Prolog
Den Teufel soll man nicht rufen,
er kommt von selbst.
Er war allein, als sie kamen. Es war früh am Morgen. Der Hahn hatte noch nicht gekräht; die Regenschauer der Nacht lagen noch über dem Gras. Der Geruch nach Heu und Pferden hing schwer in der stillen Morgenluft. Die beiden grau lackierten Kutschen mit den geschwärzten Wappen und den geschlossenen Vorhängen rollten wie Schatten durch den Nebel, lautlos und heimtückisch.
Er wollte die Pferde selbst anspannen, um einen Schilling zu sparen. Das war ein dummer Gedanke gewesen. Man konnte nicht sagen, dass er ein vertrauensseliger Mensch war, aber seine Wachsamkeit hatte nachgelassen, und sein Verstand schlief noch halb. Seine Gedanken weilten bei seiner jungen Braut, die ihn bis in die Nachtstunden und darüber hinaus wach gehalten hatte. Bis zur Morgendämmerung war kein Geheimnis unerforscht geblieben. Kein atemloses, drängendes Flüstern mehr, kein Lachen, das von der alten Bettdecke erstickt wurde.
Sie war irgendwann eingeschlafen, eine Faust in das Kissen gedrückt, ein langes schlankes Bein ausgestreckt zu seiner Seite des Bettes. Es war ein Bild, das auf einmal so wunderbar neu und zugleich so wunderbar vertraut war. Er hatte nicht geschlafen. Vielleicht, weil er gewusst hatte, wie kostbar jeder Augenblick war.
Er war aufgestanden und hatte sie betrachtet. Die zierliche, rosa schimmernde Ohrmuschel. Den sanften Schwung ihres cremefarbenen Nackens. Das Heben und Senken ihrer Brüste, die so klein und so vollkommen waren, dass er sich fragte, ob Gott wirklich gewollt hatte, dass ein Mann sie sah. Mit großem Widerstreben hatte er nach seinen Hosen gegriffen und sich angezogen. Er wollte diesen einen Schilling sparen, wobei Gott doch wusste, dass sie gar nichts zum Sparen hatten.
Im Stall brannte noch kein Licht. Er fand eine Lampe, zündete sie an und ging zu seinen Pferden. Er fütterte und bürstete sie und holte Wasser aus dem Trog im Hof. Es waren einfache Pflichten; eine beruhigende Routine für einen Mann, der seinen Platz in der Welt erst noch finden wollte. Als diese Aufgaben erledigt waren, nahm er das Zaumzeug für das erste der Pferde von dem schmiedeeisernen Haken.
Die Hand, die ihn packte, war schwer und kalt.
Man sagt, dass ein Mensch, zu dem der Tod kommt, sein ganzes Leben vor seinem inneren Auge ablaufen sieht. Doch was durch sein Bewusstsein wirbelte, waren die Bilder seines Hochzeitstages. Er sah sie aufblitzen, wie man ein verwunschenes Haus zwischen alten Bäumen aus einer schnell dahinfahrenden Kutsche heraus aufschimmern sah.
Er ließ die Lederriemen fallen, die er von der Wand genommen hatte, und fuhr herum. Ja, er hatte diese schwarz-silberne Livree schon einmal gesehen. Und auch einige der Männer, die noch größer gewesen waren als der, der jetzt vor ihm stand, und dem die zunehmende Morgenwärme den Schweiß auf die Stirn trieb.
Die Hand zerrte ihn aus dem Dämmerlicht des Stalles auf den Hof. »Jemand will mit dir reden.« Die Stimme passte zu der Hand. Sie war kalt wie der Tod.
Die Männer, die auf ihn warteten, sahen nicht aus, als wollten sie plaudern. Natürlich versuchte er, sich zu wehren. Aber es waren vier gegen einen. Er war ein starker Mann und an harte, körperliche Arbeit gewöhnt, aber sie brauchten nicht lange, ihm das Hemd herunterzureißen und ihn fast bewusstlos zu schlagen. Er hätte einen von ihnen fast im Wassertrog ertränkt und einen anderen kopfvoran gegen eine der glänzenden grauen Kutschen gestoßen. Er brach die Nase des dritten, und es bereitete ihm große Genugtuung, das Blut auf dessen feine, fleckenlose Livree tropfen zu sehen.
Natürlich hatte er gewusst, dass sein Glück nicht von Dauer sein würde. Er wusste auch, dass sie vorhatten, ihn zu töten. Als sie ihn schließlich überwältigten, warfen sie ihn zu Boden wie einen Hirsch, der von einer geifernden Hundemeute gehetzt worden war. Und als er auf dem Hof lag und Blut und Dreck und Gott weiß was spuckte, rissen sie ihn hoch und begannen von Neuem, auf ihn einzuprügeln.
Er erinnerte sich nicht daran, wie er sie abgeschüttelt hatte. Er erinnerte sich weder an die Mistforke noch daran, dass er danach gegriffen hatte. Er erinnerte sich nur daran, wie es sich angefühlt hatte, als er sie seinem Gegner in den Leib gerammt hatte. Und er konnte sich an das Mädchen erinnern, das im Schatten des Stalles gestanden und geschrien hatte. Immer wieder geschrien hatte.
Dann hatte jemand die Tür der grauen Kutsche geöffnet, und ein Fuß in einem eleganten Schuh war sichtbar geworden.
Die Stimme, die er hörte, klang ruhig. Fast höflich. Aber die schwarze Pferdepeitsche, die der Mann um seine Hand geschlungen hatte, war alles andere als das.
Natürlich hatte er wie der Teufel gekämpft. Aber drei von Jessups Männern hielten ihn fest; hielten ihn fest, während der Earl of Jessup, sein Schwiegervater, ihn kurz und knapp über den kürzlich erfolgten Sinneswandel seiner Tochter in Kenntnis setzte. Peitschenhiebe begleiteten dabei jedes der Worte.
Erst nachdem er zusammengebrochen war, fand der Earl of Jessup den Mut, näherzutreten. »Vielleicht konnte dich das davon überzeugen, dass meine Tochter ihre Meinung geändert hat«, schnaubte er.
Doch Merrick war nicht davon überzeugt. Er würde niemals davon überzeugt sein. Irgendwie gelang es ihm, den Kopf aus dem Dreck zu heben und ihn dem Mädchen zuzuwenden, das jetzt im Schatten des Stalles kauerte. »Er lügt.« Er hatte die Worte herausgewürgt. »Sag mir ... dass Jessup ... lügt.«
Das Mädchen - es war die Zofe seiner Frau - trat endlich aus dem Halbdunkel und machte einen tiefen Atemzug. »Nun, Monsieur, nein«, sagte sie und verschränkte die Hände ineinander. »Meine Herrin, sie hat ihre Meinung geändert. Sie sagt, dass sie ... sie ist très désolé. Oui, es tut ihr sehr leid. Sie hat Sehnsucht nach zu Hause, Monsieur. Und sie ist très jeune ... zu jung, oui? Sie möchte jetzt zu ihrem Papa zurückkehren, nach Sheffield.«
In diesem Moment überfiel es ihn wie ein Verderben bringender Sturm. Ihre drängenden Fragen. Ihre kleinen Einwände. Ihre nagende Ungewissheit wegen der Miete und der Kosten für die Dienerschaft, die Furcht, von der guten Gesellschaft abgelehnt zu werden ...
Konnte es sein? Du guter Gott, hatte sie ihre Meinung wirklich geändert?
Jessup wickelte die Peitsche wieder um seine Hand. Mit einem ruhigen, stillen Lächeln stieg er in seine quecksilberfarbene Kutsche. Seine Lakaien gingen davon, ließen ihr Opfer geschunden und blutend auf dem Hof zurück. Das Mädchen zog sich in den Schatten zurück und begann leise zu weinen.
Nein. Er glaubte es nicht. Niemals würde er das glauben. Niemals.
Dieser Bastard! Jessup würde ihm dafür büßen. Benommen und zerschunden brachte er irgendwie die Kraft auf, sich aufzurichten und einen Sprung hin zu Jessups Kutsche zu machen, als diese vorüberfuhr. Doch anstatt die Fahrt zu verlangsamen, trieb der Kutscher die Pferde an und fuhr ihn um, ohne zu zögern.
Sofort spürte er den Schmerz; er spürte, wie sein Körper auf den Kiesweg geschleudert wurde und zwischen den Rädern der Kutsche aufschlug. Dann kam die entsetzliche, unerträgliche Qual. Das Splittern von Knochen. Der Schmerz, als sein Schädel gegen den Torpfosten krachte. Und dann war da nur noch diese Finsternis. Das gnädige Vergessen, das den Tod bedeutete - oder etwas, das dem tröstlich nahekam.