Nikki blinzelte. Sie war sich nicht sicher, was Porter meinte. Er brauchte sie? Sie machte den Mund auf, um ihn zu bitten, sich klarer auszudrücken, aber in dem Moment küsste er sie.
Und es fühlte sich so gut an!
Ihr Körper war mit einem Mal voller Leben, als sie den Mund leicht für ihn öffnete. Eine Krücke fiel klappernd zu Boden, als er die Hand in ihren Nacken legte.
„Ich will mit dir schlafen“, sagte er leise und drängte sie in ihr Zimmer.
„Es ist Männern nicht gestattet, in der Pension zu übernachten“, murmelte sie.
Mit einer Krücke schob er die Tür ins Schloss. „Das geht schon in Ordnung – mir gehört die Pension nämlich.“
Sie sank mit ihm zusammen aufs Bett und wartete darauf, dass Angst oder Schuld sie ergreifen würden. Als diese Gefühle ausblieben, warf sie alle Bedenken über Bord. Sie hatte sich gewünscht, dass er zu ihr kommen würde. Er musste gespürt haben, wie ihr Körper sich nach ihm gesehnt hatte.
So ungestüm und wild der Sex mit ihm in Atlanta gewesen war, so behutsam und leidenschaftlich war er nun. Innige Küsse, verschlungene Hände. Durch das Fenster mit dem Fliegengitter davor sangen die Zikaden für sie, und der Mond fiel auf ihre nackten Körper, während sie einander liebevoll erkundeten. Als er sich schließlich auf sie legte, um eins mit ihr zu werden, war er herzzerreißend zärtlich. Nikki spürte, wie sie von tiefen Empfindungen, die sie so noch nie erlebt hatte, umhüllt und mitgenommen wurde.
Sie hatte das Gefühl, zu schweben, erfüllt von Sinnenlust, bis ihr gemeinsamer Höhepunkt sie mit sich riss. Erschöpft und verletzlich blieb sie zurück. Sein Herzschlag an ihrem Körper holte sie zurück auf die Erde. Zufrieden summend zog er sie an seine Brust und streichelte ihr über den Rücken.
Selbst als sein Atem gleichmäßiger und langsamer ging, widerstand Nikki dem Schlaf. Sie war dabei, sich in diesen Mann zu verlieben, und sie wollte jede einzelne Sekunde genießen. Sie prägte sich jedes Detail seines Körpers ein: die Wärme, die Beschaffenheit, den Geschmack … die verschiedenen Gesichtsausdrücke, den moschusartigen Geruch und die kehligen Laute des Höhepunktes. Sie wollte nicht schlafen, wenn sie gerade erst erweckt worden war, um die Freuden des Lebens zu erfahren …
Als sie aufwachte, fiel das Licht der frühen Morgendämmerung durch das Fenster. Porter lag neben ihr und schnarchte ihr leise ins Ohr. Mehr als alles andere wollte sie in seinen Armen liegen bleiben, doch sie musste sich um ihre Patienten kümmern.
Nikki lächelte. Ihre Patienten, ihre Stadt.
So leise es ging schlüpfte sie aus dem Bett, um sich anzuziehen und die Haare zu bürsten. Sie glaubte, dass Porter noch immer schlief, aber als sie am Bett vorbeischleichen wollte, streckte er den Arm aus und ergriff ihre Hand.
Er lächelte sie an. „Willst du klammheimlich verschwinden?“
„Ich muss in die Ambulanz“, flüsterte sie und fragte sich, ob er ihre neuen Gefühle für ihn von ihrem Gesicht ablesen konnte. „Ich bin bald zurück.“
Er drückte ihre Hand. „Nikki, bitte versprich mir, dass du bleibst.“
Ihr Herz wurde weit. „Ich werde bleiben“, entgegnete sie glücklich.
Er grinste. „Wenn du zurückkommst, ist der Vertrag fertig, damit du ihn unterzeichnen kannst. Ich kann schließlich nicht riskieren, dass du deine Meinung noch änderst.“
Sie gab ihm einen Kuss auf den Mund und huschte aus dem Zimmer. Im Flur starrte sie auf die einzelne Krücke, die vor der Tür lag. So viel zum Thema Diskretion! Sie fragte sich, wie schnell sich die Neuigkeit, dass Porter Armstrong die Nacht in ihrem Zimmer verbracht hatte, verbreiten würde.
Ziemlich schnell, wie sie am vielsagenden Lächeln der anderen Frauen bemerkte, als sie in die Küche kam, um sich eine Tasse Kaffee zu holen.
„Guten Morgen“, trällerte Traci.
„Guten Morgen“, murmelte Nikki mit hochrotem Kopf.
„Tja, für einige von uns ganz bestimmt“, sagte Rachel, und alle brachen in Lachen aus.
Nikki konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Plötzlich empfand sie tiefe Zuneigung zu diesen Frauen, die sie in ihre Gemeinschaft aufgenommen hatten.
„Nichts lässt die Haut so schimmern wie das Strahlen nach einer glücklichen Nacht“, sagte Traci. „Wir wollen alles wissen.“
Die Frauen nickten zustimmend.
„Leider muss ich nach meinen Patienten sehen“, erklärte Nikki. Seufzen und Aufstöhnen erklangen hinter ihr, als sie die Küche verließ. Sie lächelte und gab sogar dem Drang nach, ein kleines bisschen zu hüpfen.
Als sie die Pension verließ, war sie wieder einmal überwältigt von der Schönheit dieses wilden, ungezähmten Ortes. Tau hing in den Gräsern und Büschen, und es war bereits warm und schwül. Am Himmel zogen Wolken wie flatternde hellrosa und zartgelbe Bänder entlang. Ein Hüttensänger flog vorbei, und zwei Libellen tanzten hinterher. Ein Eichhörnchen flitzte vor ihr in einen Baum hinauf, als sie das kurze Stück bis zum Ambulanzgebäude über den Kiesweg spazierte. Ihr fiel das neue Schild auf, das ihr am Abend zuvor entgangen war. Sweetness Gemeinschaftsärztehaus.
Ihr gefielen das Wort und der Klang – „Gemeinschaft“. Es schien alles zu umfassen, was diese Stadt ausmachen würde. Und sie wollte dabei sein.
Sie wollte mit Porter zusammen sein.
Sie atmete tief ein, erfüllt von Glück und Freude. Sie liebte ihn. Sie hatte nicht gewusst, dass es so sein konnte, dass man einen anderen Menschen für so … wichtig, für so lebensnotwendig hielt. Sie hatte Darren wirklich sehr gemocht. Doch jetzt verstand sie den Unterschied, verliebt und mit jemandem zusammen zu sein oder jemanden wirklich zu lieben. Das eine war eher eine bewusste Entscheidung, das andere … unbewusst, wie von selbst. Als sie versuchte, das Schwindelgefühl zu benennen, das sie empfand, fiel ihr Blick auf einen staubigen Kleinwagen, der neben dem Eingang zum Ambulanzgebäude geparkt war. Ein junger Mann saß zusammengesunken auf dem Fahrersitz und schlief. Seine dunkel gerahmte Brille war verrutscht.
Nikki ging zu ihm und klopfte ans Fenster. Der Mann schreckte auf, rückte seine Brille gerade und kurbelte die Scheibe herunter.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie.
Das dunkle Haar des Mannes stand in alle Richtungen ab. Seine Kleider waren von der Fahrt zerknautscht. „Das hoffe ich. Ich suche Dr. Salinger.“
Der britische Akzent überraschte sie. „Ich bin Dr. Nikki Salinger.“
Er ließ die Schultern sinken. „Gott sei Dank. Ich bin Jay Cross. Dr. Hannah schickt mich.“
Nikki lächelte breit. „Willkommen, Dr. Cross. Wie ich sehe, haben Sie die Ambulanz gefunden. Wann sind Sie angekommen?“
„Vor zwei Stunden ungefähr“, entgegnete er und unterdrückte ein Gähnen, als er aus dem Wagen stieg.
Zu ihrer Überraschung war er nicht viel größer als sie, und sein Anzug zeigte ihr, dass er anscheinend nicht über die rauen Gegebenheiten hier informiert worden war. Er würde es schon früh genug erfahren. „Kommen Sie rein. Wir finden bestimmt eine Tasse Kaffee für Sie.“
„Tee wäre wunderbar“, erwiderte er. „Und ich freue mich schon auf eine heiße Dusche.“
Sie nippte an ihrem Kaffee und beschloss, ihm nicht zu sagen, wie rar gerade diese beiden Dinge hier waren. „Wir haben zwei Patienten, nach denen ich sehen wollte. Sie können mich begleiten, wenn Sie möchten.“
„Sehr gern“, entgegnete er. „Ich kann es kaum erwarten, mehr über die medizinischen Gegebenheiten hier auf dem Land zu lernen.“
„Oh, dann werden Sie von Doc Riley begeistert sein.“
„Arbeitet er auch als Arzt in der Ambulanz?“
„Ehrlich gesagt nein“, sagte sie und fragte sich, wie Riley Bates und die anderen Männer auf diesen verschrobenen Typen mit der akkuraten Aussprache reagieren würden.
Sie bedankte sich bei den Freiwilligen, die die ganze Nacht über ein Auge auf die Patienten geworfen hatten. Zu ihrer Erleichterung ging es beiden Patienten besser, und sie waren guter Dinge. Sie stellte Doc Riley und Dr. Cross einander vor und erzählte Riley Bates von dem Interesse des jungen Mannes an natürlichen Heilmitteln.
Riley Bates blickte sie misstrauisch an. „Ich dachte, Sie finden an meinen selbst gemachten Mixturen keinen Gefallen, Doc.“
Nikki betrachtete den alten Mann und bemerkte in seinen Augen die Angst, nicht länger nützlich zu sein. „Ich glaube, auf diesem Berg ist Platz für uns beide, Mr Bates. Ich habe mich auch schon gefragt, ob Sie noch mehr von der selbst gemachten Lakritze für meine Allergien haben.“
Er grinste. „Soll das heißen, dass Sie bleiben, Doc?“
Sie lächelte. „Ja, ich habe beschlossen, in Sweetness zu bleiben.“
Riley Bates lachte leise. „Das muss ich Porter lassen: Er hat Marcus versprochen, Sie zum Bleiben zu überreden, und er hat es geschafft.“
Sie runzelte die Stirn und war mit einem Mal verunsichert. „Was meinen Sie damit?“
„Marcus hat befürchtet, dass bei Ihrer Abreise auch alle anderen Frauen Sweetness verlassen würden. Also hat er Porter aufgetragen, Sie dazu zu bringen, zu bleiben – koste es, was es wolle.“ Riley lachte. „Er hat Ihren Van absichtlich lahmgelegt, wie ich gehört habe.“
Ihr Mund war plötzlich trocken. Sie hätte schon längst hier weg sein können?
Der alte Mann lachte wieder und fand das alles offenbar sehr lustig. „Sie wollten Sie unbedingt hier haben. Marcus hat den Anreiz für Porter sogar noch erhöht und ihm das Grundstück der Familie versprochen, wenn Sie bleiben würden.“
Das Grundstück der Familie – der Ort, den Porter auf diesem Berg am meisten liebte. Natürlich hätte er alles getan, um ihn zu besitzen – er hatte sogar die Ärztin verführt, damit sie in Sweetness blieb. Nikki wurde übel.
„Was hat der Tunichtgut getan, um Sie zum Bleiben zu überreden? Zahlt er Ihnen Geld?“
Nikki schluckte. Endlich fand sie die Sprache wieder. „Nein, nichts dergleichen.“
Dr. Cross blickte sie an. „Geht es Ihnen gut, Dr. Salinger?“
„Ja“, murmelte sie. „Ich brauche nur etwas frische Luft.“
„Ich halte solange die Stellung, wenn Sie mir vertrauen“, sagte der junge Mann freundlich.
„Eigentlich“, sagte sie und zog ihren Kittel aus, „gehört die Ambulanz Ihnen.“
Dr. Cross blinzelte verwirrt. „Wie bitte?“
Sie reichte ihm den Kittel. „Viel Glück.“ In ihren Augen brannten heiße Tränen. Ohne viel sehen zu können, lief sie zum Ausgang und spielte in ihrem Kopf noch einmal die letzte Begegnung mit Porter durch. Ich brauche dich … Willst du klammheimlich verschwinden? … Bitte versprich mir, dass du bleibst … Wenn du zurückkommst, ist der Vertrag fertig, damit du ihn unterzeichnen kannst … Ich kann schließlich nicht riskieren, dass du deine Meinung noch änderst. Von Liebe oder Hingabe war nicht die Rede gewesen. Sie hatte sich wie eine Idiotin benommen!
Schon wieder!
Sie öffnete die Tür und ging hinaus. Tief atmete sie ein und hoffte, dass sie durch die nach Blumen duftende Brise einen klaren Kopf bekommen würde. Stattdessen empfand sie die Luft mit einem Mal als erdrückend und ekelerregend süß. Keuchend lief sie weiter. Sie hastete zurück zur Pension. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie hatte sie nur so dumm sein können, anzunehmen, dass Porter Armstrong, der jede Frau haben konnte, sich ausgerechnet in sie verlieben würde?
Ihre Wangen brannten vor Scham. Wahrscheinlich lachte er darüber, wie schnell sie sich ihm hingegeben hatte. Sie war ein leichtes Opfer gewesen – die unattraktive, unerfahrene Frau, die gerade erst von ihrem Verlobten sitzen gelassen worden war.
Kurz schloss sie die Augen. Darren. Wie sollte sie ihm gegenübertreten? Dann schluckte sie schwer. Mit ihm würde sie später alles klären. Im Augenblick konnte er sie zumindest von hier fortbringen.
Und im Moment konnte sie es kaum erwarten, Sweetness den Rücken zu kehren.