25. Kapitel
Irgendetwas stimmte hier nicht. Die beiden grünen Lichter auf der rechten Seite leuchteten nicht. Abby gab den dreistelligen Panikcode dennoch ein. Zwei Mal. Es passierte nichts. Sie schlug mit der Faust auf die Tastatur. Das Geräusch schien durch das ganze Haus zu hallen.
Nichts. Keine blinkenden Lichter. Keine Reaktion.
»Ich bin enttäuscht«, hörte sie eine Stimme hinter sich sagen. Abby wirbelte herum. Aleks stand keine zwei Meter hinter ihr. Sie hatte nicht gehört, dass er die Treppe heruntergestiegen war.
Aleks lief auf sie zu. Er öffnete seine Schultertasche und zog einen Strick und Klebeband heraus.
»Unglücklicherweise«, fuhr Aleks fort, »laufen viele private Alarmanlagen in Amerika über die Telefonleitungen. Wenn die Telefonleitung durch einen starken Sturm oder aus einem anderen Grund unterbrochen ist, ist auch die Verbindung zum Sicherheitsunternehmen gestört.« Er hielt eine Schere hoch. Offenbar hatte er die Telefonleitung durchtrennt, ehe sie das Haus betreten hatten. »Ich habe gesagt, dass Ihnen und Ihrer Familie nichts passiert, wenn Sie genau das tun, was ich sage. Und ich wiederhole mich nur ungern.«
Blitzschnell durchquerte er die Diele und hob Abby mit einer Leichtigkeit in die Luft, als würde sie nichts wiegen. Er trug sie durch die Diele, die Treppe hinunter in den Keller und setzte sie auf einen alten Klappstuhl aus Metall. Dieser Mann besaß furchterregende Kräfte.
»Nein«, sagte Abby, ohne sich zu wehren. »Das ist nicht nötig. Es tut mir leid.«
Im Handumdrehen hatte Aleks sie mit Armen und Beinen an den Stuhl gefesselt.
Abby wehrte sich nicht. Sie versuchte, die Tränen zurückzuhalten.
Es gelang ihr nicht.
Aleks beobachtete die Mädchen durch das Kellerfenster. Seine Miene war undurchdringlich, doch als Abby in seine hellblauen Augen sah, während er Charlotte und Abby auf der Schaukel beobachtete, erkannte sie die Sehnsucht darin.
Der andere Mann – sein Freund und Komplize – war gegangen. Mit den Mädchen schien alles in Ordnung zu sein, doch sie warfen immer wieder einen Blick aufs Haus. Es waren intelligente, aufgeweckte Kinder, die viel cleverer waren als Gleichaltrige. Auch wenn Abby ihnen versichert hatte, die beiden fremden Männer namens Aleks und Kolya seien Freunde der Familie, wussten sie mit Sicherheit, dass etwas nicht stimmte.
Sie sind meine Töchter.
Bei diesem Gedanken drehte Abby sich der Magen um. Als sie auf das Profil des Mannes schaute, zweifelte sie nicht an der Wahrheit dieser Behauptung. Dieser Mann war Charlottes und Emilys leiblicher Vater. Sie wollte es nicht glauben, aber es entsprach zweifellos der Wahrheit.
Abby wünschte sich, es wäre um etwas anderes gegangen. Sie wünschte sich, es hätte sich um einen Einbruch gehandelt und diese Männer hätten es auf Lösegeld, Schmuck oder Bargeld abgesehen. Diese Dinge verstand sie, und sie hätte sofort jede Forderung erfüllt, wenn sie ihre Familie dadurch vor Schaden hätte bewahren können.
Doch eine Frage ging ihr nicht aus dem Kopf: Woher wusste dieser Mann, wo sie wohnten und wer sie waren? Wie hatte er sie gefunden?
Abbys schlimmster Albtraum wurde schnell Wirklichkeit. Er war nicht hier, um seine Töchter zu sehen. Er war nicht nur hier, um einen Kontakt herzustellen oder eine Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Er war hier, um sie mitzunehmen.
Als Aleks sich zu ihr hinunterbeugte, sah Abby etwas im Licht glitzern, das an einer Kette an seinem Hals hing. Es waren drei kleine Glasfläschchen. In einem von ihnen schien Blut zu sein, und es sah so aus, als würden in der dunkelroten Flüssigkeit winzige Fleischfetzen schweben. Abby spürte Übelkeit in sich aufsteigen, als sie daran dachte, was das bedeuten konnte.
»Wenn Sie noch ein einziges Mal meine Befehle missachten, töte ich Sie vor den Augen der Mädchen«, flüsterte Aleks ihr ins Ohr.
Abby kämpfte gegen die Fesseln und das Klebeband an. Sie konnte sich nicht bewegen. Tränen rannen ihr über die Wangen.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stieg Aleks die Treppe hinauf und schloss hinter sich die Tür.