III

Trotz allem willigte Roy ein.
»Ich hab ja zu meiner Zeit schon die blödesten Sachen für Frauen gemacht, aber das ist wirklich die Krönung.« Sie fuhren in seinem Truck davon. Cassie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie sich seine nicht zu übersehende Verliebtheit zunutze machte, doch was sollte sie sonst tun? Via und Hush saßen auf der Rückbank neben der Schaufel.
»Das ist wirklich nett von dir, Roy.«
Roy war völlig fassungslos. »Du bist also – was? Bist du eine Satanistin?«
»Nein, nein, gar nicht. Ich will einfach nur das Grab sehen. Zeig mir einfach nur den Platz, und du kannst wieder gehen.«
»Ich soll dich um ein Uhr nachts auf einem verdammten Friedhof allein lassen?«
Roy schüttelte nur den Kopf.
Wie sich herausstellte, war Fenton Blackwell öffentlich auf dem Marktplatz gehenkt worden und danach auf dem winzigen Friedhof beim Haus begraben worden. Obwohl das Grab nicht beschriftet war, wusste Roy genau, wo es lag, und meinte, es sei leicht zu finden. Aber er wirkte begreiflicherweise verstört, während er weiterfuhr.
Als sie wieder beim Haus ankamen, fuhr er herum auf die andere Seite des Hügels, und tatsächlich: Dort im Mondlicht lag ein kleiner Friedhof, umgeben von einem überwucherten Eisenzaun.
Der Wagen hielt an, blieb aber im Leerlauf.
»Hör mal, Cassie, das ist alles ein bisschen seltsam«, sagte Roy. »Du bittest mich, mit dir zu einem Friedhof zu fahren, und schmeißt eine Schaufel auf den Rücksitz. Bitte sag mir, dass du nicht …«
»Ich muss seine Knochen ausgraben«, erklärte sie.
Roy schloss die Augen und dachte nach, er massierte seinen Nasenrücken mit Zeigefinger und Daumen. »Was auch immer du da treibst, das ist nicht richtig. Mit ausgebuddelten Gräbern will ich nichts zu tun haben.«
Doch plötzlich setzte er sich kerzengerade auf und starrte durch die Windschutzscheibe.
Da erst bemerkte Cassie, dass Via am offenen Fenster auf der Fahrerseite stand und eine Art Staub ins Wageninnere blies. Sie hielt den kleinen Beutel in der Hand, der sonst an ihrem Gürtel hing.
»Das ist Mittsommernachts-Zaubernektar«, erklärte sie. »Das verhext ihn. Er wird sich hinterher an nichts erinnern, aber jetzt tut er, was immer du von ihm willst.«
Okay, dachte Cassie. »Roy, zeig uns, wo Blackwells Grab liegt.«
»Gleich da drüben.«
Schwerfällig stieg er aus dem Truck und führte sie über den Friedhof. Cassie schleifte die Schaufel hinter sich her.
Der Staub hatte Roy in eine Art Zombie verwandelt; er setzte schwerfällig einen Fuß vor den anderen. »Hier ist es«, sagte er schließlich und zeigte auf den Boden.
Im Mondlicht sah man den kleinen, glatten Stein. Jemand hatte in roten, unregelmäßigen Lettern SATANIST! darauf geschrieben.
»Also los.« Cassie trat vor und fing an, die Erde zu bearbeiten. Sie ächzte und stöhnte vor Anstrengung, mühte sich einige Minuten ab, ohne sichtbare Fortschritte in dem felsigen Boden zu machen.
»Das ist steinhart«, klagte sie.
»Sag doch Roy, er soll es machen«, schlug Via vor.
»Er hat doch nur einen Arm! Er kann nicht graben.« Alle sahen sich um, doch Roy war nicht zu sehen.
»Wo ist er bloß hin?«, fragte Via.
»Wahrscheinlich zurück zum Wagen!«, meinte Cassie jämmerlich. »Er fährt bestimmt zurück nach Ryan’s Corner und holt die Polizei!«
»Entspann dich. Der Zauber hält noch stundenlang vor.« Doch zur Sicherheit sah Via beim Wagen nach.
Da war Roy auch nicht.
Als sie plötzlich ein lautes, tuckerndes Geräusch vom Friedhof vernahmen, machten die drei vor Schreck einen Satz. »Was zur Hölle …«
Es klang wie ein Traktor, dann sah man Lichter aufblitzen, und Roy kam um die Ecke. Er saß auf einem kleinen, motorbetriebenen Bagger, dessen gezackte Schaufel in die Luft ragte.
»Perfekt, um ein Grab auszubuddeln!«, rief Via.
Roy fuhr den Bagger direkt auf das Grab und versenkte mittels eines Hebels die Schaufel im Boden.
»Bitte zurücktreten«, sagte er. »Gräber ausheben ist keine Arbeit für hübsche Mädchen. Nicht, solange ich noch ein Wörtchen mitzureden habe.«
Die Maschine ächzte, als die Schaufel sich ins Erdreich bohrte.
So würde es sicher nicht lange dauern.
Inferno
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