14
Von den Toten zurückgekehrt
022

I

Shinzaemon schaute Sachi mit ruhigem, eindringlichem Blick an. Er hatte nicht die Schönheit eines Kabuki-Schauspielers, wie es bei Daisuké gewesen war. Dafür war sein Gesicht zu grimmig, zu kraftvoll. Sie erkannte seine Überlegenheit, seine zwanglose Anmut, diesen Ausdruck, als wolle er die ganze Welt erobern. Auch wenn er auf der Seite der Verlierer gekämpft hatte, drückte seine Haltung Stolz aus.
Sie sah ihm an, dass er Sonne und Wind ausgesetzt gewesen war. Sein Gesicht war dunkel gebräunt, seine Kleidung abgetragen und zerknittert. Der Anflug eines Schnurrbarts spross auf seiner Oberlippe.
Im Geiste rannte sie zu ihm, doch sie bewegte sich nicht. Sittsam und gelassen blieb sie stehen, wie es sich für eine Frau geziemte. Sie brannte darauf, sich in seine Arme zu werfen, tat es aber natürlich nicht. Sie senkte den Blick und verbeugte sich.
Taki verneigte sich ebenfalls, hielt sich den Ärmel über die Augen.
»Shin«, sagte sie. »Du musst müde sein. Willkommen zu Hause. Es ist lange her.«
Shinzaemon verbeugte sich feierlich.
»Unverzeihlich«, sagte er. »Ohne Vorwarnung hier einzutreffen.«
Seine Stimme war ein tiefes Rumpeln. Sachi nahm seinen Geruch wahr - den salzigen Geruch von Schweiß, vermischt mit Tabak. Sie erinnerte sich, wie oft sie diesen Geruch eingeatmet hatte - unterwegs auf der Inneren Bergstraße, während sie auf der Passhöhe gestanden hatten, als er sie auf der Brücke in die Arme schloss.
Sie verneigte sich, formte die angemessenen Sätze, wusste jedoch kaum, was sie tat. Sie wartete - wartete darauf, endlich mit ihm allein zu sein.
Die Verbeugungen schienen nicht enden zu wollen. Dann griff Taki nach Harus Ärmel. Langsam, gemächlich - so kam es Sachi wenigstens vor - schlüpften sie erst aus der einen, dann der anderen Sandale und betraten die schummrige Eingangshalle. Wieder verbeugten sie sich und gingen nach drinnen. Sachi sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren.
Die Sonne versank, und der Himmel war mit Rot, Silber und Gold gestreift.
Sachi hatte so lange auf diesen Augenblick gewartet, doch nun, wo er gekommen war, wurde sie schüchtern wie ein kleines Mädchen. Sie blickte zu Boden. Shinzaemons Tabi-Socken waren staubig, seine Sandalen ausgetreten und zerrissen. Die Strohbänder waren mehrfach neu geknotet. Der Saum seiner Kimonoröcke war fleckig.
Er betrachtete sie unter seinen dicken Brauen hervor.
»Du bist zurückgekommen«, hauchte sie.
»Nantonaku«, erwiderte er. »Irgendwie.«
Bei ihrem letzten Zusammensein hatten sie geglaubt, sie würden einander nie wiedersehen. Schüchtern blickte sie zu ihm auf, dachte an diese Begegnung. Er schaute sie ebenfalls an. Sein Blick war auf ihr Gesicht gerichtet, als müsse er sich jeder Rundung, jeder Linie darin vergewissern. Etwas an ihm hatte sich verändert. Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln. Sein kurz geschorener Kopf ließ ihn wie ein spitzbübisches Kind aussehen. Selbst als er das Haar noch zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden trug, hatte sie sein Gesicht nie so deutlich sehen können.
»Was hältst du davon?«, fragte Shinzaemon mit einer Grimasse, legte die Hand an den Kopf.
Zwischen seinen Brauen war eine Falte, die vorher nicht da gewesen war. Ganz kurz erhaschte sie einen flüchtigen Eindruck dieses abwesenden Blicks, den sie in Tatsuemons Augen wahrgenommen hatte: als hätte er Dinge gesehen, über die er nie mit ihr sprechen könnte. Aber die Kämpfe lagen einen halben Monat zurück. Er hatte überlebt. Seither hatte er sich hierher durchgeschlagen. Vielleicht war es die Zukunft, in die er blickte, nicht die Vergangenheit.
»Du siehst anders aus.« Sie lächelte ihn an. »Das ist eine gute Tarnung. Niemand würde dich so erkennen.«
»Aber du schon.«
»Ja«, flüsterte sie, wollte ihn berühren, seinen muskulösen Körper, seine starken Hände spüren. Doch sie hielt sich zurück. Je länger sie wartete, desto stärker wurde das Verlangen.
Er griff in seinen Ärmel und zog einen Kamm heraus. In Gold gefasstes Schildpatt mit einem aufgeprägten Wappen. Der Kamm ihrer Mutter, das Wappen ihrer Mutter. Das hatte sie nicht gewusst, als sie Shinzaemon den Kamm gab. Nun wusste sie es, und dieses Wissen hatte auch sie verändert.
»Er hat mich beschützt. Besser als die Rüstung. Besser als ein Tausend-Stiche-Gürtel.«
Da war so vieles, was sie ihm erzählen musste, aber sie wusste plötzlich - freudig -, dass sie später darüber reden konnten. Sie hatten das ganze Leben vor sich und alle Zeit der Welt, miteinander zu reden.
»Komm und schau dir die Gärten an«, sagte sie.
Sie bahnten sich ihren Weg entlang der überwucherten Pfade. Büschel von Chinaschilf wiegten sich im Wind, ließen Schauer von Flaum durch die Luft wirbeln wie Schnee. Insekten sirrten, die letzten des Jahres. Ahorn leuchtete in flammenden Farben. Sie führte ihn zur Brustwehr.
Seite an Seite blickten sie hinab auf das Goji-in-Feld und das Land, auf dem einst die Residenzen der Daimyo gestanden hatten. Überall waren Menschen und arbeiteten emsig. Der Städterbezirk in der Ferne starrte vor Bambusgerüsten, und Handwerker krabbelten herum wie Ameisen, errichteten eifrig Wände und Dächer. Das Klopfen Tausender Hämmer hallte deutlich und scharf über die leeren Flächen.
Mitten in all diesem Treiben erhob sich der Hügel, still und tot. Vögel kreisten, schwarze Punkte am dunkler werdenden Himmel, und krächzten unheilvoll.
Sie standen so nahe beieinander, dass sie die Wärme seines Körpers spürte.
»Hier kam ich immer her«, sagte sie. »Jeden Tag. Und blickte zum Hügel und fragte mich, ob du dort wärst. Ich dachte, ich würde dich nie wiedersehen.«
»Tatsuemon hat mir erzählt, was du getan hast …«
Die Erinnerung an diesen schrecklichen Tag stieg wieder in ihr auf. Die aufgedunsenen Gesichter, die klaffenden Wunden und starrenden Augen, die Fliegen, der Gestank. Sie war so voller Angst gewesen, ihn dort zu finden. Und jetzt stand er neben ihr, so warm, so lebendig. Tränen traten ihr in die Augen, und sie verbarg ihr Gesicht hinter ihrem Ärmel.
Er nahm ihre Hand und drückte sie fest. Sie spürte die Schwielen auf seiner Handfläche, rau an den Stellen, wo er das Schwert gehalten hatte.
Sie hielt den Atem an, und Shinzaemon zog sie an sich. Sie spürte die harten Muskeln in seinen Armen und dem Brustkorb, spürte seinen Herzschlag und das Heben und Senken seines Bauches beim Atmen. Seine Lippen streiften ihr Haar. Seine Berührung war nicht ungestüm, wie sie es früher gewesen war, sondern sanft. Er knabberte an ihren Ohren, ihrem Nacken, ihrer Wange. Dann fand sein Mund den ihren.
Sie wich zurück und blickte ihn stirnrunzelnd an. Sie wusste mit absoluter Gewissheit, dass sie ihr Leben mit diesem Mann verbringen wollte. Nantonaku. Irgendwie. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie etwas so sehr gewollt.
Lächelnd glättete er ihre Stirn mit den Fingern. »Deine Augen«, sagte er. »Ich konnte diese Augen nie vergessen. Diesen Mund. Die Rundung dieser Wange. Dieses Lächeln.«
Er strich mit einem Finger über ihre Wange, um ihr Kinn, entlang ihres Halses. Bei seiner Berührung kribbelte es in ihr. Es war, als hätte sie nie zuvor gewusst, wie es ist, lebendig zu sein.
»Du«, flüsterte er. Wieder dieses Wort.
Sie stiegen von der Brustwehr herab, und er zog sie ins Gras hinunter. Die vielen Lagen ihres Kimonos bauschten sich, bildeten ein weiches Kissen unter ihr. Sie waren umgeben von einer Laube hoher Gräser, die raschelten und schwankten. Flaum kitzelte sie in der Nase, die Gerüche der trockenen Halme und Wildblumen wirbelten um sie herum. Sie ließ sich in die Weichheit sinken, wollte sich in dem Duft auflösen. An diesem geheimen Ort, das wusste sie, waren sie unsichtbar.
Sein Gesicht war dunkel vor dem Himmel. Die letzten Strahlen der sinkenden Sonne berührten sein Haar, ließen es wie eine Aureole aufleuchten.
Sie schloss die Augen, als sich seine Lippen zu ihrem Hals bewegten.

II

»Nun schau dich an, Shin«, sagte Taki. »Du hast nicht ordentlich gegessen. Wir müssen dafür sorgen, dass du wieder etwas auf die Rippen bekommst.«
Ein Sonnenstrahl drang durch die hölzernen Regentüren, durchschnitt die Morgenluft, brachte Staubteilchen zum Glitzern und ließ den Dampf aufleuchten, der über dem Reis und der Misosuppe waberte.
Shinzaemon saß gelassen und unbewegt da, während Haru und Taki um ihn herumwieselten, seine Teetasse füllten, Reis in seine Schale löffelten, ein Gericht nach dem anderen auftrugen, ihm gebratenen Fisch und gedämpftes Gemüse servierten. Der Raum war erfüllt von appetitlichen Aromen.
Sachi kniete still daneben, spielte die huldvolle Gastgeberin, sorgte dafür, dass alles nach seinem Geschmack war. Hin und wieder trafen sich ihre Blicke. Die Süße des Abends zuvor kribbelte noch in ihr. Unter ihrer sittsamen Fassade brannte sie mit ungestümer Freude, als sei ein Feuer in ihr entfacht worden, das nie gelöscht werden konnte. Sie spürte das Blut ihrer Mutter durch ihre Adern rauschen. Genau wie sie würde sie das Leben mit beiden Händen ergreifen. Sie würde das bekommen, was sie wollte, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.
Aber im kalten Tageslicht war ihr mehr denn je bewusst, wie beängstigend das war. Sie hatte jetzt einen Vater, einen einflussreichen Beamten auf Seiten des Südens. Zugegeben, er war kein Vater, wie Jiroemon es gewesen war. Er konnte nicht von ihr erwarten, ihm fraglos zu gehorchen, wie das Väter für gewöhnlich taten. Aber ein Vater war ein Vater, und sie wollte sich nicht mit ihm überwerfen. Nicht jetzt, wo sie ihn gerade erst gefunden hatte.
Sachi wusste nur zu gut, dass sie nicht frei war und es nie sein konnte. Frauen waren Besitztümer und gehörten ihrer Familie. Durch die Wiedervereinigung mit ihrem Vater hatte sie letztlich nichts anderes gefunden als weitere Ketten, die sie fesselten. In ihrem Hochgefühl, Shinzaemon wiederzusehen, hatte sie sich eingebildet, dass die Dinge anders liegen könnten. Nun wurde ihr klar, dass dem nicht so war.
Sie blickte Shinzaemon an, der seine Schale mit einem Stück eingelegtem Rettich auswischte und sie dann mit Tee ausspülte. Er war ein solcher Soldat, ein solcher Ronin. Sie versuchte, ihn sich als angesehenes Mitglied der Gesellschaft vorzustellen, der den Pflichten des adoptierten Sohns eines Regierungsbeamten nachkam. Der Gedanke brachte sie zum Lächeln. Noch schwerer ließ sich vorstellen, dass Daisuké eine Verbindung mit einem abgerissenen Rebellen billigen würde, der auf der Seite der Verlierer gekämpft hatte - ein Feind, ein Soldat aus der verachteten Armee des Nordens.
Aber Daisuké war auch einmal jung gewesen. Auch er war wütend, idealistisch, aufbrausend und voller Leidenschaft gewesen. Vielleicht würde er in Shinzaemon sich selbst wiedererkennen.
Daisuké würde bald eintreffen, und Edwards auch. Sachi fröstelte. Besser, sie stellte sich nicht vor, was dann passieren würde.
Taki räumte gerade Shinzaemons Frühstückstablett ab, als draußen Schritte zu hören waren. Sachi hielt den Atem an. Vielleicht war es Daisuké … Dann ertönte das Knirschen von Tierhautstiefeln, die sich über den Hof näherten.
Edwards. Furcht überkam sie. Sie war mit ihm allein gewesen und hatte zugelassen, dass er ihre Hand hielt. Nur er wusste, was zwischen ihnen geschehen war. Ausländer waren so offen, so leicht zu durchschauen. Wenn er auch nur ein Wort davon erwähnte oder eine Andeutung machte, würde Shinzaemon …
Türen öffneten und schlossen sich, Schritte tappten auf sie zu. Sachi hörte, wie Taki Edwards aufgeregt erzählte, dass Shinzaemon zurück war.
Die beiden jungen Männer hatten einander nicht mehr gesehen, seit sie auf der Inneren Bergstraße zusammen gereist waren. Shinzaemon war reizbar und misstrauisch gewesen. Sachi hatte gespürt, wie sich seine Augen jedes Mal in sie bohrten, wenn sie mit Edwards sprach. Und Edwards musste sich gedacht haben, dass Shinzaemon alles andere als ein Leibwächter war, obwohl auch er Abstand gehalten hatte.
Sie erinnerte sich, wie sie zu Shinzaemon und Edwards zurückgeblickt hatte, bevor Taki und sie das Tor der Damen des Shogun aufgestoßen hatten, um auf das Palastgelände zu gelangen. Sie konnte die Männer immer noch vor sich sehen, auf der anderen Seite der Brücke - die beiden riesenhaften Ausländer und den stämmigen Ronin. Aber seither hatten sich die Dinge geändert. Edwards hatte sie auf dem Hügel gerettet und war freundlich zu Tatsuemon gewesen. Shinzaemon stand in seiner Schuld.
Wenn sie Edwards jetzt betrachtete, sah sie in ihm ein menschliches Wesen, und nicht nur das, sondern auch einen Mann. Aber auf Shinzaemon wirkte er vermutlich wie eine Kreatur von einem anderen Stern. Und was Edwards betraf, der würde Shinzaemon mit dem kurzen Haar vielleicht gar nicht wiedererkennen.
Die große Halle schien zu schrumpfen, als Edwards hereingetrampelt kam. Als er durch den Sonnenstrahl schritt, der in den Raum fiel, glänzte sein strohfarbenes Haar wie gesponnenes Gold, und Sachi fing einen Hauch seines exotischen Körpergeruchs auf - fleischig, stechend, nach ausländischen Gewürzen, Tierhaut und anderem Undefinierbarem. Das vermittelte ihr das Gefühl von sich öffnenden Türen, von weiten, offenen Räumen, von frischem Wind und neuen Möglichkeiten. Wenn Edwards zugegen war, erkannte Sachi, dass es andere Welten gab, andere Möglichkeiten, Dinge zu tun.
Bei dem Gedanken, dass mit all dem, mit dieser Verbindung zur großen weiten Welt nun Schluss war, überkam sie Traurigkeit. Und - obschon sie sich das kaum einzugestehen wagte - es tat ihr leid, dass sie ihn wohl nicht wiedersehen würde. Sie begriff jetzt, dass sie seine Gesellschaft zu ihrem eigenen Trost genossen hatte. Seine Aufmerksamkeit hatte ihr geschmeichelt, und sein romantisches Gerede hatte sie berührt. Sie hatte Shinzaemon für tot gehalten, doch nun, wo er zurückgekehrt war, wusste sie, dass ihr Herz ihm gehörte.
Edwards war verblüfft, Shinzaemon zu sehen, riss sich jedoch rasch zusammen und verneigte sich höflich. Sachi schaute auf die beiden gebeugten Köpfe. Die beiden Männer waren wie Sonne und Mond, zwei Seiten derselben Münze. Einer mit blondem Haar, der andere mit schwarzem. Der gewandte Diplomat und der raubeinige Soldat. Sie gehörten beide zu Welten, über die Frauen nichts wussten, und würden sicherlich begierig darauf sein, über Männerthemen zu sprechen, über Politik und Krieg zu diskutieren. Aber da war auch ein unausgesprochenes Misstrauen. Beide würden sich fragen, in welcher Beziehung der andere zu diesen Frauen stand. Zu Sachi.
»Und Tatsu …?«, fragte Edwards.
»Vielen Dank«, sagte Shinzaemon. Er verhielt sich schroff und formell. »Ihm geht es gut. Wir waren zusammen. In Wakamatsu.«
Den Namen stieß er mit einem Blitzen in den Augen hervor, als wolle er deutlich machen, dass er sehr wohl wusste, welche Seite die Engländer unterstützten.
Sachi hörte aufmerksam zu. Sie wollte unbedingt erfahren, was Shinzaemon getan hatte, wo er gewesen war, alles, was seit ihrem letzten Zusammensein geschehen war. Sie stellte sich Geschichten von heroischen Taten vor, von tapferen Männern, die bis zum Letzten gekämpft hatten, allen Widrigkeiten zum Trotz. Doch seine Lippen waren fest zusammengepresst, und sie wagte nicht zu fragen.
»Sind Sie zusammen zurückgekommen?«, fragte Edwards.
»Tatsuemon ist nach Norden geritten«, erwiderte Shinzaemon. »Um sich der Tokugawa-Marine anzuschließen. Vielleicht haben Sie es gehört - Admiral Enomoto befehligt die besten Tokugawa-Kriegsschiffe und ist nach Ezo in See gestochen. Er führt den Widerstand von dort aus an. Nachdem die Burg fiel, haben sich viele Männer dorthin auf den Weg gemacht.«
Edwards nickte. »Der Krieg hat es nicht gut mit den Truppen des Nordens gemeint.«
»Er ist noch nicht vorbei«, knurrte Shinzaemon.
»Aber Sie sind zurückgekehrt«, sagte Edwards spitz. Sein Ton war höflich, doch in seiner Stimme schwang ein Anklang von Triumph mit, als hätte er einen Riss in Shinzaemons Rüstung entdeckt. Als könne er einer Stichelei nicht widerstehen.
Shinzaemon war kein Feigling, das wusste Sachi durchaus. Es musste einen guten Grund gegeben haben, warum er nicht mit seinen Kameraden nach Norden geritten, sondern stattdessen nach Edo zurückgekehrt war. Das lag nicht nur daran, dass er sie sehen wollte. Etwas musste geschehen sein, etwas Entsetzliches.
Shinzaemons Schulter bewegte sich ein bisschen, wenngleich Sachi bezweifelte, dass Edwards es überhaupt bemerkt hatte. Zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort hätte Shinzaemon nach der nächstbesten Waffe gegriffen. Doch er bemühte sich nur nach Kräften, unbeweglich wie ein Fels dazusitzen.
In der Eingangshalle ertönte eine Stimme. Daisuké kam so beiläufig in die große Halle geschlendert, als sei es sein eigenes Haus, ohne sich damit aufzuhalten, angekündigt zu werden. Er sah groß, glücklich, selbstsicher und gut aus, ein Mann, der alles erreicht hatte, von dem er überhaupt hatte träumen können. Nur eines fehlte zur Vervollständigung seines Glücks. Sachis Mutter.
Er blieb abrupt stehen, als er Shinzaemon und Edwards erblickte, und schaute vom einen zum anderen, hob fragend die schweren Brauen. Ein überraschtes Stirnrunzeln zeigte sich auf seinem breiten, glatten Gesicht mit den leichten Hängebacken.
Sachi sprang auf, um ihn zu begrüßen.
»Vater«, sagte sie und verbeugte sich.
Shinzaemon und Edwards sanken auf die Knie. Edwards stellte sich vor.
»Sie gehören also zur britischen Gesandtschaft«, sagte Daisuké. »Ich kennen Satow-dono. Er war sehr großzügig zu uns. Die Engländer haben unsere Sache sehr großzügig unterstützt. Ich bin Ihnen für Ihre Freundlichkeit gegenüber meiner Familie zu Dank verpflichtet.«
Er verneigte sich tief, war voll beflissener Höflichkeit. Edwards war ein Ausländer und Gast in ihrem Land. Trotzdem warf er ihm einen scharfen Blick zu, als fragte er sich, was um alles in der Welt der Mann hier tat.
»Shinzaemon aus dem Hause Nakamura, Lehen von Kano«, sagte Shinzaemon in seinem formellsten Tonfall. Seine großen Schwertkämpferhände waren auf die Tatami gedrückt, die Fingerspitzen aneinander, und sein Kopf mit dem Schopf stacheliger schwarzer Haare war gebeugt. Sachi hatte ihn nie so förmlich erlebt. Sie blickte zu Daisuké. Ein Ausländer war eine Sache - man hatte Ausländern mit Höflichkeit und Respekt zu begegnen -, doch Shinzaemon war ein Ronin. Das war ihm deutlich anzusehen. Er war ein Außenseiter ohne Vasallentreue, ohne Clan, ohne irgendjemandem verpflichtet zu sein. Daisuké würde das sofort erkennen.
»Die Nakamura von Kano …«, sagte Daisuké gedehnt. »Der Lehnsfürst von Kano hat sich erst vor Kurzem dem Kaiser angeschlossen, wenn ich mich recht erinnere. In Kano herrschte eine gewisse Uneinigkeit, auf welche Seite man sich stellen sollte, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht viel über die Politik von Kano«, sagte Shinzaemon hastig. Offensichtlich wollte er vermeiden, in eine unangenehme politische Diskussion verwickelt zu werden. »Mein Vater ist ein Samurai mittleren Ranges und ein Verwaltungsbeamter. Ich wurde nach Edo geschickt, als ich noch sehr jung war. Ich habe den größten Teil meines Lebens hier verbracht, in den verschiedenen Stadthäusern der Kano-Residenz.«
Sachi schaute vom einen zum anderen. Sowohl Daisuké als auch Shinzaemon hatten ihre gesellschaftliche Stellung beiseitegeworfen. Daisuké hatte sein Leben als niederrangiger Handwerker begonnen, war aber jetzt eine führende Figur in der neuen Regierung. Shinzaemon hatte die Privilegien seines Samurai-Status abgelehnt und seinen Clan verlassen, um seinen Idealen zu folgen. Sie hatten beide die alten, hierarchischen Restriktionen abgeschüttelt, um ihren eigenen Weg im Leben zu finden. Wenn Daisuké doch nur erkennen könnte, wie ähnlich sie sich waren.
»Shinzaemon hat sich unterwegs um uns gekümmert, Vater«, sagte sie. »Wir sind zusammen gereist. Er ist ein großer Schwertkämpfer.«
»Er ist wie ein Bruder für uns«, fügte Taki hinzu.
»In dem Fall stehe ich in Ihrer Schuld«, sagte Daisuké ernst zu Shinzaemon und blickte ihn scharf an. »Wir müssen miteinander reden, junger Mann. Ich muss wissen, wo Sie in gewissen Dingen stehen - ob Sie für uns oder gegen uns sind.«
Shinzaemon nickte.
»Es gibt so vieles im Leben meiner Tochter, das ich verpasst habe«, sagte Daisuké. »Ich freue mich, euch jungen Männer kennenzulernen, die ihr sie beide beschützt habt.«
Sachi stieß einen tiefen Seufzer aus. Wenigstens würde es zunächst zu keiner Konfrontation kommen. Taki entzündete langstielige Pfeifen und reichte sie herum. Haru lief hinaus, um Tee zu holen. Shinzaemon und Edwards zogen sich auf eine Seite des Raumes zurück und rauchten schweigend.
»Ich habe etwas Wichtiges zu berichten«, sagte Daisuké leise. Er sprach mit Sachi. »Ich glaube, das wird dich glücklich machen. Gleich nachdem ich in Edo eintraf, ging ich zur Residenz der Mizuno. Das war das Heim der Familie deiner Mutter. Ich wollte das Haus sehen, in dem sie gelebt hatte. Das Haus war eine Ruine. Die Mizunos waren enge Verbündete der Tokugawa und hatten die Flucht ergriffen. Sie müssen unter den Ersten gewesen seien, die flohen.
Seit ich dich gefunden habe, hatte ich den Traum, dass wir zusammen leben könnten, wir alle. Jetzt scheint es, als wäre das möglich. Die Anwesen und Paläste der Daimyo, die Feinde des Staates waren, sind in den Besitz des Staates übergegangen.«
Sachi fühlte sich unbehaglich. Sie wusste sehr wohl, dass mit »Feinden des Staates« die loyalen Diener des Shogun gemeint waren. Aber sie schwieg. Es stand ihr nicht zu, sich dagegen aufzulehnen.
»Sie sollen zu Ministerien oder Unterkünften für Regierungsbeamte umgewandelt werden«, fuhr Daisuké fort. »Ich habe um die Mizuno-Residenz gebeten.«
Sachi spürte, wie sie ein Schauer überlief. Sie hatte immer gewusst, dass ihr Vater große Ambitionen hatte - aber daran zu denken, die Residenz einer Familie wie der Mizuno zu übernehmen … Selbst wenn sie Verwandte waren, bedeutete das nicht, dass Sachi ein Anrecht auf ihren Besitz hatte. Sie verstand durchaus, dass die mit dem Norden verbündeten Lehnsfürsten geflohen waren und den Beamten der neuen Regierung ihr Land übereignet wurde. Aber trotzdem … Es kam ihr unheilvoll vor. So eine Tat würde doch sicherlich Unglück über sie alle bringen.
»Die Mizuno-Familie war nicht sehr einflussreich«, fuhr Daisuké fort, »und das Anwesen ist nicht besonders begehrt oder geräumig. Es ist gerade richtig für jemanden von meinem Rang.«
Haru war bei der Erwähnung der Mizuno-Familie bleich geworden.
»Dort gibt es zu viele Geister«, flüsterte sie. »Zu viele Erinnerungen. Aber vielleicht … könnten wir dem, was mit meiner Herrin geschehen ist, auf den Grund kommen. Vielleicht könnten wir sie finden.«
»Es gehört Herrn Mizuno«, sagte Sachi. »Wir können es doch nicht einfach übernehmen.«
Herr Mizuno. Als sie den Namen aussprach, sah sie ihn, als kniete er direkt vor ihr. Sie war im Schatten hinter der Prinzessin verborgen gewesen. Herr Oguri, mit seinem verbindlichen Höflingsgesicht, sprach, und Herr Mizuno hob den Kopf. Sie sah seinen ledrigen Schädel, die grimmigen Augen, die krumme Nase, die pockennarbige Haut, den dünnen, grausamen Mund. Es ließ sie erschaudern. Er hatte einen nervösen Tick gehabt, erinnerte sie sich. Sein Schwert hatte er am Tor abgeben müssen, aber sein Arm zuckte trotzdem immer wieder, als wollte er es aus der Scheide reißen - als erwarte er selbst im Frauenpalast einen Angriff.
Daisuké runzelte die Stirn, schaute sie mit einem neugierigen, fragenden Blick an.
»Was weißt du von Herrn Mizuno?«, fragte er. »Er ist tot, stimmt das nicht, Haru? Er starb vor langer Zeit.«
»Als Letztes habe ich von ihm gehört, dass er auf … auf dem Totenbett lag«, flüsterte Haru. Ihre Stimme verklang unsicher.
»Er ist nicht tot«, sagte Sachi. Taki und sie hatten ihr Geheimnis sehr lange bewahrt. Aber nachdem es den Shogun und den Frauenpalast nicht mehr gab, konnte sie nichts mehr am Sprechen hindern. Sachi musste sich zurückhalten, um die Worte nicht herauszuschreien. »Wir haben Herrn Mizuno gesehen, nicht wahr, Taki? Er kam mit Herrn Oguri in den Palast, um uns zu berichten, dass Seine Majestät erkrankt sei.«
Ein Geräusch durchbrach die Stille, das Klacken einer langstieligen Pfeife am Tabakkasten. Die beiden seitlich sitzenden jungen Männer bewegten sich leicht.
Harus Mund klappte auf. Sie hob die Hand, ließ sie wieder fallen. Ein ersticktes Geräusch entfuhr ihr, etwas zwischen einem Keuchen und einem Stöhnen, und ihr rundliches Gesicht schien in sich zusammenzufallen.
»Er … Das kann nicht sein. Das ist unmöglich.« Sie schüttelte den Kopf. »Nicht … Herr Mizuno. Herr Tadanaka Mizuno. Bist du dir sicher?«
»Herr Tadanaka Mizuno«, erwiderte Taki. »Ich erinnere mich ganz genau.«
»Er war ein übler Mann«, murmelte Haru. »Ein böser Mann. Es wäre besser gewesen, wenn er gestorben wäre.«
Ein langes Schweigen entstand. Daisukés Gesicht hatte sich in Falten gelegt und verdüstert. »Also war es eine Lüge!«, brüllte er plötzlich und schlug mit seiner großen Faust auf die Tatami.
»Was, Vater?«, flüsterte Sachi. »Was war eine Lüge?«
Die Sonne hatte sich verzogen. Kerzen und Lampen glommen in den dunklen Ecken, und ein Frösteln überkam sie alle. Der Geruch von Tabakrauch wehte von der anderen Seite des Raumes herüber, und Rauchfäden stiegen auf und kringelten sich um die dunklen Deckenbalken. Edwards und Shinzaemon saßen da wie Statuen, ihre Pfeifen in der Hand.
»Sie sagte, sie fürchte sich vor niemandem auf der Welt, außer vor ihm.« Er wandte sich an Haru. »Stimmt es, was … was sie mir erzählt hat? Dass es allein auf seine Veranlassung geschah? Dass er sie zwang, in den Dienst des Shogun zu treten?«
»Ich dachte, er sei tot.« Haru wiegte sich vor und zurück. »Ich erinnere mich, wie sie gestritten haben. ›Du bist eine Frau‹, brüllte Herr Mizuno. ›Wie kannst du es wagen, dich mir zu widersetzen! Du glaubst, du kannst ohne uns leben, aber du bist nichts ohne uns. Du musst es tun. Zum Wohle unserer Familie.‹«
»Du wolltest nicht in den Palast«, sagte Daisuké leise. Eine Präsenz war bei ihnen im Raum. Sachis Mutter. Es war, als könnte er ihre Stimme hören, als spräche sie mit ihm. »Hast du mir das nicht erzählt? Für dich war es, als würdest du in ein Kloster eintreten, als kämst du ins Gefängnis. Da waren dreitausend Frauen und nur ein Mann, und alte Damen, die jeden deiner Schritte beobachteten und bloß darauf warteten, dass du einen Fehler begingst. Nur nähen und dein Haar frisieren, den ganzen Tag - das war alles, worauf du dich freuen konntest. ›Das ist kein Leben für mich‹, sagtest du. ›Ich bin eine wilde Kreatur. Ich bin ein Vogel. Ich werde wegfliegen.‹«
»Welche Lüge, Vater? Welche Lüge meinst du?«, flüsterte Sachi.
»Sie hatten alles, die Mizuno«, sagte Haru. Ihre Stimme war verzerrt, als würden ihr die Worte gegen ihren Willen entrissen. »Eine Burg, eine gewaltige jährliche Besoldung - aber sie waren Kämmerer. Der Vater meiner Herrin war der Oberkämmerer der Kisshu-Familie, und Herr Tadanaka, der junge Herr, konnte das nicht ertragen. Er konnte es nicht ertragen, die Nummer zwei zu sein. Er pflegte brüllend herumzustampfen und auf die Dienstboten einzuprügeln. Dann wurde meine Herrin, seine Schwester, erwachsen, und er sah eine Möglichkeit, das zu bekommen, was er wollte.
Er entschied, sie müsse in der Burg Edo in Dienst treten, egal, als was. Eine Frau ihres Standes war berechtigt, als jüngere Hofdame mittleren Ranges einzutreten. Aber auf der Ebene gab es wenig freie Plätze, und die Konkurrenz war groß. Die alten Damen trafen die Auswahl, und für sie zählte Schönheit nicht. Es war viel einfacher, auf einer niedrigeren Ebene aufgenommen zu werden, also befahl der junge Herr meiner armseligen Familie, sie zu adoptieren. Ihr könnt euch vorstellen, was sie davon hielt! Doch was sollte sie machen? Also wurde sie meine adoptierte Schwester, und wir wurden beide als Dienstmädchen niederen Ranges aufgenommen.
Herr Mizuno wusste, dass er meine Herrin nur im Palast unterbringen musste, wo der Shogun ihrer ansichtig werden würde. Sie war so verführerisch, so schön, so strahlend. Er wusste, dass der Shogun ihr augenblicklich verfallen und sie zur Dame seines Seitengemachs machen würde. Und sie würde die ganze Familie mitziehen. Ihr Vater würde zum Daimyo erhoben werden, und Herr Mizuno nach ihm. Glühwürmchen-Daimyo. Sie würden dem Feuer in ihrem Schweif hinterherflattern. Nur lief es nicht ganz so. Der Schlüssel zu allem war, dass sie dem Shogun einen Sohn und Erben gebären musste. Aber ihr erster Sohn starb, dann starb ihr zweiter …«
»Und alles begann, falsch zu laufen«, ergänzte Daisuké. »Sie erzählte mir, dass Seine Majestät aufgehört hatte, sie zu besuchen. Sie lernte mich kennen. Und dann schwoll ihr Bauch an.«
»Es fiel auf«, flüsterte Haru. »Sie hatte Feindinnen. Viele der Frauen waren eifersüchtig auf sie, und wenn auch nur eine etwas davon erwähnt hätte, wäre es eine Katastrophe für die gesamte Mizuno-Familie gewesen. Der junge Herr hätte sich den Bauch aufschlitzen müssen, und das wäre das Ende der Familie gewesen. Das hatte er mit aller Kraft verhindern wollen.«
»Er muss irgendwie Wind von unserer Affäre bekommen haben«, sagte Daisuké. »Vielleicht hat er sie nach Hause beordert, um sie aus dem Weg zu haben, bevor der Shogun und seine Ratgeber es herausfanden.«
»Welche Lüge?«, flüsterte Sachi. »Dass er im Sterben lag?«
»Um sie nach Hause zu holen. Um den Skandal zu vertuschen.«
»Aber was hat er dann getan?« Sachi hörte, wie klein und verloren ihre Stimme klang. »Was hat er getan, als meine Mutter heimkam? Wo ist sie?«
Daisuké blickte Sachi an.
»Wenn jemand weiß, was aus deiner Mutter geworden ist, dann er«, sagte er. »Wir werden ihn finden. Ganz gleich, was dazu unternommen werden muss.«
In der großen Halle wurde es vollkommen still.
Wenn sie nur Herrn Mizuno finden könnten, dachte Sachi. Dann fiel ihr ein, dass sie ihn ein zweites Mal gesehen hatte. Im Geist hörte sie das Rauschen eines Flusses, das Murmeln der Flüchtlinge, die unbedingt hinüberwollten, das Schreien der Wildgänse, das Knirschen der Kiesel unter den Füßen der Träger, das Rasseln einer anlandenden Fähre. Vor Aufregung schnappte sie nach Luft.
»Taki und ich haben ihn erst vor ein paar Monaten wiedergesehen«, rief sie. »Bei Takasaki. Wir warteten darauf, über den Fluss zu setzen. Sie waren dabei, Edo zu verlassen, er und Herr Oguri. Shin war auch dort.«
»So wie der dich angestarrt hat, Herrin!«, japste Taki.
Sachi sah Herrn Mizunos finsteres Gesicht, das sich dicht vor ihres schob. Sie hörte seinen rasselnden Atem, spürte ihn auf ihrem Gesicht. »Geh weg! Lass mich in Ruhe!«, hatte er gebrüllt. Als sei er verrückt. Als hätte er einen Geist gesehen. Vielleicht war es das, was er gesehen hatte, als er sie anschaute - nicht sie, sondern ihre Mutter.
Von der anderen Seite des Raums meldete sich Shinzaemon zu Wort. Sein Gesicht leuchtete, seine Augen glühten. »Sie hatten diese Kassetten«, sagte er aufgeregt. »An denen war etwas Seltsames. Sie wirkten sehr schwer. Und die Träger sahen nicht wie einfache Lastenträger aus - sie hatten keine Tätowierungen. Sie waren … Samurai. Samurai, die sich die Haare hatten wachsen lassen. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, was sie wohl im Schilde führten.«
»Die Soldaten aus dem Süden werden hinter ihnen her sein, so mächtig, wie die beiden waren«, sagte Edwards. Auch seine blauen Augen blitzten. »Über Herrn Mizuno weiß ich nichts, aber Herr Oguri war Oberster Ratgeber in der Regierung des Shogun. Ihre Überlebenschancen sind gering, wenn sie nicht bereits tot sind. Wir müssen sie rasch finden. Ich komme mit Ihnen. Sie werden alle Hilfe brauchen, die Sie bekommen können. Ich kann Pferde und Träger zur Verfügung stellen. Ich muss sowieso eine Landvermessung durchführen, nachdem das Land jetzt für Ausländer geöffnet ist. Wir durften zuvor nie frei reisen. Für mich wird es ein Abenteuer, und ich könnte Ihnen ebenfalls von Nutzen sein.«
Shinzaemon nickte.
»Ich habe nur meinen Arm anzubieten«, sagte er ruhig, »aber es ist ein starker Arm. Ich bin auf meinem Rückweg von Wakamatsu durch Takasaki gekommen, habe einen großen Umweg gemacht, um der Südarmee nicht zu begegnen. Ich kenne die Straße gut. Und ich habe eine Ahnung, wohin sie wollten.«
Daisuké dachte angestrengt nach.
»Wir müssen sofort aufbrechen. Der Winter kommt bald, und auf den hohen Pässen liegt bereits Schnee. Aber wenn wir bis zum Frühjahr warten, wird es zu spät sein. Es könnte jetzt bereits zu spät sein. Ich schulde es deiner Mutter und dir, meine verehrte Tochter. Ich kann nicht ruhen, bevor ich nicht weiß, wo sie ist.«