4. Der blutige Pfeil

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DER BLUTIGE PFEIL

 

 

Im Morgengrauen jeden Tages rissen die Messingtrompeten die Männer aus dem Schlaf und riefen sie zur mehrstündigen Übung auf die Ebene von Pallos. Erst wenn die Sonne unterging, taten sie den Feierabend kund. Trotzdem nahm die Armee an Zahl immer weiter zu. Mit den Neuankömmlingen gelangten sowohl die letzten Neuigkeiten, als auch Gerüchte und Klatsch aus Messantia ins Lager. Der Mond war von einer Silberscheibe zu einer Stahlsichel geschrumpft, als die Führer der Rebellion sich in Conans Zelt zum Abendessen einfanden. Nachdem sie ihre einfache Feldmahlzeit mit schwachem, noch nicht ausgegorenem Bier hinuntergespült hatten, hielten sie eine Besprechung ab.

»Von Tag zu Tag scheint König Milo unruhiger zu werden«, meinte Trocero.

Publius nickte. »Ja, es gefällt ihm nicht, eine so gewaltige Streitmacht, die nicht unter seinem Kommando steht, innerhalb seiner Grenzen beherbergen zu müssen. Er befürchtet vielleicht, daß wir uns gegen ihn wenden könnten, da er eine weit leichtere Beute abgeben würde als der aquilonische Tyrann.«

Dexitheus, der Mitrapriester, lächelte. »Könige sind, gelinde ausgedrückt, ein mißtrauischer Schlag. Stets bangen sie um ihre Krone. Milo ist nicht anders als der Rest.«

»Glaubt Ihr, daß er versuchen wird, uns in den Rücken zu fallen?« fragte ihn Conan.

Der schwarzgewandete Priester hob eine schmale Hand. »Wer kann das schon sagen? Selbst ich, der ich durch mein heiliges Amt Erfahrung gesammelt habe, in den Herzen der Menschen zu lesen, vermag nicht einmal zu ahnen, welch finstere Gedanken der König ausbrütet. Ich würde raten, daß wir den Alimane so bald wie möglich überqueren.«

»Die Armee ist bereit«, erklärte Prospero. »Die Männer sind gut ausgebildet und sollten auch bald eingesetzt werden, ehe die Untätigkeit ihren Kampfgeist abstumpft.«

Conan nickte ernst. Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß eine bis ins letzte ausgebildete, aber unbeanspruchte Armee sich gerade durch den von ihren Ausbildern so sorgsam eingedrillten Stolz und Kampfgeist in streitende Gruppen zersplittert – oder sie wie eine überreife Frucht zu verfaulen beginnt.

»Ich pflichte Euch bei, Prospero«, sagte der Cimmerier. »Aber die gleiche Gefahr könnte auch in einem verfrühten Aufbruch liegen. Ganz sicherlich hat Procas seine Spione, von denen er weiß, daß wir in den nordargossanischen Bergen lagern. Und ein so gerissener General wie er wird sicher annehmen, daß wir beabsichtigen, den Alimane nach Poitain zu überqueren, da das die unzufriedenste aller aquilonischen Provinzen ist. Er braucht lediglich an jeder Furt Posten aufzustellen und seine Grenzlegion einsatzbereit zu halten, um sofort zu der richtigen Furt aufzubrechen.«

Trocero streifte sein graumeliertes Haar mit selbstbewußter Geste zurück. »Ganz Poitain wird sich erheben, um mit uns zu marschieren. Aber meine Partisanen halten sich noch ruhig, damit Procas nicht zu früh gewarnt wird.«

Die anderen tauschten bedeutungsvolle Blicke, in denen sich Hoffnung und Skepsis die Waage hielten. Vor wenigen Tagen waren Kuriere aus dem Rebellenlager aufgebrochen, um Poitain als Kaufleute, Kesselflicker und Händler zu betreten. Ihre Aufgabe war es, Graf Troceros Lehnsmänner und andere zu Plünderzügen und Ablenkungsmanövern aufzufordern, um die Königstruppen zu verwirren und zur Verfolgung von Plündertrupps zu verlocken. Hatten die Agenten ihre Mission erst ausgeführt, würden sie der Rebellenarmee das Zeichen zum Aufbruch geben – mit einem in Blut getauchten poitanischen Pfeil. Doch das Warten auf dieses Zeichen war ungemein nervenaufreibend.

»Ich mache mir weniger Gedanken über den Aufstand von Poitain«, sagte Prospero, »denn der ist so sicher wie nur etwas in dieser sich stets verändernden Welt sein kann, als über die versprochene Abordnung der Barone aus den nördlichen Provinzen. Wenn wir am neunten Tag des Frühlingsmonds nicht in Culario sind, werden sie sich zurückziehen, da für sie die Pflanzzeit beginnt.«

Conan brummte und leerte seinen Kelch. Die Edelleute aus dem Norden hatten in ihrer schwelenden Revolte gegen Numedides geschworen, die Rebellen zu unterstützen, wollten sich jedoch nicht offen zu einem Aufstand bekennen, der vielleicht mißlingen könnte. Käme es dazu, daß das Löwenbanner am Alimane unterging, oder daß die poitanische Revolte nicht wirkungskräftig genug war, so würden keine Verbindungen zwischen den selbstsüchtigen Baronen und den Rebellen auf sie weisen.

Die Vorsicht der Barone war verständlich, doch die Ungewißheit zerrte an den Nerven der Rebellenführer. Wenn sie auf der Ebene von Pallos ausharren mußten, bis die Poitanen ihr Geheimsignal schickten, würden sie dann Culario noch rechtzeitig erreichen? Trotz der heftigen Ungeduld seines barbarischen Wesens riet Conan, Geduld zu bewahren, bis das verabredete Zeichen kam. Aber seine Offiziere schwankten und waren zum Teil anderer Ansicht.

So diskutierten die Rebellenführer bis tief in die Nacht hinein, Prospero wollte die Armee in drei Gruppen teilen und sie gleichzeitig über die drei geeignetsten Furten schicken, und zwar die von Mevano, Nogara und Tunais.

Conan schüttelte den Kopf. »Procas wird genau damit rechnen.«

»Was dann?« fragte Prospero stirnrunzelnd.

Conan breitete die Karte aus und deutete mit einem narbigen Zeigefinger auf die mittlere Furt von Nogara. »Wir täuschen hier eine Überquerung vor, mit nicht mehr als zwei oder drei Kompanien. Ihr wißt schon, mit Tricks, die den Gegner überzeugen sollen, daß ihre Zahl bedeutend größer ist als in Wirklichkeit. Wir errichten leere Zelte, zünden Lagerfeuer und exerzieren einige Kompanien in Sichtweite des Feindes, dann ziehen wir sie in einem Bogen hinter ein Wäldchen, wo sie von ihm nicht gesehen werden können, und schicken sie von der anderen Seite nach vorn. Am Ufer werden wir ein paar Wurfmaschinen aufstellen, um die überquerenden Späher zur Eile anzutreiben. Die donnernden Geschosse werden Procas und seine Armee schnell herbeilocken.

Ihr, Prospero, werdet Euch um dieses Ablenkungsmanöver kümmern«, fügte Conan hinzu. Der junge Offizier protestierte, weil er dadurch die eigentliche Schlacht versäumen würde, aber Conan winkte ab. »Trocero, Ihr und ich teilen die übrigen Truppen auf. Eine Hälfte wird die Mevanofurt nehmen, die andere die bei Tunais. Mit ein wenig Glück bekommen wir Procas in die Zange.«

»Vielleicht habt Ihr recht«, murmelte der Graf von Poitain. »Mit dem Aufstand unserer Poitanen in Procas' Rücken ...«

»Mögen die Götter Eurem Plan hold sein, General«, murmelte Publius und wischte sich die Stirn. »Wenn nicht, ist alles verloren.«

»Ah, Ihr Schwarzseher!« brummte Trocero. »Krieg ist ein riskantes Geschäft. Wir haben nicht weniger zu verlieren als Ihr. Doch ob wir nun gewinnen oder verlieren, wir müssen zusammenstehen.«

»Ja, selbst am Fuß des Galgens«, brummte Publius.

Hinter der Abtrennung in Conans Zelt lag seine Geliebte auf einem Lager aus Fellen. Ihr schlanker Körper schimmerte im Schein einer Kerze, deren flackernde Flamme sich auf seltsame Weise in ihren smaragdgrünen Augen und in der verschleierten Tiefe des kleinen Obsidiantalismans spiegelte, der in dem duftenden Tal zwischen ihren Brüsten ruhte. Ein zufriedenes Lächeln spielte über ihre Züge.

 

Noch vor dem Morgengrauen wurde Trocero von einem Posten wachgerüttelt. Der Graf gähnte, streckte sich, blinzelte und schob ungehalten die Hand des Soldaten zur Seite.

»Genug!« donnerte er. »Ich bin wach, Tölpel, obgleich es wohl noch kaum hell genug für den Morgenappell ist ...«

Sein Gesicht erblaßte und seine Stimme erstarb, als er sah, was der Mann ihm entgegenstreckte. Es war ein poitanischer Pfeil, der von der Spitze bis zum gefiederten Schaft mit verkrustetem Blut bedeckt war.

»Wie kam er hierher?« fragte er. »Und wann?«

»Erst vor wenigen Augenblicken, mein Lord«, erwiderte der Posten. »Ein Reiter aus dem Norden brachte ihn.«

»Ah! Ruf meine Burschen! Gib Alarm und bring den Pfeil sofort zu General Conan!« befahl Trocero, während er aufstand.

Der Posten salutierte und verließ das Zelt. Gleich darauf rannten zwei Burschen, die noch den Schlaf aus den Augen rieben, herein und halfen dem Grafen in seine Kleidung und die Rüstung.

»Endlich tut sich was, bei Mitra, Ischtar und dem Crom der Cimmerier!« rief Trocero. »Du da, Mnester! Ruf meine Hauptleute zur Besprechung! Und du, Junge, sieh nach, ob die Schwarze Lady bereits gefüttert und getränkt wurde! Sattle sie, schnell! Schnall die Gurte fest, ich lege keinen Wert auf ein kaltes Bad im Alimane!«

Noch ehe die Sonne sich rubinrot über die bewaldeten Gipfel der Rabirianischen Berge erhob, wurden die Zelte abgebrochen, die Posten zurückgerufen und die Wagen beladen. Als auch die letzten Morgennebel sich verzogen hatten, war die Armee bereits in drei Kolonnen auf dem Marsch zum Saxulapaß durch die Berge und dahinter nach Aquilonien und in den Kampf.

 

Das Land wurde rauh und die Straße immer holpriger. An beiden Seiten erhoben sich kahle Hügel mit gezackten Felsen durchzogen. Das waren die Vorläufer der Rabirianischen Berge, die westwärts ihren stattlichen, größeren Brüdern folgten.

Stunde um Stunde schleppten sich die Krieger und Bediensteten die steilen Hänge hoch und auf der anderen Seite wieder hinunter. Die Sonne brannte auf sie herab, während sie die schweren Wagen über die Höhen zerrten und sich wie ein Schwarm Bienen um sie drängten, um die Karren zu schieben, zu heben und zu ziehen. Auf den abfallenden Hängen wurde jedes Rad mit einer Kette umwickelt, damit es sich nicht drehen konnte und die Kette als Bremse diente. Staubwolken stiegen auf und verschmutzten die kristallklare Bergluft.

Von jedem Kamm, den sie überquerten, sah es aus, als zöge das Hauptgebirge sich immer noch weiter von ihnen zurück. Endlich, als die purpurnen Schatten des Spätnachmittags die östlichen Hänge jedes Hügels umschmeichelten, war es, als würde plötzlich ein Vorhang zurückgezogen. Die Bergkette lag vor ihnen und mit ihr der Saxulapaß, eine tiefe Klamm in der mittleren Gipfelregion, die aussah, als hätte ein wütender Riese sie mit der Axt hineingeschlagen.

Als die Armee sich zum Paß hochkämpfte, schickte Conan einen Trupp guter Bergsteiger die steilen Wände der Kluft empor, um sich zu vergewissern, daß kein Hinterhalt ihrer harrte. Die Späher signalisierten, daß alles in Ordnung war, und so marschierte die Armee hindurch. Die Schritte der Männer, das Klappern der Ausrüstung, das Trommeln der Hufe und das Knarren der Wagen schallte von den Felswänden zu beiden Seiten wider.

Am Ende des engen Passes schlängelte sich der Weg in die Tiefe und verlor sich zwischen den dicht wachsenden Zedern und Fichten, die die Nordhänge bedeckten. In der Ferne, hinter den mittelhohen Bergen, war bereits der Alimane zu sehen, der sich wie eine silberne Schlange, von den letzten Strahlen der Sonne beschienen, durch das Flachland wand.

Mit den Ketten um die Wagenräder folgten sie dem Serpentinenweg ins Tal. Beim ersten Funkeln der Sterne am Nachthimmel erreichten sie eine Gabelung. Hier hielt die Armee an und schlug ihr Lager auf. Conan stellte ausreichend Posten auf, um sich vor einem unerwarteten Überfall des Feindes von der anderen Seite des Flusses aus zu schützen. Doch nichts störte die Ruhe der müden Truppen, außer vielleicht das Knurren eines Leoparden, den der Ruf eines Postens verscheuchte.

Am nächsten Morgen nahmen Trocero und seine Abteilung die rechte Abzweigung, die sie zur Furt von Tunais bringen würde. Conan und Prospero mit ihren Truppen folgten der linken Gabelung, bis sie kurz vor Mittag zu einer weiteren Abzweigung kamen. Hier bog Prospero mit seiner kleineren Abteilung nach rechts, zur mittleren Furt, der von Nogara, ab. Conan setzte seinen Marsch mit den restlichen Fußsoldaten und der Reiterei weiter westwärts fort zur Mevanofurt.

Kompanie um Kompanie, Schwadron um Schwadron von Conans Rebellen zog die schmalen Straßen entlang. Sie lagerten des Nachts noch einmal in den Bergen und setzten dann ihren Weg fort. Als sie endlich die letzten Hügel des Vorgebirges hinter sich hatten, sahen sie zwischen Tannengehölzen erneut das breite, schimmernde Band des Alimanes, der Argos von Poitain trennte. Gewiß, Argos beanspruchte einen Streifen Land am Nordufer des Flusses, der bis zur Mündung des Alimanes in den Khorotas reichte, doch unter Vilerus III. hatten die Aquilonier dieses Gebiet besetzt und da sie die Stärkeren waren, es auch nicht mehr zurückgegeben.

Als Conans Division das Flachland erreichte, befahl der Cimmerier seinen Männern, von jetzt ab möglichst den Mund zu halten, und falls sie sprechen mußten, dann nur im Flüsterton. Soweit es möglich war, sollten sie auch dafür sorgen, daß die Pferdegeschirre und Rüstungen nicht klirrten und die Wagen nicht allzusehr knarrten und rasselten. Die Karren hielten schließlich zwischen größeren Baumgruppen, und die Männer schlugen ihre Zelte außerhalb Sichtweite der Mevanofurt auf. Vorausgeschickte Kundschafter meldeten, daß kein Feind zu sehen sei, brachten jedoch die unerfreuliche Neuigkeit mit, daß der Fluß durch die Schneeschmelze Hochwasser führte.

 

Lange ehe der Morgen eines bewölkten Tages graute, ließen Conans Hauptleute ihre Soldaten aus dem Schlaf reißen. Brummelnd würgten die Männer ein kaltes Frühstück hinunter und reihten sich zu Kolonnen. Conan stapfte herum, stieß Flüche aus und drohte jenen, die es wagen sollten, ihre Stimmen zu heben oder ihre Waffen fallen zu lassen, mit fürchterlichen Strafen. In seinen besorgten Ohren klangen ihre Bewegungen so laut, daß er meinte, es müßte meilenweit über das Rauschen des Flusses hinweg zu hören sein. Eine besser ausgebildete Streitmacht, dachte er säuerlich, würde wie auf Katzenpfoten dahinschleichen.

Um die Geräusche in Grenzen zu halten, wurden die Befehle der Hauptleute und Feldwebel an ihre Männer durch Handsignale weitergegeben, was allerdings zu beachtlicher Verwirrung führte. Eine Kompanie, die das Zeichen zum Aufbruch erhielt, drängte sich durch die Reihen einer anderen. Fäuste wurden geballt und Nasen bluteten, ehe die Offiziere etwas Ordnung in das Durcheinander bringen konnten.

Eine tiefe Wolkendecke öffnete ihre Schleusen, als Conans Truppen sich dem Flußufer näherten. Der Cimmerier hielt seinen Rapphengst Fury an und spähte durch die dichten Regenschleier zum anderen Ufer hinüber. Vor den Hufen seines Pferdes brauste das lehmigbraune Wasser vorbei.

Conan winkte seinen Adjutanten Alaricus, einem vielversprechenden jungen aquilonischen Hauptmann, herbei. Alaricus lenkte sein Pferd dicht an das des Generals.

»Wie tief, glaubt Ihr, ist der Fluß?« flüsterte der Cimmerier.

»Gewiß mehr als knietief, General«, erwiderte Alaricus ebenfalls flüsternd. »Möglicherweise reicht das Wasser bis zur Brust. Gestattet, daß ich hineinreite, um mich zu vergewissern.«

»Paßt auf, daß Ihr nicht in ein Loch stolpert«, warnte ihn Conan.

Der junge Hauptmann lenkte seinen Fuchswallach in die wirbelnden Fluten. Das Tier scheute, doch dann watete es gehorsam dem Nordufer entgegen. In Flußmitte schäumte das Wasser über die Zehen von Alaricus' Stiefel. Als er über die Schulter zurückblickte, winkte ihn Conan zurück.

»Wir müssen es riskieren«, knurrte der General, nachdem sein Adjutant wieder neben ihm stand. »Gebt den Befehl weiter, daß Dios leichte Reiterei als erste überqueren und sich in den Wäldern drüben umsehen soll! Dann werden die Fußsoldaten in einer Reihe hintereinander hinüberwaten. Jeder hält sich am Gürtel des Vordermanns fest. Einige dieser Burschen würden sicher ertrinken, wenn sie mit ihrer schweren Ausrüstung ausrutschten.«

Der bleiche, sonnenlose Tag schritt voran und die Schwadron leichter Kavallerie planschte in den Fluß. Am anderen Ufer angelangt, winkte Hauptmann Dio, um anzudeuten, daß kein Feind zu sehen war.

Conan hatte genau aufgepaßt, als die Pferde sich durch das lehmige Wasser kämpften, und sich die jeweilige Tiefe gemerkt. Er stellte fest, daß das Flußbett sich in Strommitte hob und auch das andere Ufer seicht war. Jetzt bedeutete er der ersten Kompanie Fußsoldaten, den Fluß zu überqueren. Gleich darauf befanden sich zwei Kompanien Lanzer und eine Kompanie Bogenschützen in den Fluten. Jeder Soldat hielt den Vordermann am Gürtel fest. Die Schützen hoben ihre Bogen über die Köpfe, damit sie nicht naß wurden.

Conan lenkte seinen Hengst dicht an Alaricus' Wallach. »Schickt jetzt die schwere Reiterei durch den Fluß und danach die Wagen. Ceros Kompanie Fußsoldaten soll sie begleiten, um sie aus den Lehmlöchern zu heben, wenn sie steckenbleiben. Ich werde von der Flußmitte aus alles überwachen.«

Fury stolperte bis über das Sprunggelenk in das rauschende Wasser. Als er scheute und wieherte, als wittere er Gefahr, verstärkte Conan seinen Griff um die Zügel und zwang das Tier durch die tiefste Flußstelle.

Seine scharfen Augen wanderten über das jadegrüne Laubwerk am Nordufer, wo ein wahres Dickicht blühender Sträucher, deren Farbenpracht durch den grauen Tag ein wenig gedämpft wurde, sich um die kahlen Stämme alter Bäume schmiegte. Die Straße auf der Nordseite wurde zu einem dunklen Tunnel zwischen den frischbelaubten Eichen, die die Last des wolkenschweren Himmels zu tragen schienen. Hier gab es mehr als genug Möglichkeiten, eine ganze Armee zu verstecken, dachte Conan düster. Die leichte Kavallerie wartete noch, eng aneinandergedrängt in einer kleinen Lichtung, wo es aussah, als wäre die Straße geradewegs aus dem Wasser gekommen. Dabei hätte Dio mit seinen Leuten erst den umgebenden Wald absuchen müssen, ehe der erste Fußsoldat das Nordufer erreichte. Conan winkte wütend.

»Dio!« brüllte er von der Untiefe in der Flußmitte. Falls sich der Feind in der Nähe befand, mußte er ohnedies die Überquerung längst bemerkt haben, also sah Conan keinen Grund mehr, leise zu sein. »Verteilt Euch endlich und durchkämmt den Wald! Verdammt, setzt Euch schon in Bewegung!«

Die drei Kompanien Fußsoldaten kletterten schlammig und triefend ans Nordufer, während Dios Reiter sich in Gruppen teilten und in den Büschen beiderseits der Straße verschwanden. Eine Armee ist am gefährdetsten, wenn sie einen Strom überquert, das wußte Conan. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihm breit.

Er wendete sein Pferd, um das Südufer zu überblicken. Die schwere Reiterei war bereits knietief im Wasser, und die vordersten Wagen kämpften sich durch die Fluten. Ein paar waren im Schlamm des Flußbetts steckengeblieben. Soldaten bemühten sich, die Räder freizubekommen.

Ein plötzlicher Schrei zerriß die Luft. Als Conan herumwirbelte, sah er eine flüchtige Bewegung in den Büschen direkt an der Kreuzung von Fluß und Straße. Mit einer schnellen Warnung riß Conan am Zügel seines Hengstes und duckte sich. Ein Pfeil, der für ihn bestimmt gewesen war, flitzte an ihm vorbei und bohrte sich in den Hals eines jungen Offiziers hinter ihm. Als der Sterbende zusammensackte und ins strudelnde Wasser stürzte, drückte Conan seinem Pferd die Fersen in die Weichen und trieb es vorwärts, während er gleichzeitig Befehle brüllte. Er mußte unbedingt sofort zu seinen Truppen, die in Feindberührung gekommen waren, gleichgültig, ob es sich bei dem Gegner nur um wenige Männer handelte, die lediglich die Furt bewacht hatten, oder um die geballte Streitmacht Procas'.

Plötzlich bäumte Fury sich auf und taumelte unter dem Aufprall eines Pfeiles. Mit einem grauenvollen Wiehern sank das Tier in die Knie und warf Conan aus dem Sattel. Der Cimmerier schluckte einen Mundvoll schmutzigen Wassers und kämpfte sich auf die Beine, nicht ohne wütende Flüche auszustoßen. Ein weiterer Pfeil prallte gegen seinen Brustharnisch und fiel in die Fluten. Ringsum war die bleierne Stille des grauen Tages zerrissen. Ein dichter Pfeilhagel zwitscherte ins Wasser. Die Männer brüllten ihre Schlachtrufe hinaus, schrien vor Schmerzen oder auch Angst, und verfluchten die Götter.

Conan blinzelte das Wasser aus den brennenden Augen und sah eine Dreifachreihe von Bogen und Armbrustschützen in den blauen Röcken der Grenzlegion. Wie ein Mann waren sie aus den üppigen Büschen gesprungen, um die im Fluß zappelnden Rebellen unter Beschuß zu nehmen.

Das wütende Schwirren der Pfeile vermischte sich mit dem dumpferen Surren der Armbrustbolzen. Obgleich die Armbrustschützen mit ihren schweren Waffen nicht so schnell und so oft schießen konnten wie die Bogenschützen, hatten doch ihre Geschosse eine größere Reichweite und Durchschlagskraft – die Eisenbolzen drangen durch den besten Harnisch. Mann um Mann fiel, schreiend oder stumm, und das lehmige Wasser schloß sich über ihren Köpfen und schwemmte ihre Leiber an die Ufer.

Conan watete durch den Fluß und suchte nach einem Trompeter, um seine Männer zur Schlachtformation zu sammeln. An einer seichten Stelle fand er einen blonden Gundermann, der dumm auf die ringsum im Wasser versinkenden Kameraden stierte. Conan planschte laut fluchend auf ihn zu, doch als er den Burschen am Wams packen wollte, krümmte der Gundermann sich und stürzte kopfüber ins Wasser. Ein Bolzen hatte sich in seine Eingeweide gebohrt. Die Trompete entglitt den schlaffen Fingern und wurde von der Strömung mitgerissen.

Während Conan stehenblieb, um Luft zu holen, schaute er sich wie ein Löwe in der Falle um. Ein zunehmendes Rasseln und Klirren von der Lichtung lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Aquilonische Kavallerie – gerüstete Lanzer und Schwertkämpfer auf kräftigen Rossen – donnerten aus dem Wald und stürmten auf das Durcheinander von leichter Reiterei und Fußsoldaten der Rebellen ein. Die kleineren Pferde der Rebellenkundschafter wurden von den mächtigen Streitrossen zur Seite geschoben, und die Fußsoldaten niedergeritten und -getrampelt. In wenigen Augenblicken war das Nordufer von den Rebellen gesäubert. Und dann, mit der Präzision einer Wasseruhr, öffneten sich Procas' Schwadronen zu einer weiten Reihe von Reitern, die ihre Tiere ins Wasser lenkten, um gegen die Rebellen im Fluß vorzugehen.

»Zu mir!« brüllte Conan und schwenkte sein Schwert. »Formt Karrees!«

Doch jetzt platschten die Überlebenden des Gemetzels, die von der aquilonischen Kavallerie ins Wasser zurückgetrieben worden waren, in panischer Flucht durch den Fluß. Sie schoben und stießen ihre Kameraden, die ans Nordufer unterwegs waren, zur Seite.

Durch den aufgewühlten Fluß donnerten Procas' Reiter und wirbelten Schaum auf. Der ersten Reihe folgte eine zweite, eine dritte, dann noch eine und eine weitere. Und von den Flanken setzten Procas' Armbrustschützen ihren Beschuß fort, den die Bogenschützen der Rebellen nicht beantworten konnten, weil sie nicht einmal dazu gekommen waren, die Sehnen einzuhängen.

»General!« brüllte Alaricus. Conan drehte sich um. Der junge Hauptmann kämpfte sich durch das Wasser, das seinem Pferd bis zur Brust reichte. »Rettet Euch! Hier sind wir geschlagen, aber Ihr könnt die Männer am Südufer um Euch scharen. Hier, nehmt meinen Hengst!«

Conan stieß einen heftigen Fluch auf die schnell näherkommende Reihe schwerer Reiterei aus. Einen Augenblick lang zögerte er. Er hatte gute Lust, sich allein auf sie zu werfen und links und rechts um sich zu hauen. Aber er gab diesen Gedanken schnell auf. In früheren Tagen hätte der Cimmerier sich vielleicht auf eine solche Wahnsinnstat eingelassen, doch jetzt war er General und verantwortlich für das Leben anderer, außerdem hatte die Erfahrung seine jugendliche Tollkühnheit mit Vorsicht gedämpft. Als Alaricus sich daran machte, vom Pferd zu springen, faßte Conan den Steigbügel mit der Linken und knurrte: »Bleib oben, Junge! Wir kehren zum Südufer zurück. Crom verfluche Procas!«

Alaricus stieß seinem Pferd die Fersen in die Weichen. Es mühte sich aufs argossanische Ufer zu. Conan hielt sich weiter am Steigbügel fest und begleitete ihn mit langen, halb springenden Schritten, mitten durch die Rebellenreiter und -fußsoldaten hindurch, die in wirrer Flucht südwärts drängten.

Hinter ihnen ritten die Aquilonier. Sie stachen mit ihren Lanzen und hieben mit den Schwertern nach den Nachzüglern, die gegen die Strömung ankämpften. Schon jetzt war das lehmige Wasser des Alimanes unterhalb der Furt von Mevano rotgefärbt. Nur die Tatsache, daß auch die Verfolger durch die wirbelnde Flut behindert wurden, rettete Conans Vorhut vor der völligen Vernichtung.

Schließlich erreichten die Fliehenden eine Schwadron schwerer Reiterei, die nach der Rebelleninfanterie die Überquerung begonnen hatte. Die Fußsoldaten drängten sich zwischen die herbeiwatenden Pferde und brüllten in ihrer Panik. Die dadurch verschreckten Pferde bäumten sich auf und schlugen aus, bis auch die Reiter die Flucht ergriffen. Hinter ihnen plagten sich die Wagenlenker verzweifelt, die im Schlamm steckenden Räder freizubekommen und mit den Versorgungswagen zu wenden. Doch als sie die Hoffnungslosigkeit dieser Bemühungen einsahen, planschten auch sie zum Südufer zurück. Beim Erreichen der verlassenen Karren machten die Aquilonier die brüllenden Ochsen nieder und drängten weiter durch den Fluß. Durchweichte Leichen schaukelten in der Strömung und waren stellenweise wie gefällte Baumstämme ineinander verkeilt. Die Ladung der umgekippten Wagen – Zeltleinwand und Stangen, Lanzen und Pfeile – wurden von der Flut flußabwärts getrieben.

Sich heiser brüllend, kletterte Conan das Südufer hoch, wo die restlichen Kompanien, die den Befehl zum Überqueren noch nicht bekommen hatten, abwartend ausharrten. Er befahl ihnen, in Verteidigungsformation zu gehen, aber überall löste die Rebellenarmee sich zu wirren Haufen fliehender Soldaten auf. Sie warfen ihre Lanzen, Schilde und Helme von sich und rannten in alle Richtungen aus dem Fluß und über die Ebene, die an ihn anschloß. Alle Disziplin, die ihnen in Monaten sorgfältigster Ausbildung eingedrillt worden war, war in diesem Augenblick der Panik vergessen.

Ein paar Gruppen hielten ihre Stellung, als die aquilonische Kavallerie sie erreichte, und kämpften mit verzweifelter, hartnäckiger Wildheit, aber sie wurden niedergeritten oder verstreut.

Conan stieß in dem Durcheinander auf Publius. Er packte ihn an der Schulter und brüllte in sein Ohr. Doch in dem Getümmel vermochte der Kämmerer kein Wort zu verstehen und deutete nur hilflos. Zu seinen Füßen lag bewußtlos Conans Adjutant, den Publius gegen die schweren Stiefel der Fliehenden schützte. Alaricus' Pferd war durchgegangen.

Wütend fluchend trieb Conan die kopflose Meute um sich mit der flachen Klinge auseinander. Dann hob er Alaricus auf die Schulter und rannte weitausholenden Schrittes südwärts. Der dicke Publius lief schnaufend neben ihm her. Nicht weit hinter ihnen kletterte die aquilonische Reiterei aus dem Fluß, um die fliehenden Rebellen zu verfolgen und die Wagen zu umzingeln, die noch am Ufer standen.

Den Lenkern der Wagen, die weiter vom Ufer entfernt waren, gelang es, ihre plumpen Gefährte zu wenden. Sie trieben die Ochsen zu schnellerem Lauf an, um die Sicherheit der Hügel zu erreichen. Die südwärts führende Straße war schwarz von Fliehenden, obgleich eine große Zahl quer über die Wiesen lief, um sich im Schutz der Wälder zu verstecken.

Da der Tag noch jung und die aquilonischen Streitkräfte frisch waren, drohte Conans Division die Vernichtung durch die Hand der gut berittenen Verfolger. Doch hier kam es zu einem Einhalt – einem kurzen nur, doch er genügte für einen geringen Vorteil für die Flüchtlinge. Die Aquilonier, die die Versorgungswagen umringt hatten, machten sich nun, trotz ihrer Befehle brüllenden Offiziere daran, die Fuhrwerke zu plündern, statt die Rebellen zu verfolgen. Als Conan es bemerkte, keuchte er:

»Publius, wo ist die Soldtruhe?«

»Ich – weiß – nicht«, schnaufte der Kämmerer. »Sie war – in einem – der letzten Wagen – vielleicht konnte sie – noch in Sicherheit gebracht – werden. Ich – kann nicht mehr – Conan. Lauft – ohne mich – weiter!«

»Reißt Euch zusammen, Publius!« knurrte der Cimmerier. »Ich brauche einen Mann, der mit Geld und Zahlen umzugehen weiß. Ah, mein Mehlsack kommt zu sich.«

Als Conan seine Last absetzte, öffnete Alaricus die Augen und stöhnte. Der Cimmerier, der ihn eilig nach Verletzungen untersuchte, fand keine. Offenbar war der Hauptmann durch einen Armbrustbolzen betäubt worden, der lediglich seinen Helm gestreift und eingebeult hatte. Conan half ihm auf die Beine.

»Ich habe Euch getragen, Junge«, brummte er. »Jetzt ist es an der Zeit, daß Ihr mir helft, unseren fetten Freund zu schleppen.«

Gleich darauf brachen die drei wieder in Richtung der Berge auf. Publius hatte je einen Arm um die Schultern der beiden Offiziere gelegt und stolperte zwischen ihnen dahin. Es begann wieder zu regnen, leicht anfangs, doch dann in Strömen.

 

Das Geschick hatte es nicht gut gemeint mit Conan. Er saß fröstelnd in der Dunkelheit irgendwo in einer Mulde der Rabirianischen Berge. Die Schlacht war für ihn verloren, seine Männer verstreut – jene, die den Kampf und danach die blutige Rache des Königsgenerals und seiner Suchtrupps überlebt hatten. Es sah ganz so aus, als hätte sich ihre gute Sache in wenigen Stunden zerschlagen, als wäre sie im lehmigen, blutgefärbten Hochwasser des Alimanes versunken.

Hier in dieser felsigen Mulde, zwischen Eichen und Tannen versteckt, warteten Conan, Publius und etwa hundert andere Rebellen das Ende der Dunkelheit und der hoffnungslosen Nacht ab. Die Flüchtlinge waren eine gemischte Meute: rebellische aquilonische Edle, tapfere Landleute, bewaffnete Gesetzlose, und Glücksritter. Manche waren verwundet, glücklicherweise wenige schwer, und viele Herzen pochten unruhig in ihrer Verzweiflung.

Amulius Procas' Legionen durchsuchten die Hügel, um alle Überlebenden niederzumetzeln, dessen war Conan sicher. Die siegreichen Aquilonier wollten ganz offenbar die Rebellion ein für allemal niederwerfen und alle Aufständischen, die sie erwischen konnten, in den Tod schicken. Unwillig mußte Conan dem königlichen General zugestehen, daß sein Plan sehr geschickt durchdacht war. Wäre er, Conan, an Procas' Stelle gewesen, hätte er wohl die gleiche Strategie verfolgt.

In düsterem Schweigen machte Conan sich Sorgen um Prospero und Trocero. Prospero sollte die Überquerung an der Nogarafurt vortäuschen und so Procas' Haupttrupp auf sich lenken, damit Conan und Trocero nur mit kleinen Spähtrupps zu tun bekommen würden. Statt dessen war Procas' geballte Truppe aus ihren Verstecken aufgetaucht, als Conans Vorhut sich im Alimane hoffnungslos im Nachteil befand. Conan fragte sich, wie Procas so geschickt die Rebellenpläne durchschaut hatte.

Vom Fluß und vom Regen durchweicht kauerten die Männer sich in der Dunkelheit um ihren Führer. Sie wagten es nicht, ein Feuer zu machen, denn sein Schein mochte die Suchtrupps herbeilocken und zu ihrer Vernichtung führen. Hustend und niesend hockten die Männer herum. Als einer von ihnen auf das Wetter fluchte, wies Conan ihn zurecht.

»Wir können den Göttern für den Regen danken. Wäre es ein klarer Tag gewesen, hätte Procas uns alle niedergemetzelt. Kein Feuer!« donnerte er einen Soldaten an, der Feuerstein und Stahl aneinanderschlug. »Willst du vielleicht Procas' Hunde auf uns hetzen? Wie viele sind wir? Meldet euch, aber leise! Publius, habt die Güte mitzuzählen!«

»Hier! Hier!« riefen die Männer, während Publius an den Fingern mitzählte. Als das letzte »Hier!« verklungen war, sagte er:

»Hundertdreizehn, General, Ihr und ich nicht mitgerechnet.«

Conan brummte. So sehr der Durst nach Rache auch in des Barbaren Herzen brannte, war es ihm doch klar, daß eine so geringe Zahl kaum den Kern für eine neue Armee bilden konnte. Er täuschte seinen Männern Zuversicht vor, aber der Wurm der Verzweiflung nagte an ihm.

Er stellte Wachen auf, und während der Nacht stolperten erschöpfte Männer, von diesen Posten geleitet, allein und zu zweien und dreien in die Mulde. Gegen Mitternacht kam Dexitheus, der Mitrapriester, auf einer behelfsmäßigen Krücke und schwer auf den Arm eines Postens gestützt, herbeigehumpelt. Er hatte sich den Knöchel verstaucht, und die Schmerzen machten ihm offensichtlich sehr zu schaffen.

Inzwischen hatte sich die Zahl der Flüchtlinge, die sich hier eingefunden hatte, auf etwa zweihundert erhöht, von denen manche schwer verwundet waren. Trotz seiner eigenen Schmerzen machte der Mitrapriester sich daran, die Verwundeten zu versorgen. Er entfernte vorsichtig die Pfeilspitzen, die noch in ihnen steckten, und verband stundenlang ihre Verletzungen, bis Conan ihm barsch gebot, sich endlich zur Ruhe zu legen.

Das provisorische Lager bot wenig Bequemlichkeit, und die Rebellen, befürchtete Conan, hatten keine große Chance, die nächste Nacht noch zu erleben. Aber zumindest hatten die meisten noch ihre Waffen und würden ihre Haut teuer verkaufen, falls Procas' Trupps ihr Versteck entdeckten.

 

Der Morgen kam mit einem Himmel, an dem die Wolken sich immer weiter zurückzogen, und es versprach ein klarer, sonniger Tag zu werden. Conan wurde durch die leise gewechselten Worte vieler Bewaffneter geweckt. Die Neuankömmlinge waren Prospero und seine Täuschungsabteilung, etwa fünfhundert Mann stark.

»Prospero!« rief Conan und sprang auf, um seinen Freund erfreut zu umarmen. Dann führte er den Offizier ein wenig zur Seite und sprach im Flüsterton zu ihm, damit schlechte Neuigkeiten die Verzweiflung seiner Männer nicht noch verstärkten. »Mitra sei Dank, daß Ihr noch lebt! Wie verlief der Tag? Wie habt Ihr uns gefunden? Wißt Ihr etwas von Trocero?«

»Eins nach dem anderen, General«, sagte Prospero und holte Luft. »Wir fanden lediglich eine kleine Abteilung des Feindes an der Nogarafurt, die bei unserem Anblick schleunigst die Flucht ergriff. Den ganzen Tag marschierten wir im Kreis, bliesen unsere Trompeten, trommelten laut, aber wir lockten damit keine Königstreuen an die Furt. Da mir das merkwürdig vorkam, schickte ich einen Kundschafter flußabwärts zur Tunaisfurt. Er meldete, daß dort eine heftige Schlacht im Gange war. Dann erreichte uns ein Fliehender von Eurer Division und berichtete von dem Gemetzel an der Mevanofurt. Da ich mit meinem kleinen Trupp nicht unnötig zwischen die Mühlsteine zweier feindlicher Divisionen geraten wollte, zogen wir uns in die Berge zurück. Hier erfuhren wir von weiteren Fliehenden, welche Richtung sie Euch hatten nehmen sehen. Was ist mit Euch?«

Conan biß die Zähne zusammen, um seinen Ärger über sich selbst zurückzuhalten. »Ich machte mich zum Narren, Prospero, und führte meine Leute geradewegs in Procas' Rachen. Ich hätte warten müssen, bis Dio die Wälder um die Furt durchsucht hatte, ehe ich die Jungs den Fluß überqueren ließ. Es ist ganz gut für Dio, daß er gleich beim ersten Ansturm fiel – wäre er es nicht, hätte er sich gewünscht, es zu sein, wenn er mir erst in die Hände geraten wäre. Er und seine Schwadron standen nur endlos wie die Schafe herum, statt sich im Unterholz zu verteilen. Aber trotzdem war es meine Schuld, denn meine Ungeduld ließ mich überstürzt handeln. Procas hatte Kundschafter in den Bäumen, die das Zeichen zum Angriff gaben. Jetzt ist alles verloren.«

»Aber nicht doch, Conan«, versuchte Prospero ihn aufzurütteln. »Wie Ihr selbst zu sagen pflegt: Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, ehe nicht der letzte Mann ins Gras gebissen hat. Und in jedem Krieg schwankt die Gunst der Götter von einer zur anderen Seite. Laßt uns zur Ebene von Pallos und unserem Lager zurückkehren. Vielleicht stoßen wir unterwegs auf Trocero. Wir sind nun mehrere hundert Mann stark und werden es auf tausend bringen, wenn erst die weiteren Nachzügler uns gefunden haben. In Hunderten Verstecken wie diesem dürften unsere Leute Schutz gesucht haben.«

»Procas ist weit in der Übermacht«, sagte Conan düster, »und seinen kampferprobten Truppen hat der leichte Sieg auch noch die Brust geschwellt. Was können ein paar tausend, durch die Niederlage entmutigte Männer schon gegen sie ausrichten? Außerdem wird er inzwischen sicherlich die Pässe durch die Rabirianischen Berge besetzt haben, zumindest aber den Hauptpaß bei Saxula.«

»Zweifellos«, pflichtete Prospero ihm bei, »aber Procas' Truppen sind in ihrer Suche nach den Flüchtlingen weit verstreut. Unsere hungrigen Löwen könnten seine Meuten Bluthunde eine nach der anderen verschlingen. Wir stießen auf dem Weg hierher auf eine davon – eine Schwadron leichte Reiterei – und machten sie bis zum letzten Mann nieder. Kommt, General! Ihr habt Euch einen Ruf als ein Mann gemacht, der nie aufgibt. Ihr habt eine Bande von Gesetzlosen in eine ordentliche Armee verwandelt und schon so manchen Thron zum Wanken gebracht, das gleiche könnt Ihr doch wieder tun! Also faßt neuen Mut!«

Conan holte tief Atem und straffte die mächtigen Schultern. »Ihr habt recht, bei Crom! Wir haben ein Gefecht verloren, aber unsere gute Sache verlangt, daß wir weiterkämpfen, selbst wenn nur noch wir zwei Rücken an Rücken dafür stehen. Und wir haben das zumindest.«

Er griff in die Schatten und holte aus einem Spalt im Felsen das Löwenbanner, das Symbol der Rebellion. Sein Fahnenträger, obgleich tödlich verwundet, hatte es hierher in die Berge gebracht. Nachdem er seinen Verletzungen erlegen war, hatte Conan die Standarte zusammengerollt und sie wütend aus den Augen verbannt. Jetzt rollte er sie im Licht des neuen Tages wieder auf.

»Es ist nicht viel, was wir retten konnten«, brummte er. »Aber mehr als ein Thron ist mit weniger erobert worden.« Conans Gesicht verzog sich zu einem grimmigen, entschlossenen Lächeln.

 

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