Danke, Dr. Salinger. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie dankbar meine Brüder und ich Ihnen für die Arbeit sind, die Sie in den Antrag gesteckt haben.“
Nikki schüttelte Kendalls Hand. „Gern geschehen. Wenn er übermittelt ist, sollten Sie innerhalb der nächsten dreißig Tage die Aufnahmebestätigung haben.“
„Das bedeutet, dass uns nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Ambulanz einzurichten … und das Personal einzustellen.“
„Susan hat die Liste für die Grundausstattung und die Bestände, die Sie brauchen. Was das Personal angeht, werde ich Ihnen helfen, so gut ich kann – aus der Ferne.“ Sie hielt den Vertrag hoch, den sie nicht unterzeichnet hatte.
Er hob die Hand. „Sie können ihn wegwerfen, wenn Sie endgültig beschlossen haben, abzureisen.“
Sie nickte. „Wissen Sie, wann mein Van fertig sein wird?“ „Äh … keine Ahnung.“
„Können Sie denn sagen, ob die Benzinpumpe überhaupt eingetroffen ist?“
Kendall fühlte sich unbehaglich. „Äh … nein. Porter hat sich darum gekümmert.“
Nikki verschränkte die Arme vor der Brust. „Mr Armstrong, ich würde gern so schnell wie möglich abreisen. Ich brauche meinen Wagen.“
„Sind Sie sich sicher, dass wir nichts tun können, damit Sie Ihre Meinung doch noch ändern? Haben Sie die Ambulanz schon gesehen?“
„Ich habe sie noch nicht gesehen“, gab sie zu. „Trotzdem werde ich meine Meinung nicht ändern.“
Er nickte. „Ich werde mit Porter sprechen. Wir werden dafür sorgen, dass Sie baldmöglichst losfahren können.“
Sie lächelte. „Tun Sie das. Nachdem der Antrag jetzt fertig ist, habe ich nicht mehr besonders viel zu tun – es sei denn, Ihr Bruder engagiert noch mehr Patienten für mich.“
Der mittlere der Armstrong-Brüder besaß zumindest den Anstand, zusammenzuzucken.
„Ich habe ihn in den letzten Tagen nicht gesehen“, sagte sie beiläufig. „Wie geht es seinem Bein?“
Kendall runzelte die Stirn. „Unter uns gesagt, ich glaube, dass es ihm mehr zu schaffen macht, als er zugibt.“
„Ich habe ihm wieder und wieder gesagt, dass er es schonen soll.“
„Wenn es ein Trost für Sie ist: Er hat schon Schlimmeres erlebt und auch nicht auf die Ärzte gehört.“
„Ihr jüngerer Bruder scheint eine rebellische Veranlagung zu haben“, stimmte sie zu.
„Ich weiß. Aber es hat ihm im Leben geholfen.“ Er grinste. „Und die Frauen scheinen darauf zu stehen.“
Nikki warf ihm einen ausdruckslosen Blick zu.
„Äh … nicht alle Frauen“, korrigierte Kendall sich eilig. „Vielleicht sind seine Methoden ein bisschen unkonventionell, doch wenn er sich etwas vorgenommen hat, dann zieht er es auch durch. Wie zum Beispiel diese Stadt wiederaufzubauen. Wenn mir oder Marcus morgen etwas zustoßen würde, hätte ich keinen Zweifel daran, dass es Porter trotzdem gelänge, den von der Behörde festgelegten Termin einzuhalten.“
„Sie und Ihre Brüder scheinen sich sehr nahezustehen“, murmelte sie. Ein solcher Familienzusammenhalt war ihr fremd.
„In guten wie in schlechten Tagen“, erwiderte Kendall mit einem leisen Lachen.
„Ihr Bruder hat mir gezeigt, wo einmal Ihr Haus gestanden hat.“
Kendall hob die Augenbrauen. „Porter hat Sie mit nach Clover Ridge genommen?“
Sie zögerte und wünschte sich, sie hätte nichts gesagt. Kendall schien etwas in eine kleine Geste hineinzuinterpretieren, was keineswegs zutraf. „Ich glaube, er wollte mich bei Laune halten. Es ist ein wunderschöner Ort.“
Er nickte, aber er blickte sie mit einem seltsamen Ausdruck an. „Ich denke, Sie sollten sich jetzt wieder an die Arbeit machen, Dr. Salinger.“
Sie wussten beide, dass das eine lächerliche Bemerkung war. Doch sie begann sich wegen der Richtung, die ihre Unterhaltung nahm, unwohl zu fühlen, also widersprach sie nicht. Kendall dankte ihr noch einmal und ging.
Als die Tür zu war, dachte Nikki über Kendalls Äußerungen über seinen kleinen Bruder nach. Porter Armstrong wollte diese abgelegene Stadt in den Bergen aufbauen und den Rest seines Lebens hier verbringen … hier heiraten … hier eine Familie gründen. Als sie an die Bevölkerungszahlen dachte, die sie aus den Papieren für den Antrag kannte, wurde ihr klar: Die Armstrongs hatten Großes vor. Aber sie befürchtete, dass sie hier wie in einem Goldfischglas leben würde, wo jeder über jeden ihrer Schritte Bescheid wüsste. Wo von ihr erwartet wurde, an jedermanns Leben teilzunehmen und auch jedermann an ihrem Leben teilhaben zu lassen.
Sie wollte den Arbeitsvertrag in den Mülleimer werfen, entschied sich dann jedoch anders und legte ihn in eine Schreibtischschublade.
Um ihn für den nächsten Arzt aufzubewahren, der nach Sweetness kommen würde.
Sie ging in ihrem Sprechzimmer auf und ab, fühlte sich eingesperrt und rang den Drang nieder, nach draußen zu laufen und zur Interstate zu wandern. Sie war versucht, eine der Frauen zu bitten, sie nach Broadway zu fahren, aber andererseits wollte sie so wenig Aufsehen wie möglich erregen, wenn sie Sweetness verließ. Sie waren alle so … iaufdringlich, luden sie ständig ein, nach dem Abendessen in ihre Zimmer zu kommen und Musik zu hören und den neuesten Klatsch auszutauschen. Doch ihr war es nur lästig, weil sie fürchtete, dass sie mit ihr über ihre Trennung von Darren und sein schändliches Verhalten sprechen wollten. Und selbst wenn sie nicht danach fragten, wusste sie, dass sie daran dachten, wenn sie sie ansahen. Sie hatten Mitleid mit ihr.
Sie wollte sich in der Ecke verkriechen und allein sein.
Nikki massierte sich die Schläfen und die Nasenwurzel, um den Druck zu lindern, der es sich als Folge der Allergie in ihrem Kopf für längerfristig bequem gemacht zu haben schien. Schon allein die Pollen waren Grund genug, nach Michigan zurückzukehren, wo die eisigen Winter die Allergene, die in heißen, feuchten Temperaturen gediehen, einfach killten. Sie ging zu ihrer Schreibtischschublade und nahm einen Streifen Lakritze heraus, die Riley Bates ihr gegeben hatte – nicht weil sie an die medizinische Wirkung geglaubt hätte, sondern weil das Kauen den Druck von ihren Ohren nahm.
Außerdem fing sie an, den aromatischen Kirschgeschmack zu mögen.
Sie seufzte genüsslich. Ein Klopfen an der Tür unterbrach sie, und bevor sie antworten konnte, wurde die Tür aufgestoßen. Porter Armstrong stand auf seine Krücken gestützt da und füllte mit seinen breiten Schultern den gesamten Türrahmen aus.
Dass ihr Herz bei seinem Anblick einen Satz machte, erregte nur Nikkis Zorn. Sie schluckte die Lakritze hinunter. „Warum haben Sie überhaupt geklopft, MrArmstrong, wenn Sie einfach ins Zimmer platzen?“
„Entschuldigen Sie“, sagte er und machte den Männern Platz, die ihm folgten. „Es ist ein Notfall.“
Erst jetzt bemerkte sie das Blut auf seinem Hemd. Nikki war augenblicklich auf den Beinen. „Ist jemand verletzt?“ Sie ging bereits im Stillen die einzelnen Schritte einer Notfallbehandlung durch. Als sie den blutenden Patienten jedoch auf das Bett legten und zur Seite traten, fehlten Nikki die Worte.
„Es ist ein … Reh.“
Porter bedeutete den Männern, zu gehen, und blickte auf. „Ja … ein Kitz, um genau zu sein. Es ist auf die Straße gerannt und gegen den Traktor geprallt, mit dem ich unterwegs war.“
Nikki hielt ungläubig die Hände hoch. „MrArmstrong, ich bin keine Tierärztin. Ich weiß nicht, wie ich Tiere behandeln soll – vor allem keine Wildtiere.“
Er wirkte überrascht. „Was macht das für einen Unterschied? Ein gebrochenes Bein ist ein gebrochenes Bein. Können Sie nicht einen Gips anlegen?“
„Und dann gebe ich dem Reh Krücken, auf denen es laufen muss, bis das Bein wieder verheilt ist? Es ist anders als die Behandlung eines Menschen. Es ist nicht mal annähernd vergleichbar.“
Porter wirkte enttäuscht. „Kommen Sie, Doc. Sie können doch sicherlich irgendetwas tun.“
Sein Gesichtsausdruck ließ sie nicht kalt. Also trat sie an das Bett und untersuchte das Tier. Der Brustkorb hob und senkte sich mühsam, und das Reh hatte die Augen geschlossen. Sie holte ihr Stethoskop aus der Tasche und drückte es vorsichtig auf die Brust des Tieres. Das Fell war dicht und glänzend, die Körpertemperatur hoch – höher als bei einem Menschen, was, wie ihr wieder einfiel, für viele Lebewesen normal war. Sein Herzschlag ging schnell, aber schwach, und es waren keine auffälligen Lungengeräusche zu hören.
Nikki runzelte die Stirn. Soweit sie es beurteilen konnte.
Das Kitz öffnete die Augen, verdrehte sie und wollte aufstehen. Porter warf seine Krücken weg und hüpfte zum Bett, um das Tier festzuhalten. Er streichelte den Nacken des Tieres und flüsterte beschwichtigende Worte, bis das Reh wieder ruhiger wurde. Nikki erinnerte sich an die Szene am Wasserturm, als er die hübschen blauen Hüttensänger angelockt hatte. Der Mann konnte es mit wilden Geschöpfen.
Und mit allen anderen Lebewesen auch.
„Was meinen Sie?“, fragte er mit besorgter Miene.
Sie nahm das Stethoskop ab. „Ich meine, ich bin nicht die Richtige, um dieses Tier zu versorgen.“
„Tun Sie nur, was Sie können. Ich will das Kleine nicht töten müssen.“
Er sah sie mit seinen blauen Augen eindringlich an, und sie war außerstande, abzulehnen. Sie nickte und legte die Hand an ihre Stirn, um sich besser konzentrieren zu können.
Das Kitz musste betäubt werden – das würde sie schaffen. Um ein Tier zu narkotisieren, war mehr Beruhigungsmittel nötig als bei einem Menschen. Doch es würde ihr gelingen, das Reh lange genug ruhigzustellen, um es gründlich untersuchen zu können. Sie trat an einen abgeschlossenen Schrank, öffnete ihn, nahm eine Ampulle und eine Spritze heraus und zog eine Dosis Betäubungsmittel auf.
„Halten Sie es fest“, sagte sie und injizierte das Mittel dann in den Hüftmuskel am unverletzten Bein des Rehs.
„Ich kann spüren, wie es sich entspannt“, sagte Porter, als dem Tier die Augen zufielen.
Nikki wies auf einen Schrank. „Reichen Sie mir ein paar Gazetupfer. Ich muss herausfinden, woher das Blut kommt.“
Sie holte ein Desinfektionsmittel und fing an, das Blut aus dem Fell des Tieres zu entfernen. Glücklicherweise waren die Schnitte und Schürfwunden nicht so schlimm. Aber über den gebrochenen Lauf konnte sie noch nichts sagen. Sie schaltete das mobile Röntgengerät ein und registrierte erschrocken, wie fein die Beinknochen waren. Sie sahen so zerbrechlich aus, als könnten sie dieses Tier kaum tragen, geschweige denn den Druck aushalten, der beim Rennen und Springen auf ihnen lastete.
„Sind Sie in der Lage, den Knochen zu richten?“, fragte Porter, blickte ihr über die Schulter und betrachtete das Bild auf dem Monitor.
Nikki zuckte die Achseln. „Ich weiß es nicht. Ich kann es versuchen. Doch das heißt auch, dass das Tier irgendwo eingesperrt werden muss, solange der Lauf heilt. Und es muss von Hand gefüttert werden. Trotzdem könnte es sein, dass es am Ende stirbt – vor allem, wenn sich das Bein infiziert.“
„Ich werde mich um das Kitz kümmern“, sagte er.
„Sie sind selbst nicht gerade hundertprozentig beweglich.“
„Tun Sie einfach, was Sie können, Nikki.“
Es war das erste Mal, dass er sie bei ihrem Vornamen nannte. Die beiläufige Vertrautheit war verwirrend; genauso verwirrend wie die Zuversicht in seiner Stimme, dass sie dieses Tier retten konnte. Und wie er sie anblickte – sie glaubte es beinahe selbst.
Es war mühsam und langwierig, den feinen Knochen zu richten. Als sie fertig war, umwickelte sie den Lauf mit Baumwollbinden, um ihn in der richtigen Position zu halten. Anschließend erwärmte sie Fiberglas, bis es flüssig wurde, damit sie daraus die äußere Schicht des Gipses formen konnte. Trotz seines eigenen Gipsbeins war Porter ein guter Assistent. Er befolgte ihre Anweisungen, und sie arbeiteten Hand in Hand. Obwohl Nikki sich auf die Aufgabe konzentrierte, war sie sich seiner Anwesenheit, jeder flüchtigen Berührung an der Hand oder der Schulter jede Sekunde bewusst.
Porters Sorge um das Tier rührte sie. Es zeigte, wie sehr er sich diesem Fleckchen Erde und all seinen Bewohnern verbunden fühlte. Seine Entschiedenheit bewegte sie. Wie entwickelte man eine solche Bindung zu einem Ort? Zu anderen Menschen? Was stimmte mit ihr nicht, was fehlte, dass sie eine solche Bindung nicht hatte? Dass sie eine solche Bindung nicht haben wollte?
Eine düstere Erkenntnis dämmerte ihr. Hatte sie sich eingeredet, dass sie eine solche Bindung nicht haben wollte, damit sie sich nicht der Tatsache stellen musste, die Fähigkeit, eine solche Bindung überhaupt einzugehen, gar nicht zu besitzen?
Hatte Darren diese Seite an ihr erkannt? Hatte er sich deshalb einer anderen Frau zugewandt?
Ihr Hände arbeiteten automatisch weiter, selbst als sie spürte, wie der Riss in ihrem Herzen sich weiter auftat und ein Abgrund zutage trat. Es war ein beängstigender Moment der Selbstfindung.
„Das sieht gut aus“, sagte Porter und betrachtete den schmalen Gips, der den größten Teil des Laufes verdeckte. Er sah auf, und sein Lächeln erstarb. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“
Nikki wollte nicken, als sie feststellte, dass ihre Wangen feucht waren. Beschämt wandte sie sich ab. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was dachte er jetzt über sie? Sie ging zum Waschbecken, um die Handschuhe abzustreifen und ihre Hände gründlicher zu waschen, als es nötig gewesen wäre.
Sie spürte, wie Porter hinter sie trat. Sein Atem berührte ihren Nacken. „Hey … reden Sie mit mir.“
Nikki blickte auf und sah durch den Spiegel in seine Augen. Sie konnte die Gefühle nicht benennen, die in ihrem Inneren durcheinanderwirbelten. Und erst recht konnte sie sie nicht in Worte fassen … vor allem nicht Porter gegenüber. Sie wischte sich über die Wangen und versuchte zu lächeln. „Tut mir leid. Das passt überhaupt nicht zu mir. Aus irgendeinem Grund scheinen heute viele Dinge zusammenzukommen.“
„Entschuldigen Sie sich nicht“, entgegnete er. Seine tiefe Stimme streichelte sie.
Ehe sie wusste, wie ihr geschah, hatte er sie umgedreht. So unglaublich nahe war sie ihm, Verlangen flackerte in ihr auf, verzehrte ihren Körper und raubte ihr den Atem.
Er stützte sich auf eine Krücke und benutzte die freie Hand, um ihr die Tränen von den Wangen zu wischen. „Ich weiß, dass Sie hierhergekommen sind, um jemanden zu vergessen, der Sie betrogen hat.“
Nikki blinzelte. Dann hatte sich die Sache also herumgesprochen.
„Und ich weiß, dass Sweetness nicht gerade das ist, was Sie erwartet haben“, fuhr er fort und sah sie eindringlich an. „Aber Sie werden hier gebraucht. Wir wollen genau Sie hier haben.“
Die Kraft seiner Worte schnürte Nikki die Kehle zu. Seine Nähe war elektrisierend, sein starker Körper machte ihr Angst und gab ihr zugleich ein Gefühl von Sicherheit. Er zog sie magisch an. Nikki öffnete den Mund, um mehr Luft zu bekommen. Porter würde nicht zulassen, dass sie den Blick abwandte. Seine Augen hielten sie gefangen, forderten sie heraus. Er legte seine Hand in ihren Nacken und näherte seinen Mund so langsam dem ihren, dass sie fürchtete, er würde ihn niemals erreichen.
Doch er erreichte ihn. Seine Lippen bedeckten ihre so innig und so zärtlich, dass ihr wieder Tränen in die Augen stiegen. Er vertiefte den Kuss, als er mit seiner Zunge ihren Mund erforschte und damit Empfindungen weckte, die tief in ihrem Innersten vergraben gewesen waren. Ihre Brustwarzen richteten sich vor Verlangen auf. Als sie sich an ihn presste, damit die harten Spitzen ihn berührten, stöhnte er an ihren Lippen auf. Mit einer Hand strich er ihren Rücken hinab und zog sie ungeschickt, aber voller Inbrunst an sich. Nikki legte ihre Hände auf seine Brust. Sie genoss es, seine harten Muskeln unter dem dünnen Stoff des T-Shirts zu spüren.
Von einer Sekunde auf die andere wurde aus dem zärtlichen ein leidenschaftlicher Kuss. Porter verschmolz mit ihrem Mund, neigte dann den Kopf und küsste ihren Hals.
„Verfluchte Krücken“, murmelte er und drängte Nikki gegen den Waschtisch. Trotz seiner Verletzung hob er sie hoch, setzte sie ab und drückte mit der Hüfte ihre Knie auseinander. Nikki stand in Flammen. Mit den Händen strich sie über seine Schultern und Arme. Sein Blick wirkte verschleiert, als er an den Knöpfen ihrer Bluse nestelte. Sein männlicher Duft stieg ihr in die Nase, und sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, als sie sich an ihn schmiegte. Ihre Sinnlichkeit erreichte einen Gipfel, den sie vorher nicht gekannt hatte. Sie fühlte sich wie ein außer Kontrolle geratenes Fahrzeug – sie konnte nicht anhalten, und sie wollte es auch gar nicht.
„Beeil dich“, flüsterte sie aus Furcht, sie könnte es sich noch anders überlegen. Ihre Worte schienen in ihm einen Schalter umzulegen. Sein Mund und seine Hände wurden drängender. Er hakte die Vorderschließe des BHs auf und entblößte ihre Brüste. Als er sie betrachtete, stöhnte er genießerisch, und ihre Brustwarzen richteten sich weiter auf. Unvermittelt nahm er eine rosige Spitze in den Mund und jagte Nikki damit heiße Schauer durch den Leib.
Sie schrie auf, vergrub ihre Finger in seinem Haar und bedeutete ihm, weiterzumachen. Er umschloss die andere Brustwarze mit den Lippen, reagierte auf Nikkis geflüsterte Weisungen und saugte gierig an ihr, schob seine Hand zwischen ihre Oberschenkel. Nikki wurde es ganz heiß vor Verlangen, und sie keuchte auf. Porter hob den Kopf, küsste sie stürmisch und legte ihre Hand auf den Reißverschluss seiner Hose. Nikki streichelte seine Erektion, die sich gegen den Stoff drängte, und entlockte Porter ein weiteres Aufstöhnen. Ermutigt fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen und griff nach seinem Gürtel.
Ein heftiges Klopfen an der Tür zerstörte die Magie des Moments.
„Nikki?“, erklang Rachels Stimme auf dem Flur. „Sind Sie da drin? Ich suche Porter.“
Mit einem Schlag wurde Nikki auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Als sie das schlechte Gewissen in Porters Augen sah, verspannte sie sich und schob ihn weg. Er trat einen Schritt zurück und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
Mit zitternden Händen schloss Nikki den BH und die Bluse, strich die Kleidung glatt und ging zur Tür.
Wieder klopfte es. „Nikki?“
Sie holte tief Luft und machte die Tür auf. Sonnengebräunt, mit endlos langen Beinen und einem Picknickkorb in der Hand sah Rachel aus wie ein Pin-up-Girl auf einer Landpartie.
„Hallo“, sagte Nikki.
Rachel reckte den Hals, um einen Blick in das Zimmer zu werfen. „Haben Sie Porter gesehen? Jemand hat gesagt, er wäre unterwegs zu Ihnen gewesen. Und sein Traktor steht noch immer vor dem Haus. Wir wollten uns zu einem Picknick treffen.“
Nikki gefror das Blut in den Adern. Der Schuft hatte doch glatt vergessen, sein Date mit Rachel zu erwähnen, ehe er ihr die Zunge in den Hals steckte. Beschämt öffnete sie die Tür noch ein Stück weiter, sodass Rachel Porter sehen konnte.
„Oh, gut. Hier sind Sie“, sagte Rachel mit einem koketten Lächeln. Dann fiel ihr Blick auf das Kitz auf dem Bett, und sie runzelte die Stirn. „Was ist passiert?“
Nikki bemerkte, dass Porter es vermied, Rachel direkt anzusehen. „Das Reh ist vor den Traktor gesprungen und hat sich das Bein gebrochen. Ich habe es zur Frau Doktor gebracht, um es versorgen zu lassen.“
„Ach, Sie kümmern sich auch um Tiere?“, fragte Rachel Nikki. „Wow, mit Ihnen bekommt die Stadt zwei zum Preis von einem. Nigel hat Verdauungsprobleme – vielleicht könnten Sie ihn untersuchen und herausfinden, was ihm fehlt.“
Nikki warf ihr ein leichtes Lächeln zu. „Schauen wir mal.“
Porter sah sie schuldbewusst an, doch Nikki wich seinem Blick aus. Ihr Körper war noch immer erhitzt und kribbelte von den Berührungen seines Mundes und seiner Hände. Aber es war offensichtlich nicht mehr als ein Aufwärmen für sein Date mit Rachel gewesen. Wie hatte sie nur so dumm sein können?
„Sind Sie fertig?“, fragte Rachel und hob den Korb.
Zerknirscht sah Porter sie an. „Tut mir leid, doch ich muss absagen, weil ich mich um meinen kleinen Freund hier kümmern muss.“
„Ach, das musst du nicht“, erwiderte Nikki aufgeräumt. „Das Reh bleibt betäubt, bis du zurück bist. Wahrscheinlich wird es sich sowieso eine Zeit lang gar nicht bewegen. Ihr beide solltet losgehen und Spaß haben.“ Sie scheuchte sie zur Tür. Rachel strahlte, Porters Miene war undurchdringlich.
An der Tür drehte er sich noch einmal um. Er blickte suchend in ihr Gesicht, dann sagte er: „Es ist nur ein Mittagessen. Wir sind bald wieder zurück.“
„Ach, lasst euch ruhig Zeit“, entgegnete Nikki mit einem Lächeln und schloss die Tür hinter ihnen.
An die Tür gelehnt machte Nikki die Augen zu und schlug die Hände vors Gesicht. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hätte beinahe mit Porter geschlafen. Sie hätte mit Porter geschlafen, wenn Rachel sie nicht unterbrochen hätte. Und jetzt war er vermutlich unterwegs, um mit ihr zu schlafen.
Für Männer wie Darren Rocha und Porter Armstrong waren Frauen austauschbar. Sie musste diesen Ort verlassen … und sie spielte ernsthaft mit dem Gedanken, nicht nach Broadway zurückzuziehen. Vielleicht sollte sie in einer großen, anonymen Stadt wie Atlanta noch einmal von vorn beginnen.
Auf dem Bett schnarchte das Reh leise. Nikki ging zu ihm und streichelte seinen seidigen Hals. Das Kitz öffnete kurz die riesigen pechschwarzen Augen und sah Nikki an, als wüsste es, dass sie ihm nur helfen wollte. Nikki wurde warm ums Herz.
„Keine Angst“, flüsterte sie seufzend. „Ich bleibe, bis es dir wieder besser geht.“
Die Kunst würde sein, so lange Porter Armstrong aus dem Weg zu gehen.