Merle zuckte zusammen, als die Tür aufging und das Licht an. Zum Glück war es nur Wolke, ihre kleine Schwester, die da barfuß im Nachthemd stand, mit ihrem rosa Plüschhasen im Arm. «Hab Angst», wimmerte Wolke.
«Pssst», zischte Merle, «wir müssen leise sein.» Merles Herz klopfte. Sie hatte bestimmt mehr Angst als Wolke, die gerade erst drei war und noch nicht wusste, was es alles für furchtbare Dinge auf der Welt und in diesem Haus gab. Eilig knipste Merle das Licht wieder aus. «Komm», flüsterte sie, «wir müssen uns verstecken.» Gemeinsam krochen sie unters Bett und hielten sich aneinander fest. Es war staubig, hart und kalt hier, aber das war egal. Es war ganz dunkel, und niemand konnte sie finden. Hoffentlich. Aus dem Flur kamen Geräusche. Es war der Dämon, der es auf Merle abgesehen hatte, und solange er da war, durften sie sich nicht rühren. Ihrer kleinen Schwester flüsterte Merle ins Ohr, es wäre ein Räuber ins Haus gekommen. Das war weniger schlimm. Und das hatte Mami doch gesagt: ein böser fremder Mann. Ein Räuber also. Von dem Dämon verriet Merle ihrer Schwester kein Wort.
Es dauerte mindestens eine halbe Stunde, bis Ruhe war draußen. Und dann war es still, so still. Kein Dämon war mehr da. Aber Merle kämpfte mit den Tränen.
Sie wusste, sie konnte sich nicht ewig verstecken. Irgendwann musste sie nachsehen, was mit ihren Eltern geschehen war. Sie wollte es gar nicht wissen. Es konnte nichts Gutes sein.