KAPITEL 36
Sofia war wütend. Immer wieder hatten Hasdrubal und Charon abgelenkt gewirkt oder waren zusammengezuckt. Wie war es möglich, zwei erwachsene Vampire dermaßen aus der Fassung zu bringen?„Was ist los?“
„Nichts!“ Hasdrubals Antwort kam Charons zuvor.
Sofia nickte, obwohl sie verärgert war und sich ausgeschlossen fühlte. Irgendetwas verschwieg ihr der Karthager.
„Zumindest nichts Wichtiges!“ Charon hatte Sofias Missmut bemerkt und versuchte sie zu beschwichtigen. Durch seine Rücksicht fühlte sie sich seltsam beschwichtigt.
Hasdrubal war dankbar für die kurze Pause, die ihm Charons Worte verschafft hatten. Wenn sein Plan funktionieren sollte, musste er Maeve rasch finden – vor Xylos. Und du musst verhindern, dass Sofia und Edward Verdacht schöpfen. Besser, sie mit der Suche nach Joel zu beschäftigen!
„Nur Xylos und Fee!“, behauptete er deswegen und ärgerte sich über Sofias Blick, der Bestätigung bei Charon suchte. Der andere Vampir zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung, wer die Frau dort oben war, oder wie sie hieß.
Sofia nickte. Plötzlich hatte sie eine sehr deutliche Vorstellung davon, was die beiden Vampire gehört hatten und was sie abgelenkt hatte. Sie war mit einem Mal sehr dankbar dafür, noch nicht über die Fähigkeiten der Alten zu verfügen.
„Maeve wollte, dass du beim Orakel zu ihr stößt – du wüsstest schon wo.“
Hasdrubal nickte stumm. Maeves Plan spielte seinem in die Hände.
„Wir, Edward und ich, sollen Joel helfen oder geschichtliche Spurensuche zu Lilith betreiben!“
Großartig! Der Karthager konnte nur mit Mühe ein Lächeln unterdrücken.
„Und der Rest von uns wartet hier?“
„Nein!“ Charons Lächeln hatte jegliche Freundlichkeit verloren und unterstützte seine autoritären Worte: „Mit dem Rest habe ich andere Pläne!“
„Du?“ Hasdrubal grinste herablassend.
„Ich! Maeve hat mich zum stellvertretenden Leiter der Schatten ernannt!“ Sofia konnte die Genugtuung und den Triumph in Charons Stimme hören. „Es sind einfach zu viele Feinde unterwegs. Bekannte und Unbekannte.“
Sofia, die sich nicht sicher war, ob Charon mit seiner Provokation Hasdrubal meinte oder sich selbst, beobachtete, wie die beiden alten Vampire ein stummes Duell miteinander austrugen. Schließlich nickte Hasdrubal. „Gut! Es ist deine Entscheidung – und deine Verantwortung!“
Er wandte sich zum Gehen, stoppte jedoch an der Tür.
„Was ist mit dir, Sofia?“
„Was soll mit mir sein?!“, konterte sie. Ihre Antwort lief auf Automatik.
„Glaubst du, Joel kommt her, um dich abzuholen?! – Oder Lilith?!“ Hasdrubal kämpfte darum, nicht zu gezwungen zu wirken. Wenn Sofia begriff, dass er sie absichtlich von neuen Informationen weglocken wollte, würde er genau das Gegenteil erreichen.
„Ich wollte noch mit Xylos reden!“, gab die Vampirin zu und brachte den Karthager mit diesem Geständnis in Bredouille. Auf keinen Fall durfte er warten, bis Xylos nach Jennifer Schreiner Honigblut unten kam. Selbst, wenn der Callboy sich nicht als Bewacher an Maeves Fersen heftete und Hasdrubals Plan durchkreuzte, so würde er – was auch immer der Vampir der Liebe zu erzählen hatte – Sofias Verdacht mehr Nahrung geben. Genug, um die Königin zu warnen.
„Und ich mit dir!“, meinte Hasdrubal aus diesem Grund und wusste bei dem Anblick ihres Gesichtsausdrucks sogleich, dass die Vampirin angebissen hatte. Typisch Frau hatte sie geahnt, dass zwischen dem Schatten und der Königin etwas vor sich ging und hoffte nun, mehr zu erfahren.
„Gibt es Geheimnisse?“, mischte sich Charon ein.
„Nein! Nur ein Privatleben!“, fauchte der Karthager im Fortgehen und unterstützte damit Sofias Gedankengang. Genug, um sie von Xylos abzulenken, denn sie folgte Hasdrubal unter Charons nachdenklichen Blicken. Jennifer Schreiner Honigblut