Prolog

Die Macht des Feuers, die unfassbare Qual und das Wissen, es nicht mehr verhindern zu können, schwächten Christopher. Nur mit Mühe hielt er seine Wut zurück, als er die gebeugte Gestalt neben Sanctifer entdeckte – allein das Jadegrün seiner Augen verriet den Zorn in ihm.

»Ich habe früher mit dir gerechnet. Anscheinend ist euer Band nicht so stark, wie ich dachte«, stichelte Sanctifer.

Christophers Hand suchte seine Waffe, doch er bezwang den Wunsch, Sanctifer anzugreifen. Er war nicht gekommen, um sich provozieren zu lassen.

»Was willst du von mir?«

»Was ich will? Glaubst du, ich kann nicht mehr erkennen, was in dir vorgeht?« Sanctifers Mundwinkel zuckten belustigt. »In deinen Augen brennt eine Glut, die ich lange vermisst habe. Auch wenn es dir bisher gelungen ist, deine Gefühle unter Kontrolle zu halten, bei unserer letzten Zusammenkunft konnte nicht nur ich sehen, welche gefahrvollen Kräfte in dir schlummern.«

»Ich habe sie nie verheimlicht.«

»Aber auch nur wenigen offenbart – was dich quälen muss.«

Christopher schwieg. Allein dadurch war es ihm möglich, Zuflucht im Schloss zu finden.

»Bei mir bräuchtest du dich nicht zu verstellen«, fuhr Sanctifer fort. »Nicht nur mein Einfluss im Dogenpalast ist gewachsen, seitdem du deine Verpflichtung gebrochen hast – und sobald du das erkennst, wirst du wieder zu mir zurückkehren.«

»Niemals werde ich so sein wie du.«

»Bist du sicher?! Hat nicht ein Teil in dir sich gewünscht, dass ich deinen Freund töte, bevor das Urteil feststand? Damit du die Erlaubnis hast, mich zu jagen?«

»Ich war nicht lange genug dein Schüler, um ein Leben zu opfern.«

»Nein?« Sanctifers Blick wanderte zu seinem Gefangenen. »Dann hättest du früher hier sein müssen. Ehe der Tag beginnt, wird er ebenso tot sein wie das Mädchen, das du beschützen solltest. Dir hingegen gebe ich noch ein wenig Zeit. Aber warte nicht zu lange – es sei denn, du genießt es, Leid mitanzusehen.«

Christopher zögerte nicht länger, als ein heißer Feuerschwall den geschundenen Körper emporloderte. Bevor ihn der Schmerz seines Freundes erreichte, zückte er sein Schwert und griff an. Sanctifer hatte schon zu viel Unheil in dieser Nacht heraufbeschworen. Susan durfte ihm nicht auch noch in die Hände fallen. Ihre Prophezeiung musste bewahrt werden. Wenn sie starb, würde Sanctifers Einfluss unberechenbar.

Doch sein Gegner war vorbereitet, noch ehe Christophers Schwert ihn gefährden konnte. Mit einem gleißenden Feuerball erhellte Sanctifer die Dunkelheit und ließ den zornigen Engel allein mit seinem sterbenden Freund zurück.

Christopher fühlte, wie auch Susans Leben erlosch: spürte das eisige Wasser, das ihren Körper umschloss und unter die gefrorene Eisfläche zog. Hörte, wie sie verzweifelt um sich schlug und versuchte, dem Sog zu entkommen. Wie sie dagegen ankämpfte zu atmen und dennoch das kalte Wasser in ihre Lungen drang, bis er ihr Entsetzen erlebte in dem Augenblick, als sie erkannte, dass sie starb.

Trauer und unbändige Wut flammten in Christopher auf. Er hatte versagt! Sanctifer hatte in dieser Nacht beide getötet. Und er hätte sie beschützen müssen! Was sollte ihn nun noch davor bewahren, Sanctifers Macht zu widerstehen?