8. KAPITEL
Kann noch mehr passieren im Leben? fragte Charlotte sich glücklich lächelnd. Jedenfalls nicht heute. Heute hatte sie frei. Zum ersten Mal seit langer Zeit kein Unterricht, keine Anproben, kein Make-up, kein gar nichts. Diesen Tag wollte sie genießen und nur Dinge für sich tun.
Heute würde sie anfangen, den Garten anzulegen.
Sie trat das Gaspedal ihres neuen Wagens durch und hatte es eilig auf dem Weg zur Gärtnerei. Eine willkommene Gelegenheit, Distanz zu ihrem seltsamen neuen Leben herzustellen.
Ihre erste größere Rolle in American Homestead war im Kasten, wie Freddy zu sagen pflegte, und sie war geschmeichelt gewesen über die Komplimente von Regisseur und Kollegen. Obwohl es bis zur Filmpremiere noch Monate dauerte, sagte Freddy, dass ihr Name in aller Munde war. Und er hatte einen Anschlussvertrag für sie als weiblicher Co-Star in einem großen unabhängigen Film.
Die Probeaufnahmen liefen, wie Freddy es vorausgesagt hatte. Dann wurden in einem riesigen Büro die Unterschriften geleistet. Gelächter, Händeschütteln und das Ploppen von Champagnerkorken. Alles geschah so schnell, plötzlich hatte sie Geld.
Nicht furchtbar viel, aber immerhin genug, sich das Leben zu gönnen, das sie sich wünschte.
Sie lachte wieder, fühlte sich so frei wie selten und trat aufs Gas. Ihr blauer Sportwagen schoss durch die Stadt und trug sie fort von ihrer Arbeit, von Freddy und dem neuen Film. Für eine Weile wollte sie all das hinter sich lassen. Heute war ein Tag, an Blumen zu denken, die Sonne zu genießen und die Arien aus La Traviata zu schmettern, die aus dem CD-Player kamen.
Melanie hatte sie für verrückt erklärt, Geld für einen Blumengarten auszugeben. Warum einen Garten gestalten, hatte sie argumentiert, der dir nicht mal gehört? Das führt nur zu höherer Miete. Was macht das schon, hatte sie widersprochen, dann zahle ich eben die Differenz. Danach hatte sie sich aus den Gelben Seiten eine Gärtnerei herausgesucht, die der Mondragons, weil ihr der Name gefiel. Kleine frisch gestrichene, grün-weiße Schilder wiesen den Weg.
Nachdem sie geparkt hatte und ausgestiegen war, schlenderte sie durch die zahllosen Reihen blühender Pflanzen. Die Sorten kannte sie zwar nicht, ließ sich aber nicht beirren. Sie lernte schnell, besonders bei Dingen, die sie interessierten. Die zum Gärtnern notwendigen Kenntnisse würde sie sich mühelos aneignen. Sie berührte gerade die fleischigen Blätter einer Begonie, als sie ihn entdeckte.
Er stand umgeben von drei Frauen mit Topfblumen in den Händen und lauschte ihnen freundlich lächelnd. Das rabenschwarze Haar, die gebräunte Haut, ein weißes Hemd, an all das erinnerte sie sich nur zu gut.
Er sah kurz in ihre Richtung und widmete sich wieder den Ladys. Langsam, als habe ihn etwas stutzig gemacht, drehte er den Kopf wieder zu ihr hin und runzelte leicht die Stirn, als versuche er sie einzuordnen.
Charlotte war wie erstarrt. Es war der Fremde aus dem Fahrstuhl in jener kalten schicksalhaften Nacht in Chicago. Ihr war plötzlich, als hätten alle Ereignisse seither sie zielstrebig an diesen Ort geführt.
Er schien sie nicht zu erkennen, jedoch kam sie ihm offenbar bekannt vor. Jedenfalls straffte er sich und betrachtete sie ebenso verblüfft wie sie ihn.
Er neigte den Kopf zur Seite. Wer bist du?
Sie lächelte. Ja, ich bin es.
Die drei Frauen merkten, dass er abgelenkt war, und sahen ebenfalls zu ihr hin. Er entschuldigte sich bei ihnen ungeachtet ihrer offenkundigen Enttäuschung, gab einem Assistenten das Zeichen zu übernehmen und kam auf Charlotte zu.
Sie bewegte sich nicht und betrachtete ihn beim Näherkommen. Er trug das Haar jetzt länger und hatte es im Nacken zusammengebunden. Dunkle Brauen wölbten sich über durchdringenden dunklen Augen.
„Kenne ich Sie?“ fragte er und blieb vor ihr stehen.
Sie erkannte die tiefe Stimme, als wären sie sich erst gestern begegnet. Charlotte senkte kurz den Blick und überlegte, wie sie reagieren sollte. Es bestätigen und die ganze Geschichte erzählen, oder leugnen und von Neuem anfangen?
„Nein“, erwiderte sie schwach lächelnd.
Er sah sie nachdenklich an. „Ich dachte schon, Sie kamen mir irgendwie bekannt vor.“ Er stellte sich leicht verlegen vor. „Ich heiße Michael. Michael Modragon.“ Er streckte ihr die Hand hin.
Sie nickte und nahm sie. „Ich heiße Charlotte. Charlotte Godfrey.“
Seine Hand war kräftig und leicht schwielig. Sie zu berühren war prickelnd.
Er schob die Hände in die Gesäßtaschen seiner Jeans. „Nun, Miss Godfrey, kann ich Ihnen helfen?“
Sein Verhalten war höflich und dezent, nur sein Blick verriet Interesse. Sie erinnerte sich an seine ritterliche Geste im Fahrstuhl. Damals war sie leider nicht darauf eingegangen.
„Ja, danke.“ Sie nahm eine weiße Lilie und betrachtete sie eingehend. „Ich könnte Ihre Hilfe gebrauchen.“
„Möchten Sie sich erst umsehen?“ Er machte eine einladende Geste.
Gemeinsam gingen sie noch einmal die Pflanzreihen entlang, jeder mit dem Gefühl, einen besonderen Moment zu erleben.
Michael deutete auf einige Pflanzen, berührte die Blätter und erklärte alles Wissenswerte über sie. Seine Kenntnisse über Boden- und Pflegeansprüche beeindruckten sie sehr. Als sie ihm das sagte, deutete er lachend auf die weißen Plastikschildchen neben jeder Pflanze.
„Ich mogele“, gestand er und zog eines heraus. Auf dem Schild standen Pflanzenname und Pflegeanleitung.
„Dem Himmel sei Dank für die Symbole. Sogar ein Anfänger wie ich erkennt den Unterschied zwischen einer vollen Sonne und einer halben.“
„Dann haben Sie noch nicht viel Erfahrung mit Gartenarbeit?“
„Kein bisschen. Aber ich lerne schnell. Und ich habe ein schönes sonniges Grundstück zur Verfügung. Es könnte etwas Besonderes daraus werden. Für mich sowieso. Es ist das erste Stück Land, auf dem ich lebe.“
„Ich helfe gern. Was für Pflanzen hätten Sie gern? Einjährige oder Stauden?“
„Hat das etwas mit voller Sonne oder Halbschatten zu tun?“
Er lachte. „Nein. Einjährige Sommerblumen sterben im Herbst ab. Stauden kommen jedes Jahr wieder. Für Ihre erste Gartensaison empfehle ich Sommerblumen. Das bringt Farbe, und Sie haben Zeit, den Boden besser kennen zu lernen.“
„Ich muss noch viel lernen“, gestand sie, nachdem ihr Rundgang beendet war. „Ich dachte, ich fahre in die Gärtnerei, suche mir ein paar Pflanzen aus und setze sie zu Hause ein. Wahrscheinlich bin ich als Gärtner ein Albtraum.“
Er fand eher, dass sie die Erfüllung eines Traumes war. „Es ist gar nicht so schwer. Sie müssen sich nur entscheiden, womit Sie anfangen wollen.“
„Und wo fange ich an?“
Er lächelte. Sie machte es ihm zu einfach. „Bei Ihrem Grundstück. Wo leben Sie?“
Sie kamen überein, dass Michael sich am nächsten Tag ihren Garten ansah. Charlotte konnte es kaum erwarten. Von der Gärtnerei fuhr sie zur Bibliothek und holte einen Stapel Gartenbücher. Damit setzte sie sich zu Hause bei Kaffee und Tunfischsandwiches an den Küchentisch und büffelte Blumennamen. Michael Mondragon sollte nicht den Eindruck gewinnen, sie könne eine Petunie nicht von einer Begonie unterscheiden.
In dieser Nacht schlief sie kaum. Noch nie in zweiundzwanzig Jahren hatte ein Mann sie zu Hause besucht. Eine Schande. Und wenn sie ehrlich war, dann war ja auch dies nur ein geschäftlicher, kein privater Besuch.
Bei Sonnenaufgang am nächsten Morgen hielt sie es vor Spannung kaum noch aus.
„Was bist du so aufgekratzt?“ fragte Melanie gereizt, als sie im Garten auf Charlotte traf. Sie trug einen knappen Tangabikini in fluoreszierendem Pink. Eine Flasche Sonnenlotion in der einen Hand, ein Glas Eistee in der anderen und ein Taschenbuch unter dem Arm, hatte sie ihren Morgen offensichtlich verplant.
„Ich will nur einiges in Ordnung bringen“, erwiderte Charlotte und strich sich das Haar zurück.
„Deshalb warst du vermutlich Buchhalterin.“ Melanie verzog das Gesicht und ging auf die Terrasse zu ihrem Liegestuhl. Sobald sie sich niedergelassen hatte, begann sie sich einzucremen. „Das ist dein Tick, nicht meiner. Ich werde keinen Schweißtropfen vergießen, um einen Gärtner zu beeindrucken.“
Melanies gehässiger Ton wurmte Charlotte. Michael Mondragon konnte man kaum als irgendeinen Gärtner bezeichnen. Melanie war in letzter Zeit ohnehin ziemlich schnippisch.
Charlotte beobachtete sie beim Eincremen ihrer ohnehin tiefbraunen Haut. Im Morgenlicht wirkte ihr Haar noch messingfarbener. Sie hatte die Haarfarbe von Rot nach Blond gewechselt, ihrem eigenen Ton sehr ähnlich. Außerdem borgte sie sich in letzter Zeit ihre Kleidung aus. Und wenn sie sich etwas Neues kaufte, dann in dem dezent eleganten Stil, den sie bevorzugte, und nicht mehr so schrill und hauteng, wie es eigentlich ihr Markenzeichen war.
Charlotte rieb sich den Nacken und spürte die Hitze der Morgensonne. Vielleicht stimmten ihre Befürchtungen, und Melanie neidete ihr den jüngsten Erfolg. Dass sie die Karriereleiter hoch- und Melanie abstieg, belastete ihr Zusammenleben eindeutig.
„Du bist doch nicht sauer, weil ich das durchziehe, oder? Ich möchte dich nicht in deinem Haus bevormunden.“
„Nein, nein, sei nicht albern. Es ist auch dein Haus. Sogar mehr, wenn ich überlege, wie viel du geputzt und organisiert hast. Kleines, wenn du schöne Blumen pflanzen möchtest, dann mach nur. Ich werde nur sauer, wenn ich Unkraut jäten soll. Blumen und Käfer sind einfach nicht mein Ding. Kochen andererseits …“ Sie drehte den Kopf, lauschte und zog sich den Hut ins Gesicht. „Die Türglocke. Das muss dein Gärtner sein.“
Charlotte blieb weder Zeit sich umzuziehen, noch sich zu kämmen oder die Hände zu waschen. Es klingelte wieder. Na schön, dachte sie und trottete durch den Wohnraum zur Haustür, schließlich ist das kein Rendezvous.
Nach tiefem Durchatmen öffnete sie und hoffte, trotz alter Jeans und altem Oxford-Hemd einen einigermaßen guten Eindruck zu machen.
Das Wiedersehen verschlug ihr schier den Atem. Sie fühlte sich wie ein Kind, das unter dem Weihnachtsbaum das sehnlich gewünschte Geschenk öffnet. Michael Mondragon sah gut aus in Jeans und weißem Hemd, was für ihn eine Art Uniform zu sein schien.
Er begrüßte sie amüsiert lächelnd.
„Was ist?“ Sie griff sich an die Stirn.
„Darf ich?“ Er wischte ihr etwas Erde ab.
„Ich war im Garten.“ Sie rieb sich die Stirn.
„Ein Schmutzstreifen ist in unserem Gewerbe ein Ehrenzeichen“, erwiderte er freundlich. „Und Sie tragen es mit Würde.“
Ihr wurden die Wangen warm. „Sie kommen früh.“
„Ich hoffe, wir kommen nicht ungelegen. Wir wussten nicht genau, wie lange die Fahrt dauern würde.“ Außerdem konnten wir es nicht abwarten, dachte er.
„Nein, natürlich nicht. Ich habe schon gewartet.“ Ach herrje, war das zu unverblümt?
„Mein Bruder ist mitgekommen, um alles auszumessen. Er ist bereits im seitlichen Garten.“ Michael drehte sich zum Hof um.
Charlotte war enttäuscht, dass sie nicht zuerst bei einer Tasse Kaffee und den Doughnuts, die sie für ihn gekauft hatte, ihre Pläne besprachen. Sie wollte ihm ihre Pflanzenbücher zeigen, und wer weiß, vielleicht wären sie sich näher gekommen. Warum habe ich immer so hohe Erwartungen, schalt sie sich, als sie hinter ihm her in den Garten ging. Warum bin ich eine solche Romantikerin? Dies ist nichts weiter als ein Geschäftsbesuch.
Sie folgte Michael um die Hausecke und sah einen großen, sehr dünnen jungen Mann mit breitkrempigem Hut im Schatten einer Zypresse ein Taschenbuch lesen. Michael rief ihn, als sie auf ihn zugingen. Er blickte auf, winkte kurz und steckte das Buch ein. Im Näherkommen bemerkte Charlotte, dass seine Haut wesentlich heller war als Michaels und eine gräuliche, ungesunde Farbe aufwies. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen, doch sein Lächeln war warm und offen.
„Das ist mein Bruder, Bobby Mondragon“, stellte Michael ihn vor und fügte an ihn gewandt hinzu: „Unsere neue Kundin, Charlotte Godfrey.“
Sie begrüßten sich mit Handschlag. Charlotte fiel auf, wie erstaunlich weich Bobbys Hand war für jemand, der Gartenarbeit verrichtete. „Ah ja, Miss Godfrey“, sagte er in einem Ton, der andeutete, dass er bereits eine Menge über sie gehört hatte. Er warf seinem Bruder einen viel sagenden Blick zu. „Ist mir ein Vergnügen.“
Charlotte antwortete mit einer Floskel und fragte sich, ob die beiden auf der Fahrt über sie gesprochen hatten. Michaels leichtes Stirnrunzeln bestätigte ihren Verdacht.
„Helfen Sie auch bei der Anlage von Gärten?“ fragte sie Bobby.
„Himmel, nein, das überlasse ich Michael. Ich nutze gewöhnlich das, was die Nonnen mein angeborenes Talent nannten, und werfe Farbe auf die Wände verlassener Gebäude in der Stadt.“
„Hören Sie nicht auf ihn. Er ist ziemlich stolz darauf, Wandmaler zu sein.“ Michael sah seinen Bruder liebevoll an. „Und ich bin stolz, sagen zu können, er ist einer der Besten. Die Parkkommission hat ihn beauftragt, in diesem Sommer zwei neue Gebäude in der Stadt zu bemalen.“
„Was für Bilder malen Sie?“
„Keine Kakteen oder Kojoten“, scherzte er. „Ich stehe nur eine Stufe höher als Graffitti-Künstler.“
Michael schüttelte lachend den Kopf. „Wir sollten uns an die Arbeit machen.“
In der nächsten halben Stunde gingen Michael und Bobby das Grundstück ab, nahmen Maß, besprachen, wo Schatten spendende Bäume stehen sollten, wo der beste Platz für zukünftige Blumenrabatten war und wie man Sichtschutz zur Straße herstellte. Charlotte spürte Michaels Begeisterung, etwas Neues zu entwerfen. Bobby hingegen wirkte gelangweilt.
Später arbeitete Michael allein weiter. Er machte sich Notizen über die Sonneneinstrahlung, nahm Bodenproben und verschaffte sich einen Eindruck, wie das Haus auf dem Grundstück stand. Von einer Anhöhe aus blickte er auf das Anwesen: ein wenig schroffer Fels, ein Grasplateau und darüber der weite blaue Himmel. Das kleine, trotzig am Hang klebende Haus regte seine Fantasie an. Die Landschaft ringsum interessierte ihn nur im Hinblick darauf, wie er das Gebäude erweitern könnte.
Ihm fehlte die architektonische Arbeit an Gebäuden. Zement, Mörtel, Holz und Fliesen, das waren seine Werkstoffe. Doch sein Vater hatte nicht locker gelassen. Nun, nach inzwischen zwei Jahren hier, fühlte er sich immer mehr ins Familienunternehmen integriert. Sein Vater hatte ihm ein weiteres Jahr abgeluchst. „Baue dir ein Haus hier“, hatte er gedrängt. „Heirate, ziehe hübsche kleine Mexikaner auf.“ Er sah zu Charlotte, die Bobby half, ein Stück Garten auszumessen. Gelegentlich hatte der Gedanke, in Kalifornien zu bleiben, etwas Verlockendes.
Er blickte wieder zum Haus und entschied, dass er seinem Vater noch diese Saison gab, dann war Schluss. Er musste nach Chicago in das Architekturbüro zurück, dem er seinen rasanten Aufstieg verdankte.
Charlotte sah von ihrem Maßband auf und entdeckte Michael allein auf der Anhöhe. Wie er dastand, die Hände auf den Hüften, das Haar im Wind wehend, schien er Teil der Landschaft zu sein. „Er muss seinen Beruf sehr lieben“, sagte sie zu Bobby.
Der folgte ihrer Blickrichtung und lächelte ironisch. „Seinen Beruf? Allerdings, den liebt er sehr. Ein Jammer.“
Charlotte sah ihn verständnislos an.
Bobby rollte das Maßband auf und steckte den Schreibstift ein. „Hier sind wir fertig. Gehen wir hinüber zu dem verlorenen Sohn. Mal sehen, was er plant. Hallo!“ rief er, und über ihnen kreischten Möwen eine Antwort.
„Sie haben ein fürchterliches Haus und ein wunderschönes Grundstück“, stellte Michael fest, als sie zu ihm kamen. „Aus dem Haus könnten Sie eine Menge machen.“
Charlotte betrachtete das rechteckige Gebäude voller Skepsis. „Ich kann leider gar nichts daraus machen“, korrigierte sie in. „Es gehört nicht mir, sondern einer alten Witwe, die weder Reparaturen ausführen noch es streichen lassen möchte. Ich bezweifle, dass wir ihr Interesse für Umbauten wecken könnten.“
„Ein Jammer. Es gibt nicht mehr so viele Gelegenheiten wie diese.“
„Vergiss das Haus“, riet Bobby. „Die Lady braucht keinen Architekten, sie möchte einen Garten.“
„Das ist mir klar“, erwiderte Michael. „Trotzdem muss ich das Offensichtliche erwähnen. Ich mache ja nur Vorschläge.“ Er lächelte Charlotte fast kokett an. „Kostenlos natürlich.“
„Mein Bruder ist verrückt nach Häusern“, vertraute Bobby ihr so laut an, dass Michael es mithören musste. „Er ist Architekt, wissen Sie?“
„Architekt?“ wiederholte sie und sah Michael verblüfft an. „Ich dachte …“
„Jetzt entwerfe ich Gärten“, fiel Michael ihr ins Wort und beendete mit einem warnenden Blick zu Bobby dieses Thema.
„Und er ist hartnäckig“, fügte Bobby lachend hinzu. Michaels Unbehagen schien seine Spottlust zu verstärken.
„Ich werd’s mir merken“, sagte sie zu Bobby. Sie mochte diesen Spitzbuben.
Lachend erreichten sie die vordere Terrasse. „Darf ich Ihnen einen Kaffee, Wasser oder etwas anderes anbieten?“
„Ein Wasser wäre nett.“
Sie führte die Männer durch das Haus in die Küche und blieb wie angewurzelt stehen. Melanie zupfte an der Spüle Salat, immer noch im Tanga, der ihren unglaublichen vom Sonnenöl glänzenden braunen Körper wie ein Festmahl zur Schau stellte. Michael hüstelte beim Eintreten.
Melanie drehte sich lächelnd um, völlig ungeniert in ihrem Aufzug.
„Tut mir Leid, dich zu stören, Melanie“, sagte Charlotte leicht verlegen. „Wir gehen nur durch.“
Melanie jedoch hatte nur Augen für die zwei großen, gut aussehenden Männer, die sie stumm betrachteten, und nickte lächelnd zur Begrüßung.
„Die zwei hier sind von der Gärtnerei. Michael und Bobby Mondragon.“
Melanies Blick glitt über Bobby hinweg und blieb auf Michael haften. „Aber hallo“, säuselte sie mit ihrer sinnlichen Stimme. „Sie sind also der Gärtner?“
Charlotte sah, dass Michael sich leicht straffte und offenbar etwas erwidern wollte.
Bobby mit seinem feinen Sinn fürs Absurde verneigte sich nur leicht.
Melanie, in puncto Männer ihrerseits mit feinem Instinkt ausgestattet, drückte den Rücken durch, wandte sich vom Spülbecken ab und gewährte ungehinderten Blick auf ihren üppigen Busen und die kurvigen Hüften und Schenkel. Charlotte sah verlegen, dass Michaels Miene unbewegt blieb. Bobby hingegen lächelte amüsiert.
„Ich habe Charlotte davon abgeraten, Sie herkommen zu lassen, damit Sie Entwürfe für ein paar Blumenbeete machen. Sie hat diese grandiosen Ideen, aber sie hat keine Ahnung, auf was sie sich einlässt.“
„Und Sie haben das?“ fragte Bobby schmunzelnd.
„Aber sicher. Habe ich erwähnt, dass ich mal einen großen Garten mit Pool hatte?“
„Wie schön für Sie“, erwiderte Bobby höflich. „Wir können ein paar sehr renommierte Poolfirmen empfehlen.“
„Was? Nein“, wehrte sie rasch ab. „So was Großes wollen wir hier nicht. Wir sind beide, wie soll ich sagen, auf der Durchreise. Hoffentlich hat Charlotte nicht den falschen Eindruck vermittelt? Wir befinden uns zwischen zwei Filmengagements.“
„Sie sind Schauspielerin?“ fragte Michael Charlotte.
„Ich bin Melanie Ward. Sie erkennen mich nicht?“ Das klang beleidigt.
„Sie kamen mir bekannt vor“, beeilte sich Bobby zu versichern. „Aber ich sehe nicht oft Filme.“
„Melanie hat in vielen Filmen mitgewirkt, aber sie ist Charakterdarstellerin“, versuchte Charlotte die Situation zu retten. „Jeder kennt ihr Gesicht. Haben Sie nicht Crazy Girls gesehen?“
„Ja, natürlich“, bestätigte Bobby schwach lächelnd. Alle wussten, er hatte es nicht gesehen. Betretenes Schweigen folgte.
Da Michael Charlotte fragend ansah, erklärte sie: „Ich stehe erst am Anfang. Ich habe erst in ein paar kleinen Filmen mitgewirkt. Ich bin noch ein Niemand, Sie können mich nicht kennen.“ Ihre Wangen schmerzten, da sie ihr Lächeln krampfhaft beibehielt.
„Ihre erste große Rolle spielt sie in einem Monat“, verkündete Melanie stolz.
„Nächsten Monat? Dann wollen Sie die Entwürfe sicher schnell haben. Ich mache mich sofort an die Arbeit und rufe Sie morgen an.“
„Morgen wäre toll.“
Melanie schnaubte undamenhaft und setzte ihre Sonnenbrille wieder auf. „Ich wiederhole: Ich verstehe nicht, warum du dir all die Mühe machst. Es ist nur ein gemietetes Haus.“
„Das sagte man mir“, erwiderte Michael ungerührt. „Ich kann sicher einen Garten entwerfen, der Miss Godfreys Budget nicht übersteigt.“ Er wandte sich wieder an Charlotte und ignorierte Melanie. Lächelnd fügte er hinzu: „Und es macht keine Mühe.“
Charlotte kehrte ins Haus zurück, um zu hören, was Melanie von Michael hielt. Ihr war nicht entgangen, dass sie ihn attraktiv gefunden hatte. Das gefiel ihr. Sie freute sich darauf, kichernd mit Melanie auf dem Bett zu liegen und wie gute Freundinnen oder Schwestern alles zu bereden.
Sie wollte die Tür zum Schlafzimmer aufdrücken und verharrte.
Melanie stand vor ihrem Frisierspiegel und betrachtete sich kritisch. Sie fuhr mit den Händen die Taille entlang, zog den Bauch ein und streckte den Busen vor. Dann drehte sie sich von rechts nach links, eine Schulter gehoben, die andere gesenkt, sog die Wangen ein und schürzte die Lippen in einer sinnlichen Pin-up-Pose.
Verlegen trat Charlotte zurück. Das war peinlich, sie kam sich vor wie ein Spanner. Sie machte noch einen Schritt zurück und sah, wie Melanie ausatmete. Es war bemitleidenswert zu sehen, wie Schultern, Bauch, Brüste und Gesicht nach unten sackten. Melanie stand still vor dem Spiegel, und ihr Busen hob und senkte sich im Rhythmus ihrer Atmung. Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht und weinte bitterlich.
Lautlos zog sich Charlotte zurück. Sie fühlte mit Melanie, denn sie kannte den Schmerz, das eigene Spiegelbild nicht zu ertragen.
Auf der Rückfahrt im Lieferwagen ließ Bobby seinen jüngeren Bruder nicht vom Haken. Gnadenlos pries er Charlottes Schönheit, Haltung und Liebreiz und alles, was ihm einfiel. Je überschwänglicher er wurde, umso mehr versteinerte Michael. Dieses Spiel hatten sie schon auf der High School getrieben.
„Madre de Dios, sie hat ein Engelsgesicht. Diese schönen großen Augen. Ich würde sie gern in einem meiner Wandgemälde verewigen. Ich würde es Venus aus der Taco Muschel nennen.“ Er beugte sich lachend über das Steuer. „Glaubst du, sie würde nackt posieren?“
Michael zog die Stirn kraus. „Pass auf, wo du hinfährst! Und pass auf, was du sagst! Halt besser an, ich fahre.“
„Von wegen, Gringo. Du bist in Gedanken bei der hübschen kleinen Gringa. Und ich werde mein Leben nicht in deine fiebrigen Hände legen. Wer weiß, nach was du grabschst, wenn du runterschaltest. Aber diese Melanie.“ Er pfiff leise. „Was war denn das für eine? Wenn ich wetten würde, hätte ich fünf Dollar darauf gesetzt, dass all die guten Sachen aus ihrem Bikini fallen, ehe wir weg sind.“
„An Versuchen hat es jedenfalls nicht gemangelt.“
Bobby lachte laut auf.
Michael schüttelte angewidert den Kopf. „Ich kann aufreizende Frauen nicht ausstehen. Da bleibt nichts der Fantasie überlassen.“
„Ich weiß nicht recht, die Fantasie hatte doch ganz schön zu tun. Verbotenerweise natürlich. Oder hast du dir etwa nicht vorgestellt, wie die herrliche Charlotte Godfrey im Bikini aussieht?“
Michael sah seinen Bruder nur finster an.
„O verstehe“, erwiderte Bobby verblüfft und bedauernd. „Keine Scherze über die Lady. Hat dich Amors Pfeil endlich durchs Herz getroffen? Nun denn.“ Er dachte einen Moment nach. „Papa wird das nicht gefallen. Er erwartet eine mexikanische Schwiegertochter und viele kleine mexikanische Babys.“
„Nein, nein“, widersprach Michael lachend. „Du bist der älteste Sohn der Mondragons. Diesen Ansprüchen gerecht zu werden, ist deine Aufgabe.“
Bobby wurde sehr schweigsam. Michael merkte, wie angespannt er hinter dem Steuer saß. Sie fuhren einige Meilen in betretenem Schweigen. Bobby zündete sich eine Zigarette an und streifte Michael immer wieder mit Seitenblicken. Dabei wechselte sein Ausdruck von vorsichtig über abwägend zu resigniert.
„Die Zeugung von Mondragon-Babys wirst du übernehmen müssen, hermano“, begann er gespielt lässig, machte eine Pause und schnippte die Asche ab. „Ich bin schwul.“
Michael verschlug es die Sprache. Er starrte auf die Straße und konnte nicht begreifen, was er gehört hatte. Nicht Bobby. Nicht ein Mondragon.
Insgeheim musste er jedoch zugeben, nicht wirklich erstaunt zu sein. Bobby hatte ihm immer Rätsel aufgegeben. Er war exzentrisch, hatte Stil und guten Geschmack, war eben kultiviert. Was machte es da schon, wenn er mit einunddreißig noch keine Freundin hatte. Er war eben nicht an Sex interessiert. Besser asexuell als homosexuell. Das dachten wohl alle in der Familie, ohne es auszusprechen. Über derlei diskutierte man daheim nicht.
Michael war wie benommen, während sie schweigend Meile um Meile fuhren. Wie hatte er die Hinweise alle missdeuten können? Bobbys Manierismus, seine Sprechweise, die Tatsache, dass er mit vielen Frauen befreundet war, ohne eine Freundin zu haben. Er kleidete sich sorgfältig, aber niemals grell. Auch ihrem Vater war das aufgefallen. Luis spottete über Bobbys Westenanzüge, die feinen Lederschuhe und seine Detailverliebtheit in modischen Dingen.
Wie nannte Papa ihn? Einen Lebemann. Und da schwwang immer Stolz mit, dass sein Sohn so gut aussah. Ein Mexikaner, der es den Gringos zeigte. Besonders gefiel Papa der Schal um Bobbys Hals. Er hielt das für mexikanisch. Welch ein Narr, das war kein Nickituch, sondern ein Schal von Hermès.
Die Anzeichen waren vorhanden gewesen, doch er hatte sie nicht gedeutet oder sich vor Deutung gescheut. „Weiß Papa es?“
„Was glaubst du wohl?“ Bobby machte einen tiefen Zug an der Zigarette. „Ist dir nicht aufgefallen, dass Papa und ich …“ Er suchte nach dem richtigen Wort „… incommunicado sind?“
Michael nickte und räusperte sich. Seine Kehle war wie ausgedörrt. „Klar. Es war nie leicht, mit ihm auszukommen. Ich dachte, er wäre sauer, weil du das Geschäft nicht übernommen hast.“
„Das war er allerdings“, bestätigte Bobby verbittert. „Und er ist es immer noch … zumal du auch abgehauen bist. Es ist traurig.“ Wieder ein tiefer Zug an der Zigarette. „Papa und ich, wir standen uns mal sehr nahe. Früher war er stolz auf meine Wandgemälde, besonders auf die mit mexikanischen Themen. Er zeigte sie stolz seinen Freunden und gab mir das Gefühl, meine Arbeit sei etwas wert, auch wenn ich nicht im Familienunternehmen mitmischte.“ Er zuckte die Schultern. „Vermutlich dachte er, meine Malerei wäre ein Kinderhobby, das sich irgendwann auswächst.“
„Du hast es ihm nicht gesagt?“
„Was? Dass ich homosexuell bin? Ich bin doch nicht verrückt.“
„Er sollte es wissen. Es ist nichts, dessen man sich schämen müsste.“
Bobby lachte laut auf. „Du denkst, ich hätte geschwiegen, weil ich mich schäme, schwul zu sein? Mein Gott, bist du naiv. Ich habe kein Problem mit dem Schwulsein, aber Papa. Du bist im selben Haushalt aufgewachsen wie ich. Was glaubst du, würde passieren, wenn ich es ihm sagte?“
„Das kann ich mir nicht recht vorstellen.“
„Ich schon. Zuerst würde er mir nicht glauben. Er würde sich taub stellen. Und wenn er es nicht mehr leugnen könnte, würde er mich zusammenschlagen, um die Dämonen auszutreiben.“
„Ich würde nicht zulassen, dass er dich schlägt“, entgegnete Michael.
„Verdammt, Miguel!“ schrie Bobby. „Ich will nicht, dass du für mich eintrittst! Ich bin selbst ein Mann. Ich will nicht, dass du mich vor meinem Vater verteidigst!“ Der Wagen schlingerte ein wenig, kam auf Kies und fand wieder zur Fahrbahn.
„Beruhige dich.“
Bobby atmete heftig, hochrot im Gesicht. Er rang eine Minute um Fassung und sagte ruhig, aber entschieden: „Ich will nicht, dass du es ihm sagst.“
„In Ordnung.“
„Schwöre.“
„Ich sagte, in Ordnung.“
„Versprich es mir.“
Michael legte seufzend den Kopf zurück. „Sí, Roberto, Yo te promeso.“ Er rieb sich den Nasenrücken. „Die Entscheidung liegt bei dir. Es ist nur verdammt schade, dass du nicht mit deinem eigenen Vater reden kannst.“
„Konnten wir das je?“
Bobby nahm die übliche Abfahrt vom Highway. Sobald sie auf der Nebenstrecke waren, zog er noch eine von seinen geliebten starken Zigaretten hervor.
„Weiß Mama es?“ fragte Michael leise.
Bobby wirkte eingefallen und zuckte nur die Schultern. „Natürlich haben wir nie darüber gesprochen. Aber bei Familienfestlichkeiten fragt sie mich nicht mehr nach meinen Freundinnen. Sie ahnt etwas, würde jedoch nie nachforschen. Sie fürchtet sich vor der Wahrheit. Nein, kleiner Bruder, Mamacita will nur wissen, ob ich zur Kirche gehe und zur Beichte.“ Kurz auflachend warf er Michael einen Seitenblick zu. „Sodomie ist eine Sünde, wie du weißt, eine Todsünde.“
Michael konnte nichts Lustiges daran entdecken.
„Sie verdrängen die Wahrheit, damit sie sich nicht damit auseinander setzen müssen, geschweige denn sie akzeptieren. Es ist einfacher für sie, mich für eine verrückte, nichtsnutzige Künstlertype zu halten.“
„Roberto …“
„Nein, es ist so. Sie haben mich nie in meiner Wohnung besucht. Nicht ein einziges Mal.“ Er zündete die Zigarette mit eckigen zornigen Bewegungen an, sog den Rauch tief ein und atmete langsam aus. „Es ist eine schöne Wohnung, mit hübschen Fenstern“, fügte er traurig hinzu.
Michael merkte, dass Bobby mühsam die Tränen zurückhielt, um es ihnen beiden nicht zu schwer zu machen.
Schweigend hielten sie vor der Gärtnerei an. Michael fühlte sich, als hätte er Bobby im Stich gelassen. Er hätte hier sein und ihn beschützen müssen, wie er es immer getan hatte. Beschämt stellte er sich vor, was Bobby in den letzten Jahren alles erlebt hatte: Diskriminierung, Spott und Schlimmeres. Oft genug wurden Schwule zusammengeschlagen.
Voller Mitgefühl und Zuneigung sah er Bobby durch die Windschutzscheibe starren, das Gesicht zur Maske versteinert. Er nahm sich vor, ihn in seiner Wohnung zu besuchen, seine Freunde kennen zu lernen und sich die schönen Fenster anzusehen.
Bobby drehte sich zu ihm um und schien seine Gedanken zu erraten. Ein schwaches Lächeln hellte seine Miene auf. In der von ihrem Vater bevorzugten Geste legte er Michael einen Arm um die Schultern.
Michael zuckte zurück. Es geschah im Bruchteil einer Sekunde, ein reiner Reflex, eine unwillkürliche Bewegung. Ein Zucken nur, doch beide hatten es bemerkt. Bobby zog sich zurück, das Gesicht aschfahl, als wäre er geohrfeigt worden.
Entsetzt wollte Michael die Geste ungeschehen machen. Er hatte das nicht gewollt. „Bobby …“, begann er und streckte eine Hand nach ihm aus.
Bobby öffnete die Tür und stieg aus, sodass die Hand nur seine Schulter berührte, und er schüttelte sie ab. „Tut mir Leid, wenn ich dich ekele.“
Michael rieb sich die Stirn und verfluchte seine Dummheit. „Bobby!“ rief er, sprang aus dem Wagen und schlug die Tür zu.
„Lass mich in Ruhe!“ fauchte der und winkte ab.
„Verdammt, warte!“ Michael folgte ihm auf den Fersen. Da Bobby nicht stehen blieb, packte Michael ihn am Arm und zog ihn zu sich herum. Bobby presste die Kiefer zusammen, seine Augen funkelten feindselig.
„Was zum Teufel hast du erwartet!“ fuhr Michael ihn an. „Du lädst das bei mir ab und erwartest, dass ich lächelnd sage: ‚Schön für dich, gehen wir ein Bier trinken‘?“
„Ja, genau!“
„Scheißdreck! Du wusstest, dass es anders kommen würde!“
„Ja, leider Gottes. Aber ich hoffnungsloser Optimist habe gedacht, du hättest Verständnis. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du so eine Scheißangst vor Homos hast!“
Michael blickte beschämt auf seine Schuhspitzen. Aufblickend merkte er, dass Bobby mehr gekränkt als zornig war. „Ich habe keine Angst“, beteuerte er ruhig. „Das hoffe ich wenigstens. Ich bin nur jemand, der vom Geständnis meines Bruders überrumpelt wurde.“
Bobby schien darauf etwas erwidern zu wollen, schüttelte aber nur langsam den Kopf. „Und ich bin nur jemand, der zufälligerweise schwul ist. Wie du damit umgehst, ist dein Problem, lieber Bruder, nicht meines.“ Damit ließ er ihn stehen, ging den Kiesweg entlang und verschwand in der Dunkelheit.