KAPITEL 12
Gut gelaunt durchstreifte Xylos die Nacht.Melanie war dazu geschaffen, ihm zu gehören. Einzigartig und verlockend. Eine exquisite Bereicherung seiner Lustspiele. Wenn es dir nur gelingen würde, einen Zugang zu ihr zu finden und sie so weit zu zähmen, dass du ihr vertrauen könntest! Immer noch konnte er ihren Geschmack auf seiner Zunge spüren. Ihr Blut in seinen Adern, in all seinen Zellen. Sie verlieh ihm Leben.
Es war unglaublich gewesen. Einfacher, schlichter Sex. Unglaublich. Was denke ich hier eigentlich? Xylos stoppte entgeistert. Doch ihr Geschmack war immer noch da, eindringlich, und erinnerte ihn intensiver an sie, als ihm lieb war.
Er fluchte leise und schreckte ein Pärchen auf, welches an ihm vorüberging.
Er versuchte sich zu konzentrieren und rief sich absichtlich Melanies Erscheinung ins Gedächtnis. Ihre seidenweichen Haare, deren Duft und das Gefühl der schweren, wolkigen Masse auf seinem Körper. Ihre Haut, erst warm und sterblich, später einen Hauch kühler, bis sie zuletzt kalt geworden war, bevor er sein Geschöpf in einen Schlaf versetzt hatte, damit der Hunger sie nicht erneut übermannte.
Ihre Fingernägel, sorgfältig geschnitten und ohne Nagellack. Wann hast du das letzte Mal Nägel ohne Lack gesehen? Xylos lachte leise in sich hinein. Sicherlich nicht mehr, seit er erfunden worden war. Er dachte darüber nach und entschied sich für sehr lange. Denn selbst vor dem modernen Lack hatte es Färbevarianten gegeben, die bei Henna erst anfingen.
Die Präsenz eines anderen Vampirs kam plötzlich, beinahe erdrückend über ihn, und noch während er sich umsah, konnte er das Vergehen des anderen spüren. Xylos beschleunigte seine Schritte, verschmolz mit der Dunkelheit und suchte den Ursprung der Aura. Bilder formten sich vor seinem inneren Auge, ein übergroßer Kummer und eine Verzweiflung, die kein lebendes Wesen jemals würde spüren können.
Die brennende Fackel, die vor Sekunden noch ein Vampir gewesen war, fiel ihm nahezu vor die Füße.
Xylos blinzelte verwirrt. Die Situation war eindeutig. Der Selbstmord eines jungen Vampirs. Nur Selbstmord brachte einen Vampir dazu, fröhlich flackernd vor die Hunde zu gehen und eine kurze Karriere als Grillanzünder zu starten.
Er sah nach oben und spielte mit dem Gedanken, die Hintergründe der Tat zu erforschen.
„Haben Sie das gesehen?“ Die besorgte menschliche Stimme war Musik in seinen Ohren.
Er drehte sich um und starrte auf den jungen Mann, der immer noch in die Finsternis des Himmels starrte, als erwarte er eine weitere, kurze Fackelflugbahn zu erleben.
„Nein, habe ich nicht!“, log Xylos, bevor er dem Hunger nachgab und sein erstes Opfer wählte. Jennifer Schreiner Honigblut