SIEBENUNDZWANZIG

Ich hatte Glück und erwischte einen Bus, der zum Friedhof fuhr. Dort konnte ich wieder in mein Auto steigen, um die Falle für Celia zu holen. Endlich wieder am Kino eingetroffen, parkte ich den Wagen und kaufte mir dann an der Kasse eine Karte.
In der Lobby befanden sich viele Besucher. Einige Gesichter kamen mir irgendwie bekannt vor, auch wenn keiner der Anwesenden zu Tuckmans Gruppe gehörte. Im Grau suchte ich nach Celia, und meine Augen wanderten über die in düsteren Nebel getauchten Mienen.
Zeitblitze und übernatürliche Strömungen in Gelb und Rot durchzogen die Menge, um dann durch die Decke zu verschwinden. Wer es auch war, den ich suchte – er oder sie befand sich offenbar oben. Ich bahnte mir einen Weg durch die Leute und ging die Treppe hinauf. Auch dort waren viele Besucher, denen ich ungeduldig auswich, um noch einen Stock höher zu steigen. Ich ging durch die Tür zum Speicher, auf der NUR FÜR MITARBEITER stand. Hier wurde der Faden aus Energie dicker, und ich konnte spüren, wie er an mir zerrte.
Über mir vernahm ich Stimmen. Langsam schlich ich näher. Solange sie miteinander sprachen, hoffte ich, dass niemand in Gefahr schwebte. Die Destillierblase in meiner Linken, die Rechte in der Nähe meines Pistolenhalfters, das ich unter der Jacke verborgen hatte, ging ich vorsichtig weiter die Treppe hinauf.
Oben befand sich ein niedriger Korridor mit zwei Türen. Eine davon war nur angelehnt. Ich musste mich zwar nicht ducken, aber ich spürte, wie meine Haare an der Decke hängen blieben, während ich mich mit leisen Sohlen auf die Tür zu bewegte. Vor dem Spalt blieb ich stehen und spähte heimlich hinein.
Der Raum war voller alter Theaterrequisiten. Niedrige Türen auf beiden Seiten führten wahrscheinlich zu kleineren Speicherabteilen, in denen die Stromleitungen und Rohre des Hauses zusammenkamen. Staubiges Licht fiel durch ein Dachfenster über Ians Kopf. Celias Fäden waren hier überall zu dicken Seilen angeschwollen und ließen Ian gespenstisch leuchten. Von meinem Platz aus konnte ich den Poltergeist selbst nicht sehen.
»… du schlitzäugige Schlampe!«, zischte Ian.
»Halt den Mund! Halt einfach den Mund, Ian!«, schrie Ana. »Du sagst mir jetzt sofort, woher du die hast!«
Sie schleuderte ihm einen glänzenden Gegenstand entgegen. Er fiel vor Ian auf den Boden, und ich konnte einen Schlüsselbund erkennen.
»Die gehörten Mark. Woher hast du die?«, wollte Ana wissen. Ihre Stimme klang schrill und hysterisch.
Im Licht, in dem unzählige Staubkörnchen tanzten, erkannte ich auch einen Fahrradschlüssel.
»Das willst du wirklich wissen?«, erwiderte Ian, dessen Miene auf einmal eiskalt wirkte. »Dann komm näher, damit ich es dir ins Ohr flüstern kann. Wir schmiegen uns aneinander, so wie früher, und ich werde dir alles erzählen, was du hören willst.«
Ana presste die Lippen aufeinander und lehnte sich ein wenig nach vorn.
Auf einmal spürte ich Celias Präsenz. Sie drückte gegen mich, und der Raum wurde vor meinen Augen blutrot.
Ich stieß die Tür auf.
Auf dem Speicher war es stickig und heiß. Grelle Farben und dichte Wirbel aus grauer Energie erfüllten den Raum. Ian und Ana sahen mich erstaunt an. Ich bemerkte eine rote Linie, so dick wie eine Pythonschlange, die von Ians Körper ausging. Anas gelber Faden schien sich von ihr wegzubewegen und sie Richtung Ian zu zerren, ob sie das wollte oder nicht.
Ich stürzte auf sie zu, packte sie an den Schultern und schubste sie zur Tür. »Lauf!«, befahl ich und warf hinter ihr die Tür ins Schloss. Dann wandte ich mich wieder Ian zu. Es war zwar sinnlos, aber ich zog trotzdem meine Pistole. Insgeheim hoffte ich, dass sich Ian auf die Bedrohung, die nun vor ihm stand, konzentrierte und so seine frühere Freundin vergaß. Celias Kraft schien etwas nachzulassen. Offenbar war das Wesen über diesen Angriff überrascht. Ich wusste, dass es sich um Ians Empfindungen handelte, aber trotzdem fand ich es unheimlich.
»Wie wäre es, wenn Sie mir jetzt einmal erzählen würden, woher Sie diese Schlüssel haben«, schlug ich vor. »Aber ich glaube, ich bleibe lieber hier. Sie sehen nicht so aus, als sollte man Ihnen allzu nahe kommen.«
Seine Augen richteten sich einen Moment lang auf meine Pistole, ehe er mich ins Visier nahm. Die Luft zwischen uns schien vor Spannung zu zittern. »Du … Du blöde Schlampe!«
»Sie scheinen diesen Ausdruck zu mögen. Jetzt sagen Sie mir schon, woher Sie die Schlüssel haben.«
»Verpiss dich.«
Ich lachte. »Wirklich einfallsreiches Vokabular, Ian. Ich vermute, dass Sie glaubten, mit einer solchen Charmeoffensive auch Ana wieder zurückzugewinnen.«
»Das habe ich auch geschafft!«
»Für mich sah das aber anders aus.«
»Ich hätte sie wiederbekommen. Sie und diese Rothaut.«
»Inder sind keine Rothäute«, stichelte ich.
»Halt’s Maul! Du hast keine Ahnung, mit wem du sprichst. Ich kann dir wehtun, ohne dich überhaupt berühren zu müssen. Und die anderen kann ich genauso auslöschen.« In seinen Augen konnte ich deutlich sehen, wie er überlegte, ob er Celia auf mich hetzen könnte, während ich die Pistole auf ihn gerichtet hatte.
»So wie Sie Mark ausgelöscht haben?«, fragte ich und hoffte, dass ihn seine Eitelkeit dazu bringen würde, mit seiner Tat zu prahlen.
Seine Stimme klang hasserfüllt. »Er hatte es nicht anders verdient! Ich wusste gar nicht, dass ich dazu in der Lage bin, aber es war so einfach. Wie konnte Cara nur auf diesen Kerl hereinfallen, der es nur vortäuschte, während ich es wirklich kann? Sie war viel zu gut für ihn!«
»Und deshalb haben Sie ihn umgebracht? Weil Mark etwas bekam, was Sie nicht haben konnten? Haben Sie ihn mit Cara zusammen gesehen? Oder sind Sie ihr heimlich in seine Wohnung gefolgt?« Auf einmal hörte ich, dass jemand den Gang zum Speicher hochschlich. Ich musste Celia ablenken, damit sie nicht auf denjenigen aufmerksam wurde, der sich dort versteckt hielt.
Ian hatte nichts bemerkt. »Sie hat sich wie eine Nutte benommen«, fuhr er fort. »Sie ließ mich abblitzen, aber ich bin ihr gefolgt. Als ich sie aus dem Haus kommen sah, wurde ich wütend, und es war ganz leicht. Er war ein Lügner und ein Hochstapler. Ich musste ihn auslöschen. Es hat sich so gut angefühlt. Als ob ich etwas kaputt gemacht hätte, was schon lange nicht mehr zu gebrauchen war. Ich wünschte mir seinen Tod, und dann war er plötzlich tot. Und genauso wird es auch dieser Schlampe und ihrem neuen Loverboy ergehen!«
Während er sich in Rage redete, tauchten Erinnerungsfetzen um ihn herum auf. Ich konnte leidende Menschen sehen, gebrochene Knochen und Blutspuren.
Die Hand, in der ich die Pistole hielt, verkrampfte sich, und ich merkte, wie ich den Abzug so fest umklammerte, dass ich Gefahr lief abzudrücken. Der Wunsch, einfach zu schießen und die Quelle dieser schrecklichen Bilder für immer auszulöschen, wurde stärker. Gleichzeitig war mir übel. Ich zwang mich dazu, nicht die Ruhe zu verlieren, und sah Ian voll zynischer Verachtung an.
Sein Blick verdüsterte sich. Sein ganzer Körper schien auf einmal in zornigen Flammen zu stehen. Das Wesen des Poltergeists gewann an Kraft, und ich spürte, wie es sich hinter mir ausbreitete. Es drängte gegen meinen Rücken und stand kurz vor dem Ausbruch. Auf einmal stank es bestialisch – nach Verwesung, Fäulnis und verbranntem Fleisch.
Trotzdem zwang ich mich dazu, Ian anzulächeln. Ich sicherte die Pistole und steckte sie ins Halfter zurück.
»Sie sind wirklich eine traurige Gestalt. Glauben Sie etwa, dass Sie mit diesem Wesen Schaden anrichten können?«, spottete ich und wies mit dem Kopf auf die Energiewolke, die sich hinter mir zusammenballte. »Dazu müssten Sie erst einmal mich beseitigen.«
Celia explodierte in dem Moment, in dem ich ins Grau flüchtete. Ich stolperte durch die Geschichte des Gebäudes, fand eine offene Tür und stürzte hindurch. Gleichzeitig hörte ich, wie jemand mit schweren Stiefeln in den Speicher kam. Es ertönten Schreie und Schüsse, die jedoch immer schwächer wurden, je tiefer ich ins Grau vordrang, um vor dem Poltergeist zu flüchten.
Er heulte wie ein Sturm, wie eine Nemesis, die sich jeden Augenblick auf mich stürzen wollte. Ich kam ins Wanken, stolperte und fiel ins Leere … nur um mit einem lauten Krachen in etwas zu landen, das wie ein Abwasserkanal stank. Ich befand mich irgendwo in einer unteren Schicht der alten Stadt Seattle. Während ich den Geisterfänger mit einer Hand festhielt, stand ich mühsam auf und lief so schnell es ging weiter, was in dem zornigen Nebel, der mich umgab, allerdings nicht ganz leicht war.
Auf einmal erwischte mich Celia und schleuderte mich gegen eine Wand im Grau. Mein Kopf prallte gegen Stein, und ich glitt in Kälte hinab. Für einen Moment fragte ich mich, was wohl passieren würde, wenn ich hier starb. Aber ich hatte nicht vor, das herauszufinden. Ich kroch mühsam davon, während das Wesen seine Kräfte sammelte.
Es versuchte immer wieder, mich zu packen oder auf mich einzuschlagen. Doch zwischendurch ließ es auch von mir ab. Vermutlich wurde Ians Aufmerksamkeit abgelenkt, denn sonst wären die Angriffe des Poltergeists bestimmt gnadenloser gewesen. So zog er sich nach jeder Attacke zurück und griff dann wieder an, offenbar ohne sich eine Taktik zu überlegen. Celia war zum Glück tatsächlich ziemlich dumm. Ich suchte verzweifelt nach einem Ausgang und ergriff die erste Gelegenheit, die sich mir bot.
Als ich einen Weg fand, der nach oben führte, zog ich mich durch ein Loch, das sich wie ein Maul mit spitzen Zähnen anfühlte. Ein eisiger Luftzug blies mir entgegen, und ich fand mich in einem Kanal mit stinkendem Wasser wieder. Es war ein alter Abfluss, was mich vermuten ließ, dass ich mich auf einer jüngeren Zeitebene befand. Hastig kletterte ich eine Eisenleiter hinauf, während Celia nach meinen Beinen schnappte. Es gelang ihr, mich zu packen und ins Wasser zu werfen. Ich ließ mich abrollen, um den Aufprall abzuschwächen.
Der gelbrote Wirbelsturm wurde auf einmal schwächer. Er schien auch nicht mehr so groß und raumgreifend zu sein wie zuvor. Offenbar verlor Celia mit jedem Angriff an Kraft. Trotzdem war sie noch immer mächtig genug, um mich zu töten, wenn sie nur die Chance dazu erhielt. Bis dahin würde sie wahrscheinlich versuchen, mit jeder Attacke einen Teil meiner Energie in sich aufzusaugen. Ich hielt die Destillierblase in ihre Richtung und rannte auf sie zu, in der Hoffnung, sie zu fangen. Doch der Poltergeist wich mir aus und verschwand in einer anderen Zeitschicht.
Ich nutzte die Gelegenheit und kletterte zur Oberfläche, wo ich durch einen Kanaldeckel hinaus auf die Straße gelangte.
Dort musste ich erst einmal einem Bierwagen ausweichen. Ich sprang auf den Bürgersteig und geriet in eine Gruppe Geister, die einmal vor langer Zeit hier entlanggelaufen waren. Als sie durch mich hindurchströmten, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, und die Knie wurden mir weich. Zum Glück war der Poltergeist noch nicht aufgetaucht.
Ich hielt mich auf den Beinen und rang nach Luft. Hastig schaute ich mich um, ob es irgendwelche Anzeichen dafür gab, in welcher Zeit oder wo ich mich befand. Ich kannte den Ort nicht. Zu meiner Rechten erhob sich ein hohes Gebäude, und unter mir war ein steiler Hügel, auf dem eine schmale Gasse mit hohen viktorianischen Reihenhäusern entlanglief. Die Szenerie erinnerte mich eher an San Francisco als an Seattle.
Ich betrachtete das große Gebäude neben mir, das auf der Spitze des Hügels stand. Es war gewaltig, fünf oder sechs Stockwerke hoch mit Giebeldächern und kleinen Seitentürmchen. In der Mitte befanden sich eine Art Glockenturm und ein Schild …
Celia warf sich mit voller Wucht von hinten gegen mich. Doch da es nichts gab, wogegen sie mich hätte schleudern können, flog ich einfach nach vorn. Ich duckte mich, so gut es ging, um den wertvollen Geisterfänger zu schützen, und rollte dann geschickt auf der Straße ab. Ich war direkt neben dem geheimnisvollen Gebäude gelandet, das sich so fest und hart anfühlte, als ob ich wieder in der normalen Welt wäre. Mühsam öffnete ich die Augen und stellte zu meiner Erleichterung fest, dass das Glasbehältnis noch immer ganz war.
Jetzt konnte ich das Schild lesen. Washington Hotel. Ich hatte noch nie von einem solchen Hotel in Seattle gehört, und auch die Ecke, an der ich gelandet war, kam mir nicht bekannt vor. Hier blickte das Hotel über den Sound. An dem Eckpfeiler, der sich in der Nähe meines Kopfes befand, war eine Liste mit Namen angebracht, unter denen auch ein gewisser Arthur Denny zu finden war.
Ich schüttelte mich und stand mühsam auf. Meine Knie fühlten sich an wie aus Wachs. Das hier war das alte Denny-Hotel. Auf Denny Hill. Dem Hügel, der durch R. H. Thompson zu Beginn des 20. Jahrhunderts abgetragen worden war.
Jetzt wusste ich zumindest, wo ich war, und zwar auf der Pacific Place Mall – irgendwo tief in der geschichtslosen Erde unter mir. Ich wusste außerdem, wie ich dem Poltergeist eine Falle stellen und ihn fangen konnte. Auf wackeligen Beinen lief ich den Geisterhügel hinunter und tastete nach einer Lücke im Zeitsediment. In diesem Moment hörte ich, wie Celia brüllend auf mich zuraste.
Der Rand einer Zeitschicht flatterte unter meinen Fingern. Ich drang durch die messerscharfen Erinnerungsebenen hindurch, schob und stieß, um endlich im harschen Licht meiner eigenen Zeit zu stehen. Als sie sich plötzlich wie ein aufsteigender Raubvogel vor mir zeigte, stürzte ich mich darauf und flog gemeinsam mit ihr durch das Grau, bis ich wieder in der normalen Welt war.
Ich fiel einen halben Meter aus der Luft herab und landete auf harten Betonstufen. Die Destillierblase blieb zum Glück ganz, doch dafür litten meine Glieder. In meinem linken Knie und meiner Schulter gab etwas nach, als ich auf den obersten Stufen der Transit-Station des Einkaufszentrums aufschlug. Ein abgerissener Typ mit Skateboard und Dreitagebart fasste mich am rechten Ellenbogen und half mir beim Aufstehen.
»Oh, Mann, das sah aber schmerzhaft aus. Alles in Ordnung, Lady?«
»Ja, danke«, keuchte ich.
Ich lief weiter, ehe er mir irgendwelche Fragen stellen konnte. Bei jedem Schritt verspürte ich einen Stich im linken Knie, sodass ich mich recht langsam auf die Ecke Seventh und Pine Avenue zu bewegte, die zwei Blocks westlich von hier lag.
Es war sechzehn Uhr an einem Samstagnachmittag. Auf den Straßen herrschte dichter Verkehr, der jedoch langsam genug fuhr, dass ich mühelos zwischen den Autos hindurch auf die andere Seite gelangen konnte. Die ganze Zeit über konnte ich Celia spüren, wie sie gegen meinen Rücken drängte. Zum Glück schien sie ebenso müde zu sein wie ich. Es gelang mir, ihr stets ein paar Schritte voraus zu sein. Schließlich hatte ich auch mehr zu verlieren.
Ein Buchhändler von Barnes & Noble rief mir hinterher, als ich zu schnell durch den Laden rannte. Ich ließ mich nicht aufhalten, sondern stürzte die Rolltreppe hinunter. Hätte ich ihm etwa erklären sollen, dass keine Zeit zu verlieren war, wenn ich die nächsten Minuten überleben wollte? Atemlos rannte ich ins Kellergeschoss hinunter, wo man keine Handysignale mehr empfangen konnte und sich die Science-Fiction-Bücher mit den Romanzen die Regale teilen mussten.
Ein blasses Mädchen mit langen, strähnigen Haaren hockte dort auf dem Boden und las die englische Übersetzung eines japanischen Manga. Ich blieb neben einem Regal stehen. Es zitterte plötzlich und begann gefährlich zu wackeln. Meine Brust hob und senkte sich, während sich mein Hals so anfühlte, als ob mir die Zunge herausgerissen worden wäre. Hier gab es keine Zeitebenen, in denen sich Celia verstecken konnte. Sie befand sich nun auf meinem Territorium und musste sich direkt auf mich zu bewegen.
Plötzlich wirbelte der heiße, gelbe Energieknoten um die Ecke und knallte mit voller Wucht gegen das Regal. Ich hatte keine Kraft mehr, um ihn zurückzuhalten, sondern richtete nur noch den offenen Hals des silbernen Gefäßes in seine Richtung.
Der Geist raste auf mich zu. Hastig kippte ich die Destillierblase und schaffte es so, ein Stück der Energiemasse in dem Behältnis zu fassen. Das Wesen traf mich mit voller Wucht an der Seite, als es wie wild hin und her zu schlagen begann – wie ein Blatt, das in einem Wirbelsturm gefangen war. Auf einmal wurde es in die Flasche gesogen. Ich riss den Gummistöpsel aus meiner Hosentasche und stopfte ihn in die Öffnung.
Dann ließ ich mich auf den Boden sinken. Zutiefst erschöpft lehnte ich mich gegen das Regal. Mehrere Bücher fielen auf mich herab. Das Mädchen mit dem Manga starrte mich fassungslos an.
»Was ist los?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. Auf einmal hörte ich hinter mir eine Stimme. »Miss, ich muss Sie leider bitten, unser Geschäft zu verlassen.«
Als ich aufblickte, sah ich in das glatt rasierte Gesicht eines Wachmanns.
»Einverstanden«, sagte ich. »Ich wollte sowieso gerade gehen. Können Sie mir bitte aufhelfen?«
Meine Reaktion schien ihn zu verunsichern. Er streckte eine Hand aus und zog mich hoch. Dann musterte er mich von oben bis unten. »Was … Was ist mit Ihnen?«, fragte er, während er mich zum Ausgang führte.
Ich hinkte, und das verletzte Knie und die geprellte Schulter pochten. »Ich wurde angefahren«, improvisierte ich. Schließlich hatte ich nicht vor, ihm von einem künstlichen Poltergeist zu erzählen.
Seine Miene verwandelte sich mit einem Schlag. Er sah mich entsetzt an. »Oh mein Gott! Wollen Sie sich nicht setzen?«
»Nein, ist schon in Ordnung. Bringen Sie mich einfach nur hinaus.«
Er führte mich bis in die Säulenhalle des Einkaufszentrums. Als ich auf die Pine Street hinaustrat, sah ich, wie ein schmutziger Mann mit einem handgeschriebenen Schild den Verkehr zu regeln versuchte, um so die Autofahrer auf sich aufmerksam zu machen. An einer Ecke spielten zwei Leute Jazz auf einer elektronischen Geige und einem Saxophon, während ihnen eine grinsende Bulldogge gespannt lauschte.
Poltergeist
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