Kira lag mit gebrochenen Gliedern am Boden und das Einzige, was sie von der Gestalt über sich sehen konnte, waren zwei blank polierte schwarze Stiefel. Ihre Züge spiegelten sich in der glatten Oberfläche, doch sie konnte sich nicht erkennen, so sehr flatterten ihre Lider vor Erschöpfung.
Kingsley flüsterte beruhigende Worte in ihrem Kopf, versicherte ihr, dass alles wieder gut werden würde, dass sie nur durchhalten musste. Kira klammerte all ihre Hoffnung daran, obwohl sie insgeheim wusste, dass er log.
Sie konnte sich nicht bewegen und die Taubheit kroch immer weiter ihren Körper hinauf. Sie war am Ende, wenn auch noch nicht tot. Sie war gefallen. So schrecklich tief. Ihre Magie hatte den Fall noch dämpfen können, aber nicht verhindern. Und jetzt … jetzt …
Es regnete. Dicke Tropfen trommelten auf den Kiesweg. Es war eine deprimierende, gar schaurige Melodie. Die Nässe hatte sich längst durch ihre Kleidung gefressen, doch sie spürte die Kälte kaum.
Wie sie nun im Regen lag und auf dieses Paar blank polierter Stiefel starrte, wusste sie nur eines: Bei diesem Dreckwetter konnte kein Schuh so gepflegt aussehen.
Es sei denn, er gehörte einem Magier.
Dieser Gedanke setzte sich wie ein Stück Eisen in ihrer Brust fest, erfüllte sie mit Entsetzen und sträubte ihre Nackenhaare. Ein Schrei bildete sich in ihrem Hals, aber ihr fehlte die Kraft, ihn herauszulassen. Sie wollte weg von dieser Gestalt, wollte rennen. Dabei schaffte sie es nicht einmal, den Kopf zu heben, um sein Gesicht zu sehen. Sie hasste ihre Hilflosigkeit.
Eine Hand strich über ihren Arm, fuhr über eine blutende Wunde. Die Finger bohrten sich in ihr offenes Fleisch. Ein Glück, dass sie keine Schmerzen mehr spürte. Dann wurde sie gepackt und hochgehoben.
Diesmal schrie sie.
Das Letzte, was sie sah, bevor sie wieder das Bewusstsein verlor, war ein Paar blassgrüner Augen.
Ein vereinzelter Gedanke flimmerte noch in ihr auf: Nie zuvor hatte sie eine solche Kälte in einem Blick erlebt.
Als Kira zu sich kam, fühlte sie sich geborgen. Decken aus einem unfassbar weichen Stoff wärmten sie, schmiegten sich an sie wie eine zweite Haut und gaben ihr das lange entbehrte Gefühl von Sicherheit zurück.
Sonnenstrahlen fielen durch ein aufwendig verziertes Panoramafenster und kitzelten sie sanft an der Wange. Zum ersten Mal seit Wochen plagten sie keine Schmerzen beim Erwachen. Keine Prellungen. Keine gebrochenen Glieder. Ganz im Gegenteil: Sie fühlte sich pudelwohl.
Der nächste Gedanke erschreckte sie zutiefst: Ich muss tot sein!
Also, in meiner Vorstellung vom Himmel bin ich aber nicht an dich gekettet.
Wer sagt, dass du in den Himmel kommst?, fuhr sie Kingsley an, aber ihrer Stimme fehlte die Schärfe. Sie war fast erleichtert, wenigstens eine ihrer Plagen noch am richtigen Fleck zu wissen.
Dann sind wir in der Hölle? Dazu verdammt, auf ewig Qualen zu erleiden?
Kira rollte angesichts der Dramatik seiner Worte mit den Augen. Außerdem bezweifelte sie sehr, dass es in der Hölle etwas so Schönes wie ein großräumiges Schlafzimmer im Stil Ludwig des XIV. gab.
»Aber wo, bei Danus großer Feenwelt, sind wir dann?«
Auf jeden Fall nicht mehr in Kansas, scherzte Kingsley.
Sehr witzig!, knurrte sie und schlug die Decke zurück.
Was sie enthüllte, verschlug ihr den Atem. Dass sie keine Schmerzen mehr fühlte, konnte man leicht auf Medikamente und Tränke schieben. Aber als sie an sich herunterblickte, sah sie statt Blutergüssen und verschorften Wunden nur noch helle, makellose Haut. Das Lederensemble war verschwunden, stattdessen trug sie ein enges cremefarbenes Nachthemd. Es war mit kostbarer Spitze besetzt und unverschämt kurz.
Sie stieß einen Seufzer aus. Männer! Es wurde Zeit, dass sie sich wieder selbst einkleidete. Die Flöte ihrer Mutter hing nach wie vor um ihren Hals und Kira war erleichtert, sie unversehrt zu finden. Dann zog sie den Stoff an ihrer Brust nach vorne und blickte in ihren Ausschnitt. Selbst die Rippenbrüche schienen vollständig geheilt.
Cian stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Mit geröteten Wangen ließ Kira den Stoff zurückgleiten. War sie vielleicht doch tot?
In dem Moment glitt die Schlafzimmertür auf und herein trat eine Gestalt, die Kira noch mehr aus der Bahn warf als der Feuer speiende Drache. Sie hätte einfach nie gedacht, einer hässlichen Nymphe zu begegnen. Allein die Vorstellung schien so abstrus wie Schnee in der Sahara oder sonnige Sommer in England.
Kira war, als hätte man ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Nymphen* waren schön und Magier besaßen kein Gewissen. Das waren für sie immer unumstößliche Wahrheiten gewesen. Wenn man sich darauf nicht mehr verlassen konnte, auf was dann?
Nur weil Kira jahrelang mit einer Nymphe zusammengelebt hatte, konnte sie die Frau als solche überhaupt erst erkennen. Als Najade*, eine Wassernymphe.
Unter der brüchigen Hülle verbargen sich weiche Kurven, die ein Model vor Neid in Rage versetzt hätten, zierliche Lippen, die süßeste Stupsnase und Augen von einem so reinen Türkis, dass man sich darin hätte verlieren können, wären sie nicht von einer milchig schimmernden Schicht überzogen gewesen.
Die Haut erinnerte an hauchdünnes Porzellan, doch sie war mit feinen Rissen überzogen. Wie ein trockener Wüstenboden, der schon viel zu lange kein Wasser mehr gesehen hatte. Die Lippen waren zerfurcht und blutleer. Das azurblaue Haar glanzlos und strohig.
»Der Meister meinte, Sie wären aufgewacht«, sagte die Najade. Die Stimme war hell und klar und wohl das einzig Schöne, was ihr geblieben war. »Ich bringe Ihnen etwas zu essen.«
Erst jetzt fiel Kira das Silbertablett auf, das die Frau in ihren schmalen Händen hielt. Beladen mit mehr Leckereien, als Kira jemals essen könnte. Ihr Magen knurrte. Verdammt, war sie hungrig!
Entschlossen wandte sie den Blick von den ofenwarmen Brötchen, dem gerösteten Speck und dem – oh Danu, war das ein Stück Kuchen? – ab. Allein der Geruch war die reinste Folter, schließlich hatte sie nicht vor, die Speisen auch nur anzurühren.
Den Blick wieder auf die Nymphe gerichtet, platzte ihr die erste Frage heraus, die ihr in den Sinn kam. »Bei Danu und allen großen Göttern: Was ist mit dir passiert?«
Das Tablett krachte scheppernd zu Boden. Brötchen und Obst rollten quer durch den Raum.
Kira sah ihnen gierig hinterher. Dann sprang sie, verärgert über sich selbst, auf, um der zitternden Nymphe zu helfen.
Was war sie doch nur für ein Trampel! Sie wusste schließlich von Elly, wie viel den Nymphen ihre Schönheit bedeutete. Ihre ehemalige Mitbewohnerin hätte sich lieber in der Dusche ertränkt, als mit einem Pickel vor die Tür zu gehen. Nicht, dass ihre perfekte Alabasterhaut jemals einen hervorgebracht hätte.
Und hier war sie und rieb Salz in eine blutende Wunde. Jetzt wirkte die Najade nur noch wie ein Häufchen Elend. Sie konnte ihre Hand nicht einmal ruhig halten, um die Scherben der Karaffe aufzusammeln. Angezogen von ihrer Natur, bildete das entronnene Wasser einen steten Fluss zu ihr und wurde gierig dort aufgesogen, wo die nackten Hände der Nymphe den Boden berührten. Für einen kurzen Moment glätteten sich die Risse auf der Oberfläche, nur um gleich darauf wieder aufzureißen.
»Lass mich dir helfen«, bot Kira an und legte ihr die Hand auf die Schulter.
Die Najade zuckte unter der Berührung zusammen und zischte Kira wütend an. Tränen standen ihr in den Augen.
Dann ging die Tür ein weiteres Mal auf und ein Mann in Jeans und Seidenhemd trat herein. Kira schätzte ihn auf Ende zwanzig. Gesicht und Statur waren eher durchschnittlich, doch Haltung und Blick strahlten etwas Majestätisches aus.
Das Haar war dunkelbraun und zurückgegelt, die Haut bronzefarben und die Augen von einem blassen Grün.
Kira sog scharf die Luft ein. In diese Augen hatte sie geblickt, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte.
Sofort sammelte sie all ihre Magie in sich und nahm eine Kampfhaltung ein. In dem Nichts von einem Nachthemd wirkte sie wohl nicht sonderlich gefährlich, denn der Magier würdigte sie keines Blickes. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf die bibbernde Nymphe zu seinen Füßen gerichtet.
»Meister Ryan, es tut mir ja so leid«, stammelte die arme Frau. Voller Hektik sammelte sie die Scherben auf und schien dabei nicht einmal zu merken, dass sie ihr in die Haut schnitten. »Ich wollte nicht …«
»Ist schon gut, Jinny.« Er hielt ihre Hände fest, ehe sie sich noch mehr verletzen konnte. »Du kannst gehen. Nimm ein Bad, ruh dich aus. Ich werde nachher jemanden raufschicken, um das hier zu beseitigen.«
Ryans Blick war warm und zärtlich. Keine Spur von der Kälte, die Kira hatte frösteln lassen. Jinny blühte unter diesem Blick förmlich auf. Ihre Augen strahlten und ein Lächeln breitete sich in ihrem Gesicht aus. Für einen kurzen Moment konnte Kira die umwerfende Nymphe sehen, die Jinny einmal gewesen sein musste. Graziös erhob sie sich und eilte mit federleichten Schritten zur Tür. Sie war wie eine Bettlerin hereingeschlichen, aber sie verließ den Raum stolz wie eine Königin.
Kaum war die Tür hinter ihr zugefallen, richtete Ryan den Blick auf Kira und die Welt schien plötzlich stehen zu bleiben. Kira erstarrte, atmete nicht einmal mehr. Seine Augen sahen sie nicht nur an, sondern schienen direkt durch sie hindurchzugehen. Sie sah ihre dunkelsten Geheimnisse durchleuchtet. Ryan nahm sie auseinander wie ein Elektrospielzeug, dessen Funktionen er neugierig ergründen wollte.
Kira fühlte sich schutzlos, gefangen gehalten durch diesen Blick. Sie fürchtete, jede Sekunde ohnmächtig in die Knie zu sinken. Und doch erfüllte sie allein der Gedanke, er könnte den Blick von ihr abwenden, mit ungeheurem Entsetzen.
Ryan sah sie an, als wäre sie der Angelpunkt der Welt. In seinen Augen wurde sie größer und wichtiger und …
Kira biss sich auf die Zunge, bis sie Blut schmeckte. Aber der Schmerz machte es ihr möglich, den Blickkontakt zu brechen. Sie japste nach Luft. Ein Gefühl von Leere ergriff von ihr Besitz und sie runzelte die Stirn. Sie konnte keinen Zauber auf sich spüren und wenn sie es nicht besser gewusst hätte, wäre sie sich sicher gewesen, es mit einem überaus mächtigen Sidhelord zu tun zu haben. Noch nie hatte es jemand geschafft, sie mit einem einzigen Blick zu hypnotisieren. Kira fühlte Schamesröte in sich aufsteigen. Wer, zur Hölle, war dieser Kerl?
Das Schlimmste, was uns hätte passieren können, sagte Kingsley seufzend.
Du kennst ihn?, fragte Kira überrascht.
Natürlich! Und du solltest dich schämen, es nicht zu tun. Hast du nie unsere Zeitungen gelesen?
Kira unterdrückte ein Schnauben. Die einzige Zeitung, auf die sie in den Reservaten Zugriff hatten, war der Magican, eine von Magiern verfasste Zeitung. Unnötig zu erwähnen, was sie von einem solchen Informationsblatt hielt.
Manchmal habe ich sie als Kaminanzünder verwendet und mir vorgestellt, es wäre dein Gesicht.
Kingsley ignorierte den Seitenhieb. Ryan McNamara ist der Pate unter den Magiern. Er hält sich versteckt, gilt aber als unglaublich mächtig. Wenn er wollte, könnte er es leicht als Senatsmitglied in die WUM schaffen.
Wieso sollte er nicht wollen?, fragte Kira stutzig.
Die World Union of Magicans, kurz WUM, war die Vereinigung aller Magier. Geleitet wurde sie von einem Senat, der aus dreißig Meistermagiern bestand. Ein, wie zynische Stimmen behaupteten, machtbesessener Haufen, denen zu viel Magie das Gehirn vernebelt hatte. Kira konnte ihnen nur Recht geben.
Die meisten Magier sahen ihren Lebenssinn schon erfüllt, wenn sie an der Wahl der Senatsmitglieder teilnehmen durften. Dass jemand freiwillig auf seinen Platz unter den Weltherrschern verzichten würde, schien Kira absurd.
McNamara bleibt lieber für sich. Hat seine Hände in allerhand zwielichtigen Geschäften, die wir ihm leider nicht nachweisen können. Ich kann nicht glauben, dass der Mistkerl sich in meinem Magic Central aufhält!
Darauf folgte eine Schimpftirade und Kira beschloss, Kingsley wieder auszublenden. Schließlich musste sie sich auf die Gefahr vor sich konzentrieren.
»Darf ich mich vorstellen. Mein Name ist Ryan McNamara«, erklärte der Magier und hielt ihr die Hand hin.
Runenzeichen waren auf den Handrücken tätowiert, schlängelten sich unter seinem Hemdsärmel hindurch und tauchten oberhalb des Kragens wieder auf, verliefen bis zu seinen Schläfen.
Die Runen waren alt und es machte Kira nervös, nicht zu wissen, was sie bedeuteten.
»Ich weiß«, schnappte sie.
Sie starrte seine ausgestreckte Hand an, als könnte sie sich jeden Augenblick in eine bissige Kobra verwandeln.
Ryan hob eine Augenbraue. »Ich brauche keinen Körperkontakt, um jemanden mit Magie zu bezwingen.«
Da hatte er wahrscheinlich Recht. Und da Kira sich nicht kindisch verhalten wollte, sprang sie schließlich über ihren Schatten und schüttelte ihm die Hand.
Sie fiel nicht auf der Stelle tot um, was sie als gutes Omen erachtete, daher gab sie sogar einen Teil ihres Namens preis. Da ihr Vorname momentan auf jeder zweiten Werbesäule mit einem Fahndungszettel stand, war er ohnehin kein Geheimnis mehr. Aber als Sidhe hatte sie sich angewöhnt, vorsichtig mit ihrem Namen umzugehen. Wer ihren vollständigen Namen kannte, hatte Macht über sie – und das galt es zu vermeiden.
»Kira«, sagte sie tonlos.
»Sehr erfreut.« Ryan lächelte. Sein Lächeln war herzlich und zutiefst beunruhigend. Sie wünschte sich fast, der Magier möge endlich seine Handgranaten zücken und diese mit einem teuflischen Lachen auf sie werfen. Damit konnte sie umgehen. Sie hatte sich mittlerweile daran gewöhnt, dass Magier nur auf die passende Gelegenheit warteten, sie zu töten. Aber jemand, der ihre Wunden heilte und ihr dann mit einem charmanten Lächeln mitteilte, welche Freude es war, ihre Bekanntschaft zu machen? Gruselig.
»Wissen Sie, was ich mich frage, seit ich hier aufgewacht bin? Wie kann es sein, dass ich im einen Moment halb tot im Gras liege und im nächsten wohlauf in einem Seidennachthemd stecke und mit einem Magier plaudere?«
»Der Teil mit dem Plaudern beunruhigt Sie am meisten, was?«
»Ich warte immer noch darauf, mich am spitzen Ende eines Eisendolchs wiederzufinden«, gab sie zu.
Ryans Mundwinkel zuckten amüsiert. »Sie dürfen sich entspannen. Ich habe nicht vor, Sie umzubringen.«
Kira ging die anderen Möglichkeiten durch. »Kopfgeld?«
»Sehen Sie irgendwo Eisenfesseln?«
Tatsächlich hatte man nicht einmal versucht, sie an Eisen zu binden. Der Gedanke verstörte sie. »Wieso bin ich dann hier und noch am Leben?«
»Ich konnte eine Túatha Dé Danann doch nicht einfach so verbluten lassen.«
Kira zuckte zusammen, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. Die meisten Magier wussten nicht einmal, dass die Sidhe eine Königsfamilie besaßen, geschweige denn, wie deren Mitglieder zu erkennen waren. Was für ein Spiel wurde hier gespielt?
Wenn er wusste, was sie war, blieb noch eine andere Möglichkeit offen. »Sie wollen mir meine Magie nehmen!«, beschuldigte sie ihn in einem triumphierenden Tonfall.
»Natürlich, deshalb habe ich auch Ihre Wunden geheilt und Ihnen ein Frühstück raufgeschickt.«
»Okay, ich raff es nicht.«
Ryans Mundwinkel zuckten erneut. »Wieso ziehen Sie sich nicht an und leisten mir dann unten im Salon Gesellschaft? Ich kann uns ein neues Frühstück machen lassen«, schlug er vor und stupste die Scherben mit der blank polierten Spitze seines Schuhs an. »Und da wir gerade davon sprechen: Was haben Sie mit der armen Jinny gemacht?«
»Sie gefragt, was mit ihr passiert ist.«
Ryan hob eine Augenbraue. »Nicht sehr taktvoll, hm?«
Kira klappte die Kinnlade nach unten. Wurde sie gerade von einem Magier darauf hingewiesen, dass sie unhöflich war? »Na ja, es war eine berechtigte Frage.«
Ein Stirnrunzeln mischte sich in Ryans Züge und er wandte das Gesicht ab. Gut zu wissen, dass sie nicht die Einzige war, die Schwierigkeiten mit diesem Thema hatte.
»Als Wassernymphe bräuchte sie eigentlich ständig Kontakt mit frischem Quellwasser«, sagte er leise. »Ich wurde in einem Einkaufszentrum auf sie aufmerksam, wo sie über mehrere Flaschen abgefülltes Quellwasser herfiel. Die Ströme, an denen sie gelebt hatte, waren trockengelegt worden, als man die Grenzen des Magic Centrals ausweitete. Die restlichen Najaden wurden allesamt von Magiern gefangen und in Reservate gesteckt. Jetzt traut sie sich nicht mehr, das Haus zu verlassen, obwohl ich versucht habe, ihr mit Whirlpools und Badewannen zu helfen …«
Grauen erfasste Kira. Nymphen waren Naturgeister. Der Kontakt mit ihrem Element war für sie lebensnotwendig. Mehr noch als die Nahrungsaufnahme für Menschen. Wasser war ein Teil ihrer Seele. Und sich das zu verweigern … Kira schauderte.
Selbst die Magier hatten das erkannt und alle Reservate mit Parkflächen und Quellen ausgestattet. Elly hatte nicht nur ihre zwei Stunden tägliches Duschen eingefordert – damit ja kein anderer im Haushalt mehr heißes Wasser abbekam –, sie hatte sich auch mehrmals im Monat mit ihren Nymphen-Freundinnen zum Baden getroffen.
Fassungslos blickte Kira zur Tür, durch die eben noch die Reste einer Najade stolziert waren. Welch traurige Ironie: Aus Angst vor den Magiern hatte sie sich selbst in einen Käfig gesperrt, der noch viel kleiner war als jedes Reservat.