28 Osteomyelitis ist eine Entzündung von Knochen und Knochenmark.

29 Neutrophil ist die wichtigste Form der phagozytischen Leukozyten im Blut. Leukozyten spielen eine wesentliche Rolle im Immunsystem des Körpers.

30 Zahlreiche Fallstudien über Schädigung durch elektromagnetische Strahlung können im Internet gefunden werden. Der hier berichtete Fall wurde leicht verändert dargestellt, aber der Kern der tragischen Geschichte ist wahr.

9. Schwenks und Umwege


Die Frau legt den Hörer auf. Sie ist erleichtert, dass sie nach so langer Zeit des Schweigens endlich ihre Geschichte losgeworden ist. Es ist ungefähr zehn Jahre her, dass sie bei einer Konferenz über Elektrosmog die Geschichte ihrer beiden Enkeltöchter erzählt hat, an denen Hypogammaglobulinämie diagnostiziert worden war, eine seltene Immunschwäche. Ihr Fall hat unzählige Fragen aufgeworfen. Aber kurz nach der Konferenz in Colorado ist das Interesse daran erstorben, gestorben ist auch eine der Enkelinnen.


Die Ärzte haben gesagt, dass Kinder Leukämie bekommen könnten – oder Lymphdrüsenkrebs, Magen- oder Darmkrebs. Krankheiten, die in ihrer Familie jedoch noch nie vorgekommen waren. Sie litten an Asthma, chronischen Nebenhöhlen- und Mittelohrentzündungen und an Allergien. Die Ärzte schlossen die Möglichkeit einer Elektrosmog-Vergiftung aus, also ergriff die Familie selbst Maßnahmen. Sie schränkten die Besuche der Kinder bei den Großeltern, die weniger als hundert Meter von einer Hochspannungsleitung entfernt wohnten, stark ein. Und sie rückten die Betten der Kinder weg von der Wand, in der sich die Stromleitungen befanden.

Auf sich alleine gestellt mit ihren Fragen, kaufte die Großmutter zwei gesunde Meerschweinchen und stellte den Käfig an die Wand mit den Stromleitungen. Das eine Tier bekam Atemprobleme und eine schwere Form von Osteomyelitis28, die mit Antibiotika behandelt wurde. Beide Meerschweinchen bekamen hypersegmentiertes Neutrophil29 und nach wenigen Wochen starb das andere Tier an Epicarditis. Bei einem dritten Tier war das Ende ebenso bedrückend: Es starb an Lungenentzündung. Der Käfig eines vierten Tieres wurde an eine andere Wand gestellt – es blieb gesund.


Die Frau stellt sich die Frage, ob für die Unternehmen in der Stromversorgung, in Telekommunikation und Elektronikindustrie die Menschen die Rolle der Meerschweinchen übernommen haben30 …


14. März 2014

Perth, Westaustralien

Alan versucht, das beklemmende Gefühl zu ignorieren. Er ist jetzt seit zwei Jahren mit Mandi zusammen und nie hat er ihre Privatsphäre missachtet. Nie zuvor hat er in ihren Sachen gestöbert und es ist ihm nicht wohl dabei, wenn er es jetzt tut. Aber er beruhigt sich mit dem Gedanken, dass es nur zu ihrem Besten ist.

Er sieht sich in der Wohnung um – »wohnlich« und »gemütlich« sind die Worte, mit denen Mandi ihren Wohnstil zu beschreiben pflegt. »Voll gestopft« und »chaotisch« hat er es immer genannt.

Wenn Alan jetzt aber ihre Unterlagen durchsieht, erkennt er, dass Mandis Sichtweise doch die zutreffendere ist. Ihre Wohnung ist zwar voll geräumt mit Stapeln von Büchern und Artikeln, aber diese Stapel sind akribisch genau organisiert. Die Dokumentstapel, die Alan planlos angehäuft vorkamen, sind in Wirklichkeit das Ergebnis von gründlicher, wohl organisierter Forschungsarbeit.

»Vielleicht sind wir beide doch nicht so verschieden, wie ich dachte«, murmelt Alan. Alan und Mandi haben Probleme mit ihrer Beziehung, seit Mandi im Jänner aus Indonesien zurückgekehrt ist. Alan findet, dass die Ursache dafür eher bei Mandi zu suchen ist. Bei ihrer Rückkehr war sie launisch und gereizt. Er findet auch, dass sie zu wenig Zeit für ihn hat. Sie verbringt mehr Zeit damit, elektromagnetische Felder zu erforschen als mögliche anziehende Kraftfelder zwischen ihnen beiden.


Singapur war fantastisch für sie beide, aber dann kam Great Barrier Island und anschließend Indonesien. Alan mag die Leute, die für SR Inc. arbeiten, recht gerne, aber irgendetwas an ihnen ist eigenartig. Alan weiß nicht so recht, warum, aber es kommt ihm vor, sie verbergen etwas. Für ihn hat es den Anschein, als ob sie alle etwa Gemeinsames hätten, von dem Mandi und er ausgeschlossen sind. Immer, wenn er das gegenüber Mandi anspricht, nimmt sie SR Inc. in Schutz. Zuerst hat sie noch mit ihm diskutiert, aber dann hörte sie auf, mit ihm über die Leute zu sprechen. Das heißt aber nicht, dass deswegen Alan aufgehört hat, über sie nachzudenken oder eigene Nachforschungen anzustellen …

Als Mandi von Indonesien nach Australien zurückgekehrt ist, hatte Alan sie wieder gesund gepflegt. Sie war komplett erschöpft von ihrem Dschungelmarsch. Zuerst hat Alan gedacht, sie hätte Malaria oder Denguefieber bekommen. Sie war krank, abgemagert und schlief ständig. Es half ein wenig, dass sie Vitamine nahm, aber sie wurde nicht so gesund, wie sie es vor Indonesien gewesen war.

Alan zieht die oberste Schublade von Mandis Schreibtisch auf und kramt einen mit einem Gummiband zusammengehaltenen Stapel Visitenkarten hervor. Er beginnt ihn durchzublättern.

Wenn er ehrlich zu sich selbst ist, weiß Alan, dass die Spannungen zwischen ihnen nicht nur an Mandi liegen. Mandi hat immer viel Zeit mit ihrer Arbeit verbracht – das ist nichts Neues. Mandis Anspruch an sich selbst war schon immer höher als der ihrer Kollegen. Wahrscheinlich ist das ein Grund, warum ihre Dienste so gefragt sind. Ihre konzentrierte Hingabe und ihr großes Engagement haben Alan von Anfang an beeindruckt und das hat sich nicht geändert. Aber was hat sich denn dann geändert?

Alan weiß, dass er sich seit Mandis Rückkehr verändert hat. Er ist mit den Nerven fertig und fühlt sich gefangen. Auch wenn er es immer wieder versucht, er bringt keine Geduld dafür auf, zuhause zu bleiben und Filme im Fernsehen anzusehen, was inzwischen abendliche Routine bei ihnen geworden ist. Mandi will ruhige Abende zuhause verbringen, aber Alan will ausgehen und das Nachtleben von Perth entdecken. Mandi will über ihre Forschung und über seine Projekte sprechen. Aber Alan will nicht über den Tagesverlauf reden – ihn interessiert mehr, welchen Nachtklub sie besuchen sollen. Mandi hat mit ihm gescherzt und gemeint, sie hätten eine »Nightlife-Krise«. Alan hat darüber gelacht, aber vielleicht ist sie mit ihrer Bemerkung nicht so weit von der Wirklichkeit entfernt. Ausgehen war früher keine typische Beschäftigung von Alan, aber seit kurzem ist sie das.

Wenn es zu einer Midlifecrisis gehört, sich in eine jüngere Frau zu verlieben, dann durchlebt er vielleicht wirklich so eine Krise. Alan denkt an Rebecca, eine junge Frau, die er kennen gelernt hat, als er ohne Mandi durch Neuseeland gereist ist. Mandi war von Great Barrier Island nach Indonesien geflogen, um ihren Consulting-Auftrag zu erfüllen. Alan war unterdessen unterwegs, um Neuseeland zu entdecken. Dabei hat er Rebecca entdeckt.

Mit Rebecca war alles so einfach. Sie hatten Spaß. Es gab keine Sorgen und keine Probleme. Ihre Gespräche waren ohne schwierige Themen – sie waren einfach unterhaltsam. Und jeden Tag erlebten sie neue »Höhepunkte«: Segeln, Wildwasserrafting und anderes. Die Nächte waren ausgefüllt mit Lokalbesuchen und Partys. Mit Rebecca gab es weder Eintönigkeit noch Mühsal oder Routine. Mit ihr schien ein neues, ein frisches Leben möglich.

Alans Freunde fragten ihn, ob er in Rebecca echt verliebt oder ob es nur die Sorglosigkeit einer Urlaubsliebschaft sei. Er hat ihre Bemerkungen abgeschüttelt und sie eingeladen, ihn in Neuseeland zu besuchen – er plane eine baldige Rückkehr, um wieder mit Rebecca zusammen zu sein.


Heute jedoch, während er Mandis Sachen durchwühlt, muss er daran denken, was seine Freunde gesagt haben. Er hat einen Flug nach Neuseeland in nur zwei Wochen gebucht. Er hat Rebecca gesagt, er müsse zuerst sein Leben in Australien ordnen, bevor er mit ihr zusammenleben könne. Hat er überhaupt noch die Möglichkeit, es sich anders zu überlegen? Wäre die Situation heute eine andere, wenn er mit Mandi nicht gebrochen hätte? Könnte der zusätzliche Stress Mandis kürzliche Fehlgeburt mitverursacht haben?

Der Abend, den Alan dafür ausersehen hatte, mit Mandi Schluss zu machen, war derselbe Abend, an dem Mandi ihm von ihrer Schwangerschaft erzählte. Am Vormittag hatte sie ihm gesagt, dass sie großartige Neuigkeiten hätte, die es zu feiern gelte. Im Verlauf des Tages wurde Alan die Vorstellung, dass er in einem netten Restaurant mit ihr Schluss machen würde, immer unangenehmer. Schließlich sagte er das Abendessen in letzter Minute ab. Mandi machte das aber gar nichts aus, denn sie wollte sowieso lieber etwas von ihrem Lieblingschinesen holen. Sie würde das Essen auf dem Weg von der Arbeit nach Hause mitnehmen.

Mandis Schwangerschaft erklärte eine Menge – ihre Mattigkeit und ihr Kränkeln über die letzten zweieinhalb Monate. Aber sie erklärte nicht Alans Verhalten und seine geänderte Einstellung gegenüber Mandi.


Alan war so begierig darauf, mit Mandi zu brechen, dass er beinahe damit hinausplatzte, sobald sie ihre Wohnung betreten hatte. Er hatte erwartet, dass sie weinen würde, aber das tat sie nicht. Sie schien irgendwie abzuschalten, zuzumachen. Dieser Rückzug erwischte ihn unvorbereitet, er ließ ihn im Schweigen zurück und gab ihm Zeit nachzudenken. Erst da bemerkte er, dass er gar nicht nach ihren guten Neuigkeiten gefragt hatte. Er war so nervös gewesen, dass er ganz vergessen hatte, dass Mandi ja ihre eigenen Gründe gehabt hatte, mit ihm essen zu wollen. In diesem Moment erzählte sie ihm, dass sie schwanger war. Und in diesem Moment forderte sie ihn auf zu gehen.

Nach diesem Abend hat Mandi kein einziges Mal mehr irgendetwas von Alan erbeten. Bei den sehr seltenen Gelegenheiten, bei denen er sie abends mit ihren Freundinnen sah, erwiderte sie seinen Gruß mit einem leichten Kopfnicken oder einem knappen Winken. Wenn er sie anrief und sich nach ihrem Befinden erkundigte, war sie höflich, lehnte es aber ab, dass er ihr etwas zu essen brachte. Was sie allerdings annahm, war das Angebot einer Reinigungskraft einmal in der Woche, denn sie fühlte sich sehr erschöpft.

Alan hat den Schlüssel zu Mandis Wohnung noch nicht zurückgegeben und sie hat nicht danach gefragt. Hat sie ihn vergessen oder dachte sie doch noch an die Möglichkeit, dass sie irgendwann wieder zusammenfinden würden? Wenn Mandi wollte, dass er zurückkommt, würde er ohne zu zögern zu ihr zurückgehen? Oder hätte er das Gefühl, dann in Neuseeland etwas zu verpassen? Noch im Dezember hätte Alan die Antwort auf diese Fragen gewusst – er wäre zu Mandi zurückgerannt. Aber jetzt, nur drei Monate später, scheint er nicht mehr fähig zu sein, eine Entscheidung zu treffen. Dafür verachtet er sich selbst. Wie lange dauert eigentlich so eine Midlifecrisis …?


Alan schreckt hoch, als er draußen jemanden an der Tür hantieren hört. Er läuft durch den Flur zur Tür und stößt sie auf. Niemand ist da. Am Türgriff baumelt eine Plastiktüte mit Werbematerial.

Alan hat gehofft, Mandi würde zurückkommen. Von daher, wo sie die letzten Tage verbracht hat. Wenn sie es gewesen wäre, hätte er ihr sagen können, was er fühlt – wie Leid es ihm tut, dass sie das Baby verloren hat.

Als Mandi ihm von der Fehlgeburt erzählte, tat sie das aus einem Gefühl der Verpflichtung ihm gegenüber, aber nicht, weil sie sein Mitleid wollte. Das Kind war genauso gut seines, wie es ihres war, und er hatte ein Recht darauf, es zu erfahren. Sie erzählte von der Fehlgeburt und deutete dann an, dass sie wisse, wodurch sie verursacht worden war. Alan glaubt, dass sie die Dschungelanlage gemeint hat. Und das ist der Grund, warum er heute hier in ihrer Wohnung ist und ihre Sachen durchwühlt. Er sucht nach der Nummer von SR Inc. Vielleicht ist sie ja in Neuseeland und besucht Marcus und Maria? Wenigstens hofft er, dass sie in Neuseeland ist und nicht in Indonesien.

Er hätte nur auf Mandis Telefon die Liste der zuletzt gewählten Nummern ansehen müssen, um zu wissen, dass die Nummer von Marcus nicht nur die letzte ist, sondern sogar die drei letzten.


Schließlich findet Alan das, wonach er sucht. Ein paar Sekunden lang hält er die Visitenkarte von Marcus in seiner Hand und sieht sie an. Dann atmet er tief durch und wählt.

»Guten Tag, ist Marcus zu sprechen? Hier ist Alan aus Australien. Oh – hallo, Klaus! Wie geht’s?« Alan hört seine Stimme und denkt, dass sie eigenartig ruhig klingt.

»Schön, von Ihnen zu hören, Alan«, sagt Klaus. »He, wann kommt Mandi wieder hierher? Hat sie ihren Job beendet und können wir uns wieder auf Anrufe von ihr freuen? Verstehen Sie mich nicht falsch, ihr Assistent Kevin macht seine Sache gut als ihr Vertreter, aber – Sie wissen schon – Mandis Einsatz und Wissen sind einfach konkurrenzlos.«

Die paar Sätze genügen Alan, um sicher zu sein, dass Klaus nichts von ihrer Trennung weiß. Nach einer kurzen Pause sagt er: »Um die Wahrheit zu sagen, ich habe seit ein paar Tragen nichts von Mandi gehört. Ich war selbst auswärts …«

»Bleiben Sie eine Minute dran, Alan. Marcus hat vor kurzem mit ihr gesprochen, aber ich weiß nicht genau, wann. Ich sehe, ob ich ihn schnell finden kann – oder soll er zurückrufen?«, fragt Klaus.

»Nein, schon gut! Ich bleib dran«, gibt Alan zur Antwort.

Alan hat diese Fahrstuhlmusik immer gehasst, die man zu hören bekommt, wenn man in der Warteschleife ist. Heute würde er dafür bezahlen, um so ein schreckliches Gedudel hören zu dürfen. Es wäre auf jeden Fall besser als das Schweigen.

»Hallo, Alan. Tut mir Leid, dass Sie warten mussten«, sagt Marcus. »Klaus sagt, Sie versuchen herauszufinden, wo Mandi ist. Ich habe das letzte Mal vor ein paar Tagen mit ihr gesprochen. Sie hat einige ihrer vorläufigen Ergebnisse mit unseren Daten überprüft.«

»Dabei geht es um die e-Helper und die Dinge, die in dieser Dschungelanlage gefunden wurden – und die Messwerte von dort, richtig?«, fragt Alan.

»Ja, genau«, bestätigt Marcus. »Wir kommen auf schockierende Resultate. Aber ich bin sicher, Mandi hält Sie über alles auf dem Laufenden …«

Alan unterbricht Marcus. »Ich war eine Zeit lang weg«, lügt er. »Ein Projekt, das mich ziemlich beansprucht hat. Mandi wollte mir bei meiner Rückkehr alles erzählen. Was sind Ihre neuesten Erkenntnisse?«

»Die Einzelheiten soll Ihnen Mandi erzählen«, sagt Marcus. »Aber so viel kann ich sagen: Die vorläufigen Ergebnisse reichen schon aus, um einige große Unternehmen in der Öffentlichkeit anzuprangern. Sobald die Informationen publik werden, können sie von Glück reden, wenn sie das finanziell überleben. Wir konnten den gefährlichen Einfluss dieser raubkopierten e-Helper bestätigen, die die erlaubten Strahlungswerte um ein Fünffaches überschreiten. Wir haben mit Ratten getestet. Die resultierenden Schädigungen ihrer Gehirne und ihres Hormonhaushaltes haben uns die Augen geöffnet!«

Bevor Alan irgendetwas sagen kann, fährt Marcus fort: »Was für uns aber total unerwartet kam, war die Veränderung des Verhaltens der Ratten. Je mehr e-Helpern sie ausgesetzt waren, desto aggressiver wurden sie. Jetzt möchten wir diese Untersuchungen an Menschen fortsetzen. Es klingt vielleicht weit hergeholt, aber was ist mit Wutanfällen im Straßenverkehr und in öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderen scheinbar unbedeutenden, aber häufig zu beobachtenden Aggressionsausbrüchen zwischen Mitmenschen? Wir sind mit Mandi über ein gemeinsames Forschungsprojekt zu diesem Thema im Gespräch.«

»Und was ist mit den Auswertungen der gestohlenen Daten?«, fragt Alan. »Mandi war total darin vertieft, als ich abreiste.«

»Ihre eigenen Forschungen bringen auch ziemlich Vernichtendes zu Tage«, sagt Marcus. »Sie testen, wie sich die schwachen Strahlungseffekte einzelner Geräte auf Dauer auswirken – der Einfluss der geringeren Strahlungsmenge, der jeder von uns täglich ausgesetzt ist. Zum Beispiel untersuchen sie die Wirkung von Fernsehern, Mikrowellen, Computern usw. – immer nur ein Gerät pro Test. Die Ergebnisse bestätigen die Untersuchungen, die schon vor über zehn Jahren durchgeführt worden sind. Ich denke, durch die Wiederholung dieser Forschung werden gewisse anerkannte Standards etabliert.

Interessant wird es dort, wo man an der Stelle weitermacht, an der die vergangene Forschung Halt gemacht hat, nämlich bei der kombinierten Wirkung all der einzelnen Effekte. Ich muss mir das noch näher ansehen, aber Mandi und mir kommt es vor, dass die Forschungen, die in der Dschungelanlage durchgeführt werden, dort weitermachen, wo Dr. Ramu Visra aufgehört hat. Wir dachten beide, dass Dr. Visras Arbeit nach seinem Tod keine Fortsetzung gefunden hätte, aber jetzt sieht es so aus, als ob sie in den Experimenten im Dschungel weitergeführt wird. Wir suchen immer noch nach einer Verbindung zwischen Dr. Visra und diesen Versuchen. Wie kann es sein, dass seine Versuchswerte, die angeblich in seiner malaysischen Universität durch Datenverlust verloren gegangen sind, plötzlich mitten im Dschungel von Indonesien auftauchen?«, fragt Marcus.

Alan fühlt Ungeduld in sich hochsteigen. Er möchte Marcus unterbrechen. Er möchte Marcus sagen hören, dass Mandi bei ihm, Maria und den Kindern gesund und sicher auf Great Barrier Island ist. Aber er weiß, dass sie nicht dort ist. Sie ist weg und er fragt sich, ob er sie jemals wiedersehen wird. Er atmet tief ein und versucht zuzuhören.

»… was sowohl Mandi als auch ich selbst verblüffend finden, ist, dass die isoliert gemessenen Geräte einzeln betrachtet nur minimale Effekte bewirken, die beherrschbar erscheinen – niedrige Werte, meist innerhalb der Toleranzgrenze. Die Ergebnisse der Versuche im Dschungellabor zeigen uns, dass wir in unserem alltäglichen Leben in einem gefährlich hohen Ausmaß von Elektrosmog umgeben sind. Wenn wir es ganzheitlich betrachten, dann werden wir von e-Smog praktisch ununterbrochen bombardiert. Das sind alles erst vorläufige Interpretationen und wir müssen noch eigene Experimente durchführen, aber all das ist sehr aufregend – und beunruhigend«, sagt Marcus.

»Die Werte – die sind von den Orang-Utans?«, fragt Alan und versucht dabei, interessiert zu klingen. Die Leidenschaft von Marcus für seine Forschung erinnert ihn an Mandi.

»Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber ich würde wetten, sie sind es. Wir sind noch dabei, die Daten zu analysieren«, sagt Marcus. »Ich habe eigentlich erwartet, Sie hätten eine Nachricht von Mandi für uns. Sie ist in einer interessanten Versuchsphase und ich habe gehofft, sie würde anrufen und hätte neue Informationen. Es ist eine tolle Partnerschaft, wir spielen Pingpong mit Informationen. Wir geben ihr ein paar Häppchen und sie gibt uns ein paar Häppchen und so weiter. Auf diese Weise haben wir schon recht gute Fortschritte gemacht. Sie hat gesagt, sie würde wegfahren, um ein paar Dinge zu erledigen – ist sie zurück ins Northern Territory?«

Alan schluckt – jetzt kommt es! »Ich glaube nicht, dass sie zurück ins Northern Territory ist. Marcus, ich fürchte, Mandi ist wieder bei der Dschungelanlage in Indonesien. Ich fürchte, das war es, was sie mit ‚ein paar Dinge erledigen‘ gemeint hat …«

»Was?! Wir haben geplant, alle dorthin zu gehen, aber erst in der nächsten Semesterpause … mit genug Daten in Händen, um sie aufzudecken. Wir haben vor, in ein paar Wochen zu fliegen. Was geht da vor, Alan?« Alan kann klar die echte Besorgnis in Marcus’ Stimme hören.

»Mandi hat eine Fehlgeburt erlitten und ich bin sicher, sie schreibt das dem e-Smog zu und der Zeit, die sie in der Nähe dieser Anlage verbracht hat. Ich fürchte, sie ist zurückgekehrt, um die Rechnung zu begleichen«, platzt es jetzt aus Alan heraus.

»Oh, mein Gott«, sagt Marcus leise. »Alan, wann ist sie fort? Wir müssen sie erwischen, bevor die es tun.«


Doch Mandis Aktionen sind nicht ganz so unbesonnen, wie die beiden annehmen. Anstatt direkt nach Indonesien zur Anlage im Dschungel zu eilen, ist sie nach New South Wales, Australien, geflogen. Dort besucht Mandi Evette, die junge Frau, die sie bei der Demonstration in der Rangler-Mine kennen gelernt hat. Sie haben engen Kontakt gehalten, seit Mandi von Indonesien zurückgekehrt ist.

Die Leute von SR Inc. sind nicht die Einzigen, die Interesse daran haben, die Wahrheit über den e-Smog herauszufinden. Evettes emotionaler Einsatz ist ebenso groß. Sie ist davon überzeugt, dass sie ihren Bruder Paul durch den e-Smog verloren hat. Und jetzt ist sie nahe daran, auch ihre Mutter zu verlieren.

Evettes Mutter leidet nicht unter Vergiftung durch e-Smog, so wie Paul, sondern sie leidet an einer Aversion gegenüber allen Arten von Gesprächen über e-Smog – und über Paul. Ihre Ablehnung ist so stark, dass sie damit gedroht hat, jede Kommunikation mit Evette abzubrechen, sollte sie mit ihrer Forschung fortfahren. Mandi ist eine große Stütze für Evette in dieser schweren Auseinandersetzung mit ihrer Mutter.

Seit ihrem Gespräch mit Mandi über elektromagnetische Umweltverschmutzung auf der Fahrt von Jabiru nach Darwin hat Evette gewaltige Fortschritte in ihrem e-Smog-Projekt gemacht. Sie hat Informationen zu über hundert Fällen gesammelt, in denen Personen behaupten, unter den Auswirkungen von Elektrosmog zu leiden. Viele dieser Personen stufen sich selbst als Elektrosensitive ein.

Evettes Projekt ist mehr als eine Zusammenstellung bekannter Fakten – sie versucht, jede Person zu kontaktieren. Da viele der Fälle bereits vor mehr als einem Jahrzehnt über Internet verbreitet wurden, erweist sich ihre Wiederaufnahme und Weiterverfolgung als äußerst schwierig. Manchmal, wenn Evette eine Kontaktperson anruft, verweigert diese jede Auskunft mit dem Hinweis auf »ärztliche Schweigepflicht«. Aber Evette denkt, es handelte sich wohl öfter um »Kein Interesse« oder »Lass mich in Ruhe«. Und sie hat dem nichts entgegenzusetzen.

Aber in den wenigen Fällen, in denen es Evette tatsächlich gelingt, elektrosensitive Personen zu erreichen, sind diese erleichtert, mit jemandem über die Angelegenheit zu sprechen, der offensichtlich ernsthaft besorgt über ihre Symptome ist und der nicht bloß behauptet, alles sei nur Einbildung.

Diese persönlichen Begegnungen bestärken und unterstützen Evette in ihrem Vorhaben. Bisher hat sie zehn Personen kontaktieren können und diese haben wertvolle Hinweise auf weitere gegeben. Sie haben Evette auch mit ausführlichen Hintergrundgeschichten versorgt, ihren langen Fragebogen ausgefüllt und geduldig Telefongespräche geführt. Mandi sieht sich Evettes Aufzeichnungen durch und ist beeindruckt, wie genau sie die Richtlinien und Protokolle befolgt hat, die sie ihr vorgegeben hatte.


An ihrem letzten gemeinsamen Abend in Nimbin besuchen die beiden ein kleines vietnamesisches Restaurant. Über zwei Monate lang haben sie per e-Mail und Telefon zusammengearbeitet. Heute haben sie das Durchackern der Daten abgeschlossen und Evette ist ermutigt, voller Zuversicht weiterzuarbeiten. Mandi hat ihr zahlreiche hilfreiche Tipps gegeben, wie sie ihre Forschung weiterführen und die Resultate in der Datenbank festhalten soll.

Mandi schlägt vor zu trinken »… auf deinen neuen Beruf, Evette. Ich glaube, du hast ein Talent für die Forschung – du hast das nötige Temperament, ein gutes Auge fürs Detail und die richtige Leidenschaft.«

Sie heben die Gläser und trinken.

»Um das Thema zu wechseln …«, sagt Mandi, »wie läuft denn die Sache mit den Demonstrationen? Wir waren so vertieft in die Arbeit, dass ich ganz vergessen habe, danach zu fragen. Bist du durch die Erfahrung in Jabiru von einer Organisatorin zur aktiven Demonstrantin geworden?«

Evette lächelt. »Nein, ich bin immer noch Organisatorin. Ich finde das Organisieren eine herausfordernde und lohnende Aufgabe. Eine örtliche Demo zu koordinieren ist einfach und unkompliziert. Wirklich interessant wird es erst bei weltweiten Protesten – zu zwei habe ich bisher beigetragen.«

»Erzähl mir etwas über diese globalen Protestaktionen. Wie funktioniert das? Habt ihr dafür ein Netzwerk von Leuten aufgebaut? Vor Jahren habe ich an ein paar Protesten gegen unfairen Handel teilgenommen, aber das war nur auf lokaler Ebene«, sagt Mandi.

»Das Schwierigste – und Interessanteste – beim Organisieren eines weltweiten Protestes ist, dass die Dinge ständig im Fluss sind. Es gibt Kontaktpersonen für alle Gebiete, aber diese Kontakte ändern sich ständig. Es gibt eine große Fluktuation, teils, weil die Leute sich von der Idee abwenden, teils aus anderen privaten Gründen. Oder die Leute bleiben dieselben, aber ihre Adresse oder sogar ihr Name hat sich geändert. Alles passiert auf freiwilliger Basis und dadurch kommt eine große Dynamik ins Spiel: Ständig muss man Leute suchen, die mitmachen wollen. Mir gefällt diese Arbeit wirklich – besonders auf globaler Ebene. Ich denke, hier kann ich wirklich etwas Wichtiges beitragen«, sagt Evette.

»Etwas Wichtiges beitragen …«, denkt Mandi. Sie sieht Evette an: Sie ist jung, idealistisch und leidenschaftlich – alles sehr attraktive Eigenschaften. Sie fragt sich, ob die Frau, mit der Alan eine Affäre in Neuseeland hat, vielleicht Evette ähnlich ist …

Mandi nippt an ihrem Wein und spielt mit ihrem Haar. »Etwas beitragen …«, wiederholt sie in Gedanken. »Das ist es, was ich tun werde, sobald ich hier abreise: einen Beitrag zum Wohl der Menschheit leisten. Für Leute wie Paul und Klein-Alibu, die durch e-Smog vergiftet worden sind.« Mandi legt unbewusst ihr Hand schützend auf ihren Bauch. Sie hat ihr ungeborenes Kind liebevoll Klein-Alibu genannt.

Evette bemerkt Mandis Handbewegung. Mandi hat sich in den letzten drei Tagen schon öfter derart an den Bauch gefasst und Evette ist daher versucht anzunehmen, dass sie schwanger sei. Allerdings huscht jedes Mal ein Ausdruck von Traurigkeit über Mandis Gesicht, wenn sie das tut.

»Mandi, ist alles in Ordnung?«, fragt Evette leise. Mandi errötet. »Ja, klar.« »Ich möchte mich nicht aufdrängen, aber … na ja, wenn du über etwas sprechen willst – ich höre zu. Ich bin gut im Zuhören.”

Mandi sieht Evette an: Ihre Augen zeigen Reife und Einfühlungsvermögen – mehr, als man von einer Frau ihres jugendlichen Alter erwarten würde. »Dieser Mensch«, denkt Mandi, »hat bereits zwei seiner drei Familienangehörigen verloren: ihren Bruder und ihren Vater. Allein diese Tatsache ist niederschmetternd.«

»Ich hatte vor kurzem eine Fehlgeburt«, sagt Mandi, »und ich denke, die Ursache war e-Smog.«

Evette starrt Mandi ergriffen an – nach ein paar Augenblicken ergreift sie ihre Hand und hält sie sanft fest. »Wenn das so ist«, sagt sie langsam, aber bestimmt, »dann müssen wir etwas unternehmen.«

»Ja«, antwortet Mandi, »ich werde die Kugel ins Rollen bringen.«

»Woran denkst du?«, fragt Evette. »Wo immer ich helfen kann, kannst du auf mich zählen. Sag mir nur, was ich tun soll.«

Mandi lächelt und drückt Evettes Hand.

»Was ist los, Mandi? Du kannst mich nicht länger hinhalten«, sagt Evette. »Die letzten Tage hast du immer wieder Bemerkungen fallen lassen, dass du an Forschung beteiligt bist – Forschung zusammen mit anderen. Mit wem arbeitest du zusammen? Wenn ich ernsthaft daran denken soll, in die Forschung einzusteigen, gibt es dann dafür einen besseren Moment als jetzt!?«

Auch wenn Mandi Evette erst seit kurzem kennt, hat sie das starke Gefühl, dass sie alle Voraussetzungen mitbringt, eine erfolgreiche Wissenschafterin zu werden – außer einer: Geld. Aber Mandi hat bereits Ideen, wie sie Evette auch in diesem Bereich auf die Beine helfen kann.

Und Evette kann ihrerseits Mandi helfen. Die Messwerte, die Mandi und SR Inc. aus ihren eigenen Untersuchungen, und aus der Analyse der Daten aus der Dschungelanlage gewonnen haben, sprechen deutlich für die Gefährlichkeit von Elektrosmog. Sie ist hier in etwas hineingeraten, das gefährlich für sie persönlich werden könnte. An einem gewissen Punkt braucht sie vielleicht starke Rückendeckung und ein globaler Protest könnte dann gerade das richtige Druckmittel sein …

»Evette, ich arbeite mit einer neuseeländischen Gruppe zusammen – sie nennen sich SR Inc. In den letzten Monaten haben wir unglaubliche Fortschritte in der Erforschung der elektromagnetischen Strahlung gemacht. Wir haben eine Serie von Experimenten durchgeführt, die dort ansetzen, wo die Forschung vor einem Jahrzehnt im Sand verlaufen ist. Ich sollte besser sagen, wir machen dort weiter, wo wir dachten, die Forschung hätte vor zehn Jahren aufgehört. Ich komme darauf gleich zurück. Erinnerst du dich an unser Gespräch über die Tests mit einzelnen Geräten, wie Handys, Fernseher, e-Helper usw.?« Evette nickt.

»Gut. Wir sind gerade dabei, solche Geräte erneut zu testen, um eine Grundlage von Basiswerten zu erhalten«, sagt Mandi. »Dabei gehen wir jetzt aber einen Schritt weiter: Wir untersuchen die elektromagnetische Umweltverschmutzung in ‚echten‘ Umweltbedingungen. In Umgebungen, in denen wir unser tägliches Leben verbringen: in unseren Wohnungen.«

Mandi fährt fort: »Wir beide haben während der Fahrt von Jabiru nach Darwin über das ‚ganzheitliche‘ Testen gesprochen. Wir haben eine breitere, eine gesamte Sichtweise, wir haben mehr im Blick als nur die Einzelteile. Ich muss allerdings zugeben, dass das Wort ‚ganzheitlich’ für mich einen etwas spirituellen Beigeschmack hat, der mir nicht ganz recht ist.«

Sie lächelt und fügt schnell hinzu: »Die spirituelle Bedeutung ist okay, ich kann nur diesen Bereich in meinen Experimenten nicht festhalten. Ich fühle mich viel wohler in greifbaren, praktischen Gebieten. Jedenfalls testen wir die Reaktion von Ratten auf ständige, geringe Dosen von e-Smog. Zum Beispiel sehen wir uns die Auswirkung auf ihre Gehirne an, und zwar sowohl auf physischem Niveau – also auf Zellebene – als auch die sichtbaren Auswirkungen auf die Emotionen und die Aktivität der Tiere.«

»Ihr könnt die Emotionen von Ratten einschätzen?«, fragt Evette amüsiert und zugleich neugierig.

»Nicht wirklich«, lacht Mandi, »deshalb beobachten wir ihr Verhalten und versuchen, daraus Rückschlüsse auf ihre Gefühle zu ziehen. Wenn sie andauernd geringen Strahlungsmengen ausgesetzt sind, zeigen sie zum Beispiel ein wesentlich höheres Aggressionspotenzial. Aber auch bei sporadisch hohen Werten von e-Smog beobachten wir starke Aggression. Ob man das auf Menschen übertragen kann, das heißt, ob man zum Beispiel vermehrte Fälle von Wutausbrüchen oder aggressive Akte von Menschen mit e-Smog in Zusammenhang bringen kann, ist Teil zwei unserer Versuchsserie.«

»Ist Aggression das einzige Symptom, das ihr beobachtet habt?«, will Evette wissen.

»Keineswegs«, antwortet Mandi. »Die Symptome der Leute, mit denen du in deinem Projekt sprichst, sind die gleichen, die wir in unseren Einzelversuchen und in den ‚gesamtheitlichen‘ Untersuchungen finden. Die Liste der Symptome ist lang, einschließlich Kopfschmerzen, Übelkeit, Mattigkeit, Hautkribbeln, Depression, Vergesslichkeit und Lernschwierigkeiten, um nur ein paar zu nennen. Und das sind nur die sichtbaren Symptome. Was ist mit den unsichtbaren Symptomen der e-Vergiftung – dem Absterben von Zellen und dem daraus resultierenden Zusammenbruch von Organen?«

»All diese Ergebnisse habt ihr aus den Versuchen mit Ratten?«, fragt Evette.

»Nein. Wir haben gedacht, die Erforschung der schädigenden Auswirkung von e-Smog hätte vor zirka zehn Jahren aufgehört, ungefähr mit dem Tod von Dr. Ramu Visra, aber das hat sie nicht! Es schien nur so, weil die Fördergelder ausblieben und weil man empfohlene Sicherheitswerte festlegte. Aber die Forschung hat nicht aufgehört! Wir haben kürzlich die Ergebnisse von langfristig durchgeführten Forschungsarbeiten enthüllt, die sowohl die Auswirkung einzelner als auch die kombinierte Wirkung von verschiedenen Geräten untersuchen. Und wir haben dadurch Zugriff auf Werte erhalten, die wir jetzt analysieren und mit eigenen Tests überprüfen. Wir können ihre Experimente nicht exakt reproduzieren, weil sie als Versuchstiere eine gefährdete Tierart – Orang-Utans – verwenden, aber wir versuchen die Tests an anderen Tieren nachzuvollziehen.«

»Mandi, das sind gute Nachrichten! Du hast mit denen erfolgreich zusammengearbeitet, um diese Daten ans Tageslicht zu bringen. Ich denke, darauf sollten wir noch einmal trinken!«, sagt Evette und hebt ihr Glas.

»Na ja, damit würde ich noch etwas warten«, entgegnet Mandi. »Es ist eigentlich nicht wirklich so, dass ich mit den Leuten, die die Daten haben, zusammengearbeitet habe …«

Evette blickt etwas verwirrt: »Aber du hast doch mit der Gruppe in Neuseeland kooperiert …« Da sie ihr Glas schon einmal erhoben hat, beschließt sie, doch gleich ein, zwei Schluck zu nehmen. Sie blickt Mandi erwartungsvoll an.

»Es ist eine lange Geschichte. Kurz gesagt: Die Antwort ist ja und nein. Ja, ich habe mit SR Inc. in Neuseeland zusammengearbeitet. Und nein, es ist nicht die Gruppe, von der die Daten stammen. Diese Gruppe ist – ehrlich gesagt – höchstwahrscheinlich nicht gerade erfreut darüber, dass ich ihre Daten besitze. Aber das ist eine lange Geschichte!«

»Wir haben jede Menge Wein – und Zeit«, sagt Evette.


Im Laufe des Abends – und von über zwei Flaschen Wein – erzählt Mandi ihre ganze Geschichte: Wie ein einfacher Motorschaden an einem LKW im indonesischen Dschungel eine ungewöhnliche – ja, surreale – Kette von Ereignissen ausgelöst hat. Sie erzählt von den raubkopierten e-Helpern, der Anlage im Dschungel und den Orang-Utans in den Käfigen. Über ihren Verdacht des unfairen Handels, der sich in eine unglaubliche Chance und eine Freundschaft mit SR Inc. gewandelt hat. Über Elly, Eko und ihre eigenartigen Träume. Und sie spricht über Singapur, über Alan, ihre Schwangerschaft und die Fehlgeburt.

Einmal begonnen, kann Mandi nicht mehr mit dem Sprechen aufhören. Seit ihrer Rückkehr aus Indonesien hat sie sich nicht die Zeit genommen, über das Erlebte nachzudenken. Sie hat sich direkt in die Partnerschaft mit SR Inc. gestürzt. Auch ein neues Studienjahr an der Universität hat begonnen und das bedeutet neue Studenten und neue Laborprojekte. Zu alledem kam, dass ihre Schwangerschaft sie sehr müde gemacht hat.

Immer wieder wird Mandi von ihren Emotionen überwältigt und sie muss kurz innehalten. Dann nippen die beiden Frauen kurz am Wein, bis sich Mandi wieder gefasst hat und fortfährt.

Das Sprechen mit Evette erlaubt Mandi, ihre Geschichte aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Evette hört aufmerksam zu und stellt immer wieder verständnisvoll Fragen, die Mandi dazu bringen, über die Dinge nachzudenken und neue Aspekte zu sehen.

Als sie sich ausgesprochen hat, hat Mandi starke, sehr gemischte Gefühle. Sie fühlt sich erleichtert, wie sie sich seit der Rückkehr aus Indonesien noch nicht gefühlt hat. Allein das Sprechen über ihre Lasten scheint diese gemildert zu haben. Aber sie fühlt sich auch emotional total ausgelaugt. Evette hat einen sicheren Ort geboten, wo Mandi sprechen und nachdenken kann. Vielleicht war es notwendig, quer durchs Land zu fliegen und mit jemandem zu reden, den sie nicht so gut kennt, um überhaupt offen über die Sache sprechen zu können.


Als sie später über leichtere Themen plaudern, fühlt Mandi einen unglaublichen, untröstlichen Schmerz über den Verlust ihres ungeborenen Kindes. Sie weiß, dass sich tief in ihrem Schmerz über das Kind noch eine andere Trauer verbirgt: die Trauer über das Ende der Chancen, eine eigene Familie zu haben. Mit dem Verlust des Babys und dem Ende der Beziehung mit Alan kommt das Bewusstsein darüber, dass sie wohl nie ein Kind oder eine Familie haben wird. Sie wird heuer 44 Jahre alt. Aber darüber spricht sie nicht mit Evette. Evette ist jung. Mandi nimmt nicht an, dass sie diese Gefühle verstehen kann. Außerdem kann sie noch gar nicht darüber sprechen – der Schmerz ist zu stark.

Worüber Mandi allerdings sehr wohl sprechen kann, das sind ihre Pläne. Sie will nach Indonesien unter dem Vorwand zurückkehren, die Arbeit an Phase III des Projektes aufzunehmen. Terry wird die nächste Zeit bei der Mine sein, also wird sie ihn treffen. Sie hat vor, ihn mit den Tatsachen zu konfrontieren – mit den illegalen Vorgängen. Er kennt das indonesische System besser als sie, daher hofft sie, dass er ihr Tipps geben kann, was die beste Strategie ist – welche rechtlichen Schritte sie unternehmen soll. Egal, was sonst noch Illegales am Laufen ist in der Mine, diese Gesetzwidrigkeit muss aufhören. Sie ist nicht nur illegal, sondern auch tödlich. Und sie selbst ist der lebende Beweise dafür.

Evette besteht darauf, mit Mandi zur Dschungelanlage zu gehen. Sie fürchtet um Mandis Sicherheit, bei allem, was schon geschehen ist. Aber Mandi ist damit nicht einverstanden. Sie selbst hat einen Vorwand, zur Mine zurückzukehren, nämlich Projektphase III. Sobald sie mit Phase III beauftragt ist, kann sie Evette als Assistentin dazuholen. Bis dahin allerdings, denkt sie, ist es das Beste, wenn Evette in Australien bleibt.

Evette fügt sich Mandis Entscheidung. In Wirklichkeit hat sie mehr Erfahrung mit großen internationalen Konzernen als Mandi. Bei ihren Protesten war sie Zeugin der unglaublichen Skrupellosigkeit und Härte, mit der Unternehmen gegen Gegner vorgehen, wenn ihre Interessen gefährdet sind. Aber selbst die Extreme, die Evette miterlebt hat, sind mild verglichen mit dem, was Mandi bevorsteht …

Außerdem braucht Mandi Evettes Erfahrung genau dort, wo sie jetzt ist: in Australien. Sie könnte ihre Hilfe benötigen, wenn es darum geht, einen weltweiten Potest auf die Beine zu stellen. Es ist nicht klar, wer der Geldgeber der Produktions- und Forschungsanlagen im Dschungel ist, aber wer immer es auch sein mag, er hat offensichtlich jede Menge Geld für die neueste Technologie zur Verfügung. Die Computeranlagen und Satellitenkommunikation sind vom Allerfeinsten und topaktuell. Die Drohung mit globalem Massenboykott ist vielleicht das einzige Druckmittel, das die Hintermänner an den Verhandlungstisch mit ihr und SR Inc. bringen könnte.


Beim Gedanken an SR Inc. überfällt Mandi ein schlechtes Gewissen, denn sie hat eigenmächtig ihre gemeinsamen Pläne umgestoßen. Sie hatte mit Marcus, Maria und Barry vereinbart, dass sie in den Semesterferien gemeinsam nach Indonesien reisen würden. Marcus meinte, sie hätten als Gruppe bessere Chancen Verhandlungen zu erreichen, wenn sie Daten aus zwei verschiedenen, unabhängigen Quellen in Händen hätten. Es wären sogar drei verschiedene Quellen, wenn sie die belastenden Ergebnisse des Dschungellabors dazuzählen wollten. Sie brauchen so viele Daten wie möglich, wenn sie – wie Marcus vermutet – ein internationales Konsortium von Unternehmen angreifen wollen. Mandi stimmt dem zu – theoretisch.

Seit sie das mit Marcus vereinbart hat, haben sich einige Dinge in ihrem Leben getan, zum Beispiel die Fehlgeburt. Ihre Meinung hat sich geändert. Marcus und Maria haben Kinder, warum sollten sie sich also gefährden? Ja, SR Inc. hat Rettungsaktionen durchgeführt, aber das waren Aktionen von Menschen gegen Naturgewalten: Mensch gegen Unwetter oder Erdbeben. Nach Mandis Ansicht ist es wesentlich gefährlicher, wenn Menschen gegen Menschen antreten. Wüsste sie von den Erfahrungen der Mitglieder von SR Inc. in diesem Bereich – Menschen gegen Menschen –, dann hätte sie ihre Pläne nicht geändert. Sie hätte sich vorbehaltlos mit Marcus und seinen Parakollegen verbündet.


Am nächsten Vormittag fahren Evette und Mandi schweigsam zum Flughafen. Mandi plant, wie sie ihre »Dinge erledigen« wird, und Evette plant bereits die potenzielle Organisation eines weltweiten Protestes.

Die beiden haben mehr gemeinsam als ihre Leidenschaft für Wissenschaft und Gerechtigkeit. Sie teilen eine Last – den Tod eines Geliebten durch e-Smog. Sie teilen aber auch eine Hoffnung: die Chance zu verhindern, dass so etwas auch anderen zustößt. Was sie noch nicht wissen, ist, dass sie noch eine andere Ähnlichkeit haben – sie werden bald beide die Erfahrung machen, dass Unvorstellbares möglich ist …

Obwohl Mandi einen schweren Kopf vom Wein hat, ist sie erfüllt von nachdenklicher Nüchternheit. Sie sieht aus dem Flugzeugfenster auf die weißen Wolken, die sich unter ihr aufbauschen: Da ist ein Pferd, das sich aufbäumt, ein Drache, der Kopf eines Löwen.

Ihre Gedanken schweifen ab zu dem Telefongespräch, das sie in der Früh mit ihrem Universitätsassistenten Kevin geführt hat. Kevin ist gut organisiert und arbeitet akribisch genau. Nicht ein einziges Detail würde ihm entgehen. Er ist pünktlich und verlässlich. Und doch fehlt ihm etwas. Mandi hätte es nicht benennen können – bis gestern Abend. Was ihm fehlt, ist Leidenschaft.

Im Gegensatz zum stoisch ruhigen Kevin sprüht Evette vor Leidenschaft. Aber auch die anderen Erfordernisse der wissenschaftlichen Arbeit – Disziplin, Gründlichkeit, Beobachtungsgabe usw. – scheint sie mitzubringen. Bisher war sie allerdings nicht in ein Team und eine Arbeitsumgebung eingebunden, die diese Fähigkeiten täglich erfordert hätten. Wie wird die Zusammenarbeit mit ihr als Forschungsassistentin langfristig funktionieren, besonders dann, wenn sie sich auf ein Thema konzentrieren soll, das sie nicht derart persönlich betrifft wie e-Smog?

Mandi sinniert darüber, wo das Lehren aufhört und wo Vorbildfunktion beginnt und ob es überhaupt ein solches Spektrum gibt. Sie zweifelt nicht daran, dass Evette in kurzer Zeit einen guten grundsätzlichen Umgang mit allen Aspekten der Forschung entwickeln wird, wenn man ihr Gelegenheit dazu gibt. Evette lernt schnell. Aber Mandi fragt sich, ob sie Kevin je wissenschaftliche Leidenschaft beibringen kann. Sie hofft, dass sie eine solche vorlebt, aber kann sie diese Eigenschaft lehren und in anderen irgendwie hervorrufen?

Aber vielleicht gibt es da ja noch einen anderen Zugang zu dieser Frage, den Mandi bisher übersehen hat. Im nächsten Semester wird sie das Kevin und Evette selbst überlassen können. Sie kann die beiden als Assistenten zusammenbringen. Sie steht ihnen als Betreuerin und Mentorin zur Verfügung und sie können ihre Vorlesungen besuchen. Aber das meiste werden sie in der Zusammenarbeit miteinander lernen. Entweder werden sich ihre Wesenszüge ergänzen oder es wird zu starken Reibungen kommen. Werden sie ihre unterschiedlichen Arbeitsweisen schätzen lernen?

Mandi ist zufrieden mit dem Statusbericht, den ihr Kevin geschickt hat. Sie arbeiten an drei größeren Projekten bzw. Projektanträgen. Das größte Vorhaben ist die Zusammenarbeit mit SR Inc. Das Projekt mit diesem Unternehmen ist in Wirklichkeit eine ganze Serie von ineinander verzahnten Teilprojekten. Kevin berichtet in seinen täglichen e-Mails an Marcus und Klaus – mit Kopie an Mandi –, dass alle Projekte gute Fortschritte machen.

Außerdem bereitet Kevin mit einem anderen Doktoratsstudenten weitere, unabhängige Projektanträge vor. Sie sind dabei, Mandis Kommentare zu lesen und sie in eine überarbeitete Version einzuarbeiten. Mandi ist begeistert von den vorgeschlagenen Projekten. Basierend auf einigen Ideen von Mandi wollen sie die Reaktionen von Pflanzen auf schwankende sowie auf beständig niedrige Mengen von elektromagnetischer Strahlung messen. Mandi muss erst noch die Finanzierung des Studenten sichern, aber sie ist zuversichtlich, dass sie mit den Ergebnissen aus dem Dschungellabor Gelder für ähnliche Untersuchungen auftreiben wird können.

Kevin und die anderen machen weitere – wenn auch langsame – Fortschritte bei der Analyse der Pflanzenteile, die Mandi aus dem Northern Territory mitgebracht hat. Dort hat sie Rindenstücke und Blätter von den abnormal hochgewachsenen Eukalyptusbäumen beim Crocodile Hotel gesammelt. Erst gestern haben sie eine mutierte Zellgruppe entdeckt. Sie können noch nichts über deren Ursprung aussagen, aber die Analyse wird fortgesetzt. Sie suchen nach weiteren Abnormitäten in den Zellen.

Mandis Gedanken kommen auf das Gespräch, das sie mit Herb Folsum geführt hat. Sie hatte ihn um zwei freie, unbezahlte Wochen gebeten. Er wollte keine Erklärung hören und hat darauf bestanden, dass sie sich zwei freie Wochen nimmt, aber mit Bezahlung. Mandi hat ihm versichert, sie würde die verlorene Zeit an Wochenenden einarbeiten. Darauf hat Herb nur gelächelt und genickt.


Während Mandi entspannt Richtung Balikpapan fliegt, zieht Sarif, der für die »öffentlichen Beziehungen« der Senaggin-Mine Verantwortliche, seinen klingelnden e-Helper aus der Tasche seiner Jeans hervor. Beim Blick auf die Rufnummer schwindet das Lächeln aus seinem Gesicht und sein Magen verkrampft sich. Nur einmal hat er bisher einen persönlichen Anruf von Max erhalten. Er schließt die Augen, atmet tief ein und drückt den Annahmeknopf. Noch bevor er Max grüßen kann, geht die Tirade los: »Sind Sie sicher, dass Sie die Sache im Griff haben oder soll ich meine Tochter zur Unterstützung schicken?«

Sarif läuft rot an.

Max fährt fort: »Nicht einmal, nein, zweimal konnten Ihnen Mandi und Elly entwischen. Sie sind sogar mitten aus dem Dschungel verschwunden! Ich habe immer noch keine glaubhafte Geschichte gehört, wie sie das geschafft haben. Und werden Sie mir nicht wieder pathetisch und faseln über Geister! Das ist jetzt Ihre dritte und letzte Chance. Zwingen Sie mich nicht, mich selbst darum zu kümmern, Sarif!«

Noch bevor Sarif etwas entgegnen kann, hat Max aufgelegt. Sarif starrt in die Ferne, seufzt und wendet sich den Männern neben ihm zu: »Mandi kommt in Balikpapan an. Sie wird im Bahtera Hotel übernachten. Aber sie wird ihren Flug um 9:30 Uhr nach Kota Baru nicht erreichen. Verstanden?«

Die Männer nicken zustimmend und gehen dann ihren gut überlegten und schon oft geprobten Plan noch einmal durch. Einer von ihnen, ein wenig stärker gebaut als die anderen, tritt vor und macht eine Bewegung wie beim Herunterkurbeln eines Autofensters. Er sagt: »Missus, Taxi? Airport? Ja, ich kann Sie bringen Airport. Bitte einsteigen.«

Damit nickt er einem zweiten Mann zu, der sagt: »Bei erster Ampel ich komme dazu. Das ist für Lärm.« Er zeigt ihnen sein Blasrohr und die Pfeile.

Mit einem Nicken gibt er weiter an einen dritten Mann, der sagt: »Ich warte bei Manggar in Boot und wir machen Fahrt, nur eine Richtung.«

Damit nehmen sie ihr Gelächter wieder auf und schlagen ihre Kaffeetassen zusammen. Dieses Problem – Mandi – wäre damit ein für alle Mal gelöst.


Sarif ist unter der Menschenmenge bei der Ankunft des Flugs aus Jakarta, aber Mandi erkennt ihn nicht, denn sie hat ihn nie zuvor gesehen. Er allerdings kennt Mandi. Max hat dafür gesorgt, dass Sarif die letzten Wochen an nichts anderes gedacht hat als daran, wie er Mandi aufhalten kann. Jetzt beobachtet er, wie sie aus der Ankunftshalle kommt. Sie sieht gleich aus wie letztes Mal, vielleicht etwas dünner. Sie nimmt sich ein Taxi zum Bahtera Hotel und er winkt jemandem, ihn mitzunehmen.

Auf der Fahrt ins Zentrum von Balikpapan überlegt Mandi, wie diese Reise bisher verlaufen ist. Sie hat nicht erwartet, dass ihre Einreise nach Indonesien so problemlos sein würde. Sie war auf die Prozeduren vorbereitet, die sie die ersten beiden Male durchmachen musste: Überprüfung und noch einmal Überprüfung des Visums und Komplikationen mit den Reisedokumenten. Diesmal allerdings haben die Beamten sowohl in Jakarta als auch in Balikpapan ihren Pass ohne jede Frage gestempelt.

Die Einfachheit der Einreise hat den gewünschten Effekt auf Mandi: Sie denkt, das Schicksal wäre jetzt auf ihrer Seite, sie sei dafür bestimmt, die Verantwortlichen der Anlage im Dschungel zur Rede zu stellen, alles würde glatt gehen. In Wirklichkeit ist es Sarif und sein wie verzweigtes Netzwerk von Helfern, die Mandi die Türen aufstoßen. Sie wollen Mandi in Sicherheit wiegen, um ihre Wachsamkeit zu unterminieren.

Mandi hat sich alle ihre Reisepläne von Terry bestätigen lassen. Sie hat ihm eine e-Mail mit allen Details geschickt, einschließlich ihrer geplanten Ankunft in der Senaggin-Mine. Er hat alles bestätigt und sie gebeten, sich vor ihrem Abflug nach Kota Baru noch einmal bei ihm zu melden.

Mandis Pläne passen bestens zu Sarifs Absichten. Nachdem sie sich am nächsten Morgen ein Taxi genommen und ein »Beruhigungsmittel« aus einem Blasrohr gespritzt bekommen haben wird, wird er auf ihrem e-Helper eine Nachricht an Terry schreiben, etwa: »Musste unerwartet meine Reise nach Indonesien wegen anderer Verpflichtungen absagen. Melde mich, sobald ich weiß, wann ich kommen kann.« Diese Nachricht wird Terry genug Erklärung für Mandis Nichtankunft geben. Er wird zwei oder drei Wochen nicht nach Mandi fragen und danach wird es zu spät sein.


Was Sarif und seine Komplizen aber nicht beeinflussen können, ist Terrys überstürzte Abreise von der Mine. An dem Tag, an dem Mandi ankommen soll, erhält er eine dringende Nachricht aus Australien: ein plötzlicher Krankheitsfall in der Familie – Terrys Vater hat einen Herzinfarkt erlitten. Terry beschließt, sofort nach Australien zu fliegen.

Bevor er abfliegt, spricht Terry am Flughafen von Balikpapan noch per e-Helper mit Mandi, die kurz davor angekommen ist und den Anruf im Taxi zum Hotel entgegennimmt. Sie haben sich auf dem Flughafen nur knapp verfehlt, aber Terry will in einer Woche zurück sein. Terry wird Asep von Mandis Ankunft verständigen; er sollte morgen bei der Mine sein und ihr zur Verfügung stehen.

Terrys geänderte Pläne und sein Gespräch mit Mandi ruinieren Sarifs Vorhaben. Jetzt wird man in der Mine wissen, dass Mandi in Indonesien ist. Sarif wird seine Strategie ändern müssen. Weder darf Mandi ein drittes Mal in die Dschungelanlage eindringen, noch darf sie mitbekommen, dass sie gerade umgesiedelt wird. Wenn Mandi bei ihrem ursprünglichen Plan geblieben wäre, nämlich in den Semesterferien zu kommen, wäre die Anlage bis dahin komplett abgebaut und woanders hingeschafft worden. Mandi und ihre Kollegen wären vor einer leeren Waldlichtung gestanden. Aber nun müssen sie den ganzen Plan über den Haufen werfen. Sarif und die anderen treffen sich auf der Straße gegenüber vom Bahtera Hotel, um einen alternativen Plan zu diskutieren. Wenn es Mandi ein drittes Mal gelingt, bis zur Anlage im Dschungel vorzudringen, ist Sarif, der Sicherheitsverantwortliche, mehr als nur seinen Job los.