Kapitel 11

Heiraten in Eile, bereut man in Weile.

Wie es aussieht, mein Lieber, hast du Glück«, sagte Merrick eine Woche darauf zu Lord Wynwood, als er bei einem Bier mit ihm zusammensaß. »Wenn du die beiden Häuser oben auf dem Walham Hill noch haben möchtest, dann gehören sie dir.«

Der Earl sah ihn ungläubig an. »Ich dachte, solche Machenschaften wären unter deinem Niveau, alter Freund«, sagte er. »Du wirst doch wohl nicht den Vertrag gebrochen haben? Den mit deiner ... deiner ... nun, du weißt schon, wen ich meine ...«

»Ja.« Merrick lächelte bitter und schob mit dem Handrücken sein leeres Glas zur Seite. »Aber sie, die namenlos bleiben wird, hat ihre Meinung geändert. Und ich habe ihr zugesichert, dass ich nicht auf der Erfüllung des Vertrages bestehen werde.«

»Du lieber Gott! Der berüchtigte Black MacLachlan verzichtet auf Geld und zeigt Gnade?« Der Earl schob seinen Stuhl ein Stück vom Tisch zurück und starrte auf den mit Steinplatten ausgelegten Boden. »Ich will mich nur schnell überzeugen, dass die Erde sich nicht auftun und uns verschlucken wird.«

»Danach schaust du vergebens, denn ich verzichte auf niemandes Geld«, sagte Merrick. »Ich werde das Haus verkaufen - und das, das sich daran anschließt. An dich, Quin. Und das gegen Aufpreis, wenn meine Schreiner und Zimmerleute all die Umbauten abgeschlossen haben, die wegen deiner größer werdenden Brut erforderlich sind.«

Wynwood grinste. »Das verlangt nach noch zwei Bieren«, sagte er und winkte dem Schankmädchen. »Vivie wird entzückt sein! Mit ein bisschen Glück können wir einziehen, bevor das Kind geboren wird - oder was denkst du?«

»Das könnte durchaus sein«, stimmte Merrick in gleichmütigem Ton zu. »Lass mich überlegen! Deine Hochzeit war Mitte Januar, wann wäre es also so weit? Ungefähr Ende Oktober?«

In den Augen des Earls blitzte Verdruss auf. »Du Schuft!«, sagte er. »Du bist noch schlimmer als die alten Klatschbasen in Buckinghamshire.«

»Ach!«, sagte Merrick wissend. »Das Kind hat vor, ein wenig früher zu kommen, ist es das? Nun ... wann denn, alter Junge? Ich möchte nur wissen, gegen welche Naturgewalt meine Zimmerleute anarbeiten müssen.«

»Eher Ende September, schätze ich.« Da lag nur ein leiser Hauch von Röte auf Wynwoods Wangen. »Wann immer es kommt - für mich kann es gar nicht früh genug sein. Zum Teufel mit den alten Klatschweibern! Aber dennoch kann ein Mann von meinem Rang nun mal nicht vorsichtig genug sein.«

»September kann ich schaffen«, sagte Merrick, während das Schankmädchen zwei mit Schaum gekrönte Biere vor sie hinstellte und die leeren Gläser abräumte. »Allerdings werden diese Eile und diese Mühen den Preis ein wenig in die Höhe treiben.«

Wynwood verzog dem Mund zu einem trockenen Lächeln. »Das habe ich befürchtet. Ein Mann muss immer für sein Vergnügen bezahlen, nicht wahr?«

Merrick versuchte zu lachen. »Das ist meine Erfahrung, ja.«

Plötzlich wurde Wynwoods Miene ernst. »Was ist passiert, Merrick?«, fragte er ruhig. »Mit Madeleine, meine ich.«

Merrick räusperte sich ein wenig heiser. »Es sieht so aus, als habe die Lady einen Sinneswandel ...«

»Ja, das ist damals passiert, nicht wahr?«, unterbrach Wynwood ihn säuerlich. »Ich gebe allerdings zu, dass sie auf mich nicht ganz so flatterhaft gewirkt hat, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Aber vor Überraschungen ist man ja nie gefeit.«

»Vielleicht nicht«, sagte Merrick ausweichend.

Wynwood schien über das Verhalten seines Freundes ungehalten zu sein. »Was hat sie sich denn überhaupt gedacht?«, fragte er und lehnte sich auf seinem Stuhl ein Stück zurück. »Hat sie gedacht, sie könnte einfach nach London zurückkommen, wie es ihr gefällt, ohne für ihr Tun je zur Rechenschaft gezogen zu werden?«

»Davon kann sie ausgehen«, entgegnete Merrick. »Ich habe nicht vor, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Was genau würde man denn tun, wenn man das wollte?«

Wynwoods Augen flammten vor Empörung. »Nun, auf die Erfüllung ehelicher Rechte klagen!«, rief er. »Frauen tun das die ganze Zeit.«

»Ja, wenn sie verlassen worden sind und mit dem zu verhungern drohen, was ihnen geblieben ist.«

»Deine Lage ist rechtlich gesehen prekär, Merrick«, erklärte sein Freund. »Ihre Schulden sind deine Schulden. Ihre Verträge sind deine Verträge. Genau genommen könnte ihr Kind vom Gesetz her als das deine gelten. Du hast keine offizielle Trennungsurkunde. Denk doch nur an die finanziellen Verpflichtungen! Was, wenn sie herausfindet, wie reich du geworden bist, und sie beschließt, dass du letztlich doch ihr Mann bist?«

»Ich würde sie nicht wollen.«

»Nein, aber ihre Schulden hättest du dann am Hals«, warnte der Earl. »Du könntest verpflichtet sein, ihr ein Haus einzurichten. Genau genommen kannst du dich glücklich schätzen, dass du jetzt nicht in der Situation bist, auf Einhaltung deines Kaufvertrages drängen und selbst für dein eigenes verdammtes Haus zahlen zu müssen.«

»Quin, hast du eine Ahnung, wie idiotisch sich das anhört?«, fragte Merrick. »Du kannst doch gar nicht wissen, ob ich mich von dieser Frau zu trennen wünsche oder sie zwingen will, unter meinem Dach zu wohnen. Und jetzt tu mir den Gefallen und lass dieses Thema fallen! Ich will die Frau nicht, und sie will mich nicht. Und es gibt keine Schulden oder Verträge, die mir Probleme machen könnten.«

»Dann bist du vertrauensseliger als ich.«

»Ich vertraue niemandem«, erwiderte Merrick grimmig. »Aber Madeleine glaubt, dass unsere Ehe annulliert worden ist.«

»Was?«

»Sie behauptet, ihr Vater habe ihr einige Dokumente gezeigt, die bestätigt haben, dass die Ehe aufgelöst wurde«, sagte er. »Sie glaubt, es gibt eine Annullierung.«

»Aber ... aber ... das ist doch gar nicht möglich. Oder doch?«

»Ich sehe das nicht«, stimmte Merrick zu. »Höchstwahrscheinlich war das eine von Jessups ausgefeilten Machenschaften. Aber mag es sein, wie es will: Sie sieht sich nicht als Bigamistin. Und weil mir das völlig egal ist, Quinten, wo also sollte da der Nachteil sein?«

Lord Wynwood sah ihn eine Weile skeptisch an. »Bei diesem ›weil mir das völlig egal ist‹, alter Freund«, sagte er schließlich. »Warum habe ich nur manchmal das Gefühl, dass es dir sehr viel mehr ausmacht, als du mir weismachen willst?«

»Einst habe ich mich unklugerweise verliebt, Quin«, sagte er ruhig. »Und ich habe den Preis dafür bezahlt. Und ich habe nicht den Wunsch, darüber zu reden.«

»Das Problem ist«, beharrte der Earl, »dass du mit deinem Leben weder vor noch zurück kannst. Sie hält dich in einer Art Fegefeuer gefangen. Du könntest inzwischen eine Frau haben - eine richtige Ehefrau - und Kinder.«

Merrick schnaubte. »So etwas kann auch nur von einem frisch verheirateten Mann kommen!«, sagte er. »Lass uns in zehn Jahren noch einmal vom Fegefeuer reden, alter Freund.«

Wynwood nahm ihm diese Bemerkung nicht krumm. »In zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren wird sich für mich nichts geändert haben«, sagte er. »Bei einigen Menschen weiß man einfach, dass das so sein wird.«

Wie seltsam es schien, diese Worte von einem anderen zu hören! Merrick hatte einmal etwas Ähnliches zu Alasdair gesagt, als sein Bruder ihm von dem Versuch abgeraten hatte, Madeleine zurückzuholen. Aber wie Wynwood hatte auch er, Merrick, es einfach gewusst. Madeleine war die Frau für ihn gewesen, die Einzige. Und sie war es noch. Besser gesagt, er wusste, dass es mit keiner anderen je so sein würde, wie es mit ihr gewesen war.

Er war nicht Narr genug, so wie Quin es einst gewesen war, um sich selbst einzureden, dass ihm auch eine andere Ehefrau genügen könnte, zumindest in gewissem Maße. In seinem Herzen war dort, wo seine Liebe für Madeleine gewesen war, ein großes Loch. Und sein Leben jetzt zu verändern wäre so, als würde er versuchen, einen eckigen Holzpflock in das sprichwörtliche runde Loch zu stecken. Er liebte Madeleine nicht mehr, aber er konnte auch keine andere lieben. Er wusste es instinktiv, so wie er es schon immer gewusst hatte. Dass sie ihn verlassen hatte, hatte einen großen Teil seines Wesens zerstört. Den besten Teil vielleicht. Er wusste es wirklich nicht.

In einem seiner wütenden Briefe hatte Chutley ihn einmal einen seelenlosen Bastard genannt. Diese Beleidigung hatte Merrick nicht sonderlich getroffen. Er fühlte sich seelenlos. Und er hatte die Erfahrung gemacht, dass der einzige Weg zu überleben darin bestand, sich Frauen zu nehmen, die ihm sehr ähnlich waren. Frauen, die innerlich abgestumpft waren. Frauen, bei denen sich nicht ein klaffender schwarzer Abgrund dort widerspiegelte, wo eigentlich das Gute sein sollte. Auch deshalb war er froh gewesen war, Kitty Coates loszuwerden. Sie war zu freundlich und zu unschuldig gewesen, auf eine Weise, die er nicht erklären konnte.

Wynwood hatte seine silberne Streichholzschachtel hervorgeholt, öffnete sie und schloss sie wieder. Er wirkte plötzlich nervös. »Ich musste wieder an etwas denken, Merrick«, sagte er. Seine Stimme klang seltsam beklommen. »An etwas - aus der Vergangenheit.«

»Aus der Vergangenheit?« Merrick schnaubte missbilligend. »Gott steh uns bei!«

»Ich meine die jüngere Vergangenheit«, erklärte Wynwood. »Erinnerst du dich daran, wie wir alle zu diesem Boxkampf nach Surrey gefahren sind? Und an die Zigeunerin, die uns die Zukunft vorausgesagt hat?«

»Sie hat überhaupt nichts darüber gesagt«, erklärte Merrick. »Sie hat unser Geld genommen und eine Menge Unsinn erzählt.«

»Ja, das dachte ich auch«, sagte Wynwood nachdenklich. »Aber weißt du noch, dass sie mir gesagt hat, ich hätte mein Leben ruiniert, weil ich überstürzt gehandelt habe? Und dass sie behauptet hat ... nun, sie hat behauptet, daraus, dass ich so gehandelt hatte, habe sich ein Unrecht ergeben, und dass ich versuchen muss, dieses Unrecht wiedergutzumachen, um glücklich werden zu können. Merrick, ich glaube, dass sie damit gemeint hat, wie ich Vivie behandelt hatte.«

»Wohl kaum eine Überraschung, alter Freund«, sagte Merrick. »Welcher Mann hätte noch nicht übereilt gehandelt, wenn eine Frau im Spiel war?«

Quin fluchte leise. »Nein, Merrick, ehrlich«, sagte er drängend. »Ich habe mich damals Vivie gegenüber sehr schäbig verhalten. Und ich habe ihr unrecht getan. Sehr unrecht. Ich will nicht in die Details gehen, aber ...«

»Ja, erspar mir das!«, unterbrach Merrick ihn. »Und komm zur Sache, Mann!«

»Nun, erinnerst du dich, dass diese Zigeunerin sagte, wir alle hätten unser Leben verschwendet?«, fragte Quin. »Ich will sagen, ich wusste, dass Alasdair und ich unser Leben verschwendeten. Wir haben es mit Absicht gemacht und uns verdammt ausgiebig amüsiert. Aber du - nun, von dir hätte ich das nie gedacht.«

»Was nicht gedacht?« Merrick wurde immer ungeduldiger.

Quin runzelte die Stirn. »Dass du dein Leben verschwendest«, sagte er. »Ich meine, es sieht doch so aus, als würdest du beeindruckende Dinge tun. Aber was, wenn du es trotz allem letztlich doch verschwendest? Die Zigeunerin hat gesagt, du seist ein großer Künstler, aber übermäßiger Stolz und ein verbittertes Herz hätten dich hart gemacht.«

»Oh, vielen Dank, Reverend Wynwood!«, knurrte Merrick. »Das hat mir heute noch gefehlt - eine hübsche kleine Lektion darüber, dass ich mein Leben vergeude.« Er schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Wenn du mich jetzt entschuldigst - ich muss nach Wapping, um mein Leben dort damit zu verschwenden, weitere zwölftausend Quadratfuß Lagerhallen am Hafen fertigzustellen. Oder ist das vielleicht auch nur eines meiner Hirngespinste?«

»Es gibt viele Arten, auf die ein Mann sein Leben vergeuden kann, Merrick.« Quin sah gekränkt aus. »Setz dich um Himmels willen wieder hin!«

Um des lieben Friedens willen folgte Merrick der Aufforderung. »Quin, ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, was diese Frau zu mir gesagt hat«, sagte er, wobei sein Ton versöhnlicher klang. »Was immer es war, es kann unmöglich irgendeine Bedeutung für die Wirklichkeit haben.«

Quin beugte sich zu ihm vor. »Merrick«, sagte er eindringlich, »glaubst du denn nur an das, was du siehst und hörst? Kannst du nicht akzeptieren, dass es ... dass es Dinge geben könnte, die wir nicht begreifen? Dass es vielleicht einige Menschen gibt, die Dinge wissen, die wir anderen nicht wissen?«

Merrick zögerte. Er empfand ein merkwürdiges Unbehagen bei dieser Frage. Es ist der Fluch, dachte er, die schottische Erziehung. Er war mit den unumstößlichen schottischen Leitsätzen von harter Arbeit, Pragmatismus und Sparsamkeit aufgewachsen, die sich unauslöschlich in sein junges Bewusstsein eingeprägt hatten. Und auf der anderen Seite waren da die Highlands mit ihren Sagen und Mythen gewesen, die alles andere als pragmatisch waren. Seine Großmutter MacGregor war ein perfektes Beispiel für diese bizarre Gegensätzlichkeit. Aber er wollte mit Quin jetzt nicht über Granny MacGregor reden.

»Ich weiß es nicht, Quin«, erwiderte er schließlich. »Solche Überlegungen sind etwas für klügere Köpfe als mich. Ich bin ein einfacher Mann. Ich baue Dinge. Ich glaube nur an Stein und Eisen und an harte, gerade Holzbalken. Das sind die Dinge, aus denen meine Welt gebaut ist.«

Quin wirkte resigniert und schob seinen Stuhl zurück. »Nun, wie dem auch sei, Merrick, du solltest über die Sache mit dem Stolz nachdenken«, mahnte er, während sie beide vom Tisch aufstanden. »Du solltest dich zumindest fragen, ob der Stolz bei dir die Oberhand gewonnen hat, und darüber nachdenken, ob du es zulässt, dass er zwischen dir und dem steht, was deine ... nun, was deine Seele brauchen könnte. Ich weiß nicht, was - ich kann nicht so tun, als wüsste ich, wie es in dir aussieht - aber ... nun, du solltest einfach mal darüber nachdenken.«

Um ihn zu beschwichtigen, nickte Merrick und legte dem Freund die Hand auf die Schulter. »Das ist ein guter Rat, denke ich, für jeden Menschen«, stimmte er zu. »Ja, Quin. Ich werde versuchen zu tun, worum du mich gebeten hast. Ich werde versuchen, ein wenig über diese ernsten Dinge nachzudenken. Danke.«

Quin stieß einen skeptischen Ton aus und warf ein paar Münzen auf den Tisch. »Ich denke, damit muss ich mich zufrieden geben«, brummte er. »Nun, dann komm! Geh mit mir den Hügel hinauf und lass uns über aufregendere Dinge sprechen - zum Beispiel über Teppiche und Vorhänge.«

Madeleine war im Garten und versuchte, eine besonders widerspenstige Rose zu überreden, etwas ordentlicher an ihrem Rankgerüst emporzuwachsen, als sie das Pochen des Türklopfers hörte. In ihrer Eile zu öffnen, stach sie sich in den Finger und stieß einen leisen Schrei aus. Sie wickelte sich einen Zipfel ihres Kittels um die Fingerspitze, während sie durch das Haus zur Tür eilte. Mrs. Drexel hatte noch einmal unerwartet zum Schlachter gehen müssen, und Clara hatte ihren halben freien Tag.

Sie war überrascht, Lady Treyhern vor ihrer Tür zu sehen. Sie trug ein rotes Reitkostüm. Hinter ihr stand ein Pferdeknecht und hielt zwei rassige graue Pferde am Zügel.

»Helene!«, sagte sie, während sie den staubigen Kittel ablegte. »Was für ein unerwartetes Vergnügen!«

Genau genommen war es eher eine Erleichterung als ein Vergnügen. In der Woche seit ihrem unglücklichen Abendessen in der Mortimer Street hatte Madeleine nichts von ihrer neuen Freundin gehört.

Die Komtesse errötete leicht. »Ich dachte, wenn ich so gegen vier Uhr komme, könnte ich Sie und Geoff dazu überreden, Tee mit mir zu trinken.«

»Es tut mir leid«, antwortete Madeleine. »Geoff ist nicht hier.«

Lady Treyhern hatte schon begonnen, ihren Hut abzunehmen. »Perfekt. Dann können wir ungehemmt den neuesten Klatsch austauschen.

Madeleine lachte und wies den Pferdeburschen an, die Pferde zum Stall zu führen. »Nun, lassen Sie mich nur noch Eliza bitten, den Tee zu machen.«

Als Madeleine zurückkehrte, war Helene im Wohnzimmer, wo sie ziellos zwischen den bedrohlich wackligen Stapeln aus Büchern und Papieren umherging. »Das sieht genauso aus wie im Arbeitszimmer meines Schwagers Bentley«, bemerkte sie neckend. »Ist hier jemandes Schreibtisch explodiert?«

Madeleine errötete. »Es sind einige der Unterlagen meines Vaters. Ich habe mir vor einigen Tagen eine ganze Wagenladung davon aus Sheffield bringen lassen. Ich hielt es für an der Zeit, dass ich damit beginne, sie durchzusehen.«

Helene lächelte mitfühlend. »Oh, das ist eine so schwere Aufgabe, nicht wahr? Die Sachen meiner Mutter liegen noch immer in einer Kiste in Hampstead. Wann ist Ihr Vater gestorben?«

»Vor einigen Jahren«, antwortete Madeleine. Seltsamerweise fühlte sie kaum Kummer. »Er starb, während ich im Ausland war, und mein Mann starb gleich nach unserer Rückkehr.«

Auf Helenes Gesicht spiegelte sich Mitleid wider. »Wie sehr traurig für Sie, meine Liebe!«

Madeleine zuckte mit den Schultern. »Ich habe mein Erwachsenenleben im Ausland verbracht. Geoff ist seinem Großvater nie begegnet.« Hastig nahm sie den Dokumentenstapel, den sie am Morgen zu sortieren begonnen hatte, von einem Stuhl. »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte sie und legte die Papiere auf dem Schreibtisch ab. »Das ist der bequemste Stuhl.«

Helene setzte sich mit einem dankbaren Lächeln. »Was für ein hübsches kleines Cottage«, sagte sie, während sie ihre Handschuhe abstreifte. »Haben Sie es möbliert gemietet?«

»Zum größten Teil, ja«, räumte Madeleine ein. »Es ist ein wenig abgenutzt in den Ecken, aber bequem.«

»Sie werden sehr viele Einkäufe für das neue Haus zu machen haben, nicht wahr?«, sagte Helene. »Und Möbeltischler brauchen ewig lange.«

Madeleine kehrte zu ihrem Stuhl zurück und setzte sich. »Ich habe meine Absicht geändert, Helene«, sagte sie ruhig. »Ich denke, ich werde das Haus doch nicht nehmen. Genau genommen glaube ich nicht, dass wir noch länger hier in London bleiben werden.«

»Aber warum nicht, Madeleine?« Helene war überrascht. »Ich dachte, Sie wären so erpicht auf dieses Haus.«

Madeleine zuckte mit der Schulter und wandte den Blick ab. »Ich sehe jetzt keinen Sinn mehr darin«, sagte sie. »Schließlich kann hier, wie Sie sagten, nur wenig für Geoff getan werden. Und das war der Grund für mich, hierherzukommen.«

»Werden Sie dann zu Ihrem Stiefsohn ziehen? Oder zu Ihrem Cousin Lord Jessup vielleicht?« Helene verstummte und runzelte die Stirn. »Meine Liebe, ich glaube, Sie würden sowohl mit der einen als auch der anderen Alternative unglücklich sein. Sie sind noch so jung!«

»Ich denke, ich werde nach Cambridge gehen«, sagte Madeleine vage. »Vielleicht werde ich auch ein Haus an der Küste kaufen. Ich habe mir immer gewünscht, am Meer zu wohnen.«

»Nun, es gefällt mir gar nicht, eine liebe neue Freundin schon so bald wieder zu verlieren«, sagte Helene traurig. »Aber die Wahrheit ist: Mein Mann hasst London, und wir sind selbst immer nur wenige Wochen im Jahr hier. Ich weiß! Lyme Regis!«

»Lyme Regis?«, wiederholte Madeleine. »Ich habe gehört, dass es dort sehr schön ist.«

»Mein Mann und Mr. MacLachlan werden dort in der Nähe einige Häuser bauen«, erklärte Helene. »Voraussichtlich gegen Ende des Jahres. Ich bin sicher, Mr. MacLachlan würde Ihnen genau das bauen, was Sie sich wünschen.«

Madeleine spürte, wie ihr Gesicht sich rötete. »Nein«, sagte sie fest. »Nein, das denke ich nicht.«

Helene verzog das Gesicht. »Ach je!«

»Was?«, fragte Madeleine.

Helene zuckte leicht mit den Schultern. »Mein Mann befürchtete, dass Mr. MacLachlan sich Ihnen genähert haben könnte, letzten Freitag in unserem Haus«, gestand sie. »Und er hatte den Eindruck, dass der Gentleman sich den Weg in Ihre Kutsche erschlichen haben könnte.«

»Nein, ganz und gar nicht«, entgegnete Madeleine sofort, und war sich ganz und gar nicht sicher, warum sie ihn zu verteidigen wünschte. »Geoff hatte ihn eingeladen.«

»Ich verstehe«, sagte Helene. »Mein Mann wird darüber beruhigt sein. Mr. MacLachlan hat, trotz seines guten Aussehens, keinen makellosen Ruf.«

»Hat er nicht?« Madeleine täuschte Überraschung vor. »Hält man ihn für einen Schürzenjäger?«

Helene lachte. »Oh, nicht, wenn es um Frauen von Stand geht. Und das sehr zu deren Bedauern, ohne Zweifel.«

»Tatsächlich?«, sagte Madeleine. »Man hat mir zu verstehen gegeben, dass sich die Gesellschaft ihm gegenüber zwiespältig verhält.«

»Sicherlich ist das einmal so gewesen«, räumte Helene ein. »Vielleicht sind die Tugendwächterinnen das immer noch. Aber die Frauen lieben schwarzhaarige, gefährlich aussehende Männer. Je verruchter der Ruf, desto besser - solange er Geld hat. MacLachlan ist jetzt so reich wie Krösus, und für das Herz der Gesellschaft gibt es keinen wirksameren Balsam als einen Kübel voller glänzender Münzen.«

»Sie scheinen sehr viel über ihn zu wissen.«

Helene sah sie aufmerksam an. »Mein Mann hat es sich zum Grundsatz gemacht, solche Dinge in Erfahrung zu bringen, bevor er Geschäfte mit jemandem macht«, verriet sie. »Mr. MacLachlan gibt sich mit der Sorte Frau ab, über die wir in der guten Gesellschaft nicht sprechen. Ich bin sicher, Sie verstehen, was ich meine?«

»Ich weiß, dass es solche Frauen gibt«, gestand Madeleine. »Auch wenn wir in Yorkshire nicht unbedingt von ihnen überschwemmt wurden.«

Helene brach in Lachen aus. »Oh, Madeleine! Sie sind so erfrischend ehrlich!«

»Ich wünschte manchmal, ich wäre es nicht«, gestand sie. »Was Mr. MacLachlan angeht ... Was ist die Wahrheit über sein Geschäftsgebaren? Hält man ihn für unehrlich?«

»Nein, das nicht.« Helene schüttelte den Kopf. »Er scheint gleichermaßen gehasst wie bewundert zu werden. Man sagt ihm nach, hart zu verhandeln und auf jeden Cent zu achten. Er ist dafür bekannt, dass er seine Konkurrenten vernichtet. Und ich weiß, dass er in London sehr viel Grundbesitz hat, und dass er in der ganzen Stadt seine Geschäftsinteressen verfolgt.«

»Wirklich?« Davon hatte Madeleine noch nichts gehört. »Welcher Art?«

Helene blinzelte unsicher. »Mein Mann sagt, er baut Straßen und Bürgersteige und Brücken«, antwortete sie. »Und Lagerhäuser, von denen einige jetzt ihm gehören. Und letztes Jahr hat er die Beteiligung an einem Unternehmen erworben, welches anfängt, Eisenbahnschienen zu bauen. Mein Schwager Bentley hat mir erzählt, dass die Eisenbahn die Zukunft ist, und dass jeder, der in sie investiert, bald reich sein wird.«

»Aber Mr. MacLachlan ist bereits reich.«

Helene sah sie merkwürdig an. »Ja, aber offensichtlich hat er nicht vor, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen«, antwortete sie. »Nun, genug davon. Sagen Sie mir, meine Liebe, wie geht es Geoffrey?«

Madeleine ließ das Kinn sinken. »Er ist nicht er selbst«, gestand sie. »Obwohl sein Lehrer wieder da ist, und das ein wenig geholfen hat. Aber die Schwermut hat ihn wieder gepackt, und dieses Mal sehr schwer. Er sieht aus, als würde er nicht schlafen.«

»Ach je!«, sagte Helene. »Ich hoffe, er grämt sich nicht mehr über diesen dummen Streit mit Ariane?«

»Doch, ein wenig«, gestand Madeleine. »Was nicht schlimm wäre, ginge es ihm ansonsten gut.«

Helene lächelte leicht. »Nun, seien Sie nicht zu hart mit dem Jungen«, sagte sie. »Aber ich frage mich, Madeleine - was denken Sie, worum es ging? Was hat ihn nur auf diesen Gedanken gebracht? Ich würde wirklich gern wissen, warum er so etwas sagt.«

Madeleine zuckte die Schultern. »Ich weiß es wirklich nicht. Und ich denke, er weiß es auch nicht. Es tut mir sehr leid. Unglücklicherweise war es nicht das erste Mal, dass er mit etwas so Bizarrem herausgeplatzt ist. Manchmal ... nun, manchmal denkt er diese Dinge nur. Ich kann es ihm ansehen, wenn ihm irgendein verrückter Gedanke durch den Sinn geht. Aber je häufiger es geschieht, desto verschlossener wird er. Doch ich weiß, dass es schrecklich war, so etwas zu Lady Ariane zu sagen.«

Helene schien sich etwas entspannt zu haben. »Nun, das ist nicht von Bedeutung«, sagte sie. »Aber wenn es nicht Ariane ist, was denken Sie, was es denn ist, was ihn bekümmert?«

»Ich denke, es ist mehr der Tod dieses armen Mr. Chutley«, gestand Madeleine. »Er hat es ungewöhnlich schwer aufgenommen.«

»Das klingt ja schrecklich!« Helene drückte die Hand auf ihr Herz. »Aber wer bitte ist Mr. Chutley?«

Madeleine sah sie nicht wenig überrascht an. Aber dann wiederum - wie sollte Helene von Mr. Chutleys Selbstmord wissen? Merrick hatte ein skandalträchtiges Ereignis geschickt zu einem bedauerlichen Unfall heruntergespielt. Tragisch, das ja, aber vermutlich war es nicht einmal eine Zeile in der Zeitung wert gewesen. Madeleine schilderte die Situation so, wie Merrick sie Constable Wade erklärt und Chutleys wahre Absicht verschleiert hatte.

Helene hatte ein wenig von ihrer Farbe verloren. »Ach herrje!«, sagte sie ein wenig atemlos. »Wie schrecklich traurig. Ich hoffe, der arme Geoffrey hat es nicht wirklich mitangesehen?«

Madeleine schüttelte den Kopf. »Nein, unsere Pferde sind bei dem Schuss durchgegangen. Der arme Geoff hat sich dabei den Kopf gestoßen und das Bewusstsein verloren.«

»Wie entsetzlich!«, sagte Helene. »Was haben Sie gemacht?«

»Mr. MacLachlan war so freundlich, ihn nach Hause zu tragen.«

Helene lächelte blass. »Tatsächlich? Wie fürsorglich von ihm.«

»Ja, das kann man sagen.«

In diesem Augenblick brachte Eliza das Tablett mit dem Tee und einem kleinen Teller mit Keksen. Madeleine war froh über diese Ablenkung. Sie beschäftigten sich einige Augenblicke damit, sich Tee einzuschenken, aber sobald es im Zimmer wieder still geworden war, formte sich Helenes Mund zu einem leicht mutwilligen Lächeln, das Madeleine inzwischen so gut von ihr kannte.

»Ich hoffe, meine Liebe, dass Sie unsere kleine Dinnerparty am Dienstag nicht vergessen?«, bemerkte sie und nahm sich zwei Biskuitplätzchen vom Teller. »Oh, Mandeln! Die liebe ich!«

»Entschuldigung«, sagte Madeleine ruhig. »Eine Dinnerparty?«

In Helenes Augen blitzte der Schalk. »Ja, wegen Arianes Geburtstag«, erklärte sie. »Die, die ich am Freitagabend erwähnte?«

»Oh. Oh ja.«

»Natürlich ist es ein paar Wochen zu früh«, sprach Helene weiter. »Aber sie hat uns geradezu angefleht, eine kleine Feier zu veranstalten, solange wir noch in London sind. Ich weiß, dass sie noch nicht in die Gesellschaft eingeführt ist, aber wie ich ihrem Vater versichert habe, wird es nichts Großes werden. Nur die Familie und ein paar enge Freunde. Das Abendessen und danach vielleicht noch ein wenig Tanz. Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass Sie Ihre Meinung geändert haben!«

Madeleine konnte sich nicht erinnern, davon gehört zu haben, ganz zu schweigen davon, die Einladung angenommen zu haben. Aber sie hatte sich so sehr auf Geoffreys verzweifelten Ausbruch am Kartentisch konzentriert, dass sie nicht mehr wusste, ob sie eine Zusage gemacht hatte oder nicht. »Nein, natürlich werde ich kommen«, murmelte sie.

»Es wird Ihnen guttun«, sagte Helene. »Auch wenn Sie vorhaben, London zu verlassen, meine Liebe, sollten Sie ein bisschen ausgehen. Ich weiß, dass Sie mich für recht aufdringlich halten, aber in Ihrem Alter sollten Sie wirklich daran denken, wieder zu heiraten.«

»Nein. Niemals.« Einen Moment lang empfand Madeleine Panik.

»Oh, man soll nie nie sagen, meine Liebe!«

»Nein«, wiederholte Madeleine. »Ich bin überzeugt, Sie wollen freundlich sein. Aber ich kann nicht wieder heiraten.«

»Sie können nicht?« Helene sah sie tadelnd an. »Kommen Sie, Madeleine, das ist recht übertrieben. Man weiß nie, wann der richtige Mann auftaucht. Nun, lassen Sie mich nachdenken, wen ich kenne, der vernünftig und ungebunden ist.«

»Nein. Nein, bitte tun Sie das nicht!« Madeleine stellte ihre Tasse so hastig ab, dass heißer Tee auf ihr Handgelenk spritzte.

Helene sprang auf und griff nach einer Serviette. »Oh Madeleine!«, rief sie, und tupfte ihr das Handgelenk und die Manschette des Ärmels trocken. »Oh, Sie armes Ding. Ich wollte Sie nicht aufregen.«

Es geht mir gut«, widersprach Madeleine. »Ich ... die Tasse ... Sie ist nur aus dem Gleichgewicht geraten.«

»Und sehen Sie doch nur hier!«, sagte Helene und drehte Madeleines Hand herum. »Sie bluten.«

»Ich habe mich gestochen«, erklärte Madeleine. »Vorhin, am Rosenbusch. Es ist nichts von Bedeutung.«

Helene drückte Madeleines Finger sanft zusammen und tätschelte dann ihre Faust. »Sie hatten einen anstrengenden Tag«, sagte sie mit neckendem Unterton. »Erst wendet sich der Rosenbusch gegen Sie, und dann Ihre Freundin. Ich wollte mich nicht in Ihre Angelegenheiten einmischen, meine Liebe. Ich werde es nicht wieder tun.«

»Ich war gar nicht betrübt«, erwiderte Madeleine, aber die Tränen liefen ihr schon über die Wangen.

Helene kniete sich hin und drückte ihre Hand. »Oh, ma foi! Genau jetzt wünsche ich mich selbst zum Teufel!«

»Es ... es ist nichts.« Madeleine versuchte, ihr Schluchzen zu unterdrücken. »Ich bin nur ... Nun, es war eine anstrengende Woche. Mir geht so vieles durch den Kopf. Es lag nicht an Ihnen, Helene.«

Helene hatte ein Taschentuch hervorgezogen und drückte es Madeleine in die Hand. »Und dann komme ich noch daher, und stecke meine Nase in Ihre Angelegenheiten«, sagte sie. »Es tut mir schrecklich leid, meine Liebe! Ich hasse es, Sie so außer sich zu sehen. Bitte, können Sie mir denn nicht sagen, was Sie bekümmert?«

Irgendwie schaffte Madeleine es, zu lachen. »Sie müssen schwören, sich aus meinen Angelegenheiten herauszuhalten, Helene.«

»Ja, ganz richtig.« Helene biss sich auf die Unterlippe und ging zu ihrem Stuhl zurück. »Ich werde mich bemühen, das zu tun. Vielleicht sollte ich einfach gehen und aufhören, Sie zu belästigen?«

»Nein, bitte nicht.« Madeleine putzte sich die Nase und steckte das Taschentuch weg. »Lassen Sie uns von angenehmeren Dingen sprechen. Welche Art Kleid soll ich zu Lady Arianes Dinnerparty wählen? Ich habe ein dunkelgrünes, das ich zu Alvins Verlobung habe machen lassen. Es ist schulterfrei, aber sehr dezent. Wäre das geeignet?«

»Perfekt!«, sagte Helene. »Sie müssen in Dunkelgrün hinreißend aussehen.«

Während die Unterhaltung sich wieder alltäglicheren Dingen zuwandte, zwang Madeleine sich zur Ruhe. Helene sprach über ihre Stieftochter, und Madeleines Tränen trockneten langsam. Genau genommen vermochte sie nicht einmal zu sagen, was eben mit ihr geschehen war. Sie neigte eigentlich nicht zu Tränenausbrüchen - nun, zumindest nicht, seit sie Merrick verloren hatte. Danach hatte es nur wenig gegeben, was Tränen wert gewesen wäre. Also warum jetzt?

Es war Helenes direkte Frage nach einer Wiederheirat gewesen. Es hatte sie auf eine Weise erschreckt, die sie nicht für möglich gehalten hatte. Aber sie hatte recht ehrlich geantwortet. Sie konnte nicht wieder heiraten. Niemals. Dads Dokumente lagen jetzt seit zwei Tagen überall im Wohnzimmer verteilt, und Madeleine hatte wie eine Wahnsinnige in ihnen geblättert und sie durchgesehen. Doch was sie suchte, hatte sie nicht gefunden.

Cousin Gerald hatte acht Kisten mit Akten, Kalendarien und Korrespondenz geschickt. Drei davon schienen nur persönliche Papiere zu enthalten, die übrigen fünf Kisten, die größeren, bezogen sich auf seine Arbeit in der Regierung. Madeleine hatte zuerst die kleineren geöffnet. Aber sie hatte keinen Hinweis auf ihre Eheschließung gefunden, keinen einzigen - weder über ihre Mitgift noch über die Annullierung. Nichts. Genau genommen wurde in den Papieren ihres Vaters nicht einmal ihr Name erwähnt.

Es war eine schreckliche, erschütternde Erkenntnis gewesen - nicht nur eine Erinnerung an ihre fehlgeschlagene Ehe, obwohl das schon schlimm genug war. Es hatte sie auch mit der schmerzlichen Wahrheit konfrontiert, der sie sich ihr ganzes bewusstes Leben lang nicht hatte stellen wollen: dass sie für ihren Vater so gut wie nicht existiert hatte.

Helene räusperte sich vernehmlich und brachte Madeleine damit in die Gegenwart zurück. »Deshalb werde ich, wie ich schon sagte, ein dunkles Lila wählen, weil Sie Dunkelgrün tragen werden«, erklärte sie. »Wir werden ein faszinierendes Paar abgeben, Sie mit ihrem hellblonden Haar und ich mit meinen tintenschwarzen Locken, was meinen Sie?

Madeleine brachte ein Lächeln zustande. »Das werden wir«, erwiderte sie und griff nach dem Teller mit den Plätzchen. »Ich freue mich schon sehr darauf. Bitte, Helene, darf ich Ihnen noch einen Keks anbieten?«