KAPITEL 24

„Versprich mir, dass du sie nicht tötest!“

 

„Hallo, Sofia!“ Joels Stimme enthielt einen deutlichen Tadel, der sich nicht auf die mangelhafte Begrüßung bezog, sondern auf die implizierte Unterstellung.

 

Edward verzog die Lippen und enthielt sich jeglichen Kommentars, während er dem Telefonat zuhörte. Er wusste, dass der Schwärzeste aller Schatten niemals eine Frau töten würde – doch vielleicht tat es Joel gut, wenn ihm jemand, jemand, den er mochte, vor Augen führte, dass dieses Wissen nicht offensichtlich war.

 

„Versprich es!“, wiederholte die Vampirin ihre Aufforderung.

 

Joel seufzte. „Ich verspreche dir, dass ich Magnus‘ Tochter nicht töten werde!“

 

„Und du wirst ihr nichts tun?“, hakte Sofia nach. Beinahe tat der Führer der Schatten Edward leid.

 

„Das kann ich dir nicht versprechen!“ Joel klang ernst. „Du weißt, dass das Elixier wichtig ist. Maeve braucht es, um die Frauen aus den Ketten zu befreien!“

 

Edward konnte spüren, wie sich Sofias Stimmung verdüsterte. Wahrscheinlich dachte sie daran, wie sie in das Netz der Vampire geraten war, und stellte sich eine ahnungslose junge Frau vor, die sich bald mit einem furchteinflößenden, zielstrebigen Vampir konfrontiert sehen würde.

 

„Keine Folter!“, schränkte sie ein. Sie konnte sich vorstellen, welche Befugnisse der noch von der Hexe Morna ausgesprochene Suchauftrag mit sich brachte.

 

„Ich foltere keine Frauen.“ Joel klang beleidigt.

 

„Aber Tiere, Kinder und Männer?“ Selbst Edward zuckte bei Sofias scharfem Konter zusammen.

 

„Ich bin kein Freund von Folter.“ Joels Stimme wurde sanft, als würde er erraten, was in der jungen Vampirin vorging.

 

„Das heißt nicht, dass du sie nicht benutzen würdest“, beharrte Sofia.

 

Edward konnte Joels Überlegung beinahe hören, so angestrengt lauschte er.

 

„Ich werde ihr keinen irreversiblen Schaden zufügen“, rang sich der Anführer der Schatten als Zugeständnis ab.

 

„Du hast deine Kette noch!“

 

Edward starrte Sofia an, als sie den beiden Vampiren offenbarte, um was es ihr tatsächlich ging.

 

„Ich habe sie noch nie benutzt!“

 

„Siehe Folter!“ Sofia grinste gequält.

 

Joel schwieg so lange, dass Edward glaubte, der Vampir würde gar nicht mehr antworten. Schließlich meinte er: „Wieso sollte ich sie benutzen?“

 

„Weil du es kannst? Weil du dich in das Mädchen verliebst? Ich habe keine Ahnung warum“, gab Sofia zu. Nachdenklich sog sie ihre Unterlippe zwischen die Zähne. Eine unbewusste, sehr sinnliche Geste, die Edward verlockte, ebenfalls von ihrem Mund zu kosten. „Ich denke, Magnus spielt mit uns. Immer noch. Ich mag es nicht, wenn man mit mir spielt.“

 

Edward ging die genannten Optionen durch und fragte sich, ob Sofia tatsächlich glaubte, Joel könnte sich verlieben. Der ruhige, ausgeglichene Vampir, der sich nie für Liebe oder körperliche Zweisamkeit interessiert hatte. Was ist nötig, um ausgerechnet Jennifer Schreiner Honigblut ihn dazu zu bringen, eine junge Frau in einer Kette gefangen zu nehmen und sie so für die Ewigkeit an sich zu binden?

 

„Ich werde mich an deine Warnung erinnern!“, versprach Joel, dem ähnliches durch den Kopf gegangen sein musste.

 

„Ich will nicht, dass sie in eine ähnliche Situation gerät wie ich“, Sofias Stimme war eindringlich.

 

„Ich bin kein schlechter Mensch, Sofia!“

 

„ICH weiß das!“ So, wie sie es betonte, ließ sie keinen Zweifel daran, dass die meisten anderen Vampire – oder Menschen – ihm widersprechen würden.

 

Trotzdem schien sie mit Joels Reaktion zufrieden zu sein, denn sie las ihm die Liste von Magnus Grundbesitz vor. Jennifer Schreiner Honigblut