7.

Als sie Stunden später wieder aufwachte, lag er nicht mehr neben ihr, sondern stolperte angezogen durchs dämmrige Zimmer.

»Was machst du?«, fragte sie und setzte sich auf.

»Ich muss gehen«, sagte er. »Ich wollte nicht einfach so verschwinden, sondern dir einen Zettel schreiben, aber ich finde kein Papier.« Er blieb vor dem Bett stehen und sah sie unsicher an, sein Körper in zögerlicher Haltung, wie auf dem Sprung und gleichzeitig auch nicht. »Sonst habe ich nur die hier«, sagte er und hielt eine Visitenkarte hoch.

»Ist gut, die reicht doch.«

»Tja.«

»Tja.«

Plötzlich geschah dasselbe wie am Abend zuvor, sein Gesicht begann sich zu verändern, wurde jünger, sein zaghaftes Lächeln ließ in jeder Wange ein tiefes Grübchen entstehen. Mitte fünfzig? Nein, er sah aus wie Anfang dreißig. Er machte ein paar Schritte rüber zum Sekretär neben dem Schrank, legte dort seine Karte ab und wandte sich dann, ihr zunickend, Richtung Zimmertür.

»Mich findest du im Internet, ich habe eine Homepage«, rief sie ihm eilig hinterher, bevor er verschwunden war. »Du kannst mir ja schreiben.«

Er drehte sich wieder zu ihr um. Jetzt Anfang zwanzig. Fast ein bisschen ungelenk schien er von einem Fuß auf den anderen zu treten. In diesem Moment konnte sie nicht anders, sie streckte ihm beide Arme entgegen. Sie wollte nicht so eine Verabschiedung, gehetzt, eilig und peinlich, beinahe schuldbewusst, nicht nach so einem seltsamen Abend und einer so nahen Nacht. Er zögerte nicht, sondern kam sofort zu ihr zurück, setzte sich zu ihr aufs Bett, umarmte sie und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Danach sahen sie sich schweigend an, das Blau seiner Augen leuchtete trotz des dämmrigen Lichts, und sie hatte den Eindruck, als würde er leicht zittern.

»Ich melde mich«, sagte er, als er wieder aufstand und dann endgültig ihr Zimmer verließ.

Eine Weile starrte sie noch auf die verschlossene Tür, rutschte dann wieder zurück unter die Decke und zog sie sich hoch bis über den Kopf, versteckte sich in der Dunkelheit darunter, wie Kinder es tun, wenn sie nicht gesehen werden wollen. Was hatte sie da nur wieder angezettelt? Warum war das alles passiert? War sie nicht langsam alt genug, um so einen Unfug bleiben zu lassen, um sich selbst und ihre Teufelchen besser im Griff zu haben? Sie war doch eine erwachsene Frau, eine, die mitten im Leben stand! Beruflich zumindest, privat war sie nicht viel weiter als ein Teenager. Auf eine gescheiterte Ehe blickte sie zurück – und auf zig verkorkste Beziehungen. Und dann noch … Nein, darüber wollte sie jetzt nicht nachdenken, das hier war nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und aus und versuchte, sich auf ihren Termin zu konzentrieren, der in wenigen Stunden anstand. Doch immer wieder funkten die Gedanken an Philipp Andersen dazwischen, bis sie schließlich genervt die Bettdecke zurückschlug, unter die Dusche stieg und sich selbst, während warmes Wasser über ihren Körper lief, immer wieder sagte, dass diese eigenartige Nacht ohne weitere Folgen bleiben würde. Eine kleine Anekdote, eine unwichtige Randnotiz, die am nächsten Tag schon wieder vergessen sein würde.

Warte auf mich
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