie haben. Wie ich doch an alle Kleinigkeiten denke, nicht? Übrigens, die Fußbremse spricht ein bißchen hart an. Treten Sie nicht zu fest darauf, sonst erleben Sie Ihr blaues Wunder.»
Inmitten riesigen Aufsehens, wie es in den ruhigen Annalen von Eaton Socon bis dahin unbekannt war, wurde das Schloß der Reisetasche auf dem Revier aufgebrochen und ihr grausiger Inhalt pietätvoll auf einen Tisch gelegt. Außer einer Menge Mull, in die er gewickelt gewesen war, fand sich nichts, was irgendwie zur Lösung des Rätsels hätte beitragen können.
«So», sagte der Polizeichef, «und was wissen die Herren nun über diese Geschichte?»
«Überhaupt nichts», antwortete Simpkins mit einer schrecklichen Grimasse, «nur daß der Kerl da versucht hat, mir das Ding anzuhängen.»
«Ich hab’s kurz hinter Hatfield bei diesem Mann vom Gepäckträger fallen sehen», wiederholte Mr. Walters unbeirrt, «und dann bin ich ihm dreißig Meilen weit nachgefahren und hab versucht, ihn anzuhalten. Mehr weiß ich darüber nicht, und ich wollte bei Gott, ich hätte das scheußliche Ding nie angefaßt.»
«Auch ich weiß persönlich nichts darüber», erklärte der Autofahrer, «aber ich glaube, ich habe eine Ahnung, was es ist.»
«Was soll das heißen?» fragte der Polizeichef in scharfem Ton.
«Ich könnte mir vorstellen, daß es der Kopf der Leiche vom Finsbury Park ist – aber wohlgemerkt, das ist nur eine Vermutung.»
«Genau dasselbe habe ich gerade auch gedacht», stimmte der Polizeichef ihm mit einem Blick auf die Tageszeitung auf seinem Tisch zu, deren Schlagzeilen über die gespenstischen Details dieses gräßlichen Verbrechens Auskunft gaben, «und wenn das so ist, muß man Ihnen, Konstabler, zu einem sehr wichtigen Fang gratulieren.»
«Danke, Sir», sagte der geschmeichelte Konstabler und salutierte.
«Und nun muß ich Ihrer aller Aussagen aufnehmen», sagte der Polizeichef. «Halt, nein; zuerst werde ich noch den Konstabler hören. Also, Briggs?»
Nachdem der Konstabler, der A. A.-Mann und die beiden Motorradfahrer ihre Erklärungen abgegeben hatten, wandte der Polizeichef sich dem Autobesitzer zu.
«Und was können Sie nun dazu sagen?» fragte er. «Aber zuerst Ihren Namen und Ihre Adresse.»
Der andere zückte eine Visitenkarte, die der Polizeichef abschrieb und ihrem Besitzer respektvoll zurückreichte.
«Eine Tasche von mir, in der sich kostbarer Schmuck befand, wurde gestern in Piccadilly aus meinem Wagen gestohlen», begann der Autofahrer. «Sie sieht dieser hier sehr ähnlich, hat aber ein Zahlenschloß. Ich habe über Scotland Yard Erkundigungen einziehen lassen und heute die Meldung erhalten, daß gestern eine Tasche sehr ähnlichen Aussehens am Bahnhof Paddington bei der Gepäckaufbewahrung aufgegeben wurde. Ich eilte sofort hin und erfuhr von dem Beamten, daß die Tasche kurz vor Eintreffen der polizeilichen Warnung von einem Mann in Motorradkleidung abgeholt worden sei. Ein Gepäckträger sagte, er habe den Mann aus dem Bahnhof gehen sehen, und ein Eckensteher hatte ihn auf einem Motorrad davonfahren sehen. Das war etwa eine Stunde zuvor gewesen. Die Sache erschien ziemlich hoffnungslos, denn natürlich hatte sich niemand auch nur die Marke des Motorrads gemerkt, geschweige denn die Nummer. Zum Glück war da aber noch ein aufgewecktes kleines Mädchen. Dies aufgeweckte kleine Mädchen hatte sich vor dem Bahnhof herumgetrieben und gehört, wie ein Motorradfahrer sich bei einem Taxifahrer nach dem schnellsten Weg nach Finchley erkundigte. Ich überließ es der Polizei, den Taxifahrer ausfindig zu machen, und fuhr selbst los, und in Finchley traf ich einen intelligenten jungen Pfadfinder. Er hatte einen Motorradfahrer mit einer Tasche auf dem Gepäckträger gesehen und ihm zugewinkt und gerufen, daß der Riemen locker sei. Der Motorradfahrer sei abgestiegen, habe den Riemen festgezogen und sei geradewegs die Straße nach Chipping Barnet hinaufgefahren. Der Junge war zu weit weg gewesen, um die Motorradmarke zu erkennen – mit Sicherheit wußte er nur, daß es keine Douglas war, denn so eine habe sein Bruder. In Barnet hörte ich eine merkwürdige kleine Geschichte von einem Mann in Motorradkleidung, der bleich wie ein Gespenst in ein Wirtshaus getaumelt sei, zwei doppelte Cognac getrunken habe, wieder hinausgegangen und wie die wilde Jagd davongefahren sei. Nummer? – Natürlich wieder nicht. Das Mädchen an der Bar hat mir die Geschichte erzählt. Sie hat die Nummer doch nicht gesehen. Daraufhin konnte ich nur noch losrasen wie ein Verrückter. Hinter Hatfield wurde mir dann etwas von einem Straßenrennen erzählt. Und nun sind wir hier.»
«Mir scheint, Mylord», sagte der Polizeichef, «daß an diesem Rennen nicht nur eine Seite beteiligt war.»
«Ich geb’s ja zu», antwortete der andere, «obschon ich als mildernden Umstand anführen möchte, daß ich Frauen und Kinder geschont und nur auf freier Straße das Gaspedal durchgetreten habe. Im Augenblick aber geht es –»
«Nun, Mylord», sagte der Polizeichef, «ich habe Ihre Aussage gehört, und wenn sie stimmt, läßt sie sich ja durch Nachfragen in Paddington und Finchley und so weiter bestätigen. Nun zu diesen beiden Herren –»
«Es ist doch wohl klar», unterbrach ihn Mr. Walters, «daß die Tasche diesem Mann da vom Gepäckträger gefallen ist, und als er mich hinter sich herkommen sah, dachte er, das wäre eine gute Gelegenheit, mir das verdammte Ding an den Hals zu hängen. Klarer kann doch gar nichts mehr sein.»
«Das ist gelogen», versetzte Mr. Simpkins. «Der Kerl da ist irgendwie an die Tasche herangekommen – ich will nicht wissen, wie, aber ich kann es mir denken –, und da hatte er die schlaue Idee, mir die Sache anzuhängen. Man kann ja leicht behaupten, einem andern wäre was vom Gepäckträger gefallen. Wo ist der Beweis? Wo ist der Riemen? Wenn das wahr wäre, was er sagt, müßte der Riemen ja noch an meinem Motorrad sein. Die Tasche war aber auf seinem Motorrad – festgebunden, ganz fest.»
«Ja, mit einer Schnur», entgegnete der andere. «Wenn ich jemanden umgebracht und mich mit dem Kopf aus dem Staub gemacht hätte, meinen Sie, ich wäre so dämlich, ihn mit einem Stück Bindfaden für zwei Penny festzubinden? Der Riemen hat sich gelöst und ist irgendwo auf die Straße gefallen; so war das mit dem Riemen.»
«Nun passen Sie mal auf», sagte der Mann, der mit «Mylord» angesprochen worden war, «ich habe da eine Idee, falls sie was taugt. Angenommen, Herr Polizeichef, Sie trommeln so viele von Ihren Leuten zusammen, wie Sie es für nötig halten, um drei zum äußersten entschlossene Verbrecher zu bewachen, und wir fahren alle zusammen nach Hatfield. Ich kann mit knapper Not zwei Mann in meinem Wagen unterbringen, und sicher haben Sie ein Polizeiauto. Wenn dieses Ding von einem Gepäckträger gefallen ist, könnte ja noch jemand außer Mr. Walters das gesehen haben.»
«Hat aber keiner», erklärte Mr. Simpkins.
«War keine Menschenseele weit und breit», sagte Mr. Walters, «aber woher weißt du, daß keiner da war, he? Ich denke, du hast von allem überhaupt keine Ahnung.»
«Ich meine, weil das Ding nicht runtergefallen ist, kann es auch keiner runterfallen gesehen haben», fauchte der andere.
«Nun, Mylord», sagte der Polizeichef, «ich neige dazu, Ihren Vorschlag anzunehmen, denn das gibt uns zugleich die Möglichkeit, auch Ihre Aussage zu überprüfen. Wohlgemerkt, ich sage nicht, daß ich daran zweifle, nachdem ich weiß, wer Sie sind. Ich habe einiges über Ihre Detektivarbeit gelesen, Mylord, und das war schon sehr raffiniert, muß ich sagen. Trotzdem wäre es ein Pflichtversäumnis meinerseits, keine Bestätigung dafür einzuholen, wenn es mir möglich ist.»
«Bravo! Vollkommen richtig», sagte Seine Lordschaft. «Die schnellen Truppen an die Front! Wir können es leicht in – das heißt, bei Einhaltung der gesetzlich erlaubten Geschwindigkeit können wir es in nicht viel mehr als anderthalb Stunden schaffen.»
Etwa eine dreiviertel Stunde später fuhren der Rennwagen und das Polizeiauto einträchtig nach Hatfield ein. Von da an übernahm der Viersitzer, in dem Walters und Simpkins einander böse anfunkelten, die Führung, und kurz darauf gab Walters ein Zeichen, und die beiden Wagen hielten an.
«Ungefähr hier war es, wenn ich mich richtig erinnere; hier ist sie runtergefallen», sagte er. «Natürlich sieht man jetzt keine Spur mehr davon.»
«Sind Sie sicher, daß dabei nicht auch ein Riemen runtergefallen ist?» fragte der Polizeichef. «Denn irgend etwas muß sie ja vorher festgehalten haben.»
«Natürlich ist kein Riemen runtergefallen», sagte Simpkins, bleich vor Wut. «Sie haben kein Recht, ihm mit solchen Fragen die Antwort in den Mund zu legen!»
«Moment», sagte Walters bedächtig. «Nein, von einem Riemen war nichts zu sehen. Aber ich erinnere mich dunkel, etwa vier- bis fünfhundert Meter weiter oben etwas auf der Straße gesehen zu haben.»
«Das ist gelogen!» schrie Simpkins. «Das saugt er sich aus den Fingern!»
«Etwa da, wo wir vor ein paar Minuten an dem Mann mit dem Beiwagen vorbeigekommen sind?» fragte Seine Lordschaft. «Ich habe ja gleich gesagt, wir hätten anhalten und ihn fragen sollen, ob wir ihm helfen können, Herr Polizeichef. Sie wissen ja, Höflichkeit im Straßenverkehr und so weiter.»
«Er hätte uns doch nichts sagen können», erwiderte der Polizeichef. «Wahrscheinlich hatte er gerade erst angehalten.»
«Da bin ich nicht so sicher», widersprach der andere. «Ist Ihnen nicht aufgefallen, was er tat? O Gott, o Gott, wo waren Ihre Augen? Hallo – da kommt er ja!»
Er sprang auf die Straße hinaus und winkte dem Beiwagenfahrer zu, der es beim Anblick von vier Polizisten ratsam fand, anzuhalten.
«Entschuldigen Sie», sagte Seine Lordschaft. «Wir wollten Sie eigentlich nur rasch fragen, ob bei Ihnen alles klar ist und so weiter und so fort. Sie verstehen. Wollte vorhin schon anhalten, aber der Gashebel klemmte; kriegte das dämliche Ding nicht zurück. Kleinen Ärger gehabt, wie?»
«Oh, danke, alles bestens in Ordnung; ich wäre Ihnen höchstens dankbar, wenn Sie ein paar Liter Benzin für mich übrig hätten. Der Tank hat sich gelöst. Furchtbar ärgerlich. Hat mir ziemlich zu schaffen gemacht. Zum Glück hat mir die Vorsehung einen abgerissenen Riemen auf die Straße gelegt, damit konnte ich ihn festbinden. Aber er ist ein bißchen aufgeplatzt, da wo der Bolzen abgerissen ist. Kann von Glück sagen, daß es keine Explosion gab. Aber Motorradfahrer haben ihren eigenen Schutzengel.»
«Einen Riemen, so?» meinte der Polizeichef. «Da muß ich Sie leider bitten, mir den mal zu zeigen.»
«Wie?» fragte der andere. «Und gerade hab ich das Ding damit festgebunden! Was zum –? Schon gut, Schatz, schon gut –» dies zu seiner Beifahrerin. «Ist es was Ernstes, Herr Polizeirat?»
«Leider ja, Sir. Tut mir leid, Sie belästigen zu müssen.»
«He!» rief einer der Polizisten, indem er nach allen Regeln der Kunst Mr. Simpkins abfing, der gerade einen Satz über das Wagenheck machen wollte. «Hat keinen Zweck, mein Junge. Das wird Ihnen schlecht bekommen.»
«Kein Zweifel möglich», sagte der Polizeichef triumphierend, indem er den Riemen an sich riß, den ihm der Beiwagenfahrer reichte. «Da steht sogar sein Name drauf. ‹J. SIMPKINS›, groß mit Tinte draufgemalt. Wahrhaftig, Sir, ich bin Ihnen sehr verbunden. Sie haben uns geholfen, einen großen Fang zu machen.»
«Nein! Wer ist das denn?» rief die Frau im Beiwagen. «Wie furchtbar aufregend! Geht es um Mord?»
«Lesen Sie morgen die Zeitung, Miss», sagte der Polizeichef, «dann können Sie was erfahren. He, Briggs, legen Sie ihm lieber Handschellen an.»
«Und was ist mit meinem Tank?» erkundigte der Mann sich kläglich. «Du kannst das ja meinetwegen aufregend finden, Babs, aber jetzt mußt du aussteigen und mir schieben helfen.»
«Aber nicht doch», sagte Seine Lordschaft. «Hier ist ein Riemen. Ein viel schönerer Riemen. Ein richtig erstklassiger Riemen. Und Benzin. Und ein schönes Fläschchen. Alles, was ein junger Mann bei sich haben sollte. Und wenn Sie mal nach London kommen, vergessen Sie nicht, mich zu besuchen. Lord Peter Wimsey, Piccadilly 110a. Wird mich jederzeit freuen. Zum Wohl.»
«Prost», sagte der andere, indem er sich, merklich besänftigt, die Lippen abwischte. «Hat mich sehr gefreut, mich nützlich machen zu können. Halten Sie’s mir zugute, Herr Polizeirat, wenn Sie mich das nächste Mal bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erwischen.»
«Was für ein Glück, daß wir den gesehen haben», stellte der Polizeichef selbstzufrieden fest, als sie weiter nach Hatfield hineinfuhren. «Regelrechte Vorsehung, könnte man sagen.»
«Ich will Ihnen reinen Wein einschenken», sagte Simpkins, als er völlig am Boden zerstört, mit gefesselten Händen, wieder auf der Polizeiwache saß. «Ich schwöre bei Gott, ich weiß überhaupt nichts davon – von dem Mord, meine ich. Ich kenne einen Mann, der in Birmingham ein Juweliergeschäft hat. Sehr gut kenne ich ihn nicht einmal. Eigentlich hab ich ihn überhaupt erst letzte Ostern in Southend kennengelernt, und wir haben uns ein bißchen angefreundet. Owen heißt er – Thomas Owen. Er hat mir gestern geschrieben, daß er versehentlich eine Reisetasche bei der Gepäckaufbewahrung von Paddington gelassen hat und ob ich sie für ihn abholen kann – den Aufbewahrungsschein hatte er beigelegt – und ob ich sie ihm bringen könnte, wenn ich das nächste Mal nach da oben käme. Ich arbeite im Transportgewerbe – Sie haben ja meine Karte – und fahre immerzu im Land auf und ab. Zufällig mußte ich gerade heute mit dieser Norton in die Richtung, da hab ich also gegen Mittag die Tasche geholt und bin damit losgefahren. Das Datum auf dem Aufbewahrungsschein ist mir nicht aufgefallen. Ich weiß nur, daß ich nichts dafür bezahlen mußte, demnach kann sie nicht lange dort gewesen sein. Naja, dann ging alles genauso, wie Sie sagen, bis Finchley, da hat mir dann der Junge zugerufen, daß der Riemen locker ist, und ich hab ihn festgezogen. Und da hab ich gemerkt, daß die Tasche an einer Ecke aufgeplatzt und ganz feucht war und – und da – da hab ich gesehen, was Sie auch gesehen haben. Es hat mir richtig den Magen umgedreht, und dann hab ich den Kopf verloren. Ich hatte nur noch einen Gedanken, und zwar das Ding so schnell wie möglich loszuwerden. Ich wußte, daß es auf der Straße nach Norden viele einsame Strecken gibt, also hab ich den Riemen angeschnitten, fast durch – das war, als ich in Barnet einen trinken gegangen bin –, und dann, als ich dachte, es ist niemand in Sichtweite, hab ich nur nach hinten gegriffen und einen kurzen Ruck gemacht, und weg war die Tasche – mit Riemen und allem; ich hatte ihn nämlich nicht durch die Ösen gezogen. Und wie sie runterfiel, war das für mich, als wenn mir ein großer Stein vom Herzen geplumpst wäre. Wahrscheinlich ist Walters gerade in dem Moment in Sicht gekommen. Ich mußte ein paar Meilen weiter etwas langsamer fahren, weil da gerade Schafe auf eine Wiese getrieben wurden, und da hörte ich ihn hinter mir hupen und – o mein Gott!»
Er vergrub stöhnend den Kopf in die Hände.
«Aha», sagte der Polizeichef von Eaton Socon. «Das ist also Ihre Aussage. Und nun zu diesem Thomas Owen –»
«Ach was», rief Lord Peter Wimsey, «lassen Sie diesen Thomas Owen aus dem Spiel. Das ist nicht der Mann, den Sie suchen. Sie nehmen doch nicht an, daß einer, der einen Mord begangen hat, sich von jemand anderm den Kopf nach Birmingham nachbringen läßt! Der sollte wahrscheinlich schön in der Gepäckaufbewahrung von Paddington bleiben, bis der schlaue Sünder über alle Berge oder der Kopf nicht mehr zu erkennen war oder beides. Dort dürften wir dann übrigens meine Familiensteinchen finden, die Ihr einnehmender Freund Owen mir aus dem Wagen geklaut hat. So, Mr. Simpkins, und jetzt nehmen Sie sich mal zusammen und erzählen uns, wer neben Ihnen an der Gepäckaufbewahrung stand, als Sie die Tasche abholten. Versuchen Sie sich genau zu erinnern, denn diese hübsche kleine Insel ist kein Platz mehr für ihn, und während wir hier herumstehen und reden, besteigt er das nächste Schiff.»
«Ich erinnere mich nicht», ächzte Simpkins. «Mir ist keiner aufgefallen. Mir dreht sich alles im Kopf.»
«Macht nichts. Gehen wir zurück. Denken Sie ruhig nach. Stellen Sie sich vor, wie Sie von Ihrer Maschine gestiegen sind und sie irgendwo angelehnt haben –»
«Nein, ich hab sie auf den Ständer gestellt.»
«Gut! Weiter so. Jetzt überlegen Sie – Sie nehmen den Aufbewahrungsschein aus der Tasche und gehen hin -versuchen, sich dem Schalterbeamten bemerkbar zu machen.»
«Das ging zuerst gar nicht. Da war so eine alte Frau, die wollte einen Kanarienvogel aufgeben, und ein sehr aufgeregter Mann mit Golfschlägern, der es furchtbar eilig hatte. Er war richtig ungezogen zu so einem stillen kleinen Mann mit – Himmel, ja! Mit einer Reisetasche genau wie dieser da. Ja, so war’s. Der kleine Mann hatte sie schon eine ganze Weile auf dem Schaltertisch stehen, und der große stieß ihn einfach beiseite. Ich weiß nicht so genau, was dann passiert ist, denn gerade da wurde mir meine Tasche gegeben. Der große Mann schob sein Gepäck genau vor uns beide hin, und ich mußte darübergreifen – und ich vermute – ja, ich muß dann wohl die falsche Tasche genommen haben. Du lieber Gott! Wollen Sie damit etwa sagen, daß dieser schüchterne kleine Mann, der so unscheinbar aussah, ein Mörder war?»
«So sehen viele aus», warf der Polizeichef von Hatfield ein.
«Aber wie sah er nun aus – los, sagen Sie schon!»
«Ungefähr einsfünfundsechzig groß, hatte einen Filzhut auf und trug einen staubgrauen Mantel. Sehr gewöhnlich, mit ziemlich schwachen, vorstehenden Augen, glaube ich, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn wiedererkennen würde. Ach ja, Moment! An etwas erinnere ich mich noch. Er hatte so eine komische Narbe, halbmondförmig, unter dem linken Auge.»
«Damit ist der Fall klar», sagte Lord Peter. «Ich hab’s mir ja schon gedacht. Haben Sie das – äh – Gesicht erkannt, Herr Polizeichef, als wir es herausnahmen? Nein? Aber ich. Es war Dahlia Dallmeyer, die Schauspielerin, die angeblich vorige Woche nach Amerika abgereist ist. Und der kleine Kerl mit der halbmondförmigen Narbe ist ihr Mann, Philip Storey. Unerquickliche Geschichte und so. Sie hat ihn ruiniert und wie Dreck behandelt und betrogen, aber wie es aussieht, hatte er das letzte Wort. Und jetzt nehme ich an, daß bei ihm die Gerichte das letzte Wort sprechen werden. Setzen Sie mal das Telefon in Betrieb, Herr Polizeichef, und sagen Sie den Leuten in Paddington, sie sollen mir meine Tasche zurückerstatten, bevor Mr. Thomas Owen darauf kommt, daß es da ein kleines Versehen gegeben hat.»
«Na ja, jedenfalls war’s ein Klasserennen», sagte Mr. Walters, indem er dem beschämten Mr. Simpkins großmütig die Hand entgegenstreckte. «Das ist die Strafe wert. Ich muß Ihnen dieser Tage mal Revanche geben.»
Am nächsten Morgen in der Frühe ging ein kleiner unscheinbarer Mann an Bord des Transatlantikdampfers Volucria. Am oberen Ende der Gangway stießen zwei Männer mit ihm zusammen. Der jüngere der beiden, der eine kleine Reisetasche trug, drehte sich um und wollte sich entschuldigen, als ein Leuchten des Erkennens über sein Gesicht ging.
«Nanu, wenn das nicht Mr. Storey ist!» rief er laut. «Wohin soll’s denn gehen? Ich habe Sie ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.»
«Ich bedaure», sagte Philip Storey, «aber leider hatte ich noch nicht das Vergnügen –»
«Sparen Sie sich das doch», entgegnete der andere lachend.
«Mit dieser Narbe da würde ich Sie überall erkennen. Wollen Sie in die Staaten?»
«Hm, ja», sagte der andere, als er sah, daß die überschwengliche Art seines Bekannten Aufsehen erregte. «Ich muß um Entschuldigung bitten. Lord Peter Wimsey, nicht wahr? Ja. Ich will zu meiner Frau, die schon vorausgefahren ist.»
«Und wie geht’s ihr», fragte Wimsey, indem er ihn in Richtung Bar drängte und sich an einen Tisch setzte. «Sie ist vorige Woche schon gefahren, nicht? Ich hab’s in der Zeitung gelesen.»
«Ja, sie hat mir ein Telegramm geschickt, ich soll doch nachkommen. Wir – wollen Urlaub machen – an den Großen Seen. Sehr angenehmes Klima dort im Sommer.»
«Telegrafiert hat sie Ihnen? Und nun sind wir hier auf demselben Schiff. Merkwürdige Zufälle gibt es. Ich selbst habe erst in letzter Minute den Befehl bekommen, in See zu stechen. Verbrecherjagd – mein Steckenpferd, Sie wissen ja.»
«Ach, wirklich?» Mr. Storey leckte sich über die Lippen.
«Ja. Und das hier ist Kriminalinspektor Parker von Scotland Yard – ein guter Freund von mir. Ja, ja. Sehr unerfreuliche Geschichte. Ärgerlich. Eine Tasche, die friedlich in der Gepäckaufbewahrung von Paddington hätte ruhen sollen, taucht plötzlich in Eaton Socon auf. Hat doch da nichts zu suchen, oder?»
Er knallte die Tasche so heftig auf den Tisch, daß das Schloß aufsprang.
Storey fuhr mit einem Aufschrei hoch und warf die Arme über die Öffnung der Tasche, als wollte er ihren Inhalt zudekken.
«Wie kommen Sie daran?» schrie er. «Eaton Socon? Das – da war ich noch nie –»
«Es ist meine», sagte Wimsey ruhig, während der unglückselige Mensch begriff, daß er sich verraten hatte, und mutlos auf seinen Stuhl zurücksank. «Ein wenig Schmuck von meiner Mutter. Was hatten Sie denn darin vermutet?»
Kriminalinspektor Parker berührte den Ertappten leicht an der Schulter.
«Darauf brauchen Sie nicht zu antworten», sagte er. «Ich verhafte Sie, Philip Storey, wegen Mordes an Ihrer Frau. Alles, was Sie von jetzt an sagen, kann gegen Sie verwendet werden.»