70. KAPITEL

Montana

Neuntausend Meter über den schneebedeckten Bitterroot Mountains schlossen Kampfjets der Air National Guard von Montana zum Flugzeug des Papstes auf.

Special Agent Walker unterbrach seine Arbeit am Computer, um von seinem Fenster aus zuzusehen, wie die vier F-16 die gleiche Anzahl Begleitjets der Washingtoner Air National Guard ablösten.

Der Düsenjäger in Führung kippte zur Begrüßung abwechselnd seine Tragflächen, und kurz darauf begann die Formation den Sinkflug zum Flugplatz von Great Falls.

Sie waren weniger als fünfundzwanzig Minuten unterwegs gewesen, als Walker und seine Kollegen an Bord der Papstmaschine gleichzeitig eine E-Mail mit den aktualisierten Statusberichten erhielten.

Walker scrollte durch die Texte. Die Untersuchung der Grenzverletzung an der Juan-de-Fuca-Meerenge deutete auf die Mitwirkung eines Schiffes aus dem Jemen hin: Die vorläufige Analyse der angeschwemmten verdächtigen Gegenstände ergibt, dass sie eine “potenziell flüchtige”, aber noch nicht identifizierte Substanz enthalten. Nicht konkret genug, um auf eine nationale Bedrohung oder auf eine Verbindung zu anderen Fällen schließen zu lassen. Eine weitergehende Analyse ist in Arbeit und wird von einer Spezialeinheit geleitet, die mit der Chemisch-biologischen Notfalleinheit zusammenarbeitet.

Aktualisierung des Berichts über die rätselhafte Explosion in der Nähe der Malmstrom Air Force Base, bei der drei Weißwedelhirsche – jedenfalls nach der Zahl der gefunden Hufe zu schließen – ums Leben kamen: Die Spezialeinheit hat reagiert. Der laufenden Ermittlung wurde höchste Priorität eingeräumt. Eine versehentliche Explosion wurde ausgeschlossen. “Die benutzte Substanz muss noch identifiziert werden.” Ermittler der Einheit äußern Besorgnis, da der Schauplatz auf einen “geplanten Test” hinweist.

Internationaler Statusbericht in Sachen Terror: Amerikanische und ausländische Geheimdienste berichten, dass die Kommunikation ausländischer Terrororganisationen “außergewöhnlich lebhaft” ist.

Als sich das Flugzeug des Papstes Great Falls näherte, rief der befehlshabende Special Agent Hank Colby Walker und die anderen Kollegen zu einem kurzen Briefing ins Heck der Maschine.

“Eine Warnung. Das Weiße Haus spricht davon, den Montana-Besuch abzubrechen, vielleicht auch Chicago abzusagen.”

“Jetzt? In diesem Stadium? Wissen Sie etwas, wovon wir nichts wissen?”

“Sie fühlen sich zur jetzigen Situation extrem unbehaglich. Vor allem wegen des Umstands, dass keiner der angesprochenen Vorfälle mit den Informationen übereinstimmt, die wir von Issa al-Issa erhalten haben. Die Hinweise auf in den USA stationierte Terrorzellen, die einen größeren Anschlag während des Papstbesuchs planen, machen den Beraterstab nervös.”

“Ist denn so etwas bestätigt worden?”, fragte Walker.

“Unseres Wissens nicht. Könnte sein, dass die NSA oder Staatssicherheit etwas Brisantes aufgeschnappt haben”, sagte Colby. “Die hohen Tiere vom Secret Service wurden ins Oval Office bestellt. Das weiße Haus bearbeitet die CIA, den Heimatschutz und die Intelligence Division sich jetzt auf ein paar Antworten festzulegen, um den Vatikan zur Zustimmung zu bewegen. Wenn es politisch wird, haben wir keinen Einfluss mehr.”

Der Pilot meldete sich über den Lautsprecher und bat alle, zu den Sitzen zurückzukehren und sich für die Landung anzuschnallen.

“Bis wir etwas anderes hören”, sagte Colby, “verläuft der Besuch wie geplant.”

Ähnlich wie bei der Landung des Präsidenten hatte man über dem Flughafen von Great Falls ein vorübergehendes Flugverbot verhängt. Abgesehen von der Maschine des Papstes war er für den gesamten Luftverkehr geschlossen.

Ein Helikopter der Montana Highway Patrol kreiste dicht über der Landebahn. Am Boden warteten diverse Limousinen und Einsatzwagen. Sämtliche Straßen zum Flughafen hatte man gesperrt, der Airport selbst war verwaist.

Wenige Minuten bevor das Flugzeug des Papstes ankam, donnerten zwei Kampfjets im Tiefflug über die Landebahn hinweg.

Nach der Landung folgte eine lange Reihe von Fahrzeugen des Secret Service und der US Army, der Regierung und der örtlichen Ambulanz dem Flugzeug, das auf eine entfernte Rampe zusteuerte.

Walker sah die Ansammlung örtlicher Würdenträger, die darauf warteten, den Heiligen Vater willkommen zu heißen. Knapp fünfzig Meter dahinter standen hinter einem durch Polizisten abgeschirmten Bereich Tausende von Menschen.

Sie jubelten, als vor ihren Augen Geschichte geschrieben wurde. Der Papst stieg aus seinem Flugzeug, der erste Papst, der den Boden von Montana betrat.

Der Heilige Vater lächelte und winkte, als er vom Erzbischof, dem Gouverneur und dem Bürgermeister begrüßt wurde. Nach einer kurzen Ansprache vor Ort wurde der Papst zu einem Militärhubschrauber eskortiert.

Dieser startete innerhalb weniger Minuten, begleitet von vier weiteren Helikoptern mit dem Sicherheitsteam, dem Stab vom Vatikan, einer Journalisten-Delegation aus aller Welt und einem Verwaltungsstab des Lone Tree County. Die Entourage würde die Vorab-Teams und das weitere Personal treffen, die sich bereits vor Ort befanden.

Walker vergewisserte sich, dass er angeschnallt war.

Der heutige Tag entwickelte sich zum längsten seines Lebens.