KAPITEL 22

»HEY, HEY, MR FOLTON. Na kommen Sie. Seien Sie brav. So ist es gut, Mann. Ganz ruhig. Scheiße!«

Der große Afroamerikaner warf sich über das Bett und landete auf einem Patienten von der Statur einer Bohnenstange, der um sich schlug wie ein Dreschflegel. Der Schwarze war so kräftig wie ein Footballspieler, hatte aber trotzdem alle Mühe, den anderen auf dem Bett festzuhalten. Ächzen und Stöhnen war zu hören, und es ließ sich schwer sagen, wer mehr zu kämpfen hatte: derjenige, der sich aus dem Griff befreien wollte, oder der, der ihn zu bändigen suchte. Der Footballspieler im grünen Kittel gewann schließlich. Mr Folton wurde fixiert, und seine Energie verpuffte, während der andere auf ihn einredete.

»Okay, Mr Folton. So ist es gut. Jetzt ruhen Sie sich ein bisschen aus, und gleich kommt eine Schwester und gibt Ihnen was zum Einschlafen. Dann werden Sie sich viel besser fühlen, Mr Folton. Sie werden sehen. Ganz bestimmt, Kumpel. Keine Sorge, Sir.«

Der Mann auf dem Bett wand sich und brüllte ein letztes Mal auf. Der Große legte Mr Folton die Hand auf die Stirn, als würde er ihn segnen, gab beruhigende Laute von sich und zog noch einmal die Gurte nach. Als der Mann sich umdrehte, erblickte er Josie.

»Sie sind zwar bestimmt nicht die Schwester, aber wir könnten Sie gut in unserem Team brauchen«, entschied er, als er auf sie zuging.

Josie ließ ihn vorbei und folgte ihm dann durch den Gang. »Müssten Sie nicht bei ihm bleiben, bis die Schwester kommt?« Sie blickte über die Schulter, halb in der Erwartung, dass Mr Folton ihnen nachsetzte.

»Er kann sich jetzt nicht mehr wehtun. Bis sie hier ist, passiert ihm nichts.« Er warf Josie einen Seitenblick zu. »Wieso interessiert Sie das so sehr?«

»Tut es gar nicht.« Josie musste kleinere Schritte machen, um neben ihm zu bleiben. »Es sah nur ein bisschen brutal aus, was Sie da drin mit ihm gemacht haben. Sie hätten ihm fast den Brustkorb zerquetscht. Anstatt ihn festzubinden, hätten Sie bei ihm bleiben können, bis er sein Medikament bekommt.«

Der Afroamerikaner blieb stehen und lachte rau. »Lady, wenn man ihn nicht festbindet, ist es nur noch schlimmer. Dann verletzt er womöglich Patienten, die sich nicht wehren können. Und wenn er das nicht hinkriegt, verletzt er sich selbst bei dem Versuch. Und falls Sie nicht zu seiner Familie gehören, glaube ich nicht, dass ich mit Ihnen drüber reden darf, was für Mr Folton gut ist und was nicht.« Der Mann stemmte die Arme in die Hüften. »Und ich kümmer mich jetzt schon seit zehn Jahren um ihn, und deshalb glaub ich kaum, dass Sie zur Familie gehören. Und wenn Sie von irgendeiner Wohlfahrtsbehörde sind, wie ich in dem Fall vermute, will ich genauso wenig mit Ihnen sprechen. Nichts für ungut. Sie sollten vielleicht eher mit den Verwaltungsleuten reden. Und jetzt entschuldigen Sie mich, Ma’am, ich hab zu tun.«

»Warten Sie. Mein Name ist Josie Bates, und Ms Vendy hat mich hergeschickt.« Josie lief ihm hinterher. »Ich bin Anwältin. Ich will mit Ihnen über Tim Wren sprechen, und wenn Sie jetzt keine Zeit haben, dann warte ich so lange.«

Ihre Absätze klapperten in dem stillen Gang, als sie an ihn herantrat und ihm die Hand entgegenstreckte. Er musterte sie und nahm sich einen Augenblick Zeit, um sich zu entscheiden.

»Nate Walters.« Er ergriff ihre Hand. »Wollen Sie helfen oder Ärger machen?«

»Helfen, hoffe ich.«

»Sie werden Tim nicht als böse hinstellen.«

»Ganz bestimmt nicht«, versicherte ihm Josie. »Nach allem, was ich über Tim weiß, konnte er gar nicht böse sein.«

»Allerdings nicht. Anstrengend, aber nicht böse.« Nate schaute durch den leeren Gang, dann blickte er wieder sie an. »Wollen Sie mitkommen? Ich habe jetzt Pause.«

Ein paar Minuten später saß Josie in einem Zimmer mit zusammengewürfelten Möbeln, einem Radio, einem Spülbecken und einer Kaffeemaschine; außerdem einem Schwarzen Brett, das mit Nachrichten, Memos und Witzen aus Zeitschriften übersät war. Nate saß Josie breitbeinig gegenüber, die Hände auf den Knien, die dunklen Augen fest auf sie gerichtet, während er redete.

»Ich kümmer mich meistens um die Männer, weil die eine starke Hand brauchen. Tim ist mit ungefähr elf Jahren schwierig geworden. Die dachten, dass er mit mir besser klarkommt. Männer konnte er sowieso gut leiden. Er wollte zu den Männern gehören.« Nate lachte bei der Erinnerung an seinen Schützling. »Dieser Bursche hat immer wieder gesagt, dass er ein Mann sein wollte. Wir haben ewig gebraucht, bis wir das kapiert haben. Alle haben geglaubt, er wollte sagen ›ich will allein sein‹. War schon in Ordnung, der Bursche.«

»Aber manchmal wurde er gewalttätig, oder?«

»Nicht schlimmer als die meisten. Er hat nach den Schwestern geschlagen, wenn die ihm helfen wollten und er keine Lust dazu hatte. Bei mir hat er’s auch probiert, aber ich war ihm immer eine Nasenlänge voraus; er hat’s nie geschafft.« Nate entspannte sich, verschränkte die Hände und legte sie in den Schoß.

»War er groß genug, um sich gegen einen Erwachsenen zur Wehr zu setzen?«, forschte Josie.

»Na klar«, erwiderte Nate nüchtern. »Aber Sie denken wie ein normaler Mensch. Sie wollen wissen, ob Tim sich gewehrt hätte, wenn jemand auf ihn losgegangen wär, oder? So läuft das aber nicht.« Es klang belustigt.

»Sie meinen, wenn ihm jemand hätte wehtun wollen, hätte er sich nicht gewehrt?«

»Ich will damit sagen, dass er nicht unbedingt genau wusste, was normal war. Zum Beispiel auf diesem Fahrgeschäft in Pacific Park, da hat Tim vielleicht nicht gewusst, was gut für ihn ist. Verstehen Sie, was ich meine?« Nate drehte die Handflächen nach oben und lächelte, zufrieden, ihr voraus zu sein. »Oh ja, ich hab davon gelesen. Ist ja nicht so, dass die hier uns Tag und Nacht einsperren. Ich hab mein eigenes Leben. Ich les die Zeitung. Da stand, dass dieser Mann Tims Gurt aufgemacht hat. Also, Tim hat vielleicht gar nicht gewusst, dass das gefährlich war. Wahrscheinlich war ihm nicht klar, dass er runterfällt, wenn er sich nicht festhält.«

»Sie meinen, er hat das Prinzip von Ursache und Wirkung nicht verstanden?«, sagte Josie.

»Ganz genau. Sie haben es kapiert.« Nate lächelte breit. »Wenn Sie mit einem Baseballschläger auf ihn losgegangen wären, wäre er wahrscheinlich sitzen geblieben und hätte gewartet, bis Sie ihm eins überziehen. Aber wenn Sie versucht hätten, ihm seinen Reispudding wegzunehmen, dann hätten Sie ein Problem gehabt, das können Sie mir glauben.« Nate lachte, von den eigenen Geschichten über Tim Wren erheitert.

»Okay, da Sie Bescheid wissen, wie war Tim in Gegenwart von Lexis Mann?«

»Den Ehemann kannte keiner so richtig. War schwer, aus dem schlau zu werden. Er hat sich mit dem Jungen nicht richtig wohlgefühlt, so viel kann ich Ihnen sagen.«

»Normal unwohl oder eher wütend?«, fragte Josie.

»Das läuft hier aufs Gleiche raus. Die Leute haben Schuldgefühle, weil sie gesund sind. Aber ihr Mann ist immerhin dabeigeblieben. Ich meine, er war ja kein Vater oder Bruder oder so. Am liebevollsten sind die Mütter. Fremde, na ja, die sind höflich. Aber Stiefelternteile? Die haben die Mutter oder den Vater geheiratet, aber sie haben keine Ahnung, was ihnen da für den Rest ihres Lebens blüht. Wenn Sie dahinterkommen, wird es hässlich. ’ne Menge Ehen von Leuten, die hier Verwandte haben, gehen den Bach runter.«

Die Tür ging auf, und eine rothaarige kleine Frau steckte den Kopf herein.

»Nate. Wir kriegen Richard nicht in die Dusche. Kannst du kommen?«

Nate hob den Finger, und die Frau war so schnell fort, wie sie gekommen war. Er legte die Hände auf die Knie, als wollte er sich hochstemmen.

Auch Josie stand auf, hielt ihn jedoch auf, bevor er an der Tür war. »Aber zwischen Archer und Tim wurde es doch nicht hässlich, oder? Oder zwischen Archer und Lexi?«, fragte sie.

»Nicht, dass ich wüsste«, antwortete Nate, »aber ich bin ja nicht immer hier. Aber eins weiß ich, es war eine verdammte Schande, dass Tims richtiger Paps nicht hergekommen ist und ihn besucht hat. Tim hat immer gehofft, dass er das tun würde.«

»Sein richtiger Vater ist nie hier gewesen? Sie haben ihn nie kennengelernt?«, forschte Josie. »Schütteres Haar. Brille. Nicht besonders groß.«

»Nicht dass ich wüsste. Tim hat nie was davon gesagt. Und ich hab nie so einen Kerl mit seiner Mutter gesehen.« Nate ging um Josie herum, öffnete die Tür und gab sie an Josie weiter. »Tim hätte es mir erzählt, wenn sein Paps gekommen wär’.«

»Hat Tims Mutter mal etwas über Tims leiblichen Vater gesagt?«

»Sie meinen, ob sie über ihn hergezogen hat?« Nate schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht so eng mit den Patientenfamilien. Aber wenn Sie wissen wollen, ob ich mal gehört hab, wie sie was über Tims Paps gesagt hat, dann lautet die Antwort Nein. Ich weiß nur eins sicher, diese Frau hat zwischen Tim und ihrem Mann einen Eiertanz veranstaltet. Aber am Ende war ihr nur der Junge wichtig. Ihr war es egal, dass der Mann nicht hier sein wollte. Sie wollte hier sein.« Nate warf einen Blick über die Schulter und gönnte Josie dann einen weiteren Augenblick, um ihr etwas vorzuschlagen. »Ich muss jetzt los, aber wenn Sie bis zum Abend dableiben, können Sie mit Mrs Schmidt reden. Sie und die Mom von Tim waren dicke Freundinnen. Vielleicht weiß sie, was passiert ist.«

»Danke. Möglicherweise werde ich das tun.« Josie wandte sich bereits ab.

Auch Nate hatte schon einen Fuß in den Gang gesetzt, als er stehen blieb und sie zurückrief. Sie gingen aufeinander zu. Als Nate bei ihr war, sagte er: »Nur fürs Protokoll: Wenn Ihr Mann Tim was getan hat, dann hoffe ich, dass er auf den Stuhl kommt.«

Nate ging dorthin, wo er gebraucht wurde, und Josie dachte über seine Worte nach. Zum ersten Mal hatte jemand offen den Wunsch geäußert, Archers Kopf rollen zu sehen. In den Medien stand es zwischen den Zeilen, es war in den Blicken der Leute zu lesen und schwang sogar in Burts halbherziger Verteidigung von Archer mit, nachdem dieser zum zweiten Mal verhaftet worden war. Josie hob den Kopf, umklammerte ihre Tasche, atmete tief durch die Nase ein und durch die geschürzten Lippen wieder aus. Irgendwo brüllte jemand. Sie hörte einen Fernseher und ein Beatmungsgerät. Archer könnte es schlimmer treffen. Zwar nicht viel schlimmer, aber möglich war das durchaus.

Auf dem Parkplatz setzte Josie sich in ihren Jeep und rief Hannah an, um ihr zu sagen, dass sie erst spät nach Hause kommen würde. Danach legte Josie den Kopf nach hinten, starrte an die Wagendecke und fragte sich, ob irgendjemand es merken würde, wenn sie nie wieder ausstieg.

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Hannah legte den Telefonhörer auf, als es an der Tür klingelte. Getreu den neuen Hausregeln holte sie Max zu sich, näherte sich leise der Tür und zog die weißen Gardinen so weit zur Seite, dass sie sah, ob draußen Freund oder Feind war. Mit einem theatralischen Seufzer scheuchte sie Max weg, schloss auf und öffnete die Tür, als würde sie Billy Zuni, der mit einem breiten Grinsen auf der Veranda wartete, einen ungeheuren Gefallen tun.

»Was willst du?«

Hannah öffnete die Tür gerade so weit, dass Billy sie sehen konnte. Billy sollte merken, wie wenig seine Gegenwart ihr imponierte und dass sie es kaum erwarten konnte, bis er das kapierte.

Doch das reichte nicht. Billy lächelte noch breiter und strich sich die blonden Fransen aus dem Gesicht. »Hannah. Hey. Ich habe Ms B gesagt, ich schau nach dir, wenn sie nicht da ist. Ihr Wagen steht nicht da, also dachte ich, ich schau mal nach dir. So wie ich’s versprochen hab …«

Seine Stimme erstarb. Er war doch nicht so dumm, wie Hannah gedacht hatte. So wie sein Lächeln schwand und er von einem Fuß auf den anderen trat, war ihm wohl klar, dass er nicht erwünscht war. Leider brachte ihn das nicht auf die Idee, zu verschwinden.

»Der Wagen könnte doch in der Garage geparkt sein«, bedeutete ihm Hannah lustlos.

»Ja, aber da steht er nicht, ich warte nämlich schon seit vier auf sie, und sie ist nicht früher von der Arbeit gekommen.« Billys Gesicht hellte sich auf, als er wieder Oberwasser gewann. Er befand sich auf einer Mission und würde nicht aufgeben, bis Hannah ihn mochte. »Gut, Ms B ist nicht zu Hause, also sollte ich auf dich aufpassen, es wird nämlich langsam dunkel.«

»Du meinst, du willst hier babysitten?« Hannah verdrehte ungläubig die Augen, und Max winselte, als hätte er Mitleid mit Billy.

»Nein, nein.« Billy schüttelte heftig den Kopf. »Ganz bestimmt nicht. Ich wollte nur nachsehen, ob bei dir alles in Ordnung ist. Brauchst du irgendwas? Wenn nicht, dann könnte ich, na ja … Soll ich mich auf die Terrasse setzen und ein bisschen hierbleiben? Geht das?«

»Nein, ich will, dass du nach Hause gehst, Billy. Geh einfach nach Hause und lass mich in Ruhe.«

»Nee, das kann ich nicht machen. Meine Mom hat Besuch da, und außerdem hab ich’s versprochen.«

»Ja, verdammt, ich weiß. Du hast es Josie versprochen.«

Hannah stieß die Tür auf, drehte sich um und ging. Sollte er doch reinkommen oder auch nicht – es war seine Entscheidung. Hannah ging in ihr Zimmer und machte die Tür hinter sich zu. Billy redete einfach lauter.

»Okay, wir könnten vielleicht zu Burt gehen und Burger essen. Ich hab zwar kein Geld, aber Burt weiß, dass ich kreditwürdig bin.«

Billy stand im Wohnzimmer und wartete darauf, dass sie zurückkam, aber es war Max, der auf ihn zutrottete und ihn begrüßte.

Billy nahm den Hundekopf zwischen die Hände und zauste ihm liebevoll das Fell.

»Okay, dann essen wir beide eben was, Kumpel«, flüsterte er.

Billy wechselte Max’ Trinkwasser und schüttete Futter in seinen Napf. Als er fertig war, ging er auf die Terrasse und nahm den Schlauch, um Josies Pflanzen zu wässern. Dort fand ihn schließlich Hannah.

»Also, wollen wir jetzt was essen gehen oder nicht?«, wollte sie wissen.

Immer wieder berührten ihre Finger den Türstock, in kurzen Aktivitätsschüben, mit denen Hannah sich ihrer Umgebung versicherte und ihre Nervosität über Josies Abwesenheit verbarg. Billy schien es gar nicht zu bemerken; genauso wenig wie ihre auf der Hüfte sitzenden Jeans, das enge T-Shirt, die schokoladige Haut dazwischen und die Tatsache, wie schön Hannah selbst dann war, wenn sie sich ärgerte. Nichts von alldem fiel Billy auf, denn Hannah hatte sich gerade bereit erklärt, mit ihm zu Burt zu gehen. Das löste erneut ein Lächeln bei ihm aus.

»Okay. Klar doch, Hannah. Wollen wir runter zum Strand? Es ist gar nicht so kalt. Wir könnten ja ein bisschen dasitzen und den Wellen zuschauen, und danach gehen wir zu Burt, und später könnten wir am Pier spazieren gehen. Angeblich kriegen wir eine rote Flut, aber ich glaube, dafür ist es zu spät im Jahr.«

»Das ist kein Date. Ich will einfach nur was essen und anschließend nach Hause, und hinterher verschwindest du.« Hannah lief Billy voraus. Auf dem Weg zur Haustür berührte sie den Tisch, die Lampe und das Sofa.

Demütig wie Max, der Hund, lauschte Billy dem Regelkatalog, während Hannah die Tür abschloss. Dreimal legte sie den Weg zurück, und dreimal kehrte sie um und überprüfte das Türschloss. Beim vierten Mal begleitete Billy sie, und das reichte, dass Hannah damit aufhörte. In ihren Kapuzenpulli gekuschelt ging sie neben Billy her. Gemeinsam überquerten sie die Straße und bogen dann rechts Richtung Fahrradweg ab. Billy schob die Hände in die Hosentaschen, ließ den Blick schweifen und zermarterte sich das Gehirn nach einem Gesprächsthema. Schließlich fiel ihm eines ein, zu dem sie beide etwas beisteuern konnten.

»Weißt du, vielleicht liegt es ja an dieser Sache mit Lexis Sohn, dass Archer nicht warm mit uns wird. Vielleicht ist das der Grund, warum er keine Kinder mag.«

»Kann sein«, murmelte Hannah.

»Was machst du, wenn Archer schuldig ist?«, fragte Billy.

»Gar nichts.« Hannah zog eine Grimasse und warf ihm einen Blick zu, als sei er ein Mutant. »Wieso sollte ich denn irgendwas machen?«

»Hey, stopp. Flipp nicht gleich aus. Ich hab doch nur gefragt.« Schweigend gingen sie weiter. Dann hellte sich Billys Gesicht auf. Ihm war gerade etwas anderes eingefallen – die Antwort auf ihre Frage. »Weil es nicht gerade toll bei euch sein wird, wenn Archer diesen Jungen ermordet hat.«

»Da wäre ich ja nie drauf gekommen«, murmelte Hannah und verzichtete auf den ohnehin wenig Erfolg versprechenden Hinweis darauf, wie furchtbar banal dieser Satz war.

Sie bückte sich und hob etwas von der Straße auf. Es war ein Stückchen Silberpapier, das Einwickelpapier eines Kaugummis. Hannah steckte es in die Tasche. Der Strand war zwar nicht ihr Lieblingsplatz, aber sie mochte es nicht, wenn er schmutzig war. Außerdem gab ihr das eine Beschäftigung, während Billy sich weiter um ein Gespräch bemühte.

»Ja«, sinnierte Billy. »Vielleicht will Josie keine Jugendlichen mehr um sich haben, wenn Archer wegen einem ins Gefängnis muss. Verstehst du? Mich würde sie wohl sowieso nicht mehr dahaben wollen, weil ich sie an diesen Jungen erinnere, aber vielleicht würde Josie ja keinen von uns mehr hier wollen. Du weißt schon, weil das Ganze mit einem Jungen angefangen hat. Und wir sind ungefähr genauso alt wie er. Du und ich. Na ja, wir sind zwar älter, aber …«

Billy ging weiter, ohne zu merken, dass Hannah hinter ihm stehen geblieben war.

Als er sich umdrehte, ließ Hannah ihr Gesicht ausdruckslos werden, öffnete den Mund und sagte: »Mann, bist du dumm.«

Dann machte sie kehrt und stürmte zu Josies Haus zurück. Billy folgte ihr. Er nahm es ihr nicht übel. Billy wusste, dass Hannah nicht darüber nachgedacht hatte, was passieren würde, im Gegensatz zu ihm. Er dachte immer voraus. Wenn man wusste, was schlimmstenfalls passieren würde, dann konnte es nur noch besser kommen. Er war zwar nicht der Klügste hier am Strand, aber eins wusste er ganz genau. Das hatte ihm seine Mutter beigebracht. Billy Zuni wusste, dass Frauen den Kindern die Schuld gaben, wenn die Männer die Fliege machten oder eingesperrt wurden.

Das war nun einmal so.